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Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...

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Probleme gehabt mit Fleckhaus’ Art, Bilder zu beschneiden. «Wir waren Zugaben zu seinem<br />

Design.» 31<br />

Der 1983 überraschend verstorbene Willy Fleckhaus war ein Meister in der Kunst,<br />

mittelmäßige Bilder durch Beschnitt in ihrer Wirkung zu steigern. Gute zog er mit Vorliebe<br />

über den Bund, präsentierte sie randabfallend oder kombinierte Aufmacher mit sogenannten<br />

«Würzbeigaben ». Dergleichen hatte <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> bei der FAZ nicht zu befürchten,<br />

höchstens daß sie hin und wieder für ihre Bildschöpfungen kämpfen mußte. Aber<br />

beschnitten, verändert wurden ihre Bilder nicht. Auch kein störender Falz, dafür Text, der<br />

sich wie ein graues Passepartout um die <strong>Fotografien</strong> legte – Motive, die inhaltlich nicht<br />

immer mit dem jeweiligen Artikel korrespondieren mußten. Vor allem in der Anfangszeit ihres<br />

Wirkens für die Zeitung gab es noch die Möglichkeit, «freie Bilder» einzubringen, Fotos, die<br />

für sich standen und allein als Bilder gelesen werden wollten. In dieser Zeit dürfte es sich<br />

<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> angewöhnt haben, überall und immerfort zu sehen, zu entdecken, Bilder für<br />

mögliche spätere Zwecke zu sammeln. Ihre Motive sind im besten Sinne gefunden, nicht<br />

erfunden oder inszeniert. Obwohl man sich schon mitunter fragt, wie sich bestimmte<br />

Situationen derart zwingend fügen konnten. 1985 in China erfaßt <strong>Klemm</strong> – wiederum mit<br />

streng orthogonalem Blick, also unter Vermeidung räumlicher Tiefe – eine Gruppe von<br />

weiblichen und männlichen Bauarbeitern, deren Interagieren eine wunderbar leichte, fast<br />

beschwingte Choreografie stiftet. (S. 228) Oder «Ukraine, UdSSR, 1978»: Eine Gruppe von<br />

Frauen, Erntehelferinnen auf freiem Feld. Sie haben wohl eine Ruhepause eingelegt. Aber<br />

die Art, wie sie ihr Arbeitsgerät nach Maßgabe eines unsichtbaren Geometers präsentieren<br />

bzw. abgelegt haben, das ist schon erstaunlich, auch erstaunlich schnell und gut gesehen:<br />

Alltagskultur als Diorama. (S. 100)<br />

Bilder von <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> seien «sofort zu erkennen», meint Andreas Platthaus, «weil es<br />

niemanden gibt, der ihr Gespür für Konstellationen besäße – von Menschen untereinander,<br />

aber auch von Personen und Räumen.» 32 «Wie haben Sie das gemacht, Frau <strong>Klemm</strong>?», hat<br />

Verena Lueken einmal, einen Buchklassiker von François Truffaut 33 paraphrasierend,<br />

gefragt. 34 «Ich spiele gern Regisseurin», sagt <strong>Klemm</strong>, «und warte, bis sich alles ordnet.» 35<br />

Von <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Bildern heißt es, sie besäßen «eine natürliche Noblesse », 36 was<br />

besonders für ihre Streiflichter aus dem Alltag einfacher, behinderter, gestrandeter oder alter<br />

Menschen gilt. <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> zeigt sie in ihrem Ringen, ihrer Not, ihrer Einsamkeit, ohne<br />

sie zu karikieren. Selbst einer Toten («Mord, Frankfurt 1974»), im Prinzip wehrlos den<br />

Blicken des Boulevard ausgesetzt, wird ihr Respekt zuteil, wenn nämlich <strong>Klemm</strong> die im Laub<br />

ausgestreckte Leiche aus gebührender Entfernung in ein Ermittlungsgeschehen integriert,<br />

wie es in dieser unaufgeregten Professionalität selbst der treueste «Tatort»-Konsument noch<br />

nicht gesehen hat. «Sie beobachtet Menschen, aber sie verrät sie nicht», sagt Wilfried<br />

Wiegand, 37 während Christoph Stölzl ihre «Fairness gegenüber allen anwesenden<br />

Menschen» hervorhebt. 38 Letzteres gilt es einzuschränken. Denn auch <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>, bei<br />

allem Humanismus, einer, wie Ursula Zeller es ausdrückt, «positiven Grundstimmung», 39<br />

besitzt ein durchaus kritisches, sezierendes, wenn nicht böses Auge, das sie im Besonderen<br />

aktiviert, wenn sie die politische Arena betritt. <strong>Klemm</strong> kennt das politische Geschäft, kennt<br />

die Protagonisten und ihre Netzwerke. Jeder ihrer Arbeitstage, und das heißt: eigentlich<br />

jeder Tag, beginnt mit dem aufmerksamen Studium mehrerer Tageszeitungen. Nicht nur<br />

mobilisiert die Lektüre Ideen, macht auf Themen aufmerksam, sie hilft auch, den Politzirkus<br />

zu durchschauen. Was kluge Kommentare mehrspaltig darzustellen versuchen, etwa das<br />

spannungsreiche Verhältnis zwischen zwei so unterschiedlichen Naturen wie Willy Brandt<br />

und Helmut Schmidt – sprechen könnte man von kultivierter Aversion auf hohem Niveau –,<br />

<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> bringt es mit einem Foto auf den Punkt (S. 69). Oder ihr Brustbild eines<br />

feixen - den Hans Filbinger (S. 65), der sich – ungeachtet seiner tiefbraunen Vergangenheit<br />

– diebisch zu freuen scheint, weil er mitspielen, eine Rolle bekleiden darf im politischen Ring<br />

der jungen Bundesrepublik.<br />

Bilder wie diese – vor allem <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s politische Gruppenporträts –, sind natürlich<br />

Augenfutter für Analytiker. Immer wieder gelingt es <strong>Klemm</strong>, im Bruchteil von Sekunden, aus<br />

<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 21

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