29.12.2013 Aufrufe

Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...

Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...

Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Quivive. Gern zitiert sie Henri Cartier-Bresson. Auch der habe geschrieben, «man müsse als<br />

Fotograf immer in Bewegung bleiben.» 44 Im übrigen liefert sie sich einem Raum, einer<br />

Umgebung, einer spezifischen Atmosphäre aus, läßt sich überraschen und versteht, noch<br />

aus einem Minimalangebot ein gültiges Porträt zu formen. «Als sie zu Dürrenmatt kam,<br />

wetterte er plötzlich, was sie eigentlich wolle; anderntags war er so freundlich, daß lauter<br />

langweilige Bilder entstanden – verglichen mit denen vom Tag zuvor. Peter Handke fragte,<br />

obwohl sie verabredet waren: ‹Was wollen Sie eigentlich machen?› Sie habe darauf<br />

geantwortet: ‹Ich beobachte jetzt mal, was Sie tun.› Darauf habe er gesagt: ‹Ich sitze hier,<br />

ich mache gar nichts.› Worauf sie erwiderte: ‹Gut, dann setzen Sie sich halt hin und machen<br />

nichts.› Sie sagt: ‹Und das war das Bild.›» 45 Deutlich wird <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Ansatz auch im<br />

Vergleich mit jenen Farbporträts, wie sie Fotografen wie Serge Cohen oder Abe Frajndlich in<br />

den 1980er und 1990er Jahren für das Magazin der FAZ aufgenommen haben, wobei Annie<br />

Leibovitz inspirierend gewirkt hat. Und so wurden die vermeintlich Großen mit viel Phantasie,<br />

zirzensischem Geschick, unerhörtem Aufwand und einer am Fotodesign geschulten<br />

Strategie ins Bild gerückt. <strong>Klemm</strong> dagegen kommt allein, kommt mit ihrer schlichten Tasche,<br />

den beiden Kameras, sucht eher intime Augenblicke, von denen dann nicht jeder eine auf<br />

Einblicke ins Private getrimmte Öffentlichkeit erreichen muß. Bei Thomas Bernhard sei ihr,<br />

sagt sie, das gemalte Porträt eines jungen Mannes aufgefallen. «Ich fragte, ob es ein<br />

Verwandter von ihm sei. Er verneinte und meinte nur: ‹Der guckt mich so ruhig an.› Da habe<br />

ich gesagt: ‹Ich möchte, daß Sie mir einmal so in die Kamera schauen.› Da hat er gelächelt<br />

und hat zu mir in die Kamera geblickt. Dieses Bild hatte für mich etwas fast Privates. Ich<br />

habe es erst zu seinem Tod an die Zeitung gegeben. Da war so ein Lächeln in den Augen,<br />

von dem ich dachte, eigentlich war es für mich bestimmt.» 46<br />

Mit ihrem altersbedingten Ausscheiden aus der Redaktion der FAZ hat <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> die<br />

Fotografie nicht aufgegeben. Sie bleibt neugierig, eine nimmermüde Augenzeugin, auch<br />

wenn die Arbeit am Archiv, das Konzipieren von Büchern und Ausstellungen inzwischen den<br />

größten Teil ihrer Zeit und Kraft in Anspruch nimmt. Nach wie vor unterhält sie ihr Archiv bei<br />

der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die weiterhin Zugriff hat auf <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s visuelle<br />

Welt und auch immer wieder Bilder publiziert. Was die digitale Welt betrifft: «Das reizt mich<br />

gar nicht», gesteht <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. «Erstens sind die professionellen Digitalkameras auch<br />

enorm schwer, die Arbeit wird nicht leichter, ich müßte noch mehr schleppen. Zweitens gehe<br />

ich gerne in die Dunkelkammer.» Und drittens, sagt sie, gehe das Geheimnisvolle verloren:<br />

«Ich glaube auch, daß das zu einer Unkonzentriertheit führen kann und man vielleicht den<br />

wichtigen Moment verpassen könnte.» 47<br />

<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Fotografie sei «eine leise Kunst», hat Wilfried Wiegand einmal<br />

unterstrichen, «eine Kunst der Nuancen.» 48 Während die große Ellen Auerbach in einem<br />

sehr persönlich gehaltenen Text ihrer jüngeren Freundin und Kollegin ein magisches «drittes<br />

Auge» attestierte: «Dieses Auge sieht das Unsichtbare, das Wesentliche, sieht das, was den<br />

Erscheinungen zugrunde liegt. Das Baumige eines Baumes, das Göttliche in einem<br />

verlausten Kind.» 49 Das ist schön gesagt, noch dazu mit einem Prädikat, das es eigentlich<br />

gar nicht gibt: Tatsächlich zieht sich «das Baumige » durch <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Werk wie ein<br />

Generalbaß. Ihr Streben zielt auf die Essenz. Wesentliches herauszudestillieren ist ihr Ziel.<br />

Ihr Handwerkszeug – eine Kamera, natürlich. Daneben ein großer Humanismus, Neugier,<br />

ein waches Auge, Energie, der unbedingte Wille aufzuklären, zu informieren, zu erzählen.<br />

Aber auch ein unglaubliches Talent, Bilder zu stiften, die als Bilder überzeugen.<br />

Erstaunlicherweise kennt ihre Fotografie keine Tiefen, nur Höhen, kein altersbedingtes<br />

Ermüden, sondern Qualität über annähernd fünf Jahrzehnte. Reif war es von Anfang an.<br />

Fraglos zählt das fotografische Werk von <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> zu den ganz großen Leistungen<br />

des Mediums im 20. Jahrhundert. Gäbe es ein Pantheon der Fotografie: Die deutsche<br />

Kosmopolitin <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> hätte einen Logenplatz verdient.<br />

<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!