Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...
Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...
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Veröffentlichungen im Spiegel, im Stern, in Christ und Welt. Gefragt waren vor allem Bilder<br />
aus dem Umkreis der in Frankfurt besonders aktiven Studentenbewegung. «Ich habe mit<br />
meinem Mann, der damals Medizin studierte, an den Veranstaltungen der Studenten<br />
teilgenommen und bin manches Mal bis zum Ende geblieben», erinnert sich <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>.<br />
«Die Höhepunkte dieser Treffen fanden meist erst spät nachts statt, wenn die<br />
Redaktionsfotografen, die ständig unter Termindruck standen, schon weg waren. So bekam<br />
ich andere Bilder als sie.» 17<br />
Diese Anekdote aus der Frühzeit ist erhellend für <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s Arbeitsweise und<br />
bezeichnend für ihr Vorgehen. Gern ist sie vor den anderen da, sondiert das Terrain, prüft<br />
Standpunkte, erkundet Möglichkeiten. Oder sie bleibt, wenn die anderen schon gegangen<br />
sind, weil sie meinen, ihr Bild zu haben. Was auf <strong>Klemm</strong>s Fotos nicht zu sehen ist (eine<br />
Ausnahme bildet die «CDU-Veranstaltung, Erfurt, 1991», wo sie dezidiert den Blick wendet),<br />
ist die journalistische Konkurrenz. <strong>Klemm</strong> ist nicht allein, jedenfalls bei politischen<br />
Großereignissen ringt sie oft genug mit Dutzenden, wenn nicht Hunderten von<br />
fotografierenden Kollegen und kommt doch zu Ergebnissen, von denen man meinen möchte,<br />
sie seien ihr auf dem silbernen Tablett serviert worden. <strong>Klemm</strong> steigt auf Leitern, auf<br />
Mauern, erklimmt Absperrungen oder das willkommene Dach eines herumstehenden VW-<br />
Busses, um – wie bei «Startbahn West» (S. 38) – einen historischen Moment in seiner<br />
ganzen Dramatik sinnstiftend zu erfassen. Willy Brandt, Walter Momper, Dietrich Stobbe hat<br />
sie am Morgen des 10. November 1989 vom Kamm der <strong>Berliner</strong> Mauer herab fotografiert (S.<br />
129). Eigentlich, sagt <strong>Klemm</strong>, hätte sie «viel lieber noch die Mauer im Hintergrund gehabt».<br />
Aber an einen Ortswechsel war in dem Gedränge nicht zu denken, und so lerne man, aus<br />
der Not eine Tugend zu machen. «Und man muß auch Glück haben», weiß <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>.<br />
«Daß da Gegenlicht war und daß die Zentrierung der Massen sich so soghaft vollzog, war<br />
nicht vorherzubestimmen. Es ergab sich dann eine wunderbare Ordnung der Menschen, die<br />
keine Regie hätte erfinden können.» 18<br />
Auf Mauern, Zäune, Autodächer gelangt man nicht oder nur schwer mit großem Equipment.<br />
<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> hat ihre Ausrüstung immer klein, überschaubar gehalten. Erstens, um mobil<br />
zu bleiben. Zweitens, um nicht als Profi aufzufallen. <strong>Klemm</strong> liebt das Understatement, liebt<br />
es, unterschätzt zu werden. Das habe ihr «immer sehr geholfen». 19 Vor allem im Osten – wir<br />
sprechen von der sogenannten «Vorwendezeit» – habe sie sich, und das hat «wunderbar<br />
funktioniert», «nie als professionelle Fotografin zu erkennen gegeben. Ich bin<br />
herumgestreunt, hatte nur eine Kamera in der Hand und eine weiche Tasche; ich hatte nie<br />
eine richtige Fototasche. Die Leute haben mich nicht wahrgenommen als Berufsfotografin,<br />
und das erleichterte mir die Arbeit.» 20 <strong>Klemm</strong> genügen zwei Kameras mit verschiedenen<br />
Festbrennweiten, Kleinbildkameras, versteht sich, oft eine (Canon) Spiegelreflex- und eine<br />
(Leica) Meßsucherkamera. Weitere Objektive, Filme, Zubehör finden sich in der erwähnten<br />
Tasche. Gelegentlich kommt ein Einbeinstativ hinzu für längere Brennweiten. Blitz ist Tabu.<br />
<strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> setzt ganz bewußt auf verfügbares Licht, das mitunter auch das Licht<br />
konkurrierender Fernsehteams sein darf wie bei «Helmut Kohl in Dresden, 19. Dezember<br />
1989» (S. 130), ein querformatiges Motiv, dessen Bildaufbau, dessen Dramatik im Verein mit<br />
einem gespenstischen Chiaroscuro an Albrecht Altdorfers «Alexanderschlacht» erinnert –<br />
und als Fotografie besteht. Blitz stört, Blitz verändert eine Situation. Entsprechend gehört<br />
available light ebenso zum dokumentarischen Selbstverständnis von <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> wie zu<br />
ihrem ästhetischen Credo, das nun einmal auf ebenso authentische wie ungewöhnliche<br />
Bilder zielt. Dabei kann verfügbares Licht alles mögliche bedeuten: Diffuses Licht bei<br />
bedecktem Himmel, hartes, der Sommersonne geschuldetes Streiflicht – wie bei ihrem<br />
vertikal gebauten Foto vom Holocaustdenkmal beim Brandenburger Tor – oder Gegenlicht in<br />
Kombination mit einem kühlen, vielleicht morgendlichen Dunst wie beim Blick auf die<br />
Siegessäule am «Tag der deutschen Vereinigung, Berlin, 3. Oktober 1990». (S. 135)<br />
Und noch etwas gehört zu den, fast möchte man sagen, Standards in <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>s<br />
beruflicher Vita: Chuzpe, eine gewisse Subversivität – was man der stets freundlichen,<br />
umgänglichen, um nicht zu sagen soignierten Fotografin gar nicht zutrauen möchte.<br />
<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 18