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schulen<br />

Zeitökonomie im Lehrerberuf<br />

Im Gespräch mit dem Unterrichtsentwickler Dr. Heinz Klippert<br />

Herr Dr. Klippert: Sie sehen Lehrerentlastung als zentrale Voraussetzung<br />

für wirksame Unterrichtsentwicklung. Warum?<br />

Unterrichtsentwicklung steht seit langem auf der Agenda der Schulen.<br />

Kompetenzvermittlung, Handlungsorientierung, Differenzierung,<br />

individuelle Förderung, Öffnung des Unterrichts u.a.m. sind<br />

die Ansprüche unserer Tage. Fakt ist jedoch, dass der tatsächliche<br />

Unterricht diesen Ansprüchen nur selten genügt und bis heute<br />

höchst lehrerzentriert ausfällt. Das zeigt die Unterrichtsforschung<br />

seit Jahr und Tag. Meine Erklärung für diese paradoxe Situation:<br />

Den reformwilligen Lehrkräften mangelt es schlicht und einfach<br />

an Zeit und Gelegenheit, ein neues Methoden- und Förderrepertoire<br />

so zu entwickeln, dass es verlässlich zur Verfügung steht. Die<br />

gängigen Reformversuche fallen in aller Regel sehr sporadisch,<br />

punktuell, unverbindlich, aufwändig und deshalb eben auch unergiebig<br />

aus. Die traditionellen Vorstellungen und Verfahrensweisen<br />

bleiben dominant. Von daher brauchen wir dringend ein Mehr an<br />

Zeit- und Arbeitsökonomie beim Umsetzen innovativer Ansprüche.<br />

Unterrichtsentwicklung und Lehrerentlastung müssen Hand in<br />

Hand gehen.<br />

Wenn die Lehrkräfte zu mehr Zeit- und Arbeitsökonomie gelangen<br />

sollen: Muss da nicht zuerst die Politik reagieren und zeitlich Entlastung<br />

sichern?<br />

Natürlich wäre es hilfreich, wenn die Politik den Lehrkräften mehr<br />

Zeit für das Vorbereiten und Konsolidieren innovativer Maßnahmen<br />

lassen würde. Weniger politischer Aktionismus, dafür aber mehr<br />

Zeit für schulinterne Teamarbeit, Teamfortbildung, Workshops,<br />

Hospitationen, gemeinsame Unterrichtsbesprechungen etc. - das<br />

würde die Reformarbeit sicherlich begünstigen. Von daher bin ich<br />

auch dafür, entsprechende Forderungen zu stellen und immer wieder<br />

ins Bewusstsein der Politiker zu heben. Die Frage ist nur, ob es mit<br />

dieser Verantwortungszuweisung getan ist. Ich behaupte: nein. Die<br />

mangelnden Innovationserfolge in den Schulen sind zum Teil selbst<br />

verschuldet. Viele Lehrkräfte arbeiten de facto viel zu eigenbrötlerisch,<br />

umständlich, perfektionistisch und aufwändig. Es mangelt<br />

an Arbeitsteilung und Arbeitsökonomie, an Standardisierung und<br />

Rationalisierung, an Kooperation und Offenheit. Das beginnt mit<br />

dem tagelangen Vorbereiten von Lehrproben und reicht bis hin zu<br />

Endlosdiskussionen, Umstandskrämerei und mangelnder Kompromissfähigkeit<br />

in Fachkonferenzen und Workshops. Hier lässt sich<br />

in punkto Zeitökonomie ganz viel verändern und verbessern. Was<br />

wir vor allem brauchen, sind zeitsparende neue Routinen in Sachen<br />

Unterrichtsvorbereitung, Lernförderung und Kompetenzvermittlung.<br />

Da gilt es anzusetzen.<br />

Wie lässt sich diese zeitsparende Innovationsarbeit konkret sicherstellen?<br />

Wie sieht das praktisch aus?<br />

Ein wichtiger Schritt ist der, dass sich innovationswillige Lehrkräfte<br />

auf gemeinsame Standards, Begrifflichkeiten, Raster und Checklisten<br />

verständigen, die eine zügige und arbeitsteilige Stundenvorbereitung<br />

und -realisierung gewährleisten. Nötig ist demnach ein gemeinsames<br />

„Unterrichtsskript“, damit Arbeitsteilung, Materialaustausch und<br />

rasche wechselseitige Nutzung der vorbereiteten Unterrichtsstunden<br />

möglich werden. In meinem neuen Buch „Unterrichtsvorbereitung<br />

leicht gemacht“ stelle ich diesbezüglich vielfältige Tipps, Beispiele<br />

und Materialien vor, die zeigen, wie man innovativen handlungsund<br />

kompetenzorientierten Unterricht zeitsparend vorbereiten und<br />

gestalten kann. Dazu gehören Planungsanregungen und Archivierungsraster,<br />

Methodentipps und Begriffsdefinitionen, Tätigkeitsspeicher<br />

und Produktchecklisten. Dazu gehören aber auch und vor<br />

allem 80 komplett ausgearbeitete Grundarrangements, die zeigen,<br />

wie man selbstständiges und kompetenzorientiertes Lernen zeitsparend<br />

auf die Reihe bringen kann. Diese Vorlagen stellen sicher, dass<br />

der Vorbereitungsaufwand der Lehrkräfte erheblich reduziert wird.<br />

Sie reden von Standardisierung und Rationalisierung. Bedeutet das<br />

nicht letzten Endes Gleichschaltung der Lehrkräfte und Monotonie<br />

für die Schüler?<br />

Zur Klarstellung: Ich will weder die Lernergebnisse noch das Lehrerverhalten<br />

standardisieren. Das geht auch gar nicht. Wohl aber<br />

lassen sich die Lernabläufe und Arbeitsschritte der Schülerinnen<br />

und Schüler standardisieren. Das steigert die Grundsicherheit der<br />

Schüler und beschleunigt die Unterrichtsvorbereitung der Lehrkräfte.<br />

Je nachdem, welcher Input im Mittelpunkt des Unterrichts<br />

steht, ergeben sich bestimmte Arbeits- und Interaktionsschritte,<br />

die beim nächsten Input dieser Art ähnlich ausfallen. Das gilt für<br />

das Arbeiten an und mit einem Sachtext genauso wie für das Erschließen<br />

eines Lehrervortrags, eines Films, eines Experiments oder<br />

einer Projektaufgabe. Diese Schrittfolgen können hier oder dort<br />

zwar modifiziert werden, sie können bei Zeitknappheit jedoch auch<br />

konstant gehalten werden. Trotzdem bleibt der Unterricht selbst<br />

höchst vielgestaltig und abwechslungsreich. Von Monotonie für die<br />

Schüler kann also keine Rede sein. Die Schüler müssen Stunde für<br />

Stunde vielschichtig arbeiten und interagieren, konstruieren und<br />

kommunizieren. Ihre Lernarbeit ist deutlich abwechslungsreicher<br />

als im traditionellen Unterricht.<br />

Ihr neues Buch setzt auf „Lernspiralen“ als neues Unterrichtsskript. Was<br />

meinen Sie damit und welchen Beitrag zur Lehrerentlastung leisten sie?<br />

Lernspiralen sind lerntheoretisch begründete Lernablaufmuster.<br />

Sie stehen in der Tradition des „Arbeitsunterrichts“ und sehen<br />

vielfältige kompetenzorientierte Lernaktivitäten der Schüler vor.<br />

Die Schüler bohren sich mittels unterschiedlicher Arbeits- und<br />

Interaktionsschritte in den jeweiligen Lerngegenstand hinein und<br />

22 <strong>GEW</strong>-Zeitung <strong>Rheinland</strong>-<strong>Pfalz</strong> 7-8 / 2012

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