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Aspekte einer systemisch-konstruktivistischen ... - Hannahdenker.de

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Seminar: Didaktisch-methodische <strong>Aspekte</strong><br />

verschie<strong>de</strong>ner Unterrichtskonzeptionen<br />

in <strong>de</strong>r sozialpädagogischen Berufsausbildung<br />

Dozentin: Christiane Ba<strong>de</strong>r<br />

<strong>Aspekte</strong> <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong><br />

Didaktik<br />

Vorgelegt von:<br />

Larissa Braun<br />

Am St. Lambertiplatz 11<br />

21335 Lüneburg<br />

Hannah Uhle<br />

Veerßer Str. 20<br />

29525 Uelzen<br />

Tel.: 01776447203 Tel.: 0581-2118660<br />

Fax: - Fax: 0581-2118661<br />

Email: larabraun@gmx.net Email: Hannah-Uhle@gmx.<strong>de</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung ............................................................................................................................... 1<br />

2. Grundlagen <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik ........................................... 1<br />

2. 1 Vorboten und Anregungen für eine konstruktivistische Didaktik ................................... 3<br />

2.2 Anfor<strong>de</strong>rungen und Grundpostulate <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik ..... 5<br />

3. Pädagogische Grundhaltung .............................................................................................. 10<br />

3.1 Gestalten von Lernumgebungen ..................................................................................... 12<br />

3.2 Wirkungsebenen pädagogischer Theorie und Praxis ..................................................... 13<br />

4. Lernen aus <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Sicht ........................................................... 14<br />

4.1 Nachhaltiges Lernen ....................................................................................................... 15<br />

5. Metho<strong>de</strong>nbeispiele <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik ................................ 17<br />

5. 1 Das Planspiel .................................................................................................................. 17<br />

Theoretische und praktische Grün<strong>de</strong> für ein Planspiel ..................................................... 17<br />

Organisation eines Planspiels ............................................................................................ 19<br />

I<strong>de</strong>altypischer Verlauf eines Planspiels ............................................................................ 20<br />

5. 2 Das Mind Map ............................................................................................................... 22<br />

6. Kritische Würdigung und Schlussfolgerung .................................................................... 23<br />

Anhang A .................................................................................................................................. A<br />

Literatur .................................................................................................................................... C<br />

I


1. Einleitung<br />

Lernen wird oft mit Arbeit und Anstrengung gleichgesetzt. Als unumgängliche Pflicht, die<br />

gern aufgeschoben wird. Aus <strong>de</strong>r Schule sind uns allen Erinnerungen an nicht en<strong>de</strong>n wollen<strong>de</strong><br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n und das stumme Mitschreiben von Lehrinhalten bekannt. Das Lernen wird<br />

mit harter Kost verglichen, die nur mit viel Fleiß verdaut wer<strong>de</strong>n kann. Die Lernfreu<strong>de</strong> und<br />

<strong>de</strong>r Spaß am Lernen scheinen Begriffe aus <strong>de</strong>r Gegenwart zu sein. Doch ein Blick zu <strong>de</strong>n<br />

Klassikern <strong>de</strong>r Pädagogik bestätigt, dass es auch zur damaligen Zeit bereits Ansätze zur<br />

emotionalen, sinnlichen und nachhaltigen Pädagogik gab. Das „Pestalozzi Prinzip“ mit „Kopf,<br />

Herz und Hand“ (zit. Nach Niemeyer, 1998, S.22), betont die ganzheitliche Wahrnehmung.<br />

Die ursprünglichen Sinne wer<strong>de</strong>n als Instrument zum Lernen genutzt. In <strong>de</strong>m Zeitungsartikel<br />

„Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m Kapiertrieb“ (Schnabel, 2007) wer<strong>de</strong>n „Triebe nach Erkenntnis“<br />

(ebd.) beschrieben, die <strong>de</strong>n Wissenshunger <strong>de</strong>r Menschen bewirken. Der Drang immer neues<br />

zu ent<strong>de</strong>cken und zu verstehen, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Menschen in die Wiege gelegt. Doch drängt sich<br />

bei <strong>de</strong>n Erkenntnissen die Frage auf, wieso viele Menschen beim Lernen unmotiviert sind?<br />

Diese Frage wird in Fachkreisen oft diskutieret und die Antwort liegt seit neusten<br />

Erkenntnissen auf <strong>de</strong>r Hand, Schülern kann kein Lernstoff eingetrichtert wer<strong>de</strong>n, sie sollen<br />

selbst Erfahrungen machen und zum eigenen Problemlösen angeregt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Grundlagen <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik<br />

Konstruktivistische Grundannahmen sind die Basis auf <strong>de</strong>r Lin<strong>de</strong>mann (2006) und Reich<br />

(2006) ihre didaktischen Überlegungen darstellen. Dabei gehen die genannten Autoren davon<br />

aus, dass eine Didaktik aus <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Sicht traditionelle Muster<br />

pädagogischen Denkens verän<strong>de</strong>rn und neue Sichtweisen auf pädagogisches Han<strong>de</strong>ln<br />

eröffnen. Reich (2007, S.83) erklärt, dass konstruktivistische Denkansätze dabei zu <strong>einer</strong><br />

gewissen Radikalität herausfor<strong>de</strong>rn, da es hierbei nicht nur um die Verän<strong>de</strong>rung einiger<br />

methodischer Feinheiten geht, son<strong>de</strong>rn um eine grundlegen<strong>de</strong> Neuorientierung. Dabei ist das<br />

erklärte Ziel: Lehrern und Schülern Selbstvertrauen und Mut für eigene konstruktive<br />

Erkenntnistätigkeit und ein selbst auszuhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s Muster <strong>de</strong>r Beziehungsgestaltung zu<br />

geben. Reich (2006, S.74) stellt die rhetorische Frage, was <strong>de</strong>n Konstruktivismus von an<strong>de</strong>ren<br />

wissenschaftlichen Ansätzen unterschei<strong>de</strong>t. Er selbst antwortet darauf: „Der Konstruktivismus<br />

betont zunächst, dass wir <strong>einer</strong> oft von Menschen naiv unterstellten unmittelbaren Verbindung<br />

von Welt („da draußen“) und Abbild („in uns“) misstrauen müssen (…).“ (Reich, 2007, S.75)<br />

Dabei lassen sich die <strong>konstruktivistischen</strong> Grundannahmen von Reich <strong>de</strong>m gemäßigten<br />

1


Konstruktivismus zuordnen. Er wehrt sich gegen <strong>de</strong>m Vorwurf <strong>de</strong>r Beliebigkeit subjektiv<br />

konstruierter Welten, in<strong>de</strong>m er in seinem Ansatz <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik davon<br />

ausgeht, dass Kultur als vermittelter Vorgang verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann. Wir sind zwar frei,<br />

etwas zu konstruieren, aber zugleich in unserer Lebenswelt, die unsere Perspektiven formt<br />

und unsere Interessen leitet, auch gebun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m, was wir tun, beobachten, wofür wir uns<br />

einsetzen. Die Verständigungsgemeinschaft regelt mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utig, welche<br />

Konstrukte in <strong>einer</strong> Kultur gelten. Es geht Reich weniger um die philosophischen<br />

Implikationen <strong>de</strong>s <strong>konstruktivistischen</strong> Ansatzes, als vielmehr um Konstruktivismus als eine<br />

Beobachtungsperspektive für die Didaktik. (vgl. Reich, 2007, S.70) „Die konstruktivistische<br />

Didaktik (…) ist von folgen<strong>de</strong>r Grundthese getragen: Die Menschen greifen durch ihre<br />

Handlungen, mit ihren Erfahrungen, im Testen <strong>de</strong>r Wirklichkeit durch Experimentieren,<br />

Ausprobieren, durch ihr Tun umfassend in die Konstruktion <strong>de</strong>ssen ein, was ihnen dann als<br />

Natur <strong>de</strong>r Dinge o<strong>de</strong>r als Fortschritt in <strong>de</strong>r Kultur erscheint (…), dabei sind diese<br />

Konstruktionen kein einfaches Abbild <strong>einer</strong> Welt.“ (Reich, 2006, S.75) Die genannten<br />

Faktoren („Experiment“, „Probe“ und „Handlung“) sind daher zentrale Grundlagen <strong>einer</strong><br />

Didaktik, die sich <strong>de</strong>m <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Grundansatz verschrieben hat.<br />

Aus <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Sicht ist Didaktik ein konstruktiver Ort <strong>de</strong>r eigenen<br />

Weltfindung. In die Annahme <strong>de</strong>r Konstruktion von Wirklichkeit ist eingeschlossen, dass<br />

solche Konstruktionen jeweils zeitgebun<strong>de</strong>n sind, von <strong>de</strong>n spezifischen Beobachtern und<br />

<strong>de</strong>ren Verständigungsgemeinschaft abhängen, dass sie keine ewigen Wahrheiten festschreiben<br />

können und dass sie allen Beobachtern hinreichend Chancen bieten sollen an <strong>de</strong>n<br />

Wirklichkeitskonstruktionen teilzunehmen. (vgl. Reich, 2007, S. 71) „Wahrheit relativiert<br />

sich, <strong>systemisch</strong>e Wechselwirkungen bedingen unschärfere Theorien, Beobachtungen lassen<br />

sich nicht mehr unabhängig von Eingriffen und Werturteilen <strong>de</strong>r Beobachter begreifen.“<br />

(Reich, 2007, S.73) Eine konstruktivistische Didaktik kann sich dieser Unsicherheiten nicht<br />

entziehen. Es ist aber gleichzeitig Ziel von Didaktik, Lehr- und Lernprozesse so zu<br />

organisieren, dass Wissen angeeignet, Fertigkeiten erworben und mess- und beurteilbare<br />

Leistungen entstehen, damit entsteht ein Dilemma, dass nur über die Akzeptanz von<br />

gemeinsamen Kulturgütern gelöst wer<strong>de</strong>n kann. Aber entgegen <strong>de</strong>r Verbreitung von<br />

„Siegertheorien“ (Reich, 2007, S.74) ist es das oberste Ziel <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong><strong>konstruktivistischen</strong><br />

Didaktik, Beobachtungsvielfalt zu entwickeln, in<strong>de</strong>m eine theoretische<br />

und methodische Freu<strong>de</strong> entwickelt wird, bei einem für notwendig erachteten Anteil auch von<br />

Rekonstruktion. Dabei ist nach Reich (ebd., S.74) die wichtigste Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

2


Bildungssystems Schüler und Lehrer zu <strong>einer</strong> konstruktiven Herangehensweise an<br />

wi<strong>de</strong>rsprüchliche, singuläre und lokale Wissens- und Bildungsstoffe heranzuführen,<br />

exemplarisch mit Metho<strong>de</strong>n eigener Erarbeitung umzugehen und eigene Interessen auch<br />

gegen die allmächtig erscheinen<strong>de</strong>n Fachdisziplinen geltend zu machen.<br />

2. 1 Vorboten und Anregungen für eine konstruktivistische Didaktik<br />

Die folgen<strong>de</strong> Abbildung (Abbildung 1) soll einen Überblick über wesentliche<br />

Einflussfaktoren <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik aufzeigen. Im Rahmen dieser<br />

Ausarbeitung ist es nicht möglich alle Positionen darzustellen.<br />

Abbildung 1: Konstruktivistische Ansätze im Überblick (Reich, 2007, S.36)<br />

Reich (2006, S.73) sieht in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n drei klassischen Ansätzen wichtige Impulsgeber<br />

eines Verständnisses <strong>de</strong>s Lehrens und Lernens, das die aktive Seite <strong>de</strong>s Lernprozesses betont<br />

und das einen Begriff <strong>de</strong>s Wissens benutzt, <strong>de</strong>r stets auf die Vermittlung mit Handlungen<br />

verweist. Reich (2006, S.71) nennt als theoretische Vorläufer <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong><br />

Didaktik <strong>de</strong>n pragmatischer Ansatz von John Dewey. In <strong>de</strong>r Rezeption von Reich sieht<br />

Dewey menschliche Erfahrung als eine Vermittlung von erfahren (experienced) und erzeugten<br />

3


(processes of experiencing) Handlungen, wobei im Han<strong>de</strong>ln Wissen aufgebaut und interaktiv<br />

durch ein untersuchen<strong>de</strong>s, neugieriges, experimentieren<strong>de</strong>s Verhalten konstruiert wird. Das<br />

Lernen wird dabei als ein aktiver Vorgang begriffen, <strong>de</strong>r keineswegs äußere Wirklichkeiten<br />

abbil<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n Handlungsprozessen selbst erst hergestellt wird.<br />

Des Weiteren verweist Reich (ebd.) auf konstruktivistische Grundzüge im eigentlich<br />

kognitionspsychologischen Ansatz von Jean Piaget. Be<strong>de</strong>utsam für Reich (ebd.) ist bei Piagets<br />

Untersuchungen zur kognitiven Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, dass ein Lerner verschie<strong>de</strong>ne<br />

Entwicklungsstufen durchläuft, um seine konstruktiven Lernfähigkeiten in han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r, aktiver<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r Umwelt zu regulieren und zu optimieren (Piaget, 1981). Dabei<br />

entwickelt <strong>de</strong>r Lerner bestimmte Schemata, die ihm als verinnerliche Muster helfen,<br />

unterschiedliche Umwelt-, Problem- o<strong>de</strong>r Handlungssituationen zu bewältigen. Piaget prägte<br />

hierfür <strong>einer</strong>seits <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Assimilation und bezeichnet damit ein Schema, mit <strong>de</strong>m wir<br />

im Lernen aktiv Ereignisse <strong>de</strong>r Außenwelt einordnen, strukturieren und <strong>de</strong>uten. Und<br />

an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Akkommodation, <strong>de</strong>r die jeweils situative Anpassung an<br />

unterschiedliche Umweltbedingungen durch das Kind beschreibt. Piagets Erkenntnis, dass das<br />

Lernen subjektiv konstruiert wer<strong>de</strong>n muss, hat in <strong>konstruktivistischen</strong> Diskursen hohe<br />

Be<strong>de</strong>utung. Allerdings weist Reich (ebd.) kritisch daraufhin, dass Piaget ein überwiegend<br />

kognitives Lehr- und Lernverständnis zugrun<strong>de</strong> legt.<br />

Einen dritten Vorläufer für eine konstruktivistische Didaktik sieht Reich (2006, S.72) in <strong>de</strong>r<br />

Theorie <strong>de</strong>r „Zone <strong>de</strong>r proximalen Entwicklung“ von Lev S. Wygotski. Reich (ebd.) ordnet<br />

Wygotski aufgrund s<strong>einer</strong> Arbeiten zum Zusammenhang von Kognition und Sozialisation in<br />

die Reihe <strong>de</strong>r Vorläufer <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik ein. So sieht Reich (ebd.) im<br />

soziokulturellen Ursprung <strong>de</strong>r Kognitionen <strong>de</strong>n Hinweis auf soziale Konstruktionen von<br />

Wirklichkeiten, die in Interaktion aufgebaut wer<strong>de</strong>n. In Wygotskis Theorie wer<strong>de</strong>n<br />

kooperative menschliche Tätigkeiten betont, die zu einem lernsteigern<strong>de</strong>n Effekt führen.<br />

Psychologisch gesehen ist die „Zone <strong>de</strong>r proximalen Entwicklung“ für Wygotski<br />

entschei<strong>de</strong>nd, weil sie eine Lernstufe markiert, in <strong>de</strong>r soziale Prozesse und Werkzeuge <strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>lns in psychische For<strong>de</strong>rungen umgesetzt wer<strong>de</strong>n, die Lerner antreiben, ein neues<br />

Niveau <strong>de</strong>s Wissens und Verhaltens zu erreichen, so je<strong>de</strong>nfalls Reich (2006, S.71). Lerner<br />

wer<strong>de</strong>n als aktive Gestalter <strong>de</strong>s eigenen Lernprozesses gesehen, wobei Lernen immer dann<br />

erfolgreich abzulaufen scheint, wenn selbstbestimmte Lernprozesse einsetzen, die das Wissen<br />

in s<strong>einer</strong> kulturellen Verankerung und s<strong>einer</strong> Handlungsperspektive aktualisieren. Reich<br />

4


schränkt die konstruktivistische Be<strong>de</strong>utsamkeit Wygotskis jedoch dahingehend ein, dass<br />

Wygotskis Deutungen stark marxistisch orientiert und geprägt waren und er<br />

Weltkonstruktionen unter das Gebot <strong>einer</strong> zentralen Deutung stellt (ebd.).<br />

Nach Reich (2006, S.72) verbin<strong>de</strong>t diese drei Ansätze das Problem wie die sinnlich erfahrbare<br />

Welt mit unseren Deutungsmustern über diese Welt zusammengeführt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

2.2 Anfor<strong>de</strong>rungen und Grundpostulate <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik<br />

Kennzeichen <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik ist eine Beobachtungstheorie, die<br />

die konstruktiven Akte <strong>de</strong>s Aufklärers und <strong>de</strong>r Reflexion an die Schüler als auch Lehrer in<br />

möglichst hoher Selbsttätigkeit zurückgibt. Reich (2007, S.77ff) plädiert für eine stärkere<br />

Betonung <strong>de</strong>r Beziehungsseite zwischen Schülern und Lehrern statt – wie in herkömmlichen<br />

Didaktiken- <strong>de</strong>r Inhaltsseite. Lehrer- und Pädagogikstu<strong>de</strong>nten sollten nach ihm stärker<br />

kommunikative Kompetenzen erwerben. Es bedarf <strong>einer</strong> Reflexion nicht nur <strong>de</strong>r kognitiven<br />

Inhalte, son<strong>de</strong>rn auch auf Gefühle, Einstellungen, Wertmuster usw.<br />

Für Reich (2006, S.23) sind folgen<strong>de</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen an eine Didaktik beson<strong>de</strong>rs wichtig:<br />

„Didaktik sollte pragmatisch sein, <strong>de</strong>nn nur das, was auch praktisch umsetzbar und realistisch<br />

durchführbar ist, wird über eine längere Zeit Orientierung geben und Erfolgserlebnisse<br />

verschaffen.“ Im Sinne Reichs (ebd. S.23 ff) be<strong>de</strong>utet dies, dass keine unerfüllbaren I<strong>de</strong>ale<br />

aufgestellt wer<strong>de</strong>n, die sich in <strong>de</strong>r Praxis nicht verwirklichen lassen und zum Scheitern<br />

verurteilt sind. Dabei orientiert sich eine konstruktivistische Didaktik nicht an <strong>de</strong>r<br />

spekulativen, theoriegeleiteten und zum Teil praxisabgehobenen Tradition <strong>de</strong>r<br />

Bildungstheorie und <strong>de</strong>r geisteswissenschaftlichen Pädagogik (Reich, 2006, S.83). Der Autor<br />

bezieht sich hierbei vielmehr auf die „pragmatische Wen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Pädagogik“ (ebd.) nach<br />

John Dewey, <strong>de</strong>r Experience sowohl als Ursprung als auch als Ziel von Lernen betrachtet.<br />

Dabei wird unter Expierence nicht einfach nur „Erfahrung“ verstan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn vor allem die<br />

aktive Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit und in <strong>de</strong>r Welt. Durch unsere Erfahrungen, d.h. im Han<strong>de</strong>ln<br />

lernen wir etwas, das wir später in neue Handlungen und damit in neue Erfahrungen umsetzen<br />

können. Han<strong>de</strong>ln be<strong>de</strong>utet hierbei „learning by doning“, also Lernen im „Tun“. Eine<br />

pragmatische Sicht im Sinne von Reich, gestützt auf Dewey, lehnt das Lernen um s<strong>einer</strong><br />

selbst willen, d.h. das Auswendiglernen von leblosem Stoff kategorisch ab. Das Lernen soll<br />

statt<strong>de</strong>ssen in einem Kontext, <strong>einer</strong> Lernumgebung stattfin<strong>de</strong>n, die sich insbeson<strong>de</strong>re durch<br />

5


situative Interaktion auszeichnet. Reich führt an, dass es aus pragmatischer Sicht zwar häufig<br />

ähnliche Lösungen geben mag, dass aber schematische Lösungen für alle Fälle we<strong>de</strong>r sinnvoll<br />

noch möglich sind. Eine pragmatische Sichtweise betont außer<strong>de</strong>m immer <strong>de</strong>n sozialen<br />

Kontext, d.h. das soziale Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Interakteure <strong>de</strong>s Lernens sowie die alltägliche<br />

Lernumgebung, <strong>de</strong>n kulturellen Kontext und die sozialen Voraussetzungen <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n.<br />

Dabei ist das Ziel stehts, sich neue Metho<strong>de</strong>n zu Eigen zu machen und weniger sich<br />

(begrenztes und zeitabhängiges) Wissen anzueignen. Für Reich (2006, S.83) liegt ein<br />

pragmatisches Vorgehen darin Freiheit und Partizipation <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n als Grundlage <strong>de</strong>s<br />

Lehren<strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>lns zu nehmen, um so intrinsische Motivation <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n zu erreichen.<br />

Eine weitere Anfor<strong>de</strong>rungen an eine <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik im Sinne von<br />

Reich (2006, S.23) kreist um <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r „Konstruktivitität“: „Didaktik sollte konstruktiv<br />

sein, <strong>de</strong>nn nur das, was auch zu konkreten Ergebnissen und evaluierbaren Erfolgen führt, wird<br />

Lernen<strong>de</strong> überzeugen können.“ Auch hier wird Reichs pragmatischer Ansatz <strong>de</strong>utlich, wenn<br />

er zusammenfassend erklärt, dass alles was zu Lernfortschritten führt und <strong>de</strong>n<br />

Handlungsspielraum <strong>de</strong>s Individuums erweitert als konstruktiv zu betrachten ist (ebd., S.25ff).<br />

Nicht konstruktives Lernen wür<strong>de</strong> sich <strong>de</strong>mnach darin zeigen, dass <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong> immer<br />

wissen<strong>de</strong>r und die Lernen<strong>de</strong>n immer passiver wür<strong>de</strong>n. Das führt nicht nur zu einem geringen<br />

Lernfortschritt <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch zu Langeweile bei <strong>de</strong>n Lehren<strong>de</strong>n und ist somit<br />

beidseitig „unkonstruktiv“. Der Lehren<strong>de</strong> muss sich mit seinem Mehrwissen zurückhalten, um<br />

die Lernen<strong>de</strong>n nicht in die bloße Reproduktion zu treiben. Statt<strong>de</strong>ssen nimmt <strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik eine Doppelrolle ein: auf <strong>de</strong>r einen Seite ist er<br />

ein mehrwissen<strong>de</strong>r Experte und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rerseits ein lernorientierter Mo<strong>de</strong>rator <strong>de</strong>r<br />

Wissens- und Handlungskonstruktion. (ebd., S.26) Eine konstruktive „Beziehungsdidaktik“<br />

(Reich,2006, S.26) wie Reich sie auch nennt, zeichnet sich dadurch aus, dass im Austausch<br />

mit <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n (und <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n untereinan<strong>de</strong>r) multiperspektivische, multimodale<br />

und kreative Lösungswege erarbeitet und diskutiert wer<strong>de</strong>n. Dabei wird eine wertschätzen<strong>de</strong><br />

Atmosphäre, die Offenheit für unkonventionelle Lösungsvorschläge und Gemeinschaftliches<br />

Denken för<strong>de</strong>rt, zugrun<strong>de</strong> gelegt. Je<strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> sollte sich – so Reich (2006, S.17) -<br />

vergegenwärtigen, dass nicht nur die räumlichen Bedingungen, die Institution u.a. die<br />

Lernumgebung für je<strong>de</strong>n Schüler ausmachen, son<strong>de</strong>rn insbeson<strong>de</strong>re dass sie selbst die<br />

wichtigste Lernumgebung für ihre Schüler darstellen. In ihrer Kommunikation mit Lernen<strong>de</strong>n<br />

stellen Lehren<strong>de</strong> immer Beziehungen her, die in Form von gemeinsamen Interaktionen und<br />

Kommunikationsmustern eine kulturelle, zwischenmenschliche Atmosphäre bieten, die für<br />

6


je<strong>de</strong>s Lernen einen Rahmen <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung und För<strong>de</strong>rung darstellen. Gelingt dieser Rahmen<br />

nicht, so wer<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen unglaubwürdig und För<strong>de</strong>rungen fallen gering aus. „Eine rein<br />

inhaltsdominante Schule o<strong>de</strong>r ein inhaltsbezogenes Lernen ohne Beziehung ist nicht nur eine<br />

Illusion, son<strong>de</strong>rn führt auch zu <strong>einer</strong> qualitativ schlechten und ineffektiven Gestaltung <strong>de</strong>r<br />

Lehr- und Lernprozesse.“ (ebd., S.18) Reich (2007, S.84) kritisiert darüber hinaus, dass die<br />

gegenwärtige Lernkultur immer noch darauf ausgelegt ist, dass es gilt die Erfindungen<br />

an<strong>de</strong>rer nachzuen<strong>de</strong>cken im Sinne <strong>einer</strong> Rekonstruktion. Dabei wer<strong>de</strong>n unsere<br />

„Ent<strong>de</strong>ckungen“ dadurch abgewertet, dass es sie immer schon gibt. Reich (ebd.) sieht darin<br />

die Gefahr, dass das Individuum im Angesicht <strong>de</strong>r übermächtigen Theorien kleinlaut <strong>de</strong>n<br />

eigenen Ent<strong>de</strong>ckungsgeist aufgibt. Die Lösung dieses Dilemmas sieht Reich in <strong>de</strong>r Koexistenz<br />

<strong>de</strong>r Konstruktion und <strong>de</strong>r Rekonstruktion, d.h. das die eigenen konstruktiven Akte <strong>de</strong>n<br />

rekonstruktiven Prozessen beiseite gestellt wer<strong>de</strong>n. Konkret be<strong>de</strong>utet das, dass eine<br />

konstruktivistische Didaktik unter <strong>einer</strong> rekonstruktiven Perspektive an<strong>de</strong>re Fragen stellt:<br />

„Wer hat es damals so gesehen, und wer hat es an<strong>de</strong>rs gesehen? Welche<br />

Handlungsmöglichkeiten haben Beobachter damals festgestellt und welche fallen uns hierzu<br />

ein? (…) Was wur<strong>de</strong> damals unberücksichtigt gelassen? Was <strong>de</strong>nken wir, was man noch nicht<br />

gesehen hat?“ (Reich, 2007, S.85) Reich (ebd., S.86) betont aber, dass die Perspektiven <strong>de</strong>r<br />

Konstruktion und Rekonstruktion nicht ausreichen. Es ist wichtig sich klar zu machen, dass<br />

eine erlangte Übereinstimmung mit sich und <strong>de</strong>m Nahfeld immer noch die Aussicht auf<br />

weitere Position offen lässt. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Dekonstruktion. Bei<br />

<strong>de</strong>r Dekonstruktion geht es darum, die Auslassungen und verengten Blickwinkel <strong>de</strong>r eigenen<br />

Konstruktition und Rekonstruktionen aufzubrechen. Reich (ebd.) schreibt: „In <strong>einer</strong><br />

<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik aber sollen alle zu Dekonstruktivisten wer<strong>de</strong>n können, um dann<br />

in <strong>de</strong>n Zirkel <strong>de</strong>r Konstruktion und Rekonstruktion zurückzufin<strong>de</strong>n.“<br />

Eine <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik im Sinne Reichs (Reich, 2006, S.23) darf <strong>de</strong>r<br />

Aspekt <strong>de</strong>s „Systems“ natürlich nicht außer Acht lassen: „Didaktik sollte <strong>systemisch</strong> sein,<br />

<strong>de</strong>nn nur das, was im Kontext von Beziehungen und Wechselwirkungen in Beziehungen<br />

begrün<strong>de</strong>t, erlebt und reflektiert wird, kann <strong>de</strong>r Komplexität <strong>de</strong>s Lernen genügen.“ Dabei<br />

entsteht <strong>de</strong>r „<strong>systemisch</strong>e“ Aspekt im Lernprozess insbeson<strong>de</strong>re durch die<br />

Interaktionsprozesse <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n untereinan<strong>de</strong>r und mit <strong>de</strong>m Lehren<strong>de</strong>n. Kommunikation<br />

und Interaktion zeichnet sich durch Zirkularität und <strong>de</strong>n klassischen Interpunktionsstreit aus.<br />

Eine <strong>systemisch</strong>e Perspektive geht grundsätzlich davon aus, dass ein klar abgrenzbarer<br />

Beginn sowie ein klar abgrenzbarer Endpunkt in Kommunikationsprozessen nicht zu fin<strong>de</strong>n<br />

7


ist. Statt<strong>de</strong>ssen zeichnet sich Kommunikation dadurch aus, dass immer wie<strong>de</strong>r<br />

Rückkopplungsprozesse bzw. gegenseitiges Feedback erzeugt wird. Reich (ebd., S.32)<br />

diskutiert die negativen Konsequenzen <strong>einer</strong> Didaktik, die <strong>de</strong>n <strong>systemisch</strong>en Charakter von<br />

Kommunikation vernachlässigt. So kann dies dazu führen, dass Chancen zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>s Lernklimas übersehen wer<strong>de</strong>n, dass Lehren<strong>de</strong> ihre eigene Fähigkeit zur Verän<strong>de</strong>rung<br />

unterschätzen könnten und Lehren<strong>de</strong> ungünstige Folgen ihrer Lehrtätigkeit <strong>de</strong>n<br />

Umgebungsbedingungen anlasten. Reich geht davon aus, dass es Grundsätze gibt, die bei<br />

einem <strong>systemisch</strong>en Blickwinkel Beachtung fin<strong>de</strong>n (müssen): im Mittelpunkt steht dabei das<br />

Ziel das Selbstwert <strong>de</strong>s Individuums zu unterstützen, um so gegenseitige Wertschätzung<br />

überhaupt erst zu ermöglichen. Dieser Prozess kann in Lernumgebungen durch die Faktoren:<br />

Teilnehmerorientierung, Lösungsorientierung, Engagement und Distanz, Perspektivenvielfalt,<br />

Kontextorientierung, Zirkularität, Viabilität und Verstörung erreicht wer<strong>de</strong>n (siehe Abbildung<br />

2).<br />

Abbildung 2: Beziehungsgrundsätze in <strong>de</strong>r didaktischen Interaktion, Reich (2006, S.34)<br />

Eine <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik zeichnet sich nach Reich (2006, S.35) dadurch<br />

aus, dass sie teilnehmer-, lerner- bzw. schülerorientiert ist. Das be<strong>de</strong>utet, dass<br />

Selbstbestimmung <strong>de</strong>s Einzelnen möglichst umfassend gewährleistet wird und Selbsttätigkeit<br />

als Basis für reproduktives Lernen (wenn dies notwendig ist) angesehen wird. Didaktik wie<br />

Reich sie versteht, be<strong>de</strong>utet eine gemeinsame Konstruktion, die in Beziehung ausgehan<strong>de</strong>lt,<br />

im Nach- und Nebeneinan<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ner Beobachter betrachtet und analysiert wer kann,<br />

die jedoch ohne klare Zielvorgaben („so ist die Welt“) o<strong>de</strong>r klar vorgeschriebenen<br />

Hierarchien zwischen Lehrern und Schülern auskommt. Nach Reich (Reich, 2007, S.79)<br />

müssen alle Konzepte von Mit- und Selbstbestimmung scheitern, wenn sie inhaltlich vor die<br />

Beziehung gerückt wer<strong>de</strong>n, weil so sonst lediglich manipluativ eingesetzt wür<strong>de</strong>n.<br />

8


Mitbestimmung ist ein Prozess, <strong>de</strong>r niemals von außen an Gruppen und Individuen<br />

herangetragen wer<strong>de</strong>n kann, son<strong>de</strong>rn er wird immer in <strong>de</strong>n Gruppen selbst entschie<strong>de</strong>n (ebd.).<br />

Von außen können Impulse und I<strong>de</strong>en kommen, sie dürfen die Schüler aber nicht in <strong>de</strong>r<br />

relativen Freiheit sich für o<strong>de</strong>r gegen etwas zu entschei<strong>de</strong>n begrenzen. Dabei soll <strong>de</strong>r<br />

Eigenanteil in <strong>de</strong>r Nutzung von Arbeitsmaterial hoch sein und auf z.B. Schulbücher nur<br />

zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n, wenn es für die (re-)konstruktive Bewältigung unabdingbar ist.<br />

Dabei soll <strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re die Mündigkeit s<strong>einer</strong> Schützlingen zur Grundlage<br />

s<strong>einer</strong> Lehrtätigkeit machen, d.h. von <strong>de</strong>m Grundsatz ausgehen, dass <strong>de</strong>r Lerner selbst am<br />

besten über sich uns seine Situation bescheid weiß. Dabei soll Didaktik nicht mehr bloß eine<br />

Theorie <strong>de</strong>r Schülerorientierung sein, son<strong>de</strong>rn eine Praxis in die konstruktive Ansprüche nicht<br />

nur inhaltlich, son<strong>de</strong>rn auch über die wechselseitigen Beziehungen zwischen Lehrern und<br />

Schülern eingehen. Eine ernst gemeinte Schülerorientierung verän<strong>de</strong>rt die Rolle <strong>de</strong>s Lehrers<br />

und lässt ihn eine Art Mo<strong>de</strong>rator sein. Zusammen bil<strong>de</strong>n Lehrer und Schüler ein zirkuläres<br />

Beziehungssystem, das vielgestaltiger, differenzierter und lebendiger ist, als das klassische<br />

Herr-Knecht-Verhältnis. Damit ist <strong>de</strong>r Übergang von <strong>einer</strong> Vermittlungsdidaktik zu <strong>einer</strong><br />

Ermöglichungsdidaktik vollzogen. Im Gegensatz zu Lin<strong>de</strong>mann (2006), <strong>de</strong>r die<br />

Metho<strong>de</strong>nfreiheit eines <strong>konstruktivistischen</strong> Ansatzes betont, beschreibt Reich (2007, S.81)<br />

die beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung von Projekten mit zeitbezogenen Ziel- und<br />

Realisierungsperspektiven als Chance für beson<strong>de</strong>rs intensive Selbsttätigkeit.<br />

Lösungsorientierung be<strong>de</strong>utet nach Reich (Reich, 2007, S.35f), dass bei Konflikten nicht<br />

danach gefragt wird, wer ist schuld (o<strong>de</strong>r hat angefangen), son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Frage nachgegangen<br />

wird, was lässt sich än<strong>de</strong>rn um die Situation zu verbessern. Mit <strong>de</strong>n komplementären<br />

Begriffen Engagement und Distanz verweist Reich auf die Rolle <strong>de</strong>s Lehren<strong>de</strong>n als<br />

Beobachter <strong>einer</strong>seits (Distanz) und einem Individuum mit eigenen Haltungen und<br />

Bewertungen an<strong>de</strong>rerseits (Engagement). In Kommunikationsprozessen bil<strong>de</strong>n sich immer<br />

verschie<strong>de</strong>ne Perspektiven heraus und es ist nicht immer möglich einen Konsens zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Dabei sind im Sinne <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-<strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik insbeson<strong>de</strong>re die<br />

kommunikativen Prozesse von Be<strong>de</strong>utung. Dabei ist Kommunikation immer durch zirkuläre<br />

Prozesse (Rückkopplungen) gekennzeichnet. Einen zentralen Stellenwert in <strong>de</strong>r <strong>systemisch</strong><strong>konstruktivistischen</strong><br />

Didaktik nimmt <strong>de</strong>r Punkt „Viabilität“ ein. Für Lernen ist es nach Reich<br />

(2006, S.18) zentral, <strong>de</strong>n Sinn- und Zweck ihres Lernens zu verstehen. Deshalb ist es ihm<br />

zufolge wichtig, dass Fragen zum Sinn- und Zweck und zur Metho<strong>de</strong> in vertrauensvollen<br />

Beziehungen gestellt wer<strong>de</strong>n können. Dabei betont er, dass in <strong>de</strong>r postmo<strong>de</strong>rnen Pädagogik<br />

9


die Verabsolutierung eines reinen „Ich will“ o<strong>de</strong>r „Ich soll“-Ansatzes nicht mehr sinnvoll<br />

erscheint. Unsere Situierung in <strong>de</strong>r gegenwärtigen Kultur be<strong>de</strong>utet eine Vermittlung zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n Seiten, eine Balance im Lernen zu fin<strong>de</strong>n, die bei<strong>de</strong>n Seiten entspricht (ebd., S.64).<br />

Didaktik sollte dabei dialogisch entwickelt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn nur im Diskus, im gegen- und<br />

miteinan<strong>de</strong>r können die flexiblen Grenzen <strong>de</strong>r unterschiedlichen Perspektiven erfahren<br />

wer<strong>de</strong>n und situatives lernen wird erst möglich (Reich, 2006, S.65). Nach Reich (2006, S.104)<br />

gehört es zu <strong>de</strong>n großen Theorieirrtümern, dass man sich nur dann um Beziehungen kümmern<br />

muss, wenn Störungen auftreten. Er stellt <strong>de</strong>m <strong>de</strong>n erfahrenen Praktiker gegenüber, <strong>de</strong>r weiß:<br />

„Je kongruenter und dialogischer Beziehungen gestaltet wer<strong>de</strong>n, je mehr kommunikative<br />

Kompetenzen aktiv entwickelt und geleistet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>sto wahrscheinlicher ist auch eine<br />

gelungene Inhaltsvermittlung.“ (ebd.) Viabilität lässt sich mit <strong>de</strong>m Wort „Passung“<br />

übersetzen und meint dabei, die Passung <strong>de</strong>s Lernstoffs und <strong>de</strong>r Lernumgebung an das<br />

soziale, kulturelle und kommunikative Umfeld <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n, so dass <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Sinnund<br />

Zweck s<strong>einer</strong> Lerntätigkeit begreift. Nur was für Lernen<strong>de</strong> relevant ist, kann zu<br />

produktiven Lernprozessen führen. Ein <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Ansatz geht davon<br />

aus, dass es verschie<strong>de</strong>ne, viable (gangbare) Wege zum Ziel gibt. Dabei entstehen natürlich<br />

auch Wi<strong>de</strong>rsprüche, <strong>de</strong>nn was für das Individuum viabel sein kann, kann für die Gruppe, das<br />

Kollektiv „unpassend“ sein. Viabilität in Lernprozessen be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>shalb auch immer einen<br />

gewissen Balanceakt.<br />

3. Pädagogische Grundhaltung<br />

Die konstruktivistische Pädagogik orientiert sich an <strong>de</strong>n unterschiedlichen Interessen,<br />

Lernschwierigkeiten und <strong>de</strong>m individuellen Begreifen von Konstrukten und ihren<br />

Be<strong>de</strong>utungen. Durch die individuellen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen <strong>de</strong>r Pädagogen<br />

gestaltet sich die Umsetzung <strong>de</strong>r Pädagogik sehr vielfältig. (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.196) Wobei<br />

<strong>de</strong>r Pädagoge stets das Ziel verfolgt, „<strong>de</strong>n einzelnen Menschen in s<strong>einer</strong><br />

Wirklichkeitskonstruktion zu unterstützen, ihm einen viablen Umgang mit an<strong>de</strong>ren Menschen,<br />

ihren unterschiedlichen Wert- und Normvorstellungen, Zielen, Herangehensweisen und<br />

Weltsichten ermöglicht.“ (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.197) Der Pädagoge hat die Aufgabe, die<br />

individuellen Wege <strong>de</strong>r Entwicklung zu för<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n pädagogisch-gesellschaftlichen<br />

Ansprüchen gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Der Erfolg pädagogischen Han<strong>de</strong>lns misst sich nicht an<br />

Handlungen o<strong>de</strong>r Metho<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn wie diese erfahren und welche Denkvorgänge<br />

angestoßen wer<strong>de</strong>n. (ebd., S.197) Es lässt sich zusammenfassen, dass <strong>de</strong>r Pädagoge das<br />

Wissen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Beteiligten mit einbezieht und<br />

10


gemeinsame Beobachtungs-, Gestaltungs- und Verän<strong>de</strong>rungsprozesse organisiert und<br />

begleitet. (vgl. Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.207)<br />

Siebert schreibt von <strong>einer</strong> spezifischen pädagogischen Haltung, <strong>einer</strong> mentalen<br />

Aufgeschlossenheit für Erfahrungen, Sichtweisen und Vorschläge an<strong>de</strong>rer. Beim Lernen als<br />

Prozess soll <strong>de</strong>r Lehren<strong>de</strong> eine Eigendynamik zulassen, er muss nicht alles Wissen, Fragen<br />

können im Nachhinein geklärt wer<strong>de</strong>n, Konflikte mit Teilnehmern besprochen und die I<strong>de</strong>enund<br />

Lösungsvielfalt <strong>de</strong>r Teilnehmer als Bereicherung erlebt wer<strong>de</strong>n. Pädagogen sollen<br />

begeistert ihre Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Themas anbieten und begeisterungsfähig für die Be<strong>de</strong>utungen<br />

<strong>de</strong>r Teilnehmen<strong>de</strong>n sein. (vgl. Siebert, 2005, S.103f)<br />

Der vollzogene Perspektivwechsel in <strong>de</strong>r <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik, gestaltet die<br />

pädagogische Grundhaltung völlig neu. Demnach sollten Pädagogen neben Lehrer, Redner,<br />

Beobachter, Leistungsträger, Helfer auch Lerner, Zuhörer, Beobachteter, Leistungsempfänger<br />

und Geför<strong>de</strong>rter sein. (Reich, 2006, S.224) Lin<strong>de</strong>mann (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.210) beschreibt<br />

<strong>de</strong>n Pädagogen als Coach, Lernprozessbegleiter, Provokateur, Perturbator und Mo<strong>de</strong>rator, die<br />

Fähigkeiten wie Prozessfähigkeit <strong>de</strong>r Gesprächsführung, Kooperation, Konfliktklärung,<br />

Dokumentation Evaluation, erfor<strong>de</strong>rn. Perspektivität wird auch als Unterrichtsprinzip<br />

gesehen, <strong>de</strong>mnach regt <strong>de</strong>r Pädagoge zu einem Perspektivenwechsel an und übt diesen selbst<br />

aus. Konflikte können besser geklärt und nachvollzogen wer<strong>de</strong>n, wenn unterschiedliche<br />

Beobachtungspunkte eingenommen wer<strong>de</strong>n. In<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Pädagoge seine Aufmerksamkeit für<br />

die Wahrnehmungsperspektiven <strong>de</strong>r Teilnehmer sensibilisiert, übt er die Kompetenz <strong>de</strong>r<br />

Perspektivität. (vgl. Siebert, 2005, S. 119f)<br />

Konstruktivistisches Lernen be<strong>de</strong>utet zirkuläres, gleichberechtigtes und wechselseitiges<br />

Lernen, es ermöglicht Rückkoppelungen, Feedback, Selbst- und Fremdreflexionen über<br />

Lernvorgänge. (Reich, 2006, S.224) Folglich sind die Lernen<strong>de</strong>n Didaktiker, die sich zu ihren<br />

Konstruktionen eine Didaktik erfin<strong>de</strong>n und ent<strong>de</strong>cken. Die erlangten Forschungsergebnisse<br />

wer<strong>de</strong>n aufgearbeitet und mit bereits bestehen<strong>de</strong>n Informationen verglichen. Erfolgreiche<br />

Ergebnisse können in <strong>de</strong>r Gruppe präsentiert und diskutiert wer<strong>de</strong>n, so wer<strong>de</strong>n aus Forschern<br />

wie<strong>de</strong>rum Lehren<strong>de</strong>. (vgl. ebd., S.121)<br />

11


3.1 Gestalten von Lernumgebungen<br />

Die Gestaltung von Lernumgebungen, Lernsettings und Lernkulturen wird gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Frontalunterricht favorisiert, hierbei wird in Lernumgebung (räumliche Gestaltung von<br />

Lernorten) und Lernkultur (Umgangsformen, Kommunikationsstile) unterschie<strong>de</strong>n. (Siebert,<br />

2005, S.109) Lernumgebungen müssen Möglichkeiten für verschie<strong>de</strong>ne Entwicklungswege,<br />

Lerngeschwindigkeiten und Herangehensweisen bieten. Der Lernprozess soll in vielfältiger<br />

Weise visualisiert und beobachtbar wer<strong>de</strong>n. Mögliche Lernrichtungen können durch die<br />

unterschiedlichen Metho<strong>de</strong>n aufgezeigt wer<strong>de</strong>n. Die Metho<strong>de</strong>n zum Lern- und<br />

Entwicklungsweg sollten so vielfältig wie die individuellen Erfahrungen <strong>de</strong>r Beteiligten<br />

gestaltet wer<strong>de</strong>n. Der Pädagoge stellt <strong>de</strong>n notwendigen Raum und Materialien, um Mitarbeit,<br />

aktive Partizipation und Mitbestimmung zu ermöglichen, zur Verfügung. Zu<strong>de</strong>m sollten<br />

verschie<strong>de</strong>ne Lernsituationen geschaffen, Ziele und Vorgehensweisen gemeinsam erstellt, die<br />

Wahl zwischen verschie<strong>de</strong>nen Lernformen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r gemeinsamen Diskussion von<br />

Ergebnissen ermöglicht wer<strong>de</strong>n. (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.238) Lin<strong>de</strong>mann fasst die<br />

Prozessqualitäten bei <strong>de</strong>r Gestaltung pädagogischer Praxis wie folgt zusammen:<br />

„Gemeinsame Reflexion und Kommunikation <strong>de</strong>r Systemmitglie<strong>de</strong>r<br />

- über ihre Sichtweise <strong>de</strong>r Komponenten und Relationen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Systeme,<br />

<strong>de</strong>nen sie angehören;<br />

- über Inhalte, Ziele, Interessen, Fähigkeiten und Wissen;<br />

- über Reflexionen und Kommunikationen.<br />

Gemeinsame Vereinbarung von Regeln, Prozessen, Inhalten und Zielen <strong>de</strong>s<br />

Zusammenarbeitens. Diskursive Differenzierung von Lernanlässen, Lernumgebungen und<br />

Lernbedingungen, um <strong>de</strong>n individuellen Vorraussetzungen <strong>de</strong>r einzelnen Systemmitglie<strong>de</strong>r<br />

gerecht zu wer<strong>de</strong>n.“(Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.240f) Qualitätsentwicklung, sowie die<br />

Lernbegleitung sind als kontinuierliche Prozesse anzusehen. Dabei gestaltet sich die<br />

Lernumgebung nicht durch eine bestimmte Pädagogik, son<strong>de</strong>rn die Menschen, also<br />

Pädagogen wie auch Beteiligte gestalten durch ihr Han<strong>de</strong>ln die Lernumgebung. Dabei ist die<br />

Entscheidung für das eigene Han<strong>de</strong>ln und die Verantwortung für seine Konsequenzen <strong>de</strong>r<br />

tragen<strong>de</strong> konstruktivistische Ansatz. (vgl. ebd., S.240)<br />

Für sein Denken, Lernen und Nicht-Lernen ist je<strong>de</strong>r selbst verantwortlich. Die Lehren<strong>de</strong>n sind<br />

verantwortlich für ihre Lehre, also für die Gestaltung <strong>de</strong>r Lernsettings, für die didaktische<br />

12


Reduktion und Rekonstruktion <strong>de</strong>r Themen und Qualifikationsanfor<strong>de</strong>rungen. (vgl. Siebert,<br />

2005, S. 35)<br />

Die konstruktive Didaktik setzt eine bewusste Reflexion, über die eigene Person, <strong>de</strong>n<br />

individuellen Bedingungen, Stärken, Schwächen und Interessen, voraus. Die Metho<strong>de</strong>n sollen<br />

mit Kollegen, Schüler, Klienten abgesprochen, variiert und erweitert wer<strong>de</strong>n. Die Reflexion<br />

soll sich auf anthropologische (Wahrnehmung, Bewusstsein, Selbstorganisation, Autonomie,<br />

Lernen) wie auch soziale Annahmen (Kommunikation, Interaktion, Konstruktionen sozialer<br />

Wirklichkeit und I<strong>de</strong>ntitätskonstruktion) beziehen. (vgl. Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S. 211ff)<br />

Die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Entwicklung, Ergebnissicherung und Evaluation sind weitere Richtsätze<br />

<strong>de</strong>r konstruktiven Didaktik. Denn erfolgreiche Gestaltungsprozesse erfor<strong>de</strong>rn die Begleitung<br />

und Dokumentation pädagogischer Praxis. (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S.211f) Zur Erweiterung <strong>de</strong>s<br />

Handlungsrepertoires sollte sich <strong>de</strong>r Pädagoge regelmäßig Evaluationsfragen (Beobachtungen<br />

II. Ordnung) stellen. Diese könnten zur Selbsterfahrung mit <strong>de</strong>m Konstruktivismus folgend<br />

lauten: „Was erwarte in von <strong>de</strong>r Gruppe, entsprechen diese Erwartungen <strong>de</strong>n Wünschen <strong>de</strong>r<br />

Teilnehmer? Was erwarten diese vermutlich von mir? Worauf stützt sich meine Vermutung?<br />

Wür<strong>de</strong> ich gern als Teilnehmer/in an meinem Seminar teilnehmen? Warum?“ (Siebert, 2005,<br />

S.124) Die Fragen sollen viabel, konstruktiv und hilfreich sein. (vgl., ebd., S.124)<br />

3.2 Wirkungsebenen pädagogischer Theorie und Praxis<br />

Die pädagogische Praxis besteht aus pädagogischem Han<strong>de</strong>ln (z.B. Beraten, Lehren) und aus<br />

pädagogischer Theoriebildung (z.B. Dokumentationen, Feldforschung). Folglich sollen<br />

Pädagogen, durch das pädagogische Han<strong>de</strong>l und die Theoriebildung, über eine doppelte<br />

Praxis verfügen. (Lin<strong>de</strong>mann, 2006, S. 213) Vielfältige Faktoren <strong>de</strong>r Praxisgestaltung<br />

beeinflussen das pädagogische Han<strong>de</strong>ln. Zum einen die personenbezogenen und inhaltlichen<br />

<strong>Aspekte</strong> und zum an<strong>de</strong>ren die organisatorischen und kontextuellen <strong>Aspekte</strong>.<br />

Personenbezogene <strong>Aspekte</strong> <strong>de</strong>r Beteiligten sind Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung,<br />

Intelligenzen, Sinne, Wahrnehmung, Motorik, körperliche Fähigkeiten, Lern- und<br />

Arbeitsstrategien, Kommunikations- und Interaktionsstile, Selbstkonzept, Rollenbil<strong>de</strong>r,<br />

Vorerfahrungen, Wissen, Interessen, Motive, Neigungen, Bedürfnisse, Kulturtechniken,<br />

Schlüsselkompetenzen, kommunikative Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten,<br />

13


Mitwirkungskompetenzen, personale Kompetenzen und Selbstlernkompetenz sein. Die<br />

inhaltlichen Faktoren stellen Bildungs- und Erziehungsziele, Werte, Normen, Metho<strong>de</strong>n,<br />

Arbeitstechniken, Fachwissen, Fachthemen, aktuelle Themen und Themen <strong>de</strong>r Schüler dar.<br />

Die organisatorischen und kontextbezogenen Faktoren bestehen aus <strong>de</strong>n räumlichen (z.B.<br />

Institution, Funktionsraum, Bestuhlung, Größe, Licht, Atmosphäre), <strong>de</strong>n materiellen (z.B.<br />

Medien, Materialien, finanzielle und materielle Ressourcen), <strong>de</strong>n zeitlichen (z.B. Arbeitszeit,<br />

Ablaufpläne, Projektwoche) und <strong>de</strong>n sozialen Faktoren (z.B. Kleingruppe, Einzelgespräch,<br />

Rollenübernahmen, Aufgabenverteilung, formale Regelungen, Rituale). Die Gestaltung<br />

pädagogischer Praxis erfor<strong>de</strong>rt eine multifaktorielle und bewegliche Herangehensweise, die<br />

die Faktoren individuell nach Lernprozessen hervorhebt. Die Pluralität <strong>de</strong>r<br />

personenbezogenen Faktoren stellt eine hohe Anfor<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>n Pädagogen, <strong>de</strong>mnach soll<br />

die Planung flexibel gestaltet wer<strong>de</strong>n und Raum für Kommunikation geben. Da die Faktoren<br />

alle vernetzt sind und sich untereinan<strong>de</strong>r bedingen, liegt es am Pädagogen die Faktoren<br />

passend zu verknüpfen und die geeignete Kombination zu fin<strong>de</strong>n. (vgl. Lin<strong>de</strong>mann, 2006,<br />

S.231-237)<br />

Reich fasst die Rolle <strong>de</strong>r <strong>konstruktivistischen</strong> Pädagogik wie folgt zusammen:<br />

„Didaktiker lassen sich von Prinzipien leiten, wählen Metho<strong>de</strong>n/Medien aus <strong>de</strong>m<br />

Metho<strong>de</strong>npool mischen, variieren und kontrastieren Metho<strong>de</strong>n/Medien und lassen dabei<br />

Lerner möglichst partizipieren.“ (Reich, 2006, S.272)<br />

4. Lernen aus <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Sicht<br />

Lernen aus <strong>systemisch</strong>-konstruktivistischer Sicht vollzieht sich struktur<strong>de</strong>terminiert, was und<br />

wie etwas verarbeitet wird, hängt von <strong>de</strong>m internen kognitiv-emotionalen System und <strong>de</strong>n<br />

gegenwärtigen körperlichen Empfindungen ab. Um eine Überfor<strong>de</strong>rung zu vermei<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n<br />

die zahlreichen Informationen die auf <strong>de</strong>n Menschen einströmen, nur gefiltert aufgenommen,<br />

<strong>de</strong>nn das Hören und Aufnehmen von Informationen bedingen vielfältige Faktoren. Dazu<br />

gehören die Wissensnetze, <strong>de</strong>r Kontext, <strong>de</strong>r Sinn, die Perturbation, die Meta-Kognition, die<br />

Körperlichkeit, die emotionale Kompetenz und die Biographie. Die Wissensnetze sind<br />

Schemata und Strukturen im Nervensystem, sie wer<strong>de</strong>n durch aktivieren und verknüpfen<br />

vorhan<strong>de</strong>ner Assoziationsfel<strong>de</strong>r gebil<strong>de</strong>t und erweitert. Wissen ist ein subjektiver<br />

Erkenntnisprozess und eine Konstruktion <strong>de</strong>s Subjekts. (vgl. Siebert, 2005, S.31ff) Das<br />

Gehörte sollte sich am Vorwissen orientieren und anschlussfähig sein. Die Verarbeitung von<br />

Informationen steht im engen Zusammenhang mit <strong>de</strong>n biographischen und beruflichen<br />

14


Verwendungssituationen. Informationen wer<strong>de</strong>n stets im Kontext verarbeitet, die<br />

Lernumgebung und Lerngruppe spielt eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle, <strong>de</strong>mzufolge können Themen<br />

und Inhalte nicht vermittelt, sie müssen als sinnvoll erfahren wer<strong>de</strong>n. Der Begriff Sinn wird<br />

dabei als lebenspraktische Be<strong>de</strong>utsamkeit und Relevanz für die eigene I<strong>de</strong>ntitätsentwicklung<br />

verstan<strong>de</strong>n, dieser kognitiv-emotionaler Prozess muss erlebt wer<strong>de</strong>n. Perturbation lässt sich<br />

mit Verstörung übersetzen und steht für Störungen, Irritationen von vorhan<strong>de</strong>nen Systemen,<br />

um für Neues offen zu wer<strong>de</strong>n. Differenzerfahrungen und die Wahrnehmung von<br />

Unterschie<strong>de</strong>n ermöglichen Perturbation. (ebd., S.34) Die Fähigkeit zur reflexiven<br />

Selbstbeobachtung, zur Evaluation <strong>de</strong>r eigenen Lernstile und Lernmotive, <strong>de</strong>r Stärken und<br />

Schwächen lassen sich <strong>de</strong>r Meta-Kognition zuordnen. Körperlichkeit sagt aus, dass<br />

Erfahrungen möglichst Ganzheitlich gemacht wer<strong>de</strong>n, es sollten neben <strong>de</strong>m kognitiven<br />

Aspekt auch die Sinne angesprochen und konkrete Handlungssituationen erprobt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

emotionale Kompetenz baut auf <strong>de</strong>m Grundsatz, dass konstruktive und kognitive<br />

Lernprozesse emotional eingebettet sind. Ein entspanntes Lernklima, Lernfähigkeit und<br />

aufgeschlossenes Lernen erfor<strong>de</strong>rn ein körperliches Wohlbefin<strong>de</strong>n. (vgl. Siebert, 2005, S.33)<br />

„Das psychische System entschei<strong>de</strong>t, was es verarbeiten kann und will.“ (Siebert, 2005, S.32)<br />

Demnach ist Lernen als ein selbst gesteuerter, eigenwilliger, eigensinniger Prozess anzusehen.<br />

Es fin<strong>de</strong>t beim Lernen kein Wissenstransport statt. (ebd., S.32) Der Lernen<strong>de</strong> benötigt<br />

Informationen, Anregungen, Rückmeldungen und Lernhilfen, um sich seine Welt <strong>de</strong>s<br />

Be<strong>de</strong>utungsvollen zu konstruieren.<br />

4.1 Nachhaltiges Lernen<br />

Nachhaltiges Lernen fin<strong>de</strong>t statt, wenn das Gelernte hier und heute gebraucht wird, es<br />

lebensdienlich ist, es Ordnung herstellt und es handlungsrelevant ist. Denn es ist eine<br />

Mischung aus Denken, Fühlen, Erinnern und körperlichen Empfindungen. Durch nachhaltiges<br />

Lernen erweitert sich das Repertoire an Handlungen und Problemlösungen. (Siebert, 2005,<br />

S.32) Eine emotionale Verankerung mit Themen ermöglicht nachhaltiges Lernen. Die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Lerninhaltes muss von je<strong>de</strong>m Individuum selbst ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>shalb lässt<br />

sich die Nachhaltigkeit <strong>de</strong>s Lernens nicht herstellen. Die kognitiven und emotionalen<br />

Kompetenzen, die nachhaltiges Lernen beeinflussen, können jedoch in Form von Lernhilfen,<br />

Lernberatungen, Lernübungen geübt wer<strong>de</strong>n. Zu <strong>de</strong>n Faktoren <strong>de</strong>r nachhaltigen Lernens<br />

gehört die Be<strong>de</strong>utsamkeit <strong>de</strong>s Themas, die Praxisrelevanz, die Anschlussfähigkeit, das Flow-<br />

15


Gefühl (Einheit geistigen, emotionalen, und körperlichen Wohlbefin<strong>de</strong>ns), die Vielfalt <strong>de</strong>r<br />

Lernwege, die angenehme Lernatmosphäre und die metakognitive Reflexion. (Siebert, 2005,<br />

S.37) Die Individualisierung <strong>de</strong>s Lernens wird betont, <strong>de</strong>nn Lernen ist biographieabhängig.<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch lernt individuell. Gelernt wird, wenn jemand konzentriert zuhört, das Thema<br />

interessant ist, es in das Selbstkonzept passt und es als Bereicherung erlebt wird. Grundlage<br />

je<strong>de</strong>r Lernfähigkeit ist es, Wissenslücken wahrzunehmen und diese aufarbeiten zu wollen.<br />

(vgl. Siebert, 2005, S.37f)<br />

Ein Lernprozess spielt sich auf unterschiedlichen Ebenen ab. Der offizielle Lehrplan ist nur<br />

die Spitze <strong>de</strong>s Eisbergs. Denn die verborgenen Lernaktivitäten umfassen weitaus mehr, als<br />

<strong>de</strong>n offiziellen Lehrplan und sind für die Pädagogen nicht ersichtlich. Die Interessenten lesen,<br />

<strong>de</strong>nken, fühlen, empfin<strong>de</strong>n völlig individuell und unterschiedlich. Deshalb wird zwischen<br />

Lerngegenstand und Lerninhalt unterschie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Lerngegenstand ist das Thema, dieses wird<br />

nur zum Lerninhalt, wenn es biographisch Anschluss fin<strong>de</strong>t und zum Bestandteil <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität<br />

und <strong>de</strong>s Selbstkonzepts wird. (vgl. Siebert, 2005, S.46)<br />

16


5. Metho<strong>de</strong>nbeispiele <strong>einer</strong> <strong>systemisch</strong>-konstruktivistische Didaktik<br />

Eine Metho<strong>de</strong>ngläubigkeit ist unkonstruktivistisch. Der Einsatz von Metho<strong>de</strong>n hängt von <strong>de</strong>m<br />

Anlass, Ziel, Inhalt, Kontext, <strong>de</strong>r Situation, <strong>de</strong>n Lehren<strong>de</strong>n und Lernen<strong>de</strong>n ab, <strong>de</strong>mnach gibt<br />

es keine falsche o<strong>de</strong>r richtige Metho<strong>de</strong>. Metho<strong>de</strong>n sollen zum Nach<strong>de</strong>nken anregen,<br />

überraschen<strong>de</strong> Erkenntnisse ermöglichen und einen Perspektivwechsel för<strong>de</strong>rn.<br />

Reformpädagogische Reformen, die die Eigenaktivität <strong>de</strong>r Lernen<strong>de</strong>n anregen, wer<strong>de</strong>n<br />

favorisiert. (vgl. Siebert, 2005, S.102f)<br />

5. 1 Das Planspiel<br />

In Planspielen wird eine Praxissituation simuliert. Dabei soll <strong>de</strong>n Teilnehmern die<br />

Möglichkeit gegeben wer<strong>de</strong>n weitgehend autonom und selbstorganisiert ein konkretes<br />

Problem anzugehen und Lösungen zu suchen. Simulationen dieser Art wer<strong>de</strong>n durchgeführt,<br />

um auf die Komplexität <strong>einer</strong> Praxissituation vorzubereiten. Dabei gehören Planspiele nach<br />

Reich (2003) zum notwendigen Inventar <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik, da sie die<br />

Möglichkeit für Re/De/Konstruktionen und experimentelles Han<strong>de</strong>ln bieten. Reich zitiert<br />

Klippert (2002, S.31, zitiert nach Reich, 2003, S.2), <strong>de</strong>r darauf hinweist, dass durch Planspiele<br />

die in <strong>de</strong>r Wirtschaft gefor<strong>de</strong>rten „Schlüsselqualifikationen“ (Selbständigkeit,<br />

Verantwortungsbereitschaft, Kreativität, Teamfähigkeit, etc.) erprobt wer<strong>de</strong>n. Allerdings<br />

muss <strong>de</strong>r Einsatz von Planspielen im Sinne <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik vom Einsatz<br />

von Simulationen wie sie in <strong>de</strong>r Praxis erfolgen, abgegrenzt wer<strong>de</strong>n. Computersimulationen<br />

beispielsweise erfüllen nicht die Kriterien, die an <strong>de</strong>n didaktischen Einsatz dieser Metho<strong>de</strong><br />

gestellt wer<strong>de</strong>n. Eine konstruktivistische Didaktik for<strong>de</strong>rt vom Einsatz eines Planspiels, dass<br />

es die Beobachtungsfähigkeit s<strong>einer</strong> Teilnehmer erweitert, neue Horizonte eröffnet und zu<br />

vielfältigen Lösungsansätzen anregt.<br />

Theoretische und praktische Grün<strong>de</strong> für ein Planspiel<br />

Planspiele können die Lernmotivation erhöhen. Die intrinsische Motivation zum Lernen kann<br />

beson<strong>de</strong>rs dann gesteigert wer<strong>de</strong>n, wenn es in <strong>de</strong>m Spiel gelingt, I<strong>de</strong>ntifikationen mit<br />

bestimmten Aufgaben o<strong>de</strong>r Gruppen zu erreichen. Eine Gefahr besteht darin, dass eine Rolle<br />

von einem Teilnehmer als unpassend („blöd“) empfun<strong>de</strong>n wird. Eine mögliche Lösung wäre,<br />

die Rollen per Zufall zu verteilen, so dass sich k<strong>einer</strong> benachteiligt fühlt. Ein Planspiel kann<br />

dann als Erfolg gewertet wer<strong>de</strong>n, wenn es ein Problem löst, selbst wenn sich in <strong>de</strong>r<br />

Nachbesprechung herausstellt, dass diese nicht die günstigste Lösung darstellt. Das Spiel soll<br />

dabei Anlass zu Reflexion bieten. Es soll nicht erfolgreiches Han<strong>de</strong>ln schön gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

17


o<strong>de</strong>r harmonische Einigung um je<strong>de</strong>n Preis erzielt wer<strong>de</strong>n. Planspiele zielen eher auf<br />

konvergentes, <strong>de</strong>nn auf divergentes Denken.<br />

Planspiele stellen immer auch eine Form <strong>de</strong>s Metho<strong>de</strong>ntrainings und <strong>de</strong>s Metho<strong>de</strong>n Lernens<br />

dar. Es wer<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong>n wie Markieren, Exzerpieren, Nachschlagen, Protokollieren bis hin<br />

zum Schreiben von Leserbriefen und <strong>de</strong>m Entwerfen von Flugblättern geübt. Dabei üben und<br />

festigen die Teilnehmer ihre methodische Kompetenz <strong>de</strong>s selbstständigen Arbeitens durch<br />

einen selbst gesteuerten Arbeits- und Lernprozess. Planspiele bauen auch die sozialen<br />

Fähigkeiten aus. Dabei erweitern sich nicht nur die kommunikativen Kompetenzen in<br />

Aushandlungs- und Diskussionsprozessen, son<strong>de</strong>rn es wer<strong>de</strong>n auch <strong>systemisch</strong>e Kompetenzen<br />

ausgebaut. Die Teilnehmer wer<strong>de</strong>n in solchen Simulationen mit Systemkomplexen,<br />

Einzelsystemen und Systemelementen konfrontiert und müssen Wechselwirkungen und<br />

Zusammenhänge erkennen. Klippert (zitiert nach Reich, 2003, S.5) verweist auf die Erhöhung<br />

von Sensibilität, Konsensfähigkeit sowie Durchsetzungsfähigkeit und Kritikfähigkeit und<br />

bezeichnet dies auch als grundlegen<strong>de</strong> Kompetenzen zur Erreichung von<br />

„Demokratiefähigkeit“.<br />

Praktisch lassen sich Planspiele damit begrün<strong>de</strong>n, dass sie zu effektiven und langfristigen<br />

Lernerfolgen führen. So beschreibt Reich (2003, S.6), dass bei Befragungen nach einem<br />

Planspiel <strong>de</strong>n Teilnehmern immer wie<strong>de</strong>r die Konflikte, <strong>de</strong>r Ärger, <strong>de</strong>r Spaß und die Witze,<br />

die sie miteinan<strong>de</strong>r erlebt haben, in <strong>de</strong>n Sinn kommen. Mit diesen Erinnerungen fallen ihnen<br />

dann auch viele <strong>de</strong>r zu vermitteln<strong>de</strong>n Sachinhalte und erfolgreiche sowie erfolglose Strategien<br />

wie<strong>de</strong>r ein. In <strong>de</strong>r Rezeption von Reich (2003, S.6) warnt Klippert davor, die<br />

Planspielmetho<strong>de</strong> zu oft einzusetzen, da sie dann an Exklusivität verliert und ihre Wirkkraft<br />

nachlässt. In <strong>de</strong>r Aus- und Erwachsenenbildung ist das Planspiel bereits eine anerkannte<br />

Metho<strong>de</strong>. Der Grund, warum sie im Schulsystem eher vereinzelt eingesetzt wird, führt Reich<br />

(ebd.) darauf zurück, dass <strong>de</strong>r Vorbereitungsaufwand sehr groß ist und die Realisierung im<br />

Fachstun<strong>de</strong>nsystem schwierig ist. Es bietet sich daher eher an, ein Planspiel im Rahmen eines<br />

Projekttages o<strong>de</strong>r <strong>einer</strong> Projektwoche umzusetzen.<br />

Die Planspielmetho<strong>de</strong> stellt eine offene Form <strong>de</strong>s Unterrichts dar. Es muss dabei sichergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass je<strong>de</strong>r Schüler in <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>s Planspiels mit einbezogen wird. Die Nachteile<br />

von Planspielen liegen u.a. im organisatorischen Aufwand, <strong>de</strong>r notwendigen Teilnehmerzahl (<br />

es dürfen nicht weniger als 20 Schüler sein), die Leistungsbeurteilung Einzelner ist schwierig,<br />

die zeitliche Umsetzung kann problematisch sein und es kann zu <strong>einer</strong> heiklen<br />

18


Rolleni<strong>de</strong>ntifikation kommen in <strong>de</strong>m Sinne, dass Schüler sich mit <strong>einer</strong> Rolle<br />

überi<strong>de</strong>ntifizieren o<strong>de</strong>r gar nicht i<strong>de</strong>ntifizieren können. Dabei können Planspiele einen<br />

ernsthaften Charakter annehmen <strong>de</strong>r so nicht gerechtfertigt ist. Als mögliche Lösung schlägt<br />

Reich (2003, S.14) vor einen „Aus-„ o<strong>de</strong>r „Freiraum“ einzurichten, in <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r aus s<strong>einer</strong><br />

Rolle aussteigen kann. Allerdings muss hierfür eine Betreuung organisiert wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Ausstieg sollte später mit <strong>de</strong>r Gesamtgruppe reflektiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Organisation eines Planspiels<br />

Zur Vorbereitung eines Planspiels müssen folgen<strong>de</strong> Unterlagen bereitgestellt wer<strong>de</strong>n:<br />

Eine Fallstudie, in <strong>de</strong>r kurz die vorherrschen<strong>de</strong> Problemsituation skizziert wird. Arbeitskarten<br />

mit Erläuterungen zum Spielverlauf. Rollenkarten, durch welche <strong>de</strong>n Teilnehmern spezifische<br />

Rollen übertragen wer<strong>de</strong>n (Informationen zum Rollenverständnis, z.B. <strong>de</strong>s Betriebsrates, <strong>de</strong>r<br />

Unternehmensleitung, von Aktionären, Mitarbeitern, Kun<strong>de</strong>n, Bürgerinitiativen,<br />

Ministeriumsmitarbeitern, u.a.). Ereigniskarten, die als Impulskarten durch <strong>de</strong>n Spielleiter in<br />

die Gruppen gereicht wer<strong>de</strong>n können (z.B. Bedingungsän<strong>de</strong>rungen wie Preissenkungen, o.ä.).<br />

Außer<strong>de</strong>m muss Arbeitsmaterial (Büromaterial, Nachschlagewerke) bereitgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

19


I<strong>de</strong>altypischer Verlauf eines Planspiels<br />

Die i<strong>de</strong>altypischen Phasen eines Planspiels wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n dargestellt und können im<br />

Einzelfall variieren. In Abbildung 3 wer<strong>de</strong>n sie veranschaulicht dargestellt.<br />

Abbildung 3: Reich (2003, S.8)<br />

1. Spieleinführung: Das Planspiel wird vorgestellt, die Spielmaterialien gezeigt und die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Rollen präsentiert. Danach wer<strong>de</strong>n Verständnisfragen geklärt und die<br />

Arbeitsgruppen eingeteilt. Der Spielleiter schil<strong>de</strong>rt kurz das Problem und stellt das<br />

Material bereit.<br />

2. Informations- und Lesephase: Jetzt wer<strong>de</strong>n die Plätze an <strong>de</strong>n Gruppentischen mit <strong>de</strong>n<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Rollenbezeichnungen eingenommen. Die Gruppenmitglie<strong>de</strong>r erhalten<br />

die Arbeitskarten, die für alle Gruppen gleich sind und die unterschiedlichen<br />

Rollenkarten. Das Informationsmaterial wird durchgelesen. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />

Verständnisfragen geklärt. Der Spielleiter verteilt die Arbeits- und Rollenkarten.<br />

3. Meinungsbildung und Strategieplanung innerhalb <strong>de</strong>r Gruppe: Die Informationen<br />

wer<strong>de</strong>n gruppenintern strukturiert und anschließend wird die Ausgangssituation<br />

analysiert. Dabei wer<strong>de</strong>n Handlungsoptionen besprochen und diskutiert, sowie<br />

20


möglichst kreative I<strong>de</strong>en und Strategien entwickelt. Hilfestellung wird nur in<br />

Notsituationen geleistet. Der Spielleiter fungiert als Beobachter und berät lediglich bei<br />

Rückfragen.<br />

4. Interaktion zwischen <strong>de</strong>n Gruppen: Diese Phase ist die intensivste Spielphase. Die<br />

Gruppen agieren (Versen<strong>de</strong>n von Briefen und Faxen an die übrigen Gruppen,<br />

Besuche, das Führen von Gesprächen und Verhandlungen) und reagieren ebenso auf<br />

Anfragen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Gruppen. Durch Ereigniskarten können gezielt Impulse und<br />

Verän<strong>de</strong>rungen ins Spiel eingebracht wer<strong>de</strong>n. Auch hier ist <strong>de</strong>r Spielleiter nur<br />

Beobachter.<br />

5. Vorbereitung eines Plenums o<strong>de</strong>r <strong>einer</strong> Konferenz: Diese Phase ist meist die<br />

spannendste im Spielverlauf und bil<strong>de</strong>t damit <strong>de</strong>n Höhepunkt. Die Gruppe trägt intern<br />

ihre Ergebnisse zusammen und verarbeitet und bewertet in dieser Phase ihre erreichten<br />

Ergebnisse. Es wird <strong>de</strong>r Verlauf <strong>de</strong>s Plenums bzw. <strong>de</strong>r Konferenz geplant, die zu<br />

vertreten<strong>de</strong>n Positionen besprochen, mögliche Argumente und Strategien, sowie die<br />

Einstiegsstatements und <strong>de</strong>r jeweilige Gruppensprecher bestimmt. Der Spielleiter steht<br />

für Rückfragen zur Verfügung.<br />

6. Durchführung eines Plenums bzw. <strong>einer</strong> Konferenz: An <strong>de</strong>m Plenum bzw. <strong>de</strong>r<br />

Konferenz nehmen i.d.R. alle Teilnehmer teil. In dieser Phase wer<strong>de</strong>n die Ergebnisse<br />

<strong>einer</strong> je<strong>de</strong>n Gruppe vor <strong>de</strong>m Plenum zusammengetragen und durch <strong>de</strong>n<br />

Gruppensprecher, bzw. unterstützt durch die Gruppenmitglie<strong>de</strong>r präsentiert. Wenn<br />

offene Fragen bleiben o<strong>de</strong>r kein Konsens erzielt wer<strong>de</strong>n konnte, da die Interessen<br />

nicht zu vereinbaren waren, wer<strong>de</strong>n die Teilnehmer auf die Phase <strong>de</strong>r Spielauswertung<br />

verwiesen. Der Spielleiter fungiert als Konferenzvorsitzen<strong>de</strong>r.<br />

7. Spielauswertung: In dieser Phase wer<strong>de</strong>n Zusammenfassungen und Analysen zum<br />

inhaltlichen, aber auch formalen Spielverlauf vorgenommen, wobei die Teilnehmer<br />

<strong>de</strong>n Spielverlauf und die erzielten Spielergebnisse reflektieren und anschließend<br />

konstruktiv Kritik äußern sollen und dürfen. Der Spielleiter leitet das Gespräch in <strong>de</strong>r<br />

Rolle <strong>de</strong>s neutralen Mo<strong>de</strong>rators.<br />

21


5. 2 Das Mind Map<br />

Das Mind-Map ist eine flexible und kreative Arbeitsmetho<strong>de</strong>, die in vielen Lebensbereichen<br />

Anwendung fin<strong>de</strong>t. Die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mind-Map wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 70er Jahren von Tony Buzan<br />

entwickelt. Als Grundlage dienten ihm gehirnpsychologische Hypothesen. Jedoch ist <strong>de</strong>r<br />

Zusammenhang von Hirnforschung und Lernerfolg durch das Mind-Map bis heute nicht<br />

wissenschaftlich erwiesen. Mind-Maps wer<strong>de</strong>n genutzt, um zu planen, zu präsentieren, Inhalte<br />

aufzuarbeiten, Lernstoff vorzubereiten und sich einen I<strong>de</strong>enüberblick zu verschaffen. Die<br />

Struktur eines Mind-Map sieht wie folgt aus. „Ein Mind-Map strahlt immer von einem<br />

Zentrum aus, je<strong>de</strong>s Wort und je<strong>de</strong>s Bild wird in sich ein untergeordneter Mittelpunkt von<br />

Assoziationen. Das Ganze wird zu einem Glied <strong>einer</strong> potenziellen Kette von Mustern, die sich<br />

vom gemeinsamen Mittelpunkt weg o<strong>de</strong>r zu ihm hin bewegen.“ (Reich, K. (Hg.):<br />

Metho<strong>de</strong>npool. In: URL: http://metho<strong>de</strong>npool.uni-koeln.<strong>de</strong> 2003 ff)<br />

aus URL: http://www.consequence-concept.<strong>de</strong>/informationen/<strong>de</strong>fault.htm<br />

Für ein Brainstorming eignet sich die Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mind-Map, um einem Thema Struktur zu<br />

geben. Im Vorfeld wird ein Oberthema vorgeben, <strong>de</strong>n Gedanken und I<strong>de</strong>en wird freien Lauf<br />

gelassen, es wird je<strong>de</strong>r Vorschlag festgehalten. Im Nachhinein lassen sich Unterüberschriften<br />

und Zusammenhänge erkennen und dienen als Glie<strong>de</strong>rung für die I<strong>de</strong>ensammlung, wobei die<br />

bildhafte Darstellung eine schelle Übersicht ermöglicht.<br />

22


Einige <strong>Aspekte</strong> sollten bei <strong>de</strong>r Anwendung beachtet wer<strong>de</strong>n. Das Papier soll im Querformat<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n, dass entspricht <strong>de</strong>m natürlichen Format <strong>de</strong>r Augen. Das zentrale Thema wird<br />

möglichst mittig notiert und mit einem Symbol verbildlicht. Von <strong>de</strong>m Hauptthema wer<strong>de</strong>n<br />

nun Äste gezogen, diese können unterschiedlich lang und dick sein. Zwischen <strong>de</strong>n Ästen<br />

sollten Lücken vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, weil das Gehirn diese mitverarbeiten muss. Es sollte<br />

zu<strong>de</strong>m möglichst immer nur ein Wort und nicht ganze Sätze geschrieben wer<strong>de</strong>n, dies können<br />

Schlüsselworte sein. Eine farbige Gestaltung <strong>de</strong>s Mind-Map regt das Gehirn an und schafft<br />

bei gezieltem Einsatz Übersichtlichkeit, Bil<strong>de</strong>r und Symbole lassen sich leichter aufnehmen<br />

und schaffen daher Anreize für die Augen.<br />

Die Anwendungsmöglichkeiten in <strong>de</strong>r Gruppe sind vielfältig, vereinte Kreativität und<br />

Erinnerungsvermögen, Problemlösung und Analyse, Entscheidungsfindung,<br />

Projektmanagement und Aus- und Weiterbildung. In <strong>einer</strong> Präsentation kann ein Mind-Map<br />

als Re<strong>de</strong>manuskript dienen, es erleichtert <strong>de</strong>m Redner <strong>de</strong>n Blickkontakt zu <strong>de</strong>n Zuhörern zu<br />

halten. Um das Mind-Map gezielt einsetzen zu können, erfor<strong>de</strong>rt es viel Übung. (vgl. Reich,<br />

K. (Hg.): Metho<strong>de</strong>npool. In: URL: http://metho<strong>de</strong>npool.uni-koeln.<strong>de</strong> 2003 ff)<br />

6. Kritische Würdigung und Schlussfolgerung<br />

Reich (2007, S.38) verweist darauf, dass konstruktivistischem Denken häufig <strong>de</strong>r Vorwurf<br />

gemacht wird, dass es „Wahrheiten“ abschaffen will. Er erklärt diesen Kritikpunkt als<br />

Fehlinterpretationen eines radikalen Konstruktivismus und entgegnet, dass dies kaum <strong>de</strong>m<br />

Selbstverständnis und <strong>de</strong>r Entwicklung konstruktivistischer Diskussionen über<br />

unterschiedliche Ansätze hinweg entsprechen wür<strong>de</strong>. Auch <strong>de</strong>r Konstruktivismus,<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r methodische Konstruktivismus/Kulturalismus und soziale Konstruktivismus,<br />

begrün<strong>de</strong>t eine Theorie <strong>de</strong>r Wahrheit und reflektiert <strong>de</strong>ren Geltungsanspruch. Allerdings<br />

kommt er dabei zu <strong>einer</strong> verän<strong>de</strong>rten Sicht gegenüber traditionellen Wahrheitssetzungen<br />

(ebd., S.38ff). Schüßler (2005, S.88) betont, dass auch <strong>de</strong>r radikale Konstruktivismus nicht<br />

die Existenz <strong>einer</strong> beobachterunabhängigen Realität leugnet. Diese wird in Form von<br />

Hin<strong>de</strong>rnissen, an <strong>de</strong>nen das Han<strong>de</strong>ln und Denken fehlschlägt, erfahrbar. Schüßler (2005, S.88)<br />

problematisiert allerdings die Übersetzung konstruktivistischer Ansätze in eine Didaktik. Die<br />

Autorin bezweifelt, dass sich aus <strong>de</strong>r Tatsache, dass Lernen<strong>de</strong> Reize auf eigene Weise<br />

verarbeiten, notgedrungen schließen lässt, dass auch die Fähigkeit vorhan<strong>de</strong>n ist, sich<br />

selbstständig Wissen anzueignen und diesen Prozess autonom zu organisieren. Sie verweist<br />

darauf, dass eine Selbststeuerung <strong>de</strong>s Lernprozesses davon abhängig ist, in wieweit ein<br />

23


Lernen<strong>de</strong>r Verunsicherungs- und Konfrontationsprozesse überhaupt zulässt o<strong>de</strong>r sich ihnen<br />

entzieht. Sie schreibt: „Meines Erachtens lassen sich nicht einfach aus <strong>de</strong>r Kenntnis<br />

spezifischer innerpsychischer Vorgänge didaktische Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n ableiten.“<br />

(ebd., S.89) Hierbei muss berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, dass eine pragmatisch-konstruktivistische<br />

Didaktik diese Fähigkeiten nicht voraussetzt, son<strong>de</strong>rn sie in Lehr- und Lernarrangements<br />

gemeinsam mit <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n entwickelt. Schüßler (2005, S.90) beschreibt die Kritik<br />

konstruktivistisch orientierter Pädagogen, dass Lehren<strong>de</strong> so tun, als gäbe es eine objektive<br />

Wirklichkeit, die es zu vermitteln gilt. Konstruktivistische Pädagogen entlarven dies als<br />

„Illusion <strong>de</strong>s Faktischen“ (Arnold/Kempkes, 1998, S.261, zitiert nach Schüßler, 2005, S.90).<br />

Schüßler (ebd.) ist <strong>de</strong>r Ansicht, dass dann aber auch von <strong>einer</strong> „Illusion <strong>de</strong>s Didaktischen“<br />

ausgegangen wer<strong>de</strong>n müsste. Sie löst dieses Problem dadurch, dass vermittelte Inhalte keine<br />

allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten darstellen sollten, son<strong>de</strong>rn eher „beobachterrelevante<br />

Eigenschaften“ (Searle, 1997, zitiert nach Schüßler, 2005, S.90) erzeugt wer<strong>de</strong>n sollten, die<br />

ein Verständnis für die Konstruktionsmechanismen gesellschaftlicher Tatsachen entwickeln<br />

helfen. Schüßler (2005, S.91) geht weiterhin auf Probleme <strong>de</strong>s Viabilitätskonstrukts für eine<br />

Didaktik ein. „Wenn Viabiliät nur subjektiv bestimmt wer<strong>de</strong>n kann und lediglich<br />

überlebens-utilitaristische Gesichtspunkten gehorcht, dann bleibt die Frage offen, wie Lehre<br />

überhaupt konzeptualisiert wer<strong>de</strong>n kann, wenn je<strong>de</strong>r selbst entschei<strong>de</strong>t, was für ihn passend<br />

ist.“ (Schüßler, 2005, S.91) Im Grun<strong>de</strong> genommen beschreibt Schüßler hier <strong>de</strong>n klassischen<br />

Vorwurf an eine konstruktivistische Didaktik: die Frage nach <strong>de</strong>r Beliebigkeit von Inhalten.<br />

Zur Lösung dieses Konfliktes greift sie auf Reich zurück und schreibt, dass nicht alles Wissen<br />

immer neu konstruiert wer<strong>de</strong>n muss, son<strong>de</strong>rn auf kulturell legitimes Wissen zurückgegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n kann, dass dann in gemeinsamer Re- und Dekonstruktion bearbeitet wird (ebd.).<br />

Schüßler (2005, S.92) kommt zu <strong>de</strong>m Schluss, dass konstruktivistische Ansätze für ein<br />

didaktisches Han<strong>de</strong>ln nur teilweise „viabel“ sind. Sie sieht darin auch einen Grund, warum in<br />

diesem Feld voranging ein „gemäßigter Konstruktivismus“ vertreten wird. Sie zitiert Arnold<br />

und Siebert (1995, S.169, zitiert nach Schüßler, 2005, S.92), die zu be<strong>de</strong>nken geben, dass „die<br />

konstruktivistische Lern- und Erkenntnistheorie eine notwendige, aber nicht hinreichen<strong>de</strong><br />

Grundlage für eine Didaktik <strong>de</strong>r Erwachsenenbildung liefert.“ In Anlehnung an die<br />

Ausführungen zur pädagogischen Grundhaltung nach Lin<strong>de</strong>mann (2006) könnte man<br />

schlussfolgern, dass eine konstruktivistisch-pädagogische Grundhaltung zwar keine<br />

spezifischen Metho<strong>de</strong>n und Konzeptualisierungen für <strong>de</strong>n Unterricht bereitstellen, aber durch<br />

24


ein spezifisches Menschenbild eine Grundlage für <strong>de</strong>n Unterricht (er)schaffen, die durchaus<br />

viabel sein kann.<br />

25


Anhang A<br />

A.1 Die <strong>konstruktivistischen</strong> Grundannahmen über Lernvorgänge nach Reich<br />

(Zusammenfassung):<br />

1) Konstruktivistisches Lernen<br />

Das Lernen soll beim Han<strong>de</strong>ln und Tun (learning by doing) erfolgen. Dem Lernen<strong>de</strong>n<br />

wird die Möglichkeit gegeben wer<strong>de</strong>n, seine Handlungen abzuschätzen und Reflexionen<br />

über sein Beobachten, seine Teilnahme und seine Aktion anzustellen. Lernen wird als ein<br />

aktiver Aneignungsprozess gesehen. Lernen ist <strong>de</strong>mnach offen für Verän<strong>de</strong>rungen,<br />

Neuanpassungen und Brüche.<br />

2) Re-und <strong>de</strong>konstruktives Lernen<br />

Gelerntes wird verworfen und neu konstruiert. Eine <strong>de</strong>konstruktive Perspektive schützt<br />

vor blin<strong>de</strong>n Übernahmen und bloßer Anpassung. Mit <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n ist auszuhan<strong>de</strong>ln,<br />

welche Re/De/Konstruktion warum als sinnvoll o<strong>de</strong>r weniger sinnvoll erscheint.<br />

3) Kreatives Lernen<br />

Das kreative Denken för<strong>de</strong>rt die konstruktiven Lernvorgänge. Denn es ermöglicht<br />

divergentes Denken, das Denken in unterschiedliche Richtungen, mehrere Lösungen<br />

wer<strong>de</strong>n als richtig angenommen. Zu<strong>de</strong>m för<strong>de</strong>rt es das produktive Denken, es lässt sich<br />

durch folgen<strong>de</strong> Tätigkeiten wie Strukturieren, Umordnen, Gruppieren und das Streben<br />

nach Viabilität, charakterisieren. Kreativität benötigt Nonkonformalität, <strong>de</strong>nn Spannungen<br />

und Mut zum Ungewöhnlichen för<strong>de</strong>rn das Lernen auf einem hohen und produktiven<br />

Niveau. Erfahren und Erleben wollen, reicht über das vorhan<strong>de</strong>ne Wissen hinaus, bewirkt<br />

ein Staunen.<br />

4) Soziales Lernen<br />

Lernen<strong>de</strong> begreifen das Lernen in Kommunikation und notwendiger Kooperation. Die<br />

Grundlage dafür sind Dialoge. Die Lernen<strong>de</strong>n sollen ihren Lernprozess selbst steuern,<br />

dieses erfor<strong>de</strong>rt eine erhöhte Partizipation bei <strong>de</strong>r Auswahl ihrer Themen, <strong>de</strong>r Planung, <strong>de</strong>r<br />

Durchführung und Kontrolle <strong>de</strong>r Inhalte und Verhaltensformen.<br />

5) Situiertes Lernen<br />

Grundlage für situiertes Lernen ist ein Handlungsrahmen, aus <strong>de</strong>m Pläne situativ Sinn und<br />

Geltung beziehen können. In <strong>de</strong>r Situationsplanung soll eingeschätzt wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Lernerfahrungen bereits gemacht wur<strong>de</strong>n, um anschlussfähig an die Lernbiographie <strong>de</strong>r<br />

Lerner zu bleiben. Zu<strong>de</strong>m soll eine Lernsituation eine Herausfor<strong>de</strong>rung sein und Lernen<br />

provozieren.<br />

A


6) Emotionales Lernen<br />

Lernen vollzieht sich immer in Beziehungen, gegenseitige Zuschreibungen, die über die<br />

Inhalte hinausreichen. In Gruppenprozessen fin<strong>de</strong>t vor <strong>de</strong>r Themenarbeit die<br />

Beziehungsarbeit statt.<br />

7) Individuelles Lernen<br />

Das Individuelle Lernen soll in Interaktion zurückgeführt wer<strong>de</strong>n, durch Präsentationen,<br />

Dokumentationen und Rollenspiele. Der Lernen<strong>de</strong> erhält so eine Rückmeldung und<br />

Anerkennung s<strong>einer</strong> Leistung, die ihn motiviert und antreibt. Wenn <strong>de</strong>r individuelle<br />

Lerner erkennt, welche Viabilität sein Lernen für ihn und an<strong>de</strong>re hat, wird er zu einem<br />

eigenen Lernstil fin<strong>de</strong>n. (vgl. Reich, 2006, S. 191-224)<br />

B


Literatur<br />

Lin<strong>de</strong>mann, H.: Konstruktivismus und Pädagogik. München, 2006.<br />

Niemeyer, C.:<br />

Klassiker <strong>de</strong>r Sozialpädagogik – Einführung in die Theoriegeschichte<br />

<strong>einer</strong> Wissenschaft. Weinheim, 2005.<br />

Piaget, J.: Das Weltbild <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Frankfurt/M, Berlin, 1981.<br />

Reich, K.:<br />

Konstruktivistische Didaktik. Lehr- und Studienbuch mit<br />

Metho<strong>de</strong>npool. Beltz Verlag. Weinheim, 2006.<br />

Reich, K.: Metho<strong>de</strong>npool. In: URL: http://metho<strong>de</strong>npool.uni-koeln.<strong>de</strong>, 2003<br />

Reich, K.:<br />

Reich, K.:<br />

Systemisch-konstruktivistische Didaktik. Eine allgemeine<br />

Zielbestimmung. http://www.unikoeln.<strong>de</strong>/hf/konstrukt/reich_works/aufsatz/reich_18.pdf.<br />

Retrieved<br />

27.10.2007<br />

Wahrheits- und Begründungsprobleme konstruktivistischer Didaktik.<br />

http://www.unikoeln.<strong>de</strong>/hf/konstrukt/reich_works/aufsatze/reich_46.pdf.<br />

Retrieved<br />

27.10.2007<br />

Schnabel, U.: Die Zeit, 01.2007<br />

http://images.zeit.<strong>de</strong>/text/online/2007/10/zeitgeschichte-kapiertrieb<br />

Retrieved 24.11.2007.<br />

Schüßler, I.:<br />

Siebert, H.:<br />

Paradoxien <strong>einer</strong> <strong>konstruktivistischen</strong> Didaktik – Zur Problematik <strong>de</strong>r<br />

Übertragung konstruktivistischer Erkenntnisse in didaktische<br />

Handlungsmo<strong>de</strong>lle – theoretische und praktische Reflexionen.<br />

Report, 28 (1), S.88-94<br />

Pädagogischer Konstruktivismus – Lernzentrierte Pädagogik in<br />

Schule und Erwachsenenbildung. Weinheim, 2005.<br />

C

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