Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (KJL ... - hannahdenker.de

Universität Lüneburg
Sommersemester 2008
Einzelveranstaltung:
Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur (Deu 200/406)
Dozentin: Prof. Dr. Christine Garbe
Modul: 23026000 - Geschichte der deutschen Sprache und Literatur
Prüfungsnummer: 23026000
Abgabetermin: 15. September 2008
Dipl.-Psych. Hannah Denker, geb. Uhle
Veerßer Str. 20
29525 Uelzen
Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur
(KJL)
Portfolio
1

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.......................................................................................................................................1
2. Schaubildes zu den Definitionen der KJL nach Ewers 2000 (Aufgabe 1)................................5
3. Vergleich der Erzählweise von Defoe und Campe (Aufgabe 2)................................................9
4. Vergleich der Handlung und der Figuren in Grimms „Dornröschen“ und Basiles „Sonne,
Mond und Thalia“ (Aufgabe 3)......................................................................................................15
5. Essay über fremde Kinder in der Kinder- und Jugendliteratur (Aufgabe 4)........................23
6. Menschen- und Weltbild in der KJL der Aufklärung und Romantik (Aufgabe 5)..............28
7. Vergleich der Figuren in Durians „Kai in der Kiste“ und Kästners „Emil und die Detektive
(Aufgabe 8)“.....................................................................................................................................40
8. Das Kindheitsbild in Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ (Aufgabe 10)....................................48
9. Analyse der Räume in Wölfels „Die grauen und die grünen Felder“ (Aufgabe 11).............56
Fazit..................................................................................................................................................61
Literatur...........................................................................................................................................64
Abbildungsverzeichnis....................................................................................................................70
Anhang A: Zusatzsanalyse von Defoe und Campe.........................................................................I
Anhang B: Zeitungsartikel zu Momo........................................................................................VIII
Anhang C: Graphik zu Momo.........................................................................................................X
Anhang D: Tabellarische Raumanalyse Wölfel..........................................................................XII
Anhang E: Eidesstattliche Erklärung........................................................................................XIV
2

1. Einleitung
Bettina Hurrelmanns Forderung, dass die philosophische Textbeschreibung in der Analyse der
Kinder- und Jugendliteratur durch eine kommunikationsbezogene ergänzt werden sollte
(Hurrelmann 1989: 475) wurde im Rahmen einer Vorlesung der Leuphana Universität Lüneburg zu
realisieren versucht. Die Annäherung an die „Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur“ (Garbe
2008a-n) sollte auf Ebene einer Vorlesung mit diskursiven Momenten und begleitenden Tutorien
zum kommunikativen Austausch und thematischen Vertiefungen realisiert werden. Den Fokus der
Vorlesung und der begleitenden Tutorien bildeten die kinderliterarischen Klassiker vom 18. bis
zum 21. Jahrhundert. Dabei wurden vornehmlich die Epochen der märchenhaft-phantastischen
Kinder- und Jugendliteratur (kurz: KJL), der realistischen KJL und der modernen bzw.
postmodernen KJL beleuchtet. In Anlehnung an den Kunstbereich wurde das Konzept des
Portfolios auch als Dokumentationsinstrument der Lern- und Arbeitsprozesse (wieder-)entdeckt
(vgl. Winter 2004: 187). Es ähnelt einem Arbeitsjournal oder einem Arbeitsheft. Ein Portfolio kann
neben schriftlichen Dokumenten auch Fotos, Bilder und Zeichnungen u.a. enthalten (vgl. Winter
2004: 190). Es schließt häufig eine Qualitätsprüfung der Produkte mit ein und stellt eine alternative
Form der Leistungsdokumentation und Leistungsbewertung dar. Neben der konsensuellen
Validierung der Polyvalenz (kinderliterarischer) Werke wird dieses Arbeitsprodukt als Grundlage
für die Bewertung der Auseinandersetzung mit den genannten kinderliterarischen Epochen
herangezogen. Die Vielfältigkeit von Portfolioarbeit hat die Autorin dazu veranlasst, die
thematischen Ausführungen zu illustrieren. Die vorgegebenen Aufgaben stehen in einem engen
Bezug zur Thematik der genannten Vorlesung, weshalb die Begründung für die Aufgabenauswahl
auch in die Struktur der Vorlesung integriert wird:
Teil I: Die „Entdeckung“ der Kindheit im Jahrhundert der Aufklärung;
Kinder- und Jugendliteratur als Sozialisationsinstanz in der Aufklärung
Zunächst wurde versucht, die Frage zu beantworten, was Kinder- und Jugendliteratur auszeichnet.
Als Basis des hier vorliegenden Portfolios wird die Begriffsbestimmung von Kümmerling-
Meibauer (2004a: XI) herangezogen:
„(…) [A]ls Kinderklassiker gelten diejenigen Werke, die in der Kinderliteratur eines Landes
oder eines Sprachraums eine herausragende Rolle spielen bzw. gespielt haben und sich
hinsichtlich ihrer literarischen Qualität durch eine besondere Innovationsleistung und
Repräsentativität für ihre Epoche auszeichnen“.
1

In den hier vorliegenden analytischen und spielerischen Darstellungen ausgewählter Kinder- und
Jugendbuchklassiker wird als Qualitätsmerkmale insbesondere die ästhetische Gestaltung der
Sprache (z.B. Erzählweise und Sprachstile) und ihre Repräsentativität für eine bestimmte
kinderliterarische Epoche zugrunde gelegt (vgl. Kümmerling-Meibauer 2004a: XIIff). Dabei bietet
die Graphik von Ewers (2000) als erste Aufgabe zum Portfolio einen differenzierteren Blick auf
das Begriffspaar ‚Kinder- und Jugendliteratur’ (Kapitel 2, Aufgabe 1).
In der Vorlesung (vgl. Garbe 2008b) wurde die ‚realistische’ Abenteuerliteratur am Beispiel der
‚Robinsonade’ und Campes kinderliterarische Adaption als Prototyp des aufklärerrischen Erzählens
für Kinder- und Jugendliche vorgestellt. Das Genre des Reiseromans (Kümmerling-Meibauer
2004a: XXI) hat weitere literarische Epochen nachhaltig beeinflusst. Der Adoleszenzroman und die
Darstellung von Ablösungs- und Selbstsozialisationsprozessen hat die Autorin veranlasst, die
Aufgabe 2 (Kapitel 3), den Vergleich der Erzählweise in Defoes „Robinson Crusoe“ und Campes
„Robinson der Jüngere“, zu wählen. Rousseaus idealisiertes Kindheitsbild, das in „Emile oder
Über die Erziehung“ (1971) zum Tragen kommt, bietet dabei einen Anhaltspunkt für die stoffliche
und stilistische Verfremdung durch Campe.
Teil II: Die „Verklärung“ von Kindheit in der Romantik und die Entwicklung einer
„kindgemäßen“ (märchenhaften, phantastischen) Kinderliteratur
Die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm (1984, 1993) und ihre Vorläufer wie „Roman
de Perceforest“ im 14. Jahrhundert und Giovanni Francesco Straparolas „Le Piacevoli Notti“ im
16. Jahrhundert (vgl. Saupe 2008) und Basiles (1991) „Sonne, Mond und Talia“ aus dem 17.
Jahrhundert haben in fast jedem europäischen Land Anregungen dafür gegeben, die mündlich
tradierten Volksmärchen zu verschriftlichen (vgl. Kümmerling-Meibauer 2004a: XXI). Daher
bilden zwei Grimmschen Märchen auch die Grundlage für zwei Aufgaben im Rahmen der
Portfolioarbeit: Einerseits ein Vergleich des Vorgängers („Sonne, Mond und Talia“ von Basile)
und deren Modifikationen durch die Brüder Grimm (Kapitel 4, Aufgabe 3). Andererseits dienen
„Die drei Felder“ (2008) von Jakob und Wilhelm Grimm und Christian Gotthilf Salzmanns (1783)
„Vom großen Werthe eines guten Verstandes“ als Grundlage zur Darstellung der Differenz
zwischen romantisch inspiriertem und aufklärerischem Menschen- und Weltbild in der KJL
(Kapitel 5, Aufgabe 5). Damit wird ein kinderliterarischer Paradigmenwechsel (vgl. Garbe 2008 d)
im Übergang von der Aufklärung zur Romantik verdeutlicht. Diese Portfolioaufgabe kann auch als
Bindeglied zur phantastischen KJL gelesen werden.
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Das romantische Kunstmärchen, das sich exemplarisch an E.T.A. Hoffmanns „fremde[m] Kind“
darstellen lässt, leitet dann zur vierten Aufgabe über. Der erfolgreichste bundesrepublikanische
Verfasser kinderliterarischer Phantastik (vgl. Tabbert 2005: 193), Michael Ende, nutzt romantische
Elemente, um den kindlichen Leser und die Leserin zu verführen. In esssayistischer Weise soll dies
an der Leseautobiographie der Autorin selbst verdeutlicht werden.
Teil III: Spielarten und Überschreitung des Realismus in der Kinder- und Jugendliteratur
ab Mitte des 19 Jahrhunderts
Realismus als Epochenbegriff (1850-1890) wurde in der Vorlesung exemplarisch an dem
Inselabenteuer von Stevensons „Die Schatzinsel“ (1977) dargestellt (vgl. Garbe 2008e) und das
Weiblichkeitsideal anhand des sog. ‚Backfischromans’ (ebd.) von Emmy von Rhoden (1999) („Der
Trotzkopf“) aufgezeigt.
Teil IV: Von der Jahrhundertwende bis zum Nationalismus
Kümmerling-Meibauer (2004a: IX) hebt u.a. Erich Kästners „Emil und die Detektive“ (1981) als
ein klassisches Kinderbuch hervor. Dieses Werk wurde in der Vorlesung als Beispiel für das neue
kinderliterarische Sujet der Großstadt in der Weimarer Republik herangezogen und Durians „Kai
in der Kiste“ (2004) gegenübergestellt. Dieser Vergleich zweier Werke mit starkem Bezug zur
sozialen Realität der Gegenwart (vgl. Scheiner 2005: 161) wurde auch zur Grundlage der achten
Portfolio-Aufgabe (Kapitel 6, Aufgabe 8). Zudem wurde die subtil-propagandistische
Jugendliteratur im Nationalsozialismus am Beispiel von Schenzingers „Der Hitlerjunge Quex“
(1932) im Rahmen der Vorlesung literarisch untersucht (vgl. Garbe 2008h) und medial begleitet.
Teil V: Von 1945 bis heute
Astrid Lindgrens berühmte Triologie „Pippi Langstrumpf“ (1967, 1986) entpädagogisiert die
kindliche Lebenswelt ihrer Protagonistin und stellt somit ein Novum der Kinder- und
Jugendliteratur dar (vgl. Scheiner 2005: 163). Sie stellt mit ihren humoristischen Werken einen
Kontrast zu den ernsten Themen eines um Befreiung kämpfenden Momos oder um Selbstfindung
ringenden Robinsons dar und bildet deshalb die Aufgabe zehn im vorliegenden Portfolio (Kapitel 7,
Aufgabe 10). In der Vorlesung wurde die weltberühmte (Kinderbuch-)Autorin als
kinderliterarische Innovation im Zeichen der Kindheitsautonomie gelesen (vgl. Garbe 2008i).
Die realistische Wende der der KJL nach 1970 bildet dann wiederrum den Kontrast zur
vorangegangenen farbenfrohen Pippi-Geschichte. So setzt Ursula Wölfel (2004) sich in ihrem
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Kurzgeschichten-Sammelband „Die grauen und die grünen Felder“ mit der metaphorischen
Verdeutlichung kindlicher - oder besser: menschlicher - Problemlagen auseinander und bildet mit
ihrer Wirklichkeitsdarstellung die elfte Aufgabe des Portfolios (Kapitel 8, Aufgabe 11). Dabei
werden Parallelen zwischen der fontanischen Poetologie und Wölfels kindlicher
Literaturprogrammatik aufgezeigt.
In der Vorlesung wurden außerdem Modernisierungsprozesse des kinderliterarischen Erzählens in
den 70er Jahren am Beispiel von Nöstlingers „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ (1972) und
Härtlings „Ben liebt Anna“ (1979) vorgestellt. Entwicklungstendenzen der Mädchenliteratur seit
den 70er Jahren wurden zudem exemplarisch an Ladiges „Blaufrau“ (1981) und Chidolues „Lady
Punk“ (1985) dargestellt und die Unterschiede zwischen problemorientierter Jugendliteratur und
Adoleszenzromanen thematisiert. Den Abschluss bildete dann die postmoderne Verarbeitung
verschiedener kinder- und jugendliterarischer Epochen-Elemente am Beispiel von Harry Potter
(Rowling 1998, 2005, 2006, 2007).
Den Schwerpunkt der Aufgaben des Portfolios bilden Handlungs- und Figurenanalysen sowie die
Darstellungen des Menschen- und Weltbildes anhand des „Leitfadens zur Analyse und
Interpretation von Erzähltexten“ von Stückrath (2001) sowie der daran orientierten
Textanalysemethoden von Leupner und Saupe (2006) (im Schwerpunkt: Kapitel 4-8). Des
Weiteren wurden die Begrifflichkeiten von Petersen (1989) zur Analyse der Erzählweise genutzt
(im Schwerpunkt: Kapitel 3).
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2. Schaubildes zu den Definitionen der KJL nach Ewers 2000 (Aufgabe 1)
Abb.1: Bild der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur
5

Nicht gelesene
Kinder &
Jugendliteratur
Positiv sanktionierte
Kinder- & Jugendliteratur
Kinder- und Jugendliteratur
Intentionale bzw. intendierte Kinder- & Jugendliteratur
negativ sanktionierte bzw.
kommerzielle Kinder- & Jugendliteratur
Spezifische Kinder- & Jugendliteratur
Kinder- & Jugend-Lektüre
Nicht-intendierte
Kinder- &
Jugendliteratur
Heimliche Lektüre
Tolerierte Lektüre
Verbotene Lektüre
7

Hinweis: Ewers diskutiert noch die Begriffe: Erziehungs- & Sozialisationsliteratur (sowohl pädagogische als auch nicht-pädagogische Literatur), kind- oder kindgemäße Literatur
(Anpassung an das kindliche/jugendliche Adaptionsvermögen, Anfänger- & Einstiegsliteratur (Einfachheit, Redundanz), Literatur als Kunstwerk, Volkspoesie (keine
Unterscheidung zur Hochliteratur). (Vgl. Ewers 2000: 7ff) Er schreibt aber, dass diese textbezogenen & normativen Definitionen zu eng seien (ebd.: 9).
8

3. Vergleich der Erzählweise von Defoe und Campe (Aufgabe 2)
(Defoes „Robinson Cruso“ und Campes „Robinson der Jüngere“
Abb. 2: Daniel Defoe 1660-1731, Kupferstich von M. Van der Gucht
9

Einleitung
Im Folgenden werden die Erzählweisen von Defoes (2004) „Robinson Crusoe“ und Campes
(1779) „Robinson der Jüngere“ verglichen. Es wird anhand der Erzählweise exemplarisch
dargestellt, dass Defoe (2004) versucht, seinem Roman einen Anstrich von Authentizität zu
verleihen, und die moralische Deutung seiner Erzählung implizit darlegt. Durch seine
Erzählweise ermöglicht er dem Leser bzw. der Leserin ein hohes Maß an
Identifikationsmöglichkeiten mit der Romanfigur. Dem wird Campes (1779) Kinder- und
Jugendroman gegenübergestellt, der durch seine Erzählweise seine didaktischen Intentionen
zu verwirklichen sucht und deren moralische Implikationen eher explizit dargestellt werden.
Analyse der Erzählweise in der Vorrede
Beide Romane beginnen mit einer Vorrede, unterscheiden sich hierbei aber u.a. auf den
Ebenen der Erzählweise: Während Defoes (2004) Intention darin zu liegen scheint, seiner
Erzählung einen Anstrich von Seriosität zu verleihen und er sich als Herausgeber in Er-Form
(Herausgeberfiktion) dieses Tatsachenberichts ausgibt, um damit ein hohes Maß an
Authentizität zu erreichen (vgl. Kindler 1986: 5708), präsentiert Campe (1779: 5ff) in seinem
Vorbericht seine didaktischen Ziele in Form einer numerischen Auflistung in Ich-Form. Der
Ich-Erzähler bei Campes Vorbericht ist keine fiktive Romanfigur wie bei Defoe (2004),
sondern entspricht dem Anliegen des Autors selbst. Mit dem programmatischen Untertitel
„zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung für Kinder“ (Campe 1779: Einband) weist
Campe den Roman als erzieherisch-praktisches Methodenbuch (vgl. Kümmerling-Meibauer
2004a: 180) aus. Defoe (2004) beleuchtet dagegen durch einen fiktiven Herausgeber seine
Intentionen, er „schafft sich einen Erzähler, der ganz andere Züge“ (Petersen 1989: 17) trägt
als er selbst. Der fiktive Herausgeber fühlt sich dem „christlichen Glauben“ (Defoe 2004: 10)
verpflichtet und meint seinen vernunftbegabten Leser eine unterhaltsame, exemplarische
Lektion geben zu können. Der „Herausgeber“ verweist darauf, dass er den Inhalten der als
Reportage dargestellten Geschichte glauben schenkt. Es handelt sich also um eine Figur des
Romans, die ebenso fiktiv ist wie die Romanfiguren selbst, eine Art impliziten Autor.
Auch Campe (1779: 19) bedient sich strenggenomen im Anschluss an die Vorrede einer
abgeschwächten Form der Herausgeberfiktion, wenn er den auktorialen Erzähler zu Beginn
der Geschichte sagen lässt:
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„Da man glaubte, dass wohl noch mehr gute Kinder waren, die diese merkwürdige
Geschichte zu hören oder zu lesen wünschten: so schrieb sie der Vater auf und der
Buchdrucker musste zwei tausend Abdrucke davon machen“ (ebd.)
Hier ist der fiktive Herausgeber die Figur des Vaters.
Analyse der Erzählweise in den Rahmen- und Binnengeschichten
Sowohl Campe als auch Defoe bedienen sich Formen der Rahmen- und Binnenhandlung: Bei
Defoe (2004) wird der eigentliche Plot in der Ich-Form erzählt, allerdings befindet sich der
fiktive Ich-Erzähler bereits zeitlich gesehen am Ende seiner (Lebens-)Reise und überblickt
somit das gesamte Geschehen. Er kann Vorausdeutungen und Rückbezüge herstellen, z.B.
indem er bereits zu Beginn der Erzählung die warnenden Worte seines Vaters als „wahrlich
prophetisch“ (Defoe 2004: 14) deuten und bewerten kann. Demnach kann Defoes Geschichte
nach Petersen (1989: 18) als auktoriale Ich-Erzählung klassifiziert werden. Ein weiteres
exemplarisches Beispiel für das auktoriale Ich-Erzählverhalten ist, dass der Ich-Erzähler
bereits zu Romanbeginn weiß, dass sein „dämonischer Zwang“ (Defoe 2004: 11) ihn „später
geradewegs in das mir verhängte Leben voller Elend“ (ebd.) führen wird. Seine Hauptfigur
beschreibt seine vergangenen Erfahrungen als erzählendes Ich, da er „die Dinge so, wie er sie
einmal gesehen hat, nun (…) nicht mehr sieht“ (Petersen 1989: 19), und die Binnenhandlung
(Tagebuch) als erlebtes Ich. Das erzählende Ich steht also bereits am Ende seiner vielen
Reisen. Dabei nimmt das erzählende Ich eine kritische und mitunter auch ironische
Erzählhaltung ein. In gewissem Sinn hat das erzählende ich eine olympische Perspektive, da
es die Konsequenzen der einzelnen Ereignisse vorausschauend deuten kann. Allerdings ist
seine Allwissenheit begrenzt, da er nicht über das Innenleben aller Figuren Auskunft geben
kann. Die Binnenhandlung in Defoes Roman wird in Form von Tagebuchaufzeichnungen des
Erzählers dargeboten, also in der Ich-Erzählform mit einem begrenzten Blick in die
Geschichte integriert.
Bei Campes (1779) „Robinson der Jüngere“ wird der Plot in die Binnenhandlung gelegt und
die Rahmenhandlung bekommt eine didaktische Funktion. Bereits die Einleitung der
Geschichte soll dem Leser oder der Leserin verdeutlichen, dass es sich um eine Fiktion
handelt. Der Beginn „Es war einmal (…)“ (Campe 1779: 19) signalisiert gerade jungen
Lesern und Leserinnen, dass das gesamte Geschehen einschließlich der Rahmenhandlung eine
Form von Märchen ist. Er lässt eine Figur, den Vater und Erzieher einer besonderen Variante
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von Großfamilie, die Robinson-Geschichte erzählen, d.h. er gestaltet eine mündliche
Erzählsituation in Form einer auktorialen Fremdperspektive. Sie schafft eine Distanz
zwischen Leser/ Leserin und Hauptfigur (vgl. Kümmerling-Meibauer 2004a: 181) und macht
somit eine kritische Auseinandersetzung möglich. Die auktoriale Perspektive wird nahezu
exemplarisch bereits in der Einleitung seiner Geschichte deutlich, wenn er den Leser oder die
Leserinnen in typisch auktorialer Erzählweise persönlich anspricht:
„Das Buch, liebes Kind, das du jetzt in den Händen hast, ist eines davon [von den
Abenderzählungen, Anmerk. d. Verfasserin]. Du kanst also, wenn du willst, gleich
auf der folgenden Seite anfangen“ (Campe 1779: 9).
In seiner Geschichte tritt kein Ich-Erzähler – wie bei Defoe (2004) - auf, sondern ein
auktorialer Erzähler beschreibt die Situation der Familie und eine Romanfigur erzählt die
Robinson Geschichte. Als auktorialer Er-Erzähler mischt die Romanfigur sich ein, nimmt
Stellung und fügt Überlegungen mit ein (vgl. Petersen 1989: 46). Beispielsweise lässt der
Autor die Vaterfigur die Ignoranz Robinsons gegenüber väterlichen Weisungen wertend
kommentieren: „Das war nun aber recht unverständlich gesprochen von dem jungen
Menschen“ (Campe 1779: 22). Campe (1779) belebt seine Rahmenhandlung durch Eltern-
Kind-Dialoge und nutzt somit streckenweise eine zeitdeckende Perspektive und gleicht diese
Verlängerung des Romans durch Kürzungen des Plots der Originalgeschichte wieder aus. Die
Dialoge stellen eine idealisierte Erzählsituation dar, die Kinderfiguren sind rational,
diszipliniert, kritisch und selbstbewusst, der Vater fungiert als Korrekturinstanz möglicher
irrationaler kindlicher Impulse. In die Rahmenhandlung gehen Momente eines neutralen
Erzählverhaltens mit ein, wenn Campe (1779) seine Vaterfigur mit den Kindern und die
Kinder untereinander unkommentiert kommunizieren lässt. Im Gegensatz zu Defoes (2004)
Robinson-Figur besitzt die Vaterfigur Campes uneingeschränkte Allwissenheit, da diese in
alle Figuren der Binnengeschichte hineinblicken (vgl. Peteresen 1989: 48) kann. Er weiß
beispielsweise, dass das moralisch verwerfliche Verhalten der Robinsonfigur, das unerlaubte
Verlassen der Eltern, den Kapitän erschreckt (vgl. Campe 1779: 28). Allerdings zeigt der
Vater mitunter auch hier neutrales Erzählverhalten, wenn er die Figuren dialogisch auftreten
lässt wie beispielsweise den Schiffskapitän im Dialog mit Robinson. Die Vaterfigur nimmt
insgesamt eine „olympische Position“ (Petersen 1989: 20) ein und überblickt den gesamten
Plot der Binnenhandlung.
12

Campes Robinson überlebt durch Erfindungsreichtum, Ehrgeiz sowie einen starken Glauben
an Gott. Dabei wird im Gegensatz zu Defoes langsamer Hinwendung zu Gott, der
Entwicklungs- und Selbstsozialisationsprozess des Jünglings bei Campe verkürzt und die
Dankbarkeit für Gottes „beste aller Welten“ (Kindler 1986: 5709) setzt gleich zu Beginn der
Inselstrandung ein. Campe (1779: 47ff) legt den Gottesdiskurs in der Rahmenhandlung
dialogisch an – also in neutraler Erzählform – und leitet die Gottesbegründung aus der Macht
der höheren Autorität ab, dabei verknüpft er dies zugleich mit der elterlicher Autorität. Hier
zeigt sich Campes Vorstellung von der Allmacht der Erziehung, die er in Anlehnung an die
Kulturkritik Rousseaus sowohl in einer natürlichen – an den Konsequenzen erlernten –
Erziehung, als auch in Anlehnung an Locke im dialogischen Gespräch zwischen Erzieher und
Zögling sieht (vgl. Kümmerlin-Meibauer 2004: 180f). Die Kinder in der Geschichte hören die
Abendgeschichte nicht nur, nein, sie versuchen sie sinnlich zu erfassen, indem sie Elemente
daraus nachspielen.
Defoe (2004) dagegen lässt in personalem Erzählverhalten in Form eines „inneren
Monologes“ (Petersen 1989: 20) seinen Protagonisten aus der Sinnfrage „[u]nd was bin ich
(…)?“ (Defoe 2004: 128) seine Gottesbegründung ableiten. Dabei tritt der ehemals auktoriale
Ich-Erzähler ganz hinter den Blickwinkel seines früheren Selbst zurück. Diese Erzählweise
wird entsprechend seiner persönlichen Thematik verwendet. Defoe (2004) stellt hier die
inneren Reifungs- und Entwicklungsprozesse seiner Figur da und „das ist nur mit Hilfe einer
Erzählweise möglich, die dem Leser einen Blick in das Innere der Figur gestattet
(Innensicht)“ (Petersen 1989: 22).
Fazit
Anhand der Analyse der Erzählweisen in Defoes (2004) Roman und Campes (1779) Kinder-
und Jugendroman konnte exemplarisch gezeigt werden, dass Defoe (2004) mit Hilfe einer
Herausgeberfiktion seiner Geschichte ein hohes Maß an Authentizität verleit. Campe (1779)
nutzt dagegen eine mündliche Erzählsituation, um seine didaktischen Intentionen zu
verwirklichen, und lässt seinen auktorialen Er-Erzähler die Binnenhandlung wertend
beurteilen, so dass die moralischen Lehren z.T. explizit benannt werden können. Die stärkere
Identifikationsmöglichkeit des Lesers bzw. der Leserin konnte bei Defoe (2004) anhand der
Verwendung von Tagebuchaufzeichnungen in Form personaler Ich-Erzählung aufgezeigt und
durch das Beispiel eines inneren Monolgs bei der Herleitung eines Gottesbeweises vertieft
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werden. Das gänzliche Zurücktreten des auktorialen Ich-Erzählers ermöglicht somit ein hohes
Maß an Identifikationsmöglichkeiten mit der Romanfigur.
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4. Vergleich der Handlung und der Figuren in Grimms „Dornröschen“ und Basiles
„Sonne, Mond und Thalia“ (Aufgabe 3)
Abb. 3: Illustration nach Heller (1989: 9)
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Einleitung
Im Folgenden soll anhand eines Vergleichs auf Handlungs- und Figurenebene des
Grimmschen Kindermärchens „Dornröschen“ mit dem Volksmärchen „Sonne, Mond und
Thalia“ von Basile die These belegt werden, dass im Zuge der Hochromantik die Stoffe
kindgerecht zugeschnitten wurden, indem Elemente der Sexualität und Gewalt getilgt wurden.
Dafür werden zunächst die beiden Märchen auf der Inhaltsebene verglichen, um über die
Komplikationshandlung im Sinne Stückraths (2001) und Saupes (2006) und eine Bewertung
der Faktoren, die zur Auflösung führen, Rückschlüsse auf die verschiedenen zugrunde
liegenden Menschen- und Weltbilder zu erhalten. Zur Vertiefung werden diese Ausführungen
durch die Analyse der Figurenkonstellationen und Figurenkonzeptionen sowie der
Figurengestaltung (vgl. Stückrath 2001) ergänzt.
Handlungsanalyse
Jacob und Wilhelm Grimms „Dornröschen“ ist ein Kinder- und Hausmärchen, dessen
Urfassung 1810 entstanden ist und 1812/1815 erstmals erschienen ist (vgl. Weber-Kellermann
1984: 9). Das Märchen handelt von einer Königstochter, die aufgrund eines Fluches mitsamt
ihrem Hofstaat in einen 100jährigen Schlaf fällt, bis sie entsprechend der Abmilderung des
Fluches durch einen Jüngling wachgeküsst wird. Giambattista Basiles (1991) „Sonne, Mond
und Talia“ ist ein Volksmärchen, dessen Erstausgabe 1637 erschienen ist (vgl. Saupe 2008:
13), also vor der Hochromantik. Dieses Märchen handelt von Talia, die aufgrund einer
Verletzung in einen tiefen Schlaf fällt. Sie gebiert durch eine Schändung Zwillinge, die ihr
das Leben retten und denen - wie auch ihr - selbst die Gemahlin des verantwortlichen Königs
nach dem Leben trachtet. Während sich „Dornröschen“ grob in zwei Episoden einteilen lässt:
die Verfluchung und deren Inkrafttreten sowie die Erweckung der Königstochter (vgl. Saupe
2006: 64), ist die Handlung bei Basiles (1991) „Sonne, Mond und Talia“ komplexer, so dass
mindestens drei Episoden unterschieden werden können: Auch hier gibt es die Episode der
Weissagung und Erfüllung, dann aber die der Schändung und Geburt der Zwillinge sowie die
böse Rache der Gemahlin, sofern man bei beiden die Vorgeschichte bzw. Einleitung nicht
mitrechnet.
Bei Grimms Märchen stellt die Familie von Dornröschen den „Träger der Komplikation“
(Stückrath 2001:12; Saupe 2006:60) dar, d.h. sowohl die Eltern sind durch Leid
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gekennzeichnet als auch Dornröschen, die das Opfer der Verwicklungen darstellt. Bei Basile
spielt die enge Familie Talias eine untergeordnete Rolle, hier sind Talia und der fremde König
die „Träger der Komplikation“ (ebd.), da Talia die Konsequenzen des Geschehens trägt,
während der königliche Schänder ebenfalls unter den Folgen der „Komplikation“ (ebd.) zu
leiden hat. Sowohl bei Grimms Märchen als auch bei Basiles Volksmärchen sind die Träger
von einem Verlust bedroht. Bei „Dornröschen“ (Brüder Grimm 1993) sind die Eltern davon
bedroht, ihr personelles Gut, ihre Tochter, zu verlieren und Dornröschen ist zunächst davon
bedroht, ihr Leben zu verlieren und schließlich davon 100 Jahre aus dem Leben gerissen zu
werden. Talia verliert anfangs ebenso das personelle Gut ihres Lebens, indem sie in einen
todesähnlichen Schlaf fällt. Später – nach ihrer ersten Erweckung - muss sie noch einmal um
ihr Leben fürchten, als die Gemahlin sie verbrennen will. Der König in „Sonne, Mond und
Talia“ (Basile 1991) ist ebenso vom Verlust eines personellen Gutes, seiner Kinder, bedroht.
In beiden Märchen erleiden die Figuren demnach eine „Schädigung“ (Stückrath 2001:12,
Saupe 2006: 60): Die Eltern von Dornröschen gewinnen ein Kind und verlieren es zeitweise
durch die rachsüchtige Fee. Dornröschen gewinnt das Leben und verliert dies zeitweise durch
dieselbe. Basiles (1991) Talia fällt in einen todesähnlichen Schlaf. Der König muss zeitweise
glauben, dass er seine Kinder gegessen hat.
Es wird erkennbar, dass der Vater Dornröschens alles daran setzt zu verhindern, dass die
Prophezeiung in Erfüllung geht.
„Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den
Befehl ausgehen, dass alle Spindeln im ganzen Königreich sollten verbrannt werden“
(Grimm 1993: 258).
Dornröschen selbst ist sich der Gefahr nicht bewusst und wird auch nicht gewarnt. Am Ende
der ersten Episode von Dornröschen steht eine vorläufige weder positive noch negative
Auflösung, die aber die Komplikationshandlung der zeiten Episode bedingt und letztlich in
einer eindeutig posituven Auflösung mündet (vgl. Saupe 2006: 66). Auch Basiles (1991) Talia
ist sich der Gefahren durch die Weissagung nicht bewusst und unternimmt daher keinen
Versuch der Vermeidung. Bei der zweiten Lebensbedrohung durch die Gemahlin fleht sie
allerdings um ihr Leben und wendet eine List zur eigenen Errettung an. In der dritten Episode
von Basiles (1991) Werk ist der König unglücklich und entsetzt über die bösartige –
vermeintlich - verwirklichte Tat seiner Gemahlin und flüchtet deshalb aufs Land. Die
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Auflösung im Sinne Stückrath (2001) und Saupes (2006) ist in beiden Werken positiv: Am
Ende des Dornröschen-Märchens ist der Fluch beendet und die ganze Familie kann mit dem
neugewonnenen Schwiegersohn ein glückliches Fest feiern. Auch hier zeigt sich aber, dass
die Gestaltung von Basiles (1991) „Sonne, Mond und Talia“ komplexer ist: Die erste Störung
wird durch die Geburt der Kinder aufgehoben (Talia erwacht), die zweite Störung durch die
Gemahlin wird durch deren Bestrafung aufgelöst. Auch die Anzahl der
Komplikationshandlungen im Sinne Stückrath (2001) und Saupes (2006) zeigt die höhere
Komplexität des früheren Werkes: In beiden Fällen führen die rational-planerischen Akte der
Väter erst zur Erfüllung der Prophezeiungen, aber in Basiles Werk spielt dieser Punkt im
Gegensatz zu Grimms Variante eine untergeordnete Rolle. Hier führen die sexuellen
Begierden des Königs, die Zwillingsgeburt sowie die durch Verrat erhaltene Kenntnisse der
rachsüchtigen Gemahlin sowie die Mildtätigkeit eines Angestellten und die Klugheit Talias
zur Auflösung in Form von Belohnung und Bestrafung. Bei „Dornröschen“ führt ein
marginaler Mangel – es fehlt ein goldener Teller – zu einer rachsüchtigen Verfluchung durch
die dreizehnte weise Frau und kann durch die zwölfte weise Frau abgemildert werden (vgl.
Saupe 2006: 66f). Während es in „Dornröschen“ darauf hinausläuft, dass sie auf jeden Fall,
also schicksalhaft, nach 100 Jahren von einem mutigen Jüngling gerettet wird, der sie dann
symbolträchtig-keusch wachküsst, ist Talias Rettung (und gleichzeitige Schändung) nicht
vorherbestimmt. Während die Bestimmung der zentralen „Komplikationshandlung“ nach
Stückrath (2001: 12) und Saupe (2006: 67) bei Dornröschen einfach ist – die Verfluchung ist
der Schicksalspunkt – liegen bei „Sonne, Mond und Talia“ drei zentrale
„Komplikationshandlungen“ (ebd.) vor: die Schändung, die Zwillingsgeburt und die
rachsüchtige Gemahlin. Der zentrale Grund für die Entwicklung der „Komplikation“ (ebd.)
liegt bei Dornröschen in einem marginalen Mangel, wohingegen die verschiedenen Episoden
in „Sonne. Mond und Talia“ einerseits durch menschlich-sexuelle Begierden und andererseits
durch Rachsucht, Neid, Eifersucht und Bösartigkeit verursacht werden.
Die Benennung eines „besonders erstaunlichen Ereignisses“ im Sinne Stückraths (2001: 14)
weist bei Dornröschen nur in eine Richtung: Obwohl sie einem bösen Fluch unterliegt, findet
sie sich weissagungsgemäß nach 100 Jahren glücklich in den Armen eines Jünglings wieder.
Dornröschen kann demnach auch als Nachreifungsprozess eines adoleszenten
Entwicklungsprozesses gelesen werden.
18

„Während viele Märchen die großen Taten, die der Held vollbringen muss, um zu sich
selbst zu finden, in den Vordergrund stellen, betont >Dornröschen

Bösartigkeit und Rachsucht der Gemahlin durch eine Anspielung auf die griechische
Mythologie dar.
Figurenanalyse
Märchen sind oft durch Gegensätze gekennzeichnet, die ein Licht auf die Intention des Textes
werfen. Diese Gegensätze werden häufig anhand der Figuren plastisch deutlich. Deshalb ist
eine Figurenanalyse zum Verständnis des Inhaltes eines Märchens hilfreich (vgl. Saupe 2006:
62). Die Handlungsanalyse hat außerdem gezeigt, dass die Metaphern in „Sonne, Mond und
Talia“ sich z.T direkt auf Figuren beziehen und somit eine nähere Analyse der Figuren für das
Verständnis der Geschichte nahe legen.
Wenn die Komplikation aus Sicht von Dornröschens Familie betrachtet wird, dann stellen
diese Figuren die Helden der Erzählung dar. Die Gegenspielerin ist dann die dreizehnte weise
Frau, während der König ein erfolgloser Helfer und der Königssohn ein erfolgreicher Helfer
ist (vgl. Saupe 2006: 67). In „Sonne, Mond und Talia“ (Basile 1991) stellen entsprechend der
Komplikationshandlung Talia und der verheiratete König die Protagonisten dar. Die
rachsüchtige Gemahlin ist dann die Gegenspielerin. Die Kinder können in ihrer Rolle als
Lebensretter als Helferfiguren bezeichnet werden.
Es zeigt sich die Simplifizierung des Dornröschen-Märchens im Vergleich zur Fassung von
Basile: Die Figuren sind durch klare Oppositionsbilder gekennzeichnet: alt-jung, weiblich-
männlich, hoher Stand – (relativ) niedriger Stand (weise Frau), planerisch-unbedacht, gut-
böse. Dabei steht – hier nur exemplarisch genannt – v.a. die schöne, reine, tugendhaft-
sittsame und unbedarfte Dornröschen, sozusagen die Unschuld in Person, der rachsüchtig-
neidisch-verletzten dreizehnten Fee gegenüber. Die Figurenkonzeption in Grimms
„Dornröschen“ ist zweifellos statisch, d.h. nach Stückrath (2001: 16) die Figuren machen
keine Entwicklungsprozesse durch. Hier wieder exemplarisch an der Hauptfigur Dornröschen
aufzeigbar: sie ist schön, tugendhaft und freundlich vom Anfang bis zum glücklichen
Ausgang. Zudem sind die Figuren märchentypisch eindimensional gestaltet, d.h. im Sinne
Stückrath (2001: 16), dass sie keine Ambivalenzen, innere Brüche oder komplexe Merkmale
aufweisen. Dies zeigt sich auch darin, dass sie als Personen gar nicht in den Vordergrund
treten, sondern lediglich als Träger von festen Rollen auftreten (König, Königin,
Königstochter, Jüngling, ...). Die einzige Ausnahme stellt die nicht direkt im Text benannte
Naivität Dornröschens dar, die sich nur durch Inferenzbildung erschließen lässt. Die Figuren
20

in „Dornröschen“ werden erzältechnisch aus der Außensicht beschrieben, während in „Sonne,
Mond und Talia“ auch die Innensicht verwendet wird. So heißt es beispielsweise: „Dort aber
dachte er jederzeit an Talia und seine Kinder (…)“ (Basile 1991: 59).
Auf den ersten Blick scheint auch Basiles (1991) „Sonne, Mond und Talia“ eine klare
Gegensätzlichkeit aufzuzeigen: Es zeigt sich Armut vs. Reichtum, weiblich vs. männlich,
herzengut vs. gierig/ bösartig, Ehrlichkeit vs. Lüge. Aber die Gegensätze sind nicht ganz so
eindeutig festgelegt wie in „Dornröschen“. Es zeigen sich latente Unstimmigkeit und
Entwicklungsprozesse: Der König handelt unbekümmert oder sogar egoistisch, indem er eine
Schändung vornimmt und das Opfer dann gedankenlos sich selbst überlässt. Aber nach einer
Weile erinnert er sich ihrer und kehrt beichtend zurück. Darin kann man zumindest eine
teilweise Entwicklung der Figur sehen. Der Gegensatz von Arm und Reich spielt eigentlich
keine funktionstragende Rolle, denn sowohl Geheimschreiber als auch Koch gehören einer
unteren Schicht an, verhalten sich aber gänzlich oppositionell: Während der eine aus Gier und
Furcht zum Verräter wird (und für die Tat bestraft wird), widersetzt sich der andere den
Befehlen der Herrin. Auch die Rollenstereotype von männlich und weiblich, die in
Dornröschen sehr deutlich hervortreten, sind in „Sonne, Mond und Talia“ nicht ganz so
ausgeprägt: zwar ist auch Talia zunächst nur weiblich-passives Opfer, aber sie tritt doch für
sich selbst ein, als sie sich durch eine List männliche Hilfe holt. In gewissem Sinne ist sie also
eine aktivere Figur, die ihr Schicksal – zumindest im Vergleich zu Dornröschen – selber in
die Hand nimmt. Trotz dieser Differenzierungen bleiben die Figuren in „Sonne, Mond und
Talia“ aber auch statisch im oben genannten Sinne und sind – mit den genannten Ausnahmen
– eindimensional. Dies wird vielleicht am deutlichsten in der Figur der Gemahlin, die sich
von Anbeginn ihres Auftretens als neidisch, eifersüchtig und missgünstig bis hin zur
Gewalttätigkeit präsentiert und mit genau diesen Eigenschaften ‚ihr eigenes Grab schaufelt’.
Ein kurzer Blick sei noch den Räumen in den beiden Geschichten gewidmet: In
„Dornröschen“ spielt der Gegensatz von Hof und weiterer Welt keine sinnhaft-bedeutende
Rolle, in „Sonne, Mond und Talia“ hingegen scheint die Differenz zwischen Draußen und
Drinnen zumindest einen symbolischen Charakter zur Unterstreichung der Gefühle zu haben:
Zunächst locken Verführungen die junge Frau hinaus in das feindliche Leben und führen so
zur Erfüllung der Weissagungen, dann wird die Trauer und Verzweifelung der Vaters
deutlich, indem er die todesähnlich-schlafende Tochter in das Herrenhaus zurückholt und
dabei „alle Türen“ (Baile 1991: 57) verschließt. Diese verriegelten Türen könnten Trauer und
21

Zurückgezogenheit repräsentieren. Beide Märchen folgen einer chronologischen
Ereignisfolge, wobei beide märchentypisch einen unbestimmten Zeitpunkt wählen. Eine
Differenz ist allerdings auffällig: In „Sonne, Mond und Talia“ wird eine einzeige Zeitspanne
genau benannt: die 9 Monate bis zu Geburt, während dies in „Dornröschen“ nur zaghaft
angedeutet wird mit dem Hinweis auf die Zeitspanne bis zur Niederkunft der Königin.
Vergleichendes Fazit
Insgesamt weist die Handlungsanalyse und die Figurenanalyse auf märchentypische
Gemeinsamkeiten der beiden Texte hin und zeigt gleichsam zwei zentrale Unterschiede der
Märchen auf:
Zum einen unterscheiden sie sich grundlegend in ihren moralischen Implikationen. Grimms
„Dornröschen“ läuft auf die Lenkung des Lebens durch höhere Mächte hinaus, auf die
unvermeidliche Reifung eines adoleszenten Kindes hin zu einer jungen, geschlechtsreifen
Frau, denen auch durch menschliche Eingriffe nicht entgegengewirkt werden kann, während
Bailes „Sonne, Mond und Talia“ aufzeigt, dass der Versuch, anderen zu schaden, einen selbst
ins Unglück stürzt.
Zum anderen – und darin kann man den Beleg der eingangs aufgestellten These, dass im Zuge
der Hochromantik die Stoffe kindgerecht zugeschnitten wurden, sehen – werden in „Sonne,
Mond und Talia“ Themen wie Sexualität, Schwangerschaft, Geburt, Ehebruch und Gewalt
dargestellt, wohingegen „Dornröschen“ nur durch einen keuschen Kuss wiedererwacht. Als
weiterer Hinweis für die These darf auch gelten, dass die Komplexität der Sprache
(Metaphern, Anspielungen) in „Sonne, Mond und Talia“ in „Dornröschen“ verringert werden
und auf einfache, bekannte Symbole reduziert werden.
Es lässt sich also textimanent belegen, dass die Modifikation des Stoffes durch die Brüder
Grimm eine Adaption an (vermeintliche) kindliche Bedürfnisse und pädagogische
Moralvorstellung der Hochromantik darstellen. Eine deutliche Vertiefung würde diese These
durch eine weitere Analyse historischer Quellen aus der Hochromantik und weiterer
Textexterne Quellen erfahren.
22

5. Essay über fremde Kinder in der Kinder- und Jugendliteratur (Aufgabe 4)
Abb. 4: Illustration modifiziert nach Braun (2008, Einband)
23

Ein Vorschlag für eine neue Lebens-Agenda
- Oder warum Momo so viel klüger ist!
Es war einmal eine Jugendliche, nennen wir sie einfach Hannah mit H am Ende. Ein
symmetrischer Name, der an ein gleichschenkliges Dreick erinnert. Dazu passt, dass Hannah
ihre Tage gleichförmig strukturierte: Sie war die erste im großen, quadratischen
Backsteingebäude, dass sich hier als Institution Schule vorstellen will. Ihre Unterlagen waren
farblich sortiert und entsprechend den Unterrichtsstunden bereitgelegt. Im Unterricht
präsentierte sie sich entsprechend den Erwartungen als überangepasster-Rebell: Um den
idealistischen Überresten der 68er-Generation vom mündig Individuum gerecht zu werden
setzte sie sich selbstreflexiv-kritisch mit den (vorgegebenen) Themen auseinander, erfüllte
aber gleichsam auch die Anforderung an das disziplinierte Kind, dass die
(unausgesprochenen) Sekundärtugenden verkörperte. So fügte sie sich als überangepaßter
Rebell in das Schicksal aller Empfänger von „Double-Bind-Botschaften“ (Schulz v. Thun
(2006: 38f).
Die Erfüllung dieser externen Anforderungen führte sie zu Momo. Wie das? Nun, im Rahmen
eines Schulprojektes wurde der gesamten Klasse ein kostenloses Zeitmanagement-Seminar
angeboten, allerdings – so ist das in Institutionen – gibt es in Wirklichkeit nichts umsonst und
so verpflichteten sich die Schüler und Schülerinnen dazu, eine Ausarbeitung zu diesem
Thema für die Süddeutsche Zeitung, die auf der Suche nach Jugendlichen Konsumenten war,
zu schreiben. Nachdem Hannah in ihrer üblichen Manier alles artig mitgeschrieben hatte und
sich die ordentliche Nutzung eines Time-Planers erklären lies, fiel ihr ein, dass das Thema
Zeit doch in dem Kinder- und Jugendbuch „Momo“ von Michael Ende behandelt wurde. Sie
erinnerte sich schwach, dass sie dieses Buch einmal gelesen hatte. Extrinsisch motiviert –
oder sollte man besser schreiben: gezwungen und verzweifelt auf der Suche nach einer Idee –
nahm sie das Buch zur Hand…
In gewissem Sinne ist Momo das Gegenstück zu Hannah: Barfuß und frei läuft sie durch ihre
Welt, die angefüllt ist mit Freiheit und Freundschaft, in der formale Bildung keine Rolle spielt
und die nicht beeinflusst ist von elterlichen Normen und Werten. Im Gegensatz zu Hannahs
lärmender Welt, in der die Stimmen der weltlichen Forderungen permanent implizit oder
explizit auf sie niedergingen, lebt Momo in einer Welt, in der es Zeit gibt, Zeit füreinander,
24

Zeit für kreative Spiele, Zeit einander wirklich zuzuhören – ohne vorher die Methoden der
„Gesprächspsychotherapie“ technisch erlernt zu haben (vgl. Biermann-Ratjen et. al. 2003).
„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den
nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. (…) Dann
macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut“ (Ende 2008: 37).
An dieser Stelle stockte Hannah. In ihr entstand das Bild einer endlosen Straße, der Straße
ihres Lebens, dass grau und ohne innere Freude bestritten würde. Momo ist so ungezwungen,
so natürlich. Das Motiv des fremdes Kindes hatte das jugendliche Mädchen an etwas erinnert,
dass sie in ihrem Streben nach Anerkennung und externer Belohnung ganz vergessen hatte:
Freude! Was aber war es am Motiv des fremden Kindes, das Hannah langsam und
unaufhaltsam in seinen Bann zog? Die Figur Momo bot Hannah Anhaltspunkte für eine
Distanz zu gesellschaftlichen Normen und Werten – die alt 68er hätten ihre wahre Freude
daran gehabt. Legt das Geschlecht fest, wer man ist? Nein, Momo ist nur „vermutlich“ (Ende
2008: 8) ein Mädchen. Ist man nur das Produkt der Erziehung durch seine Eltern? Momo ist
ungebunden und elternlos. Sie ist frei, sich zu kleiden, wie sie will und für praktisch hält.
Muss Momo Leistung erbringen, um Anerkennung zu finden? Nein, Momo hat nur eine
besondere Fähigkeit und die liegt in ihrem Herzen: sie kann zuhören.
Die klassischen Elemente des fremden Kindes (undefinierte Geschlechtlichkeit, unbekannte
Herkunft, auffälliges Erscheinungsbild und besondere Fähigkeiten (vgl. Sullivan (2007: 25)),
dessen Motiv seit E.T.A. Hoffmanns Werk die Kinder- und Jugendliteratur beeinflusst, zeigte
seine Wirkung. Hannah erkannte sich selbst quasi im Spiegel der oppositionellen Figur. Hätte
sie damals auch noch die zynischen Worte des auktorialen Erzählers in E.T.A. Hoffmanns das
„Fremde Kind“ gelesen, der vom „blaßgelben Gesicht“ (Hoffmann 2006: 2) der Städtekinder
spricht und den Vergleich von wilder, freier Natur gegenüber trägem wissenschaftlichen
Wissen erkannt, dann hätte sie vielleicht nicht getan, was sie tat… Aber wir wollen nicht
vorgreifen.
Hannah erlebte nun gemeinsam mit Momo den Kampf gegen die Zeit-Diebe und bewunderte
die Fähigkeit der kleinen Heldin, die Musik der Zeit zu hören. Sie stieg mit ihr in die
magische „Wunderwelt“ (Tabbert 2005: 188) des Romans hinab und ließ sich von den
Motiven der sekundären Welt (ebd.) gefangennehmen. Dabei war ihr natürlich nicht bewusst,
25

dass sie sich von Michael Endes Erzähler ein kleines bisschen in das Zeitalter der Romantik
(ver-)führen ließ: Zunächst erlebte sie die Phantasie der Kinder – die Grenzgänger zur
sekundären Welt - auf ihren Abenteuerreisen, bauten mit ihnen Luftschlösser, ließ sich in die
Welt innerer Geschichten durch die Figur Gigi, den ‚Fremdenführer’ mitreißen und erlebte
die Strategien der grauen Herren, die den Menschen die Musik ihres Herzens, die Zeit zu
stehlen verstanden. Wie in der Romantik zeigt sich die sekundäre Welt (ebd.) als voll von
Gold und Schönheit gegenüber einer (industrialisiert-fortschrittlichen) Primärwelt. Hannah
sah das Bild einer seelenlosen Stadt mit grauen Betonklößen nicht nur bildlich vor ihrem
inneren Auge, sondern erlebte dies gleichsam täglich in der S-Bahn, wenn sie in die leeren
Augen ihren zeitlosen Genossen blickte. Sie hätte es damals wohl nicht „Antikapitalismus“
(Steinz/ Weinheim 2005: 122) bzw. Kapitalismuskritik getauft, aber sie erkannte intuitiv, dass
sich ihr hier ein Vorbild bot, wie die Welt auch aussehen könnte und dass Freundschaft ein
Wert war, der sich nicht in Geldeinheiten messen ließ. Und sie fühlte mehr als sie wusste,
dass sie hier ein Angebot für einen Befreiungsschlag gegen die Welt der Erwachsenen erhielt.
In der Szene mit dem (langweiligen) vorgefertigten Spielzeug – ein wiederkehrendes Motiv in
der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur (vgl. Sullivan 2007: 15f) – erkannte Hannah
ihr eigenes Unvermögen mit den ach so perfekten Spielzeugen ihrer Zeit umzugehen und
einen Moment trauerte sie um ihre verlorene Phantasie.
Leider blieb es bei diesem gefühlten Wissen, denn sie nutzte – oder sollte man sagen –
vergewaltigte, den Text, indem sie ihn genau für diejenigen Zwecke benutzte, gegen die er
sich ihrer Meinung nach doch aufzulehnen versuchte: Sie erfüllte die institutionell-
gesellschaftliche Anforderung, sich mit dem Seminar schriftlich auseinanderzusetzen. Zu
ihrer Ehrenrettung sei aber hinzugefügt, dass sie das Zeitmanagementsystem vernichtend
beurteilte und es als Reinkarnation der grauen Herren darstellte (siehe Anhang B). Das fremde
Kind diente ihr als lebendig gewordener Gesprächspartner, der das Ziel, Zeit zu sparen und
die „richtigen“ (Lebens-)entscheidungen zu treffen infragezustellen vermochte. Sie erkannte –
immerhin – dass sich Empathie nicht in einen Time-Planer eintragen lässt und dass Zeit etwas
ist, das man im Herzen und nicht auf dem Handgelenk trägt. (Übrigens zeigt sich hier wieder
das Erbe der Romantik, zu dem Michael Ende sich selbst bekannte (vgl. Tabbert 2005: 193)
und was es ihm vielleicht erst ermöglichte, sich in solch empathischer Weise dem Begriff der
Zeit anzunähern.)
26

In gewissem Sinne hat Hannah es mit Momos Hilfe geschafft, die Widersprüche, die sich 20
Jahre nach der Revolution der 68er Generation, wenn man sie denn so nennen will, produktiv
auzulösen: Einerseits hat sie die Anforderungen der institutionalisierten (gleichgeschalteten?)
Welt erfüllt, andererseits hat sie sich ein kleines Stück Freiheit erkämpft, indem sie ihre
verschüttete Kreativität wiederbelebte. Momo wäre stolz auf sie gewesen, denn sie hat den
Zeitdieben tatsächlich einen kleinen Schlag versetzt. Der Seminarleiter reagierte nach der
Zeitungsveröffentlichung sehr wütend, er fühlte sich falsch verstanden und es sei doch genau
das Ziel seines Seminars Zeit zu schaffen für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.
Also doch: Empathie in den Time-Planer eintragen?
27

6. Menschen- und Weltbild in der KJL der Aufklärung und Romantik (Aufgabe 5)
Abb. 5: Illustration von Ubbelohde (1974, Einband)
28

Einleitung
Während Novalis als ein klasssischer Vertreter der Romantik fordert: „Die Welt muß
romantisiert werden“ (Schmidt 1974: 57) und gleichsam eine Definition des Begriffs
mitliefert, indem er schreibt: „[i]ndem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem
Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten,
dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es (…)“ (ebd.), fordert ein
klassischer Vertreter der Aufklärung, Christian Wolff, dass die Vernunft „die Lehrmeisterin
des Gesetzes der Natur“ (Best et al. 1980: 39) sein solle.
Die aufgeklärte Literatur wird der romantischen Literatur häufig oppositionell
gegenübergestellt. Die folgenden Ausführungen wollen dies auf der Ebene der Kinder- und
Jugendliteratur ebenfalls versuchen. Dabei wird die These vertreten, dass sich entsprechend
der Position von Novalis die romantische Kinder- und Jugendliteratur auf das Übernatürliche
und Geheimnisvolle beruft, wohingegen die aufgeklärte Kinder- und Jugendliteratur sich an
dem Ideal von Christian Wolff orientiert, dass sich das Verhalten an rationalen Maßstäben der
Vernunft orientieren sollte.
Dafür wird im Folgenden in Anlehnung an den Leitfaden von Stückrath (2001: 14) das Welt-
und Menschenbild der Kinder- und Jugendliteratur untersucht. Stückrath (2001: 14) definiert
den Begriff Weltbild als „umfassende Vorstellung von der Welt“ und das Menschenbild als
„Vorstellung vom Menschen“ (ebd.). Er stellt zwei unterschiedliche Herangehensweisen an
eine solche Untersuchung vor. Im Kommenden wird dabei das erste von ihm vorgestellte
Verfahren gewählt, das versucht, die „besonders erstaunlichen Ereignisse“ (ebd.: 14) zu
erklären und zu bewerten. Es wird zunächst die grundlegende Frage, mit welchen Thematiken
sich die Kinder- und Jugendliteratur der beiden Epochen primär beschäftigt, auf der
Grundlage von Wild (2002) zu beantworten versucht, um dann die Ergebnisse anhand einer
Analyse nach dem Modell von Stückrath (2001) anhand zweier Texte zu belegen. Als
exemplarische Auswahl für die aufklärerische Kinder- und Jugendliteratur wird Salzmanns
„Vom großen Werthe eines guten Verstandes“ (1783) gewählt und als – bis heute - populärer
Vertreter einer romantischen Weltauffassung werden „Die drei Federn“ von den Brüdern
Grimm (2008) untersucht.
29

Die Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung
Wild (2002: 54) vertritt die Ansicht, dass die Kinder und Jugendliteratur der Aufklärung nur
vor dem Hintergrund des Wandels der bürgerlichen Familie verstanden werden kann. In der
bürgerlichen Kleinfamilie bildet sich eine spezifische Eltern-Kind-Figuration heraus, die
durch die ökonomische Abgängigkeit der (Ehe-)Frau erst möglich wurde. Entgegen der
Haltung von Cunningham (2006) sieht Wild (2002: 55) in dieser Phase eine Verstärkung der
persönlichen, intimen und emotionaler Bindung inhalb der Familie auf der Basis der
Entwicklung eines bürgerlichen sozialen Habitus. Präsent wird das Bild eines auf Vernunft,
Tugend, Sympathie und Zärtlichkeit gegründeten Modells für ein soziales Miteinander
überhaupt. So kommt in der aufgeklärten Kinder- und Jugendliteratur der Darstellung eines
(idyllisch überhöhten) Familienlebens, beispielsweise in einer Rahmenhandlung, erhöhte
Bedeutung zu. (Vgl. Wild 2002: 55f) Ein Beispiel bietet der auf kindliche Leser und
Leserinnen zugeschnittene Stoff „Robinson Crusoes“ (Defoe 2004), der von Campe (1779) in
eine dialogisch-erzieherische Rahmenhandlung gebetet wird und explizit auf das Ziel
zugeschnitten ist – neben einer unterhaltsamen Lektüre – „Kentnisse“ (ebd: 5) zu vermitteln.
Zudem lehnte Campe die „allzu empfindsame und empfindelnden“ (Campe 1779: 7) Bücher
seiner Zeit ab. Er kann auch exemplarisch für die von Wild (2002: 57) dargestellte Haltung
der aufgeklärten Familien, dass die Kinder stets „>nützliche[n]< Beschäftigungen“ (Wild
2002: 57) nachgehen sollten, herangezogen werden, wenn der Erzähler die Vaterfigur (!)
sagen lässt: „So ganz müssig werdet ihr doch wohl nicht da sizzen wollen?“ (Campe 1779:
20). Die Kinder seines Romans werden – typisch für die aufklärerische Epoche - an Arbeit
und Tätigkeit gewöhnt, ohne dass sie an das früher übliche Erwerbsleben herangeführt
werden. (Kinder-)Literatur erhält dadurch eine Stellvertreterfunktion für die unmittelbaren
Erfahrungen. (Vgl. Wild 2002: 57) Für die Epoche der Aufklärung gilt die Kinderzeit nach
wie vor als eine Vorbereitungsphase auf das Erwachsendasein, weshalb die Kinderfiguren
i.d.R.von Erwachsenenfiguren umgeben sind und die Konsequenzen von Tugend oder Laster
das Thema der Erzählungen bilden. (Vgl. ebd.: 58) Exemplarisch kann dies an Salzmanns
„Von dem großen Werthe eines guten Verstandes“ (1783) gezeigt werden. Dort führen Fleiß
und Verständigkeit zu (materiellem) Vorankommen des ehemals armen Bauerssohns,
wohingegen das Laster Faulheit des Adelskindes ihn im Erwachsenenleben in den Ruin
treiben. Sowohl bei Campe (1779) als auch bei Salzmann (1783) wird deutlich, dass die
aufgeklärte Kinderliteratur primär didaktische Funktion hatte, sie sollte sowohl nützlich sein,
als auch das Kinderherz erfreuen. Dabei wird auf Kindheit die utopische Hoffnung des
aufgeklärten, mündigen Erwachsenen projiziert (vgl. Wild 2002: 59). Die vorgestellten
30

Kinderfiguren sollen Modelle für das richtige, vernünftige und tugendhafte Verhalten sein.
Salzmann selbst sieht seine dichterische Aufgabe darin, Kindern Muster vorzustellen, die sie
zur Nachahmung animieren. (Vgl. ebd.: 60) Die literarische Verarbeitung von Fehlverhalten
soll den Kindern beispielhaft vor Augen führen, welche Konsequenzen ihr Verhalten nach
sich zieht und sie somit über Sprache symbolisch die Erfahrungen machen lassen, die
Rousseau (1971) seinen Emile wirklich durchmachen lässt. Die Vorstellung von
„>natürlichen Strafen

Verhalten verknüpft ist (vgl. Wild 2002: 65). Die Entwicklung des „

ergreifen zu können. (Vgl. ebd.) Die Brüder Grimm gingen dagegen davon aus, dass
zwischen Volks- und Naturpoesie und der Kunstpoesie eine unüberwindbare Kluft bestehe
und nur jene Elemente unverändert übernommen werden sollten, die sich durch eine
mythische Herkunft adeln. Für Jacob Grimm konnte nur eine gemeinsam erschaffene
Volkspoesie der mythischen Urzeiten als Dichtung des Absoluten gelten und war der
archivaischen Veröffentlichung und Restauration würdig. (Vgl. ebd.: 110ff)
Bezogen auf Kinderliteratur eröffnete die romantische Epoche neue Welten, insbesondere auf
der Ebene der Kinderlyrik. Die aufgeklärte Kinderliteratur mit ihren didaktischen Motiven
hatte diese Gattung gering geachtet, die romantische Kinderliteratur eröffnete mit der
Wiederentdeckung des volkstümlichen Kinderreims einen ganzen „lyrischen Kosmos“ (Ewers
2002: 117). Die funktionale Vielfalt wirkte dabei gegenüber der aufklärerischen Einengung
als eine Art Befreiung (ebd.).
Mit der Erstveröffentlichung der Kinder- und Hausmärchen (1812/1815) der Brüder Grimm
werden deren drei grundlegenden Forderungen an eine Naturpoesie deutlich: es dürfen keine
modernen, märchenfremden Elemente eingefügt werden, die märchentypischen
Handlungsschemata der Einfachheit müssen respektiert und erhalten werden, die Erzählung
darf nicht zum Selbstzweck werden. Innerhalb dieses Rahmens dürfen dieselben Märchen
allerdings unterschiedlich erzählt werden. (Vgl. Ewers 2002: 118) Die Brüder Grimm sehen
in dieser Form der Wiederbelebung von Märchen eine Kinderwahrheit erwachsen, die sich
durch den „Geist des Ganzen“ (ebd.) auszeichnet und noch keine Individualisierung und
Vereinzelung kennt. Hier zeigt sich die romantische Auffassung vom heiligen Kind: das Kind
ist mit der Wirklichkeit noch wenig vertraut und ist seinem inneren Reichtum näher als der
Erwachsene. Diese „>>selige

Familie angeboten werden. In der Erstauflage der „Kinder- und Hausmärchen“ lehnt das
Brüderpaar jeglichen Eingriff noch ab und behält auch erotische, sexuelle Anspielungen
sowie Grausamkeiten bei. Diese Position ist im 19. Jahrhundert aufgrund der Rezensionen
nicht zu halten, weshalb nach dem stetigen Rückzug Jacob Grimms, Wilhelm die „Kinder-
und Hausmärchen“ überarbeitet und die anstössigen Passagen redigiert, so dass aus den
Volksmärchen schließlich doch „Kindermärchen“ werden. Die neuveröffentlichte Auflage
von 1918 wird dann auch stil- und gattungsbildend für diesen Bereich und findet in dieser
Form viele Nachahmer. (Vgl. ebd.: 120f) Dabei zeichneten sich diese Märchen durch eine
einfache, kurze Erzählform aus, wohingegen Sagen komplexer sein konnten und eher für die
Jugend gedacht waren. Das Schreiben für Kinder bedeutete ein Dichten in Form überlieferter
folkloristischer Motiv-, Bild- und Formsprache.
Die romantischen Dichter, Achim von Arnim und Clemens Brentano, als Vertreter des
dichterischen Lagers erzeugen dagegen eine von romantischer Ironie getragen Kinderliteratur
des doppelten Bodens: Sie zeichnen auf vordergründiger Ebene Unbekümmertheit und
Naivität, bei denen der aufmerksame Leser und die aufmerksame Leserin aber ein
dahinterliegendes unglückliches und zerissenes Bewusstsein erkennen kann. (Vgl. Ewers
2002: 111) Exemplarisch seien hier die von Clemens Brentano bearbeiteten und posthum
veröffentlichten Italienischen Märchen genannt. Clemens bearbeitete 1806 einzelne Stücke
aus der Märchensammlung des Giovanni Batista Basile (vgl. ebd.: 124). Die feine,
metaphorisch-symbolische Sprache ist hierbei eher ein Genuss für den erwachsenen Leser
und die erwachsene Leserin, denn Kinder werden an Metaphern wie „Becher Wermuttrank“
(Basile 1993: 57) und „Medeaherz“ (ebd.: 59), wie sie beispielsweise in „Sonne, Mond und
Talia“ (ebd.) verwendet werden, noch wenig Genuss empfinden können. Sie werden die hier
auftretende Dichterpersönlichkeit wohl eher weniger zu würdigen wissen. Novalis dagegen
präsentiert symbolische bzw. allegorische Kunstmärchen, die durchweg moderne Thematiken
behandeln. Hier kommt es zu einer gänzlich anderen Lesart der Märchen durch Kinder und
Erwachsene: Der Erwachsene erkennt den Märcheninhalt als nicht eigentlich Gemeintes und
kann sich die Sachseite erschließen, wohingegen der kindliche Leser oder die kindliche
Leserin dem Märchengeschehen, dem Bildteil, verhaftet bleibt (vgl. Ewers 2002: 111).
Die Entwicklung zweidimensionaler bzw. dualistischer Kunstmärchen der Romantik wurden
von Ludwig Tieck mit seinen Elfen-Märchen um 1812 eingeleitet. Der Eindimensionalität
von Volksmärchen wird insofern eine Absage erteilt, als nun die mythische Welt mit der
34

ealen Welt kollidiert. Hier ist der Protagonist ein Grenzgänger zwischen den Welten, der auf
tragische Weise scheitert. (Vgl. Ewers 2002: 124f) Ein klassischer Vertreter dieser
Weltenmischung und Kollisionen ist E.T.A. Hoffmann, der in seinen Romanen und Novellen
prosaische mit phantastischen Elementen auf witzige – aber auch gespenstische Weise -
mischt (vgl. Zetterholm/ Quenell 1991: 149). Ein Beispiel für ein Kinderkunstmärchen, das
noch nicht einen Zusammenstoß der beiden Welten darstellt, sondern diesen als einen sich in
beiden Welten parallel vollziehende Kampf beschreibt, ist „Das fremde Kind“ von E.T.A.
Hoffmann (2008). Hier sind nahezu alle Elemente romantischer (Kinder-)Literatur
versammelt: Die real-idylische Welt eines ländlich-freien Lebens wird durch den Besuch
städtischer, debiler Verwandter empfindlich gestört und führt die in ihrer Freiheit
beschnittenen Kinder in eine phantastische Welt. Die Oppositionen von (ungesundem)
Stadtleben und (gesundem) Landleben, von kreativem kindlichen Spiel gegenüber
mechanistisch erzeugten gesellschaftlichen Fortschrittsprodukten, von trägen
wissenschaftlichen Fachausdrücken gegenüber der Fähigkeit zu einem lebendigen Umgang
mit der Welt werden hier prototypisch gegenübgergestellt. Hinzu kommt eine für die
romantische Literatur typische Sprache, die von „Glanz und Pracht“ (Hoffmann 2008: 11) der
kreativen, phantastischen Welt erzählt.
Tieck und Hoffmann haben mit ihren Texten quasi eine Revision der romantischen
Kinderliteraturprogrammatik eingeleitet, da sie erkannt haben, dass Kinder eines bestimmten
Alters Differenzerfahrungen zwischen ihrer kindlichen Vorstellungswelt und der rationalen
Erwachsenenwelt spannungsreich erleben müssen. E.T.A. Hoffmanns (2008) „Das fremde
Kind“ ist deshalb noch ein Kunstmärchen, weil auch die reale Welt in seiner idylischen
Verklärung noch einer Form der Disseitswelt zuzuordnen ist. In seinem Werk „Nußknacker
und Mausekönig“ überschreitet E.T.A. Hoffmann die Grenze von einem dualistischen zu
einem Wirklichkeitsmärchen und löst sich damit von der klassischen Gattung „Märchen“.
Dieses ‚Märchen’ muss eher einem modernen psychologischen Realismus zugeordnet
werden. Die Mehrdeutigkeit des Ausgangs der Geschichte führt den kindlichen Leser und die
kindliche Leserin und den/die erwachsenen Leser und Leserinnen zu unterschidlichen
Deutungen: So würden Kinder sich eher mit der phantastischen Welt von Marie Stahlbaum
identifizieren und das Ende als heiteren Ausgang verstehen, wohingegen der/die erwachsene
Leser und Leserin die Geschichte als Krankheitsgeschichte mit tödlichem Ausgang lesen
kann. (Vgl. Ewers 2002: 125ff)
35

Die beiden Welten finden in der Psyche des Protagonisten statt, wo die unterschiedlichen
Weltauffassungen das Bewusstsein zu spalten drohen - ein (Nacht-)Motiv, das E.T.A
Hoffmann gerne verwendet hat, so auch im „Sandmann“ (Hoffmann 1986). Die
Wirklichkeitsmärchen markieren die Schwelle vom romantischen Kunstmärchen zur
modernen Phatastik. Durch die Form des dualistischen Märchens bzw. des
Wirklichkeitsmärchens wird erstmals der Gegensatz zwischen romantisch definierten
Kindheiten und dem aufkeimenden Bewusstsein der Kinder einer ‚anderen’ Erwachsenenwelt
sichtbar. (Vgl. Ewers 2002: 127f)
Die Kernelemente der Romantik lassen sich zusammenfassend prototypisch an Hoffmanns
(2008) „Das fremde Kind“ zeigen, in dem sich die Bedrohung der Kindheit durch rationale
Vernunft und die bedrohlichen Folgen für die kindliche Kreativität durch träges
wissenschaftliches Wissen sowie das idealisierte Bild von Landleben verdeutlichen lässt..
Auch die typisch romantische Ablehnung von fortschrittlichen Maschinen wird durch die
Beseelung der bösartigen Spielzeuge metaphorisch deutlich. Hoffmann steht aber auch für
den Übergang vom dualistischen Kunstmärchen zum Wirklichkeitsmärchen mit seinem Werk
„Nußknacker und Mausekönig“ (vgl. Ewers 2002: 127f). Damit sind einige zentralen Themen
der Romantik beschrieben.
Exemplarischer Vergleich des Menschen- und Weltbildes zweier Epochen
Am Beispiel von „Von dem großen Werthe eines guten Verstandes“ von Christian Gotthilf
Salzman (1783) sollen nun exemplarisch die unter Punkt 2 aufgeführten Intentionen der
aufgeklärten Kinderliteratur aufgezeigt werden.
Der Text präsentiert das „erstaunliche Ereigniss“ im Sinne Stückrath (2001: 14), dass ein
armer Bauernsohn zu Anerkennung und Wohlstand gelangt, indem er sich ‚seines Verstandes’
bedient, wohingegen ein Sohn von Adel durch seine Faulheit und Lasterhaftigkeit verarmt.
Paradigmatisch zeigt die Beschreibung der „besonders erstaunlichen Ereignisse“ (Stückrath
2001: 14) in Salzmanns Text die unter Punkt 2 beschriebenen Kernelemente des aufgeklärten
„Welt- und Menschenbildes“ auf. Die Faktoren, die zur positiven Auflösung für den
Bauernsohn führen, sind sein Fleiß und die Ausbildung seines Verstandes, sie geben ihm die
Möglichkeit, diese Fähigkeiten unter den Händen des Hofmeisters weiter zu verfeinern und
führen ihn zu Wohlstand und Ansehen, also zur positiven Auflösung seiner materiellen
36

Mangelsituation. Gleichsam führen sie auch zu Tugendhaftigkeit, da er nicht Gleiches mit
Gleichem vergilt, sondern den ihn verachtenden Adelssohn unterstützt. Die Faktoren, die zur
negativen Auflösung für den Adelssohn führen, sind dieselben nur mit umgekehrtem
Vorzeichen: Die Sicherheit, dass sein Stand und die materiellen Ressourcen ihm ein dauerhaft
gesichertes Leben bieten, verbunden mit der fehlenden Ausbildung seiner Affektkontrolle – er
„verschwelgte das (…) Geld in liederlicher Gesellschaft“ (Salzmann 1783: 2) - führen dazu,
dass er seinen Verstand nicht schult und die überlebensnotwendigen Fähigkeiten zum Erhalt
seines Gutes, gesellschaftliches Ansehen und materieller Wohlstand nicht erwirbt und damit
seinen finanziellen und persönlichen Ruin verursacht – also die Komplikation für sich negativ
auflöst.
Der unter dem programmatischen Titel „Von dem großen Werthe eines guten Verstandes“
veröffentliche Text von Salzmann (1783) bietet ein Menschenbild an, das davon ausgeht, dass
individuelle Anstrengung, die Verfeinerung des verstandesmäßigen Handelns belohnt wird.
Dabei wird deutlich, dass die Ausbildung des Verstandes nicht nur zu Wohlstand und
Ansehen führt, sondern insgesamt einen besseren Menschen aus dem Individuum zu machen
vermag – also auch moralische Tugenden fördert. Mangelnde Verstandesbildung und
Affektkontrolle führt dagegen in den materiellen und persönlichen Ruin und zu einem
liederlichen, missgünstigen Charakter. Darüber hinaus führt die Geschichte dem Leser und
der Leserin in schmuckloser Erzählweise ein Weltbild vor Augen, das nicht die Herkunft über
den Lebenserfolg entscheidet, sondern die Entwicklung der eigenen Mündigkeit. Um es mit
Kant (1983: 53) zu sagen: „Es ist so bequem, unmündig zu sein“, und der Adelssohn verlässt
sich aus Bequemlichkeit auf seine standesbedingten Vorrechte und muss deshalb scheitern.
Die pädagogischen Implikationen, die mit erhobenem Zeigefinger dargestellte Geschichte,
soll somit den Kindern die Wichtigkeit der Schulung ihrer Fähigkeiten nahelegen und damit
ein musterhaftes Vorbild abgeben.
Exemplarisch sollen nun „Die drei Federn“ von den Romantikern, den Brüdern Grimm, auf
die gleiche Weise analysiert werden.
Das Volksmärchen beleuchtet folgendes „erstaunliche[] Ereignis“ im Sinne Stückraths (2001:
14): Obwohl der dritte Köningssohn einfältig ist, führen mystisch-märchenhafte
Gegebenheiten dazu, dass er Widererwarten das Köningreich übernimmt und in Weisheit
führt. Die Faktoren die zu der positiven Auflösung für den „Dummling“ (Grimm 2008: 1)
37

führen, sind überirdische Kräfte, die weder er noch seine Brüder beeinflussen können. Die
Faktoren, die zur negativen Auflösung für die klugen Brüder führen, sind deren
Sicherheitsgefühl, dass sie aufgrund ihrer Intelligenz ohnehin Erfolg haben werden, einerseits
und deren daraus folgende Untätigkeit andererseits. Das Märchen weist eine prototypische
Struktur auf: schlicht, mit zahlreichen Wiederholungen und einem gleichförmig verlaufenden
stereotypen Handlungsablauf – die Ereignisfolge: Federn in unterschiedlichen Richtungen,
Treffen auf die Märchengestalten und Erfolg des einfältigen Königssohnes wiederholen sich
dreimal. Dabei wird eine formelhafte, märchentypische Sprache verwendet und die Figuren
auf wenige Merkmale schematisch entindividualisiert. Außerdem wird ein einfacher
Kinderreim integriert.
Es zeigt sich ein für die Romantik typisches Menschenbild: Der Mensch ist nicht Herr über
sein Leben, wird von überirdischen Kräften gelenkt und die reine Verstandesausbildung führt
nicht unbedingt zum Erfolg. Gleichzeitig wird aber auch hier – wie bei Salzmann – deutlich,
dass die Brüder ihren Misserfolg zumindest mitverschuldet haben, indem sie sich keine Mühe
bei der Aufgabenerfüllung gegeben haben. Dies ist dann aber keine didaktisch-intendierte
Einstreuung, sondern ein Ergebnis überzeitlicher Implikationen dieses Märchens und auch
nicht zentral für die Auflösung, da die Brüder mit hoher Wahrscheinlichkeit auch durch
intensive Suche nicht gegen die übernatürlichen Kräfte angekommen wären.
Der aufklärerisch geprägte Text von Salzmann hebt also auf Verstandesbildung und Tugend
ab, während das romantische Volksmärchen die übernatürlichen Kräfte als handlungsleitend
darstellt. Während aus Sazlmanns Text direkte Handlungsaufforderungen an den (kindlichen)
Leser und die Leserin deutlich werden, kann das Volksmärchen nicht als direktes Muster für
richtiges Verhalten gelesen werden. Glück scheint hier unberechenbar.
Schlussfolgerung
Die These, dass sich die romantische Kinder- und Jugendliteratur auf das Übernatürliche und
Geheimnisvolle beruft, konnte einerseits anhand der historischen Annäherung durch die
Wiederbelebung einer Märchenkultur und der Darstellung des Bildes der Kindheit als innere
Einheit belegt und durch die vertiefende Darstellung des Kunstmärchens „Das fremde Kind“
von E.T.A. Hoffmann (2008) untermauert werden. Auch die These, dass die aufgeklärte
Kinder- und Jugendliteratur sich an dem Ideal von Christian Wolff orientiert, dass sich das
Verhalten an rationalen Maßstäben der Vernunft orientieren sollte, konnte durch die
38

historische Entwicklung der bürgerlichen Moral- und Tugendvorstellungen aufgezeigt
werden. Der Vergleich von Salzmanns (1783) „Vom Werthe eines guten Verstandes“ und
Grimms „Die drei Federn“ konnte insbesondere die Konträren Weltbilder (Verstand und
Tugendhaftigkeit der Aufklärung versus Mystisch-Übernatürliches in der Romantik)
exemplarisch aufzeigen.
39

7. Vergleich der Figuren in Durians „Kai in der Kiste“ und Kästners „Emil und die
Detektive (Aufgabe 8)“
Abb. 6: Emil und die Detektive nach Trier (1981)
Abb .6: Kai aus der Kiste nach Waechter (2004)
40

Einleitung
Im Folgenden sollen die Figuren in „Kai in der Kiste“ von Wolf Durian und „Emil und die
Detektive“ von Erich Kästner vergleichend untersucht werden. Dabei wird zunächst
entschieden, welche Figuren sich aufgrund ihrer Funktion für die Handlung besonders für
eine Figurenanalyse anbieten und auf dieser Grundlage eine Auswahl getroffen, um dann zu
entscheiden, wie komplex die zentralen Figuren gestaltet sind. Schließlich sollen
übereinstimmende und gegensätzliche relativ stabile Merkmale der Protagonisten und
Antagonisten in bestimmten Kategorien festgestellt werden. Abgerundet wird die
Gegenüberstellung mit der Untersuchung der Figurengestaltung in beiden Gesamtwerken.
Grundlage der Untersuchungen bilden die Analysemodelle von Stückrath (2001) und Saupe
(2006).
Bedeutungstragende Figuren
Die Titel der beiden Kinder- oder eher noch Jugendbücher geben bereits einen Hinweis auf
ihre jeweiligen Protagonisten: Kai, die „Große Klapperschlange“ als Anführer der
Jugendbande „Schwarze Hand“ in Durians Werk, und der Musterknabe „Emil“ in Kästners
Kriminalroman sind die jeweiligen Helden und Träger der gesamten
Komplikationshandlungen. Als zentraler Antagonist treibt Alexander Kubalski die Handlung
in „Kai in der Kiste“ voran. Kai als Held ist von Helferfiguren umgeben, wohingegen
Kubalski sich seine Unterstützung erkaufen muss. Kai wird von seiner ‚Rasselbande’, einer
organisierten Straßenbande, unterstützt, wobei zwei andere Anführer, „Plattfuß“ (Durian
2004: 26) und „Herkules“ (ebd.), besonders hervorgehoben werden. Sein Gegenspieler
organisiert sich Unterstützung in Form eines Detektivs, Louis Fliegenpfiff, und
instrumentalisiert den geldgierigen Portier sowie die örtlichen Polizei, Krummblick und
Schleicher. Die Namen sind Programm! Die gesamten Erwachsenen – mit Ausnahme von Mr.
Joe Allan von Brams, der eine besondere Rolle in dem Jugendroman übernimmt – sind
negativ konnotiert. Um die Konfrontation von Kindern mit Erwachsenen geht es in beiden
Werken. Die Kinder gehen in beiden Fällen siegreich daraus hervor. (Vgl. Karrenbrock1995:
201)
Auch dem jungen Helden Emil ist ein Antagonist gegenübergestellt: Herr Grundeis-Müller-
Kießling, der durch den Diebstahl von Emils Geld die zentrale Komplikation verursacht und
sich letztendlich als gefürchteter Bankräuber entpuppt. Derselbige steht ohne Helferfiguren
41

dar, wohingegen Emil von Gustav mit der Hupe und den Kindern aus seinem Viertel (des
Professors, Krummbiegels, usw.) bei der Beschattung und Entlarvung des Gegenspielers
unterstützt wird. Die Erwachsenenfiguren in Kästners Roman sind insgesamt weniger negativ
konnotiert und werden – wie beispielsweise Emils Mutter – als fleißige und brave
kleinbürgerliche oder gehobene bürgerliche Leute dargestellt. Bei Durian ist der Sieg der
Kinder über die Erwachsenen Resultat eines freiwilligen Wettbewerbs, während es in
Kästners Geschichte um Wiedergutmachung durch von Erwachsene verursachten Unrechts
gegen ein Kind geht. (Vgl. Karrenbrock1995: 201)
Komplexität der Protagonisten
Kai stellt sich gleich zu Romanbeginn als clever und witzig vor, wenn er durch einen
Lausejungenstreich den ‚Türsteher’, den Portier des Hotel Imperator, durch eine List
überwindet, um zu Mr. Joe Allan van Brams vorzudringen. Auch die weiteren
Figureneigenschaften, die Kai und mithin seiner Jugendbande zugeordnet werden, verändern
sich im Laufe der Geschichte nicht. Kai bleibt clever, witzig, frech und schnell. „Im
Gedränge war es leicht, ohne Fahrkarte durch die Sperre zu kommen, allerdings nur für Kai
war es leicht; jeder andere wäre dem Kontrolleur in die Hände gefallen“ (Durian 2004: 20).
Diese unkonventionelle, freche und blitzschnelle Auffassungsgabe von Kai und seinen
Helfern zeigt sich u.a. in der Szene, wo er die trägen Erwachsenen überlistet, indem er im
Fahrstuhl mit einem Bandenmitglied, dem Portiersjungen, die Uniform tauscht und dieses
Spielchen gleich zweimal siegreich gegen die Erwachsenen durchführt oder auch – wiederholt
- durch seine unbemerkte Verteilung der Reklame bei der eigentlichen Wette um den Beruf
des Reklamekönigs. Insgesamt ist Kai also eine durchweg statische Figur – auch dann noch,
als er selbst als ein „wahrer Reklamekönig“ (Durian 2004: 105) agiert. Hierin zeigt sich Kais
durchgängiges Solidaritäts- und Verantwortungsgefühl: er teilt auch nach dem Gesamtsieg
noch den Gewinn mit seinen Kumpanen und stellt sie in seiner Firma ein (vgl. Kümmerling-
Meibauer 2004b: 307). Kai ist einfach „ein großer Kai“ (ebd.) geworden. Auch wenn Kai
durch viele positive Charaktereigenschaften ausgezeichnet ist, bleibt er eindimensional. Seine
Wünsche nach Reichtum und Erfolg sind von Anfang an offengelegt. Er ist weder von
unbewussten Prozessen noch von Ambivalenzen geprägt und somit im Sinne Stückrath (2001:
16) „rationalistisch“ und klar definiert. Er entspricht vielmehr dem Typus eines Berliner
Straßenjungen und steht als ein Name („Große Klapperschlange“) für die gesamte männliche
Straßenjugend.
42

Kästner konzipiert seine Hauptfigur zunächst als einen gehorsamen, angepassten jungen
Mann, der, um seine schwer arbeitende Mutter nicht zu schädigen, gute Noten mit nach Hause
bringt und auch sonst versucht, keinen Ärger zu machen, was ihm allerdings manchmal
schwerfällt. „Emil war ein Musterknabe. So ist es. Aber er war keiner von der Sorte, die nicht
anders kann, weil sie feig ist und geizig und nicht richtig jung. Er war ein Musterknabe, weil
er einer sein wollte!“ (Kästner 1981: 34). Dass ihm das zuweilen auch in seiner
kleinstädtischen Heimat nicht durchgehend gelingt, zeigt sein schlechtes Gewissen gegenüber
Wachtmeister Jeschke, denn Emil hat mit Freunden aus der Realschule ein Neustädter
Denkmal bemalt und fürchtet die Konsequenzen. Im Gegensatz zu „Kai aus der Kiste“ bleibt
Emil aber nicht der sogenannte Musterknabe, der sich den elterlichen Normen bedingungslos
fügt. Er erkennt, dass es auch andere Modelle von Eltern-Kind-Interaktionen gibt. „Der
Professor rief ihm noch nach, er möge doch für ihn zu Hause anrufen und dem Vater sagen,
er, der Professor, habe was Dringendes vor. >>Dann ist er beruhigt und hat nichts
dagegenDonnerwetter noch malgibt’s in Berlin
famose Eltern!Er
hat gesagt, ich solle mir immer ausmalen, ob ich genauso handeln würde, wenn er dabei
wäre. Und das täte ich heute

auf zwei Textstellen, in denen Kästner die Komplexität der Figur erhöht: Unter den
Schlafmedikamenten des Gegenspielers erlebt Emil einen Traum, der Schuldgefühle und
unbewusste Ängste vor der Großstadt implizieren könnte. Zudem zeigt sich eine kurze
Passage innerer Widersprüchlichkeit, wenn der Erzähler Emil in der Freude der neuen
Jugendgemeinschaft wie folgt beschreibt: „Emil war direkt glücklich, dass ihm das Geld
gestohlen worden war“ (Kästner 1981: 92). Eigentlich ist Emil besorgt und voller Reue
gegenüber seiner schwer arbeitenden Mutter, dass er sich das Geld hat entwenden lassen, aber
auch er hat ein Bedürfnis nach Entfaltung und Freiheit. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass
Emils Wünsche und Motive – das Geld verabredungsgemäß an die Großmutter zu geben und
der Mutter keine Sorgen zu bereiten – durchgehend dominant sind, so dass er im Sinne
Stückraths (2001: 16) eher eindimensional-rationalistisch und damit klar definiert ist.
Die Fronten sind in Durians und Kästners Werk verschieden: Durian konzipiert trottelige
Erwachsene gegenüber schlauen Kindern, während Kästner Unrecht gegen Recht stellt – auch
mit Hilfe der Erwachsenen. Dies lässt sich auch an der unterschiedlichen Organisationsform
der beiden Jugendgruppen zeigen. Bei Durian ist es eine umherschweifende Stadtindianer-
Horde von arbeitenden Kindern, wohingegen Kästner ein räsonierendes Kinderparlament von
Gymnasiasten präsentiert, mit dem „Professor“ als strategischem Kopf, Gustav als Vertreter
einer aktionsbewussten Exekutiven und Emil als Entscheidungsinstanz für die
Rechtschaffenheit der Mittel. Der Versammlungsort ist kein geheimer „alter Bahnhof“ wie in
Durians Werk, der den Erwachsenen nichts mehr bedeutet, sondern ein öffentlich
zugängliches Forum, der Kinohinterhof im aufgeräumten, privilegierten Berliner Westen.
Zum doppelten Happy End in Kästners Kinder- und Jugendbuch kommt es also nicht durch
reinen Aktionsismus, sondern durch eine als vernünftig ausgewiesene Zusammenarbeit der
Kinder. Kästner führt dann auch noch die sog. Vierte Gewalt in Form eines Journalisten ein.
(Vgl. Karrenbrock 1995: 201)
Figurenmerkmale der Protagonisten und ihrer zentralen Gegenspieler
Im Sinne Saupes (2006: 63) sollen nun die relativ stabilen Figureneigenschaften der beiden
Protagonisten sowie der zentralen Gegenspieler näher beschrieben werden. Kai als Anführer
einer Jugendbande ist äußerlich ein schmuddeliges Straßenkind mit dreckigen Händen und
einer v.a praktischen Hose, die er von einem Bauarbeiter geschenkt bekommen hatte und die
sich fast von „selbst auszog“ (Durian 2004: 31) Er ist arm und gehört zu Straßenjungen aus
44

dem Arbeiterviertel Wedding Mitte, „die noch nach Mitternacht herumstrolchen“ (ebd.: 30).
Kai bewohnt mit seiner jüngeren Schwester Erika eine dunkle Dachkammer eines alten
Hinterhauses und scheint elternlos zu sein. Die äußere Trostlosigkeit wird mit einer inneren
Vielfalt und einer organisierten Gemeinschaft der Jungenbande kontrastiert. Einer
Jugendbande, die sich über Normen hinwegsetzt, die trägen Erwachsenen durch ihre flinken
Bewegungen und genauen Kenntnisse der Berliner Örtlichkeiten sowie der zielorientierten
Nutzung aller modernen Kommunikations- und Fortbewegungsmöglichkeiten ‚alt aussehen
lässt’. „Der Portier schimpfte. Vor dem Hotel fuhr gerade ein dunkelblaues Auto ab. Kai saß
hinten auf und sauste davon. Ein Polizist flötete auf seiner Trillerpfeife, aber Kai machte sich
nichts daraus“ (Durian 2004: 19). Die Jugendbande, deren Anführer Kai ist, ist eine große
Gemeinschaft, die gut durchorganisiert ist. Ein Pfeif-Signal führt die gesamte Gruppe schnell
zusammen. „Aus zwanzig wurden fünfzig, hundert“ (ebd.: 24). Es handelt sich ausschließlich
um Jungen!
Der Armut der Jugendbande wird die Person Kubalski nahezu karikaturistisch
gegenübergestellt. „(…) Herr mit spiegelblankem Zylinder und gelben Handschuhen (…) Der
Herr duftete nach einem Beet voll Veilchen. In der Brusttasche seines taubengrünen
Gehrocks steckte ein orangerotes Seidentaschentuch. Seine Krawatte und seine Strümpfe
waren apfelgrün“ (ebd.: 33). Kubalski präsentiert sich als reicher, erwachsener Mann, obwohl
sein Verdienst hinter seinen eigenen Aussagen zurückbleibt. Die Jugendbande verhält sich
zwar illegal, legt aber Wert auf gegenseitige Ehrlichkeit. Dies zeigt sich beispielsweise darin,
dass sie den Gewinn der ersten Wette fair und entsprechend der vorherigen Absprache
aufteilen. Kubalski dagegen belügt Mr. Joe Allan van Brahms und seine eigene Braut über
sein Gehalt. Im Gegensatz zu der Jugendbande hat Kubalski keine kameradschaftliche
Unterstützung, sondern kauft oder besticht seine Helfer. Seine lahme Reklamekampagne
deutet auf seine Einfallslosigkeit hin. Pointiert ließe sich sagen: Geld statt Ideen!
Kästners Emil ist ein ordentlich gekleideter Junge und besitzt einen dunkelblauen
Sonntagsanzug, der für besondere Anlässe angezogen werden muss. Seine Mutter sorgt sich
verantwortungsvoll um ihn – wie auch er um sie. Er stammt aus einem kleinbürgerlichen
Milieu, seine Mutter ist Friseuse und versucht immer, Geld für die Großmutter zu sparen.
Emil wird ebenfalls als klug dargestellt – er hat Spitzenzeugnisse - , allerdings bewegen sich
Emil und seine Helfer – im Gegensatz zu Kais Jugendbande - im Rahmen der legalen
Konventionen bzw. an deren Grenzen. „>>Was mir gehört, kann ich doch nicht stehlen
45

können! Was mir gehört, gehört eben mir, auch wenn’s in einer fremden Tasche steckt! >Das sind Unterschiede, die sich schwer begreifen lassen
moralisch bist du meinetwegen im Recht. Aber das Gericht verurteilt dich trotzdem. Das
verstehen sogar viele Erwachsene nicht. Aber es ist so Also meine Herren, ich erkläre Ihnen
auf Ehrenwort: das Geld gehört wirklich mir. Ich werde doch nicht kleine Kinder ausrauben!

direkter Rede selbst dargstellt und bei Kästner auch durch einen kommentierenden Erzähler,
der jedoch im Zuge der Geschichte stärker zurücktritt. Während die beiden Werke sich
hinsichtlich eines beschreibenden und dialogisch gestalteten Stils zur Annäherung an die
Figuren nicht unterscheiden – abgesehen von der Traumsequenz- , bilden die Kommentare
des Erzählers bei Kästner eine Differenz zu Durians Roman. Die Romane leben von einer
(spannenden) Handlung und verzichten auf innere Monologe.
Schlusswort
Insgesamt zeigt sich in „Kai in der Kiste“ durch die Darstellung der Figuren die zentralen
Oppositionspaare von (schlauen) Kindern und (trägen) Erwachsenen, von Armut und
Reichtum sowie deutscher Konventionalität und amerikanischer Unkonventionalität. Die
zentralen Gegensätze, die sich im Kriminalroman von Kästner zeigen, sind ebenfalls die
Oppositionen von Kind und Erwachsenen sowie Arm und Reich, hinzu kommt jedoch noch
das Oppositionspaar Kleinstadt (mit seiner Enge) vs. Großstadt (mit seiner freieren
Entfaltungsmöglichkeit für die Kinder unter geringerer Aufsicht der Erwachsenen). Der
Gegensatz zwischen deutscher Konventionalität und amerikanischem Freiheitsdenken entfällt
bei Kästner. Beide Romane zeichnen sich durch einen wohlwollenden bis hin zu einem
verklärenden Blick auf Kindheit aus und beinhalten klassische Rollenstereotype für das
abenteuerliche männliche Geschlecht und das abhängige weibliche Geschlecht. Zudem
verklärt Kästner das kleinbürgerliche Milieu, das sich durch Ehrlichkeit, Sparsamkeit und
Zuverlässigkeit auszeichnet. Obwohl beide Romane der realistischen Kinder- und
Jugendliteratur zugeordnet werden müssen, trägt das Ende von „Emil und die Detektiven“
doch auch utopische Züge – alles löst sich kindgerecht in Harmonie auf. Ähnliches gilt für
Durian, der allerdings bereits in seinem Untertitel darauf hinweist, dass es sich um „[e]ine
ganz unglaubliche Geschichte“ handelt. „Kai aus der Kiste“ wurde vor Kästners „Emil“
veröffentlicht. „Emil“ läst sich in mancherlei Hinsicht als demokratische Antwort auf die
anarchischen Aktionen der „Schwarzen Hand“ lesen. (Vgl. Karrenbrock 1995: 200)
47

8. Das Kindheitsbild in Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ (Aufgabe 10)
Abb. 7: Zeichnung aus Lindgren 1967: 11
48

Einleitung
Die Geschichte von Pippi Langstrumpf gehört zur phantastische Kinder- und Jugendliteratur,
da es eine „>>primären Weltsekundäre>Antwort

Pippi als wundersames Menschenkind
Das sommersprossige, fiktive Menschenkind Pippi wächst ohne Eltern auf: Ihre Mutter ist
früh gestorben und ihr Vater ist Seefahrer, der bei einem Unwetter „ins Meer geweht wurde“
(Lindgren 1967: 8). Das phantasievolle Kind geht davon aus, dass Ihr Vater Negerkönig auf
einer Insel ist und sie als seine Prinzessin später einmal zu sich holen wird. Dieses Phantasma
erweist sich im dritten Band in Teilen als Romanrealität. Ewers (1992: 132) sieht in dieser
Figurenkonstruktion eine für kindliche Bedürfnisse befriedigende Lösung des
Ödipuskomplexes. Markant ausgedrückt: Die Mutter ist beseitigt und der Vater wird
symbolisch die Tochter zu seiner Prinzessin, seiner Braut, machen. Die Figur selbst drückt es
weniger freudianisch aus: „Sie hatte keine Mutter und keinen Vater, und eigentlich war das
sehr schön“ (Lindgren 1967: 8). Das gibt ihr die Möglichkeit, sich ihren Gelüsten hinzugeben,
Bonbons zu esse, wann immer sie möchte, ins Bett zu gehen, wann sie es für richtig hält und
nach ihren eigenen Lebensmaximen, nach dem reinen Lustprinzip, zu leben (vgl. ebd.).
„Pippi übertreibt fast alles, was sie macht; statt zu gehen, läuft sie rückwärts oder auf
den Händen, statt normal zu sprechen, schreit und kräht sie laut herum. Sie ist eine
wandelnde Beschwörung – seht her, es geht fantastisch ohne Eltern, scheint sie immerzu
zu schreien (…)“ (Osberghaus 2007: 30).
Steinz und Weinheim (2005: 102) deuten die Elternlosigkeit Pippis als Ironisierung der
Vorstellung, dass eine glückliche Kindheit eine intakte Familie voraussetzt und dass sich das
Kinderbuch über sentimentale Geschichten mit elterlosen Kindern und verschwundenen Väter
lustig macht (vgl. ebd.). „Hier lebt ein Kind ganz auf sich gestellt, ohne Eltern, ohne
Autoritäten, und es kommt prima zurecht, mehr noch: Es ist das Super-Kind“ (Osberghaus
2007: 29).
In der Tat besitzt Pippi besondere Kräfte: sie ist so stark, dass sie „ein ganzes Pferd
hochheben“ (Lindgren 1967: 11) oder einen Hai zurück ins Meer werfen kann (vgl. Lindgren
1986: 118). Ewers (1992: 132) betrachtet Pippi als dialektisch konstruierte Figur, die
vielschichtiger ist, als es eine reine Orientierung am Lustprinzip nahelegt (vgl. Ewers 1992:
131): Er ist der Meinung, dass sich Pippis wundersame Stärke als metaphorische Umsetzung
ihrer Ich-Stärke ausdrückt. Ganz im Sinne psychoanalytischer Terminologie sieht er in Pippis
50

scheinbarer Stärke eine narzistische Ich-Grandiosität, die „noch ganz an die primären
Liebesobjekte gebunden“ (ebd.: 132) ist. Nach Ewers (1992: 133) erweist sich die Titelheldin
damit als tragisch-komische Figur, der eine psychische Reifung im Sinne einer Überwindung
der narzisstischen Ich-Bezogenheit versagt bleibt. Er sieht in ihr sogar ein
entwicklungsgehemmtes Kind. Einerseits kann sie damit Wunscherfüllungsphantasien von
Kindern erreichen, andererseits führt der Erzähler den heranreifenden Leser bzw. der Leserin
zu einer Distanzierung dieser Züge von Pippi, und zwar durch Humor und verschiedene Arten
der Komik (Situationskomik, Komik des Exzentrischen). Exemplarisch lässt sich dies an
Pippis Fressgier aufzeigen: So wird es einmal als die Verwirklichung des kindlichen Glücks
dargestellt, wenn Pippi Pfandkuchen backt (vgl. Lindgren 1967: 18) und ein anderes Mal zur
persönlichen Blamage beim Kaffekränzchen (vgl. Ewers 1992: 130). So wird auch der junge
Leser bzw. die junge Leserin in die Lage versetzt Pippis „kleines Übermenschentum“ (Ewers
1992: 130) und ihre verzerrte Realitätsverarbeitung auch als Auswüchse kindlicher Infantilität
zu betrachten. Annika und Thomas in ihrer bürgerlichen Familienwelt können als
Kontrastfiguren zu Pippi gelesen werden (vgl. Cromme 1996: 311), stellen aber kein
durchgehend negativ gezeichnetes Bild der bürgerlichen Welt dar. Zwar sind Annika und
Thomas gezwungen, zur Schule zu gehen (vgl. Lindgren 1986: 54), und müssen dort auch
Ängste ausstehen (vgl. ebd.: 60), aber gleichzeitig werden auch die schönen Seiten des
Familienleben dargestellt (vgl. Lindgren 1986: 158) und Hypothesen von Annika darüber
angestellt, ob Pippi nicht vielleicht auch einsam sein könnte. „Annika war ganz verzweifelt
bei dem Gedanken, dass Pippi allein da [in die Villa Kunterbunt, Anmerk. d. Verfasserin]
hineingehen sollte“ (ebd.).
Demgegenüber kann Pippi aber auch als kindliches Vorbild verstanden werden. Auf die Frage
der braven, angepassten Annika, wer für sie die Lebensregeln bestimmt, macht Pippi deutlich,
dass Kinder in der Lage sind, Regeln selbstbestimmt und autonom festzulegen: „Erst sage ich
es ganz freundlich, und wenn ich nicht gehorche, dann sage ich es noch mal streng, und wenn
ich dann immer noch nicht hören will, dann gibt es Haue“ (Lindgren 1967: 18). Dies kann als
moderne Form der Selbsterziehung ganz im Sinne einer antiautoritären Erziehung verstanden
werden. Die Titelheldin eignet sich ihre Rechte ganz selbstverständlich an (vgl. Gottschalk
2007: 50).
51

„Natürlich ist sie ein großartiges Rollenvorbild für aufmüpfige Mädchen und solche, die
es werden sollen, und sie eignet sich auch hervorragend als Heldin der antiautoritären
Erziehung“ (Osberghaus 2007: 31).
Das geht sogar soweit, dass sie bewusst die Regeln der Sprache bricht -„Liebe kleine
Krummelus – niemals will ich werden gruß“ (Lindgren 1967: 349) - und unmotiviert lügt.
Aber ihre grandiosen, witzigen und einfallsreichen Lügen werden nicht unter dem
moralischen Aspekt kindlichen Fehlverhaltens gewertet (vgl. Steinz/Weinmann 2005: 102),
sondern sind nur ihr selbst verzeihbar und werden von Annika auch getadelt (vgl. Lindgren
1967: 15). „Der Akzent liegt auf dem ästhetischen Vergnügen, dem Spaß am Verrückten, an
Nonsens und zweckfreier Komik“ (Steinz/Weinmann 2005: 102). Pippi tut zwar nicht, was
man ihr vorschreibt, aber sie ist zu ihrer Umgebung freundlich oder doch zumindest liebevoll
ironisch (vgl. Cromme 1996: 312). So führt sie die reiche Fräulein Rosenblom, die ihre Gaben
an unterprivilegierte Kinder von Leistungen abhängig macht, durch ihre frechen Antworten ad
absurdum und zeigt sich solidarisch mit den Kinder, die von ihr in die Ecke gestellt werden
(vgl. Lindgren 1986: 56ff). Die ehemals traurigen Kinder werden – kaum dass Pippi bei ihnen
ist – „schon ein bisschen munterer“ (Lindgren 1986: 67). Cromme (1996: 305) sieht darin ein
Element weißmagischer Hexen, die die Gabe haben, eine positive Wirkung auf ihre
Mitmenschen auszuüben. Pippi kann somit auch als moderner Abkömmling von Hoffmans
fremden Kind (vgl. Hoffmann 2006, Tabbert 2005: 192) interpretiert werden. Sie weist einige
typische Elemente des fremden Kind-Motives auf: Elternlosigkeit, das androgyne Wesen, ein
auffälliges Erscheinungsbild, besondere Fähigkeiten und der Verzicht auf das
Erwachsenwerden (vgl. Sullivan 2007: 17). Allerdings weist Pippi eine ausgefeilte
Vorgeschichte auf (vgl. Ewers 1992: 132) und ihr Alter ist klar benannt - sie ist neun Jahre alt
- in diesen Punkten weicht sie von dem genannten Motiv ab. Einschränkend muss jedoch
darauf hingewiesen werden, dass die klare Altersgrenze dadurch gelockert wird, dass Pippi als
ein Konglomerat aus Kind und Erwachsener interpretierbar ist. Sie ist zwar neun Jahre jung,
besitzt aber die Selbstherrschaft und den Reichtum eines gut situierten Erwachsenen, sie kann
als Zwitterwesen zwischen kindlicher Kreativität und erwachsenen Freiheiten betrachtet
werden.
Kindheit wird hier als besondere, erhaltenswerte Zeit betrachtet. Annika, Thomas und Pippi
wollen ihre Heranreifung verhindern, um die negativen Aspekte der Erwachsenenrolle zu
vermeiden, die Hühneraugen, die „Kumminalsteuern“ (Lindgren 1967:348) und die anderen
52

„unangenehmen Sachen“ (ebd.: 350). Kindheit wird hier als Fest inszeniert (vgl. Steinz/
Weinmann 2005: 102) und als Reich der Phantasie dargestellt, Erbsen werden zu
Wunderpillen umfunktioniert, was einer idealisierten, romantischen Kindheitsvorstellung
entspricht.
„Die Welt der Erwachsenen – und das, was die Erwachsenen für Kinder vorgesehen
haben – erscheint demgegenüber als trostlose Einschränkung, Monotonie und
Langeweile. Astrid Lindgren plädiert für das Paradies der Kinder“ (Garbe 2008i: 4).
Die Außergewöhnlichkeit der Protagonistin zeigt sich zudem nicht nur in ihrer wundersamen
Stärke und ihrem clownesken Aussehen – sie hat die Haarfarbe einer Möhre und zu kurze
selbstgenähte Kleidung sowie ein ungleiches Strumpfpaar und zu große Schuhe (vgl.
Lindgren 1967: 14) – sondern auch in ihrer Fähigkeit, den Zauber in alltäglichen Dingen, wie
ihn nur Kinder wahrnehmen, sehen zu können. Trotz ihres Reichtums ist Pippi nicht
materialistisch (vgl. Cromme 1996: 310) und ihre „Schätze“ (Lindgren 1967: 20) beinhalten
auch „seltsame Vogeleier“ (ebd.) und „merkwürdige Schnecken und Steine“ (ebd.), die für sie
den gleichen Wert haben wie Perlenketten und Goldstücke.
Salto Vorwärts: Rollenklischees und Politik
Der Übermensch Pippi, das drastische Mädchen, stellt für die „liebe[n], wohlerzogene[n] und
artige[n]“ (Lindgren 1967: 12) Kinder, Annika und Thomas, eine Art „Lebenselexier“
(Osberghaus 2007: 31) dar. Die junge Freibeuterin hat ebenso bunte Einfälle – wie das Haus,
in dem sie wohnt, eine kunterbunte Villa ist. Im Gegensatz zum Leben von Annika und
Thomas wird Pippis Reich nicht durch kleinstädtische Häuserwände, sondern durch einen
natürlichen Gartenzaun begrenzt. Ihre Naturverbundenheit zeigt sich in ihrem Garten, der
ebenso verwildert ist wie das Kind. Garbe (2008i: 2) spricht von einem „radikalisierten
Rousseau’schen Ideal“. Sie kann sich einen Affen, Herrn Nielsson, und ein eigenes Pferd auf
der Veranda halten. Dabei stellt Pippi auch ein vorwärtsgewandtes Spiel mit Rollenklischees
dar: Sie wird als Mädchen erkannt, hat lange Zöpfe und Züge von Mütterlichkeit im Umgang
mit Annika und Thomas (vgl. Cromme 1996: 311), außerdem besitzt sie das Lieblingstier
aller Mädchen. Gleichzeitig hat sie aber auch Attribute, die traditionellerweise mit dem
männlichen Geschlecht assoziiert werden: Stärke, Mut und Abenteuerlust. So vertreibt sie
furchtlos Perlendiebe (vgl. Lindgren 1986: 134ff), Haie (vgl. ebd.: 118ff) oder selbstverliebte
53

männliche Verkäufer (vgl. ebd: 18ff), die sich zu folgenden Äußerungen hinreißen lassen:
„Einer Sie gehört das elende Haus? (…) Weibsleute verstehen ja nichts von Geschäften“
(ebd.: 18). Damit kann Pippi für beide Geschlechter zu ich-stärkenden Kinderbüchern (vgl.
Tabbert 2005: 198) gerechnet werden, die sich nicht durch - von Erwachsenen gesetzte -
Rollenklischees beirren lassen. Auch hier bilden Annika und Thomas einen starken Kontrast
zur androgynen Pippi. Sie entsprechen in ausgeprägtem Maße den klassischen
Rollenerwartungen. Annika ist das ängstliche Mädchen, das von ihrem Bruder beschützt
werden muss. Auch die Figur Pippi erkennt diese Verhaltensweisen und gibt den beiden
entsprechend rollenkonforme Geschenke: Thomas bekommt einen Dolch – Psychoanalytiker
hätten ihre helle Freude daran – und Annika bekommt ein kleines Schmuckkästchen mit
einem grünen Ring (vgl. Lindgren 1967: 20).
Neben der Geschlechterfrage greift Lindgren ein weiteres politisches Thema auf, das
ebenfalls durch die Konstruktion der Figur motiviert ist. Die Behandlung von farbigen
Untertanen verweist auf den Bereich allgemeiner Menschenfreundlichkeit und zeigt Ansätze
politischen Denkens (vgl. Cromme 1996: 313). „Aus irgendeinem unbegreiflichen Grund
bildeten sie [die Taka-Tuka-Kinder, Anmerk. der Verfasserin] sich ein, dass weiße Haut viel
feiner sei als schwarze (…)“ (Lindgren 1986: 103) und die autarke Pippi braucht keine
solchen Huldigungen und verzichtet auf den Thron (vgl. ebd.: 105).
Schlusswort zum Menschen- und Weltbild
Die Autorin gibt auf die eingangs gestellte Frage, wie die Protagonistin angelegt ist, selbst
eine deutliche Antwort: „Pippi Langstrumpf ist (…) ein kleiner Übermensch in kindlicher
Gestalt, angesiedelt in einem ganz normalen Umfeld“ (Brief Astrid Lindgrens an den
schwedischen Verlag Bonniers 1944, zitiert nach Lundqvist 2007: 35). Lindgren nutzt
phantastische Elemente, um ein androgynes Mädchen zu konstruieren, die ohne Autoritäten
und Erwachsenenormen auskommt und nach dem reinen Lustprinzip zu leben versteht. Dabei
nutzt sie romantische Elemente, um kindlichen Lesern eine „kindliche Lustlektüre“ (Graf
1995: 108), also ein identifikatorisches Lesen, zu ermöglichen, in der kindliche
Allmachtsphantasien zur Romanrealität werden. Gleichzeit ermöglicht die Autorin durch
ihren auktorialen Er-Erzähler (vgl. Petersen 1989: 18) und seine zum Teil wertenden
Kommentare sowie die komischen Elemente in der Figurenkonstruktion dem jungen Leser
54

zw. der Leserin die Möglichkeit, sich auf humoristische Art und Weise von der Figur zu
distanzieren und sie auch als infantiles Kind wahrzunehmen.
Pippi stellt ein idealisiertes Kindheitsbild dar, das sich in modernen Formen der
Selbsterziehung frei erproben kann und Züge des Fremden-Kind-Motivs (vgl. Sullivan 2007:
17) trägt. Sie bricht zwar alle Regeln (Sprachkonventionen, Moralkonventionen und
allgemeine Lebensregeln und -gewohnheiten), aber sie beherzigt dabei doch die Norm,
niemanden ernstlich zu verletzen. Kindheit erscheint in diesen Romanen als eine besondere,
erhaltenswerte Lebenszeit. Die Autorin erkennt die Grenzen einer freien, demokratischen
Erziehung sehr wohl, sie will mit den Pippi-Geschichten nicht einer Welt ohne Regeln das
Wort reden, sondern die schönen Seiten einer besonderen Lebensphase beleuchten. Lindgren
schafft mit der Titelfigur eine Heldin, die gängigen Vorstellungen von Kindheit als einem
Lebensalter der Schwäche und Unselbstständigkeit widerspricht (vgl. Steinz/Weinmann 2005:
102).
In der berühmten Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen
Buchhandels 1978 sagt sie:
„Freie und unautoritäre Erziehung bedeutet nicht, dass man die Kinder sich selber
überlässt, dass sie tun und lassen dürfen, was sie wollen. Es bedeutet nicht, dass sie
ohne Normen aufwachsen sollen, was sie selbst übrigens gar nicht wünschen. (…) Ganz
gewiss sollen Kinder Achtung vor ihren Eltern haben, aber ganz gewiss sollen auch
Eltern Achtung vor ihren Kindern haben, und niemals dürfen sie ihre natürliche
Überlegenheit missbrachen. Liebevolle Achtung voreinander, das möchte man allen
Eltern und allen Kindern wünschen“ (Lindgren 1978 [2007]: 55).
Die politischen Implikationen, die sich auf die Überwindung stereotyper Rollenvorstellungen
und die Unterdrückung von Menschen beziehen, deuten ein humanistisches Weltbild an, dass
sich tatsächlich eine Welt wünscht, in der Kinder frei und ungezwungen, die Grenzen des
anderen respektierend, bewegen können. Aber Astrid Lindgren weiß, „dass es eine Utopie ist“
(Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1978
[2007]: 56). Mit der Romantrilogie Pippi Langstrumpf hat sich nicht nur ein Wandel der
Kindheitsvorstellungen vollzogen, sondern es kam auch zu einem Wechsel des bislang
vorherrschenden Kinderliteraturkonzepts, zu einem kinderliterarischen Themen- und
Formenwandel (vgl. Steinz/Weinmann 2005: 102).
55

9. Analyse der Räume in Wölfels „Die grauen und die grünen Felder“ (Aufgabe 11)
Abb. 9: Titelbild von Wölfel (2004)
56

Einleitung
„Diese Geschichten zeigen eine Welt, die nicht immer gut ist, aber veränderbar“ (Wölfel
1970, zitiert nach Karst 1999: 27). Mit diesen Worten leitet Ursula Wölfel ihren vierzehn
Geschichten umfassenden Sammelband „Die grauen und die grünen Felder“ (Wölfel 2004)
ein und bestimmt damit zugleich ihr poetologisches Programm (vgl. Karst 1999: 27). Die
Autorin erklärt in ihrer Präambel, dass sie Geschichten „von den Schwierigkeiten der
Menschen, miteinander zu leben, (…)“ (Wölfel 2004: Bucheinband) erzählen.
Im Folgenden soll anhand der Titelgeschichte, „Die grauen und grünen Felder“, geklärt
werden, ob die Räume beziehungsweise Objekte eine bestimmte Atmosphäre vermitteln oder
eine metaphorische Bedeutung haben und inwieweit Raum- und Objekt- sowie
Figurenbeschreibungen funktionale Bedeutung (vgl. Leupner/ Saupe 2006: 61) für die
Botschaft der Geschichte haben. Hierfür werden zunächst Farballegorien und die Symbolik
der Gegenstände im Sinne von Stückrath (2001: 17f) analysiert, um diese dann über
Besonderheiten der Sprachfunktionen zu vertiefen. Die Interpretation der Räume und
Gegenstände soll letztlich zu einem „mentale[n] Strukturgitter des Textes“ (Gailberger 2007: 162)
führen.
Farb- und Objektanalyse
Bereits der im Titel enthaltene Begriff von „Feldern“ (Wölfel 2004) verweist auf mehrere und
abgrenzbare Lebensbereiche, deren Gegensätze durch die Farb-Adjektive, grün und grau,
näher bestimmt werden (vgl. Karst 1999: 25). Die starren Grenzen werden durch die
Farbsymbolik verstärkt, da grau und grün Farben sind, die eine Kombination ausschließen
(vgl. ebd.).
„Grau und grün, im alliterierenden Gleichklang verbunden, im semantischen Kontrast
geschieden, diese Farben verweisen durch die Felder, die sie farmethapohorisch
beherrschen, auf eine Welt der Unterschiede, (…), der antithetischen Spannung“ (ebd.)
Durch die Opposition sowohl von Räumen als auch von Farben zeigt die in einem
südamerikanischen Land spielende Geschichte gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und die
damit einhergehenden sozialen Spannungen zwischen besitzlosen Landarbeitern und reichen
Großgrundbesitzern auf. Die Kontrastfiguren leben in gegensätzlichen Welten: Das eine
57

kleine Mädchen namens Juanita lebt in einem Bergdorf, dessen Haus, so „grau wie die
Steine“ (Wölfel 2004: 11) ist. Ihr Lebens(um)feld erinnert an den Bau der Städte in Michael
Endes (2004) Roman Momo (vgl. auch Karst 1999: 25). Die mit Grau assoziierte Stimmung
von Trauer, Pessimismus und Depressivität wird durch die Wahl der mit ihnen beschrieben
Objekte noch verstärkt: „grau von Staub und Steinen“ (Wölfel 2004: 11), und „grau[e]
Kleider“ (ebd.: 14). Das Grau steht in Verbindung mit Trockenheit, Dürre und Durst, also mit
Attributen einer lebensfeindlichen Umwelt. Dem stehen die grünen Felder des reichen,
gebildeten Talmädchens gegenüber: Ihre Welt ist von sauberen, weißen Mauern umgeben, die
sie vor dem Ungemach der Welt beschützen. Der Boden, auf dem sie geht, ist grün,
„fruchtbar und saftig“ (ebd.: 12), er ist in der Lage, den (Lebens-)Durst zu stillen, was mit der
Wassersymbolik allegorisch verdeutlicht wird. Karst (1999: 25) pointiert: „Grün meint Leben,
Zuversicht, Hoffnung, Zukunftserwartung“. Er verweist aber auch darauf, dass das
Oppositionspaar, grau und grün, nicht die gleiche harte Kontrastierung aufweist, wie dies die
Fundamentalopposition - schwarz und weiß - tut (vgl. ebd.: 26). Grau ist ein Zwischenstadium
und lässt damit Veränderungen zu.
Aber auch die räumlichen Oppositionen verweisen auf Tiefenschichten der Kurzgeschichte:
Die Armen, Ungebildeten leben auf einem unwirtlichen Berg, also hoch oben, während die
weiße (sic!) gesellschaftliche Herrschaftsschicht im ertragreichen Tal, also tief unten lebt. Die
Lebensräume sind örtlich getrennt. Dieses polare Spannungsverhältnis wird auch durch die
beiden gleichnamigen Kinderfiguren repräsentiert: In der ersten Begegnung der Protagonisten
im Rahmen einer Art Mauerschau erkennt das arme Mädchen ihr entferntes Gegenüber als
„schön“ (Wölfel 2004: 13) und betont dabei das „feine[ ] Kleid“ (ebd.). Bei der zweiten
Begegnung verkehren sich diese Verhältnisse. Jetzt ist es an der gutbetuchten Juanita, ihre
Namensvetterin als „[h]übsches Mädchen“ (ebd.) wahrzunehmen. Sie nimmt an, dass das
Mädchen „schmutzig“ (ebd.) sei, und verkennt dabei, dass es lediglich die verwaschenen
Farben sind, die die Kleidung des Kindes haben grau werden lassen und sich damit besonders
von der dominanten Farbe ihrer „rote[n] Reithose“ (ebd.) abheben. Diese Figurenspiegelung
deutet an, dass der Unterschied nicht in den Personen, den Individuen selbst liegt, sondern
durch gesellschaftliche Verhältnisse bedingt ist (vgl. Karst 1999: 32). Die reiche Juanita, als
Repräsentant einer gehobenen Gesellschaftsschicht, hebt sich räumlich auch dadurch von dem
Bauernmädchen ab, dass sie den Luxus genießen darf, immer zu sitzen: auf einer Schaukel,
hoch zu Ross oder im Auto (vgl. Wölfel 2004: 13, 18; Karst 199: 32). Diese Orte
symbolisieren sowohl finanziell als auch räumlich – immer sehen sich die beiden nur aus der
58

Ferne - die Distanz, die zwischen den beiden Lebenswelten herrscht. Das in einer Figur
vereinte farbliche Gegensatzpaar von roter und weißer Kleidung, verbunden mit dem
Verhalten der Farbenträgerin, sie will ihr armes Spiegelbild zweimal vertreiben, stärken die
These, dass auch innerhalb einer Figur ambivalente – rot für Aufruhr und Gewalt und weiß
für Sauberkeit und Anstand – vereinigt sein können. Diese textuelle Isotopie (Duden 2006:
1151) wird in der armen Heldin noch expliziter dargestellt. Sie schwankt in ihrem Verhalten
gegenüber diesen unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen: Einerseits probiert sie eine
gewaltsame Lösung des äußeren Konfliktes, indem sie der anderen wortwörtlich ‚Steine in
den Weg legt’ – sie fordert eine Verletzung des Talmädchens dadurch heraus, dass sie Steine
in deren Aufenthaltsorte wirft. „Blut sollte auf ihre schöne weiße Bluse tropfen!“ (Wölfel
2004: 17). Andererseits erkennt sie, dass Änderungen auch durch sie selbst initiiert werden
können: Sie entscheidet sich „[v]ielleicht“ (ebd.: 19) für den mühsamen Weg über
Bildungsprozesse aus ihrem Slum herauszukommen und die produktive Kraft von Wut zu
bündeln. „Zorn macht“ (ebd.) eben in verschiedenen Richtungen „stark“ (ebd.), so dass
zumindest die Möglichkeit besteht, dass die graue, ungebildete Welt des Dorfmädchens zu
einer grünen, fruchtbaren Welt werden kann.
Dass die Räume in der Kurzgeschichte durchgängig relevant sind, zeigt sich auch darin, dass
neben der antithetischen Struktur von Bergdorf (Arm) und Tal (Reichtum) auch nach dem
gescheiterten Emanzipationsversuch der Dorfbewohner und dem dadurch bedingtem Umzug
in die Großstadt, die Dichotomie von armen, vorstädtischen Slums mit „Ratten in den Hütten
und stinkende[m] Wasser“ (ebd.: 17) auf dem Berg und „den fröhlichen Leuten“ im
Villenviertel des Tales (ebd.) aufrechterhalten wird. Juanitas Vater fasst diese
Klassendifferenz mit den einfachen Worten „[d]ie armen Leute sollen arm und dumm bleiben,
damit sie gern für die paar Cents im Tal arbeiten“ (ebd.: 15) zusammen. Hier verlagert sich
die Symbolik vom Figuren- und Farbkontrast zu einer Opposition zwischen vertrautem Dorf,
in dem das Ordnungssystem und der Verhaltenskodex bekannt sind, und fremden Stadtgebiet.
Poetologische Mittel
Karst (1999: 36) betont, dass Wölfels Texte Parallelen zur Struktur des klassischen Dramas
aufweisen: Problempräsentation, ansteigende Spannung, Höhepunkt und Umschwung. Dieser
Aufbau findet sich auch in dieser Kurzgeschichte: Eine gesellschaftliche Spannungssituation
wird in drei Begegnungen aufgezeigt und auf eine zukünftige Entscheidung hin zugespitzt.
Das Blut an der Nase der vermögenden Juanita verweist auf die Möglichkeit eines
59

gewaltsamen Endes, der offene Schlusssatz hingegen eröffnet eine alternative
Zukunftsvorstellung (vgl. ebd.: 33). Wölfel bedient sich insofern einfacher poetologischer
Mittel, als sie eine Syntax verwendet, in der die Sätze gleichrangig nebeneinander stehen (vgl.
Duden 2006: 1027). „Das parataktische Grundmuster wird durch hypotaktisch gebaute Sätze
einfacher Art ergänzt“ (Karst 1999: 37), so beispielsweise, wenn es im Text lautet: „>>(…)
Und sie kann lesen, und sie heißt Juanita, wie ich“ (Wölfel 2004: 13). Der begrenzte
Wortschatz, insbesondere die paradigmatische Wiederholung bestimmter symbolträchtiger
Begriffe, zeigt, dass Schlüsselwörter semantische und erzählstrukturelle
Orientierungsfunktion haben (vgl. Karst 1999: 37). Eine sprachliche Besonderheit ist der
subtile Perspektivwechsel von einem dominierenden auktorialen Er-Erzähler (vgl. Petersen
1987: 18) zu einem personalen Er-Erzähler (vgl. ebd.) in Form von erlebter Rede: „Vielleicht
gehörten ihnen auch die Leute im Dorf?“ (Wölfel 2004: 12). Insgesamt verwendet Wölfel
wiederholt Bild und Gegenbild, Situation und Gegensituation, Figur und Spiegelfigur (vgl.
Karst 1999: 39) und lässt Juanita das letzte Wort.
Schlusswort
Scheiner (2005: 165) ordnet die Geschichtensammlung „Die grauen und die grünen Felder“
dem empirischen Realismus zu. Und er tut Recht damit, denn mit der Verankerung der
Handlung – zumindest der analysierten Titelgeschichte – in einen gegenwärtigen, für den
(auch jungen) Leser genau lokalisierbaren räumlichen und zeitlichen Bezug, fördert Wölfel
eine sozialkritische Auseinandersetzung, die durch das offene Ende den Rezipienten fordert.
Mit schlichten Bildern, einfachen Satzkonstruktionen und Wiederholungen erfüllt sie die von
Fontane aufgestellte Forderung an realistische Literatur: „Der Realismus will nicht die bloße
Sinnenwelt und nichts als diese; er will am allerwenigsten das bloß Handgreifliche, aber er
will das Wahre“ (Fontane 1975: 179f)
60

Fazit
Die Gestaltung der Vorlesung „Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur“ (vgl. Garbe
2008a-n) war systematisch und durchdacht. Selbstverständlich lässt sich immer fragen,
warum gerade diese Kinder- oder Jugendbuchklassiker und nicht jene ausgewählt wurden.
Diese Kritik soll noch einmal mir der Eingangs formulierten Definition von Kümmerling-
Meibauer (2004a: XI) zusammenfassend widerlegt – oder doch zumindest relativiert werden.
Es wurden Merkmale benannt, die die Auswahl der Literatur rechtfertigen (Innovation und
Repräsentativität). Zudem wurde implizit auch das Kriterium der Popularität hinzugezogen,
das von einigen Forschern und Forscherinnen ebenfalls als tragfähiges Qualitätsmerkmal
herangezogen wird (vgl. zur Problematisierung dieser Einordnung ebd.). Diese vorläufige
Definition wurde mit Hilfe von Ewers (2000) ausdifferenziert (Aufgabe 1). Anhand der
Analyse der Erzählweisen in Defoes (2004) Roman und Campes (1779) Kinder- und
Jugendroman konnte exemplarisch gezeigt werden, dass sie innovative Erzähltechniken
verwenden und gattungsbildend geworden sind (Aufgabe 2). Die Modifikation des Stoffes
von Basile durch die Brüder Grimm wurde als eine Adaption an (vermeintliche) kindliche
Bedürfnisse und pädagogische Moralvorstellung der Hochromantik dargestellt. Diese
Kenntnis ist zentral, wenn man sich im Bereich der Elementarpädagogik mit Märchen befasst
und sich mit der Frage konfrontiert sieht, ob Märchen auch brutale Elemente enthalten können
oder gar sollen. Eine reflexive Auseinandersetzung mit dieser Frage wird durch vergleichende
Analysen (Aufgabe 3) überhaupt erst möglich. Allerdings reichen dafür handlungs- und
figurenanalytische Kategorien nicht aus und müssen um metaphorische Deutungen ergänzt
werden.
Die Reflexion der eigenen Leseautobiographie in essayistischer Form ermöglicht einen
kreativen Umgang mit Literatur. Literatur eröffnet Horizonte, die in der sinnlich-erfahrbaren
Welt zwar vorhanden, aber häufig übersehen werden. Michael Endes Roman „Momo“ bleibt
in seiner Repräsentativität bzw. epochalen Bedeutung mit Sicherheit hinter der „Unendlichen
Geschichte“ zurück, aber auf die Leseautobiographie der Autorin hatte sie aufgrund der
einprägsamen Metaphorik weit stärkere Wirkung (Aufgabe 4).
Das Menschen- und Weltbild der Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung und Romantik
exemplarisch an zwei Klassikern der Epoche (Salzmann und die Brüder Grimm) zu
verdeutlichen, belebt eine rein historische Rezeption der historischen Gegensatzpaare
(Aufgabe 5).
61

Den berühmte Kinderbuchklassiker „Emil und die Detektive“ (vgl. Kümmerling-Meibauer
2004a: IX) mit einem vielleicht verkannten Genie wie Durian zu vergleichen, führte zur
Vertiefung des Werkes durch die Autorin, der dieses Jugendbuch bisher unbekannt war. An
dieser Stelle entstand auch die Idee, das Portfolio graphisch zu gestalten. Der Bucheinband
gab diese Anregung. Die unterschiedlichen moralischen Implikationen bzw. Vorstellungen
von emanzipatorischer, kindlicher Entwicklung führten zu einer vertieften Reflexion der
Autorin über ihre eigene Kindheitsvorstellung (Aufgabe 8).
Die Auseinandersetzung mit einem der meist verkauften Kinderbücher der Welt – hier also
auch ein Kriterium der Popularität bei der Auswahl – war für die Autorin eine willkomene
Abwechselung nach den oft morallastigen vorangegagenen Werken. Pippi ist für die Autorin
selbst ein Vorbild an Kreativität und Freiheit, vielleicht tatsächlich auch der eigenen
Lustbefriedigung – warum auch nicht? (Aufgabe 10)
Die abschließende Aufgabe bot dann wieder eine intensive Auseinandersetzung mit den
‚grauen’ Felder, die das Leben (leider) auch zu bieten hat. Wölfel fördert und fordert eine
sozialkritische Auseinandersetzung und kann damit der realistischen Kinder- und
Jugendliteratur zugeordnet werden (Aufgabe 11).
Abschließend sei noch einmal betont, dass es nicht hinreichend gewürdigt werden kann, dass
vorlesungsbegleitend ein Reader mit den zentralen Texten zusammengestellt wurde. Dies ist
ein Luxus, der häufig nicht genug anerkannt wird. Allerdings sollte – wenn man die richtige
Zitationsweise für ein zentrales Gütekriterium einer Arbeit hält – auch der Reader korrekte
und vollständige Literaturangaben enthalten. Die didaktisch vertretbare Position, dass
Studierende häufiger die Bibliothek besuchen sollten, kann im Rahmen von
Rechercheaufgaben wie sie im Portfoliokonzept vorgesehen wurden, durchaus erreicht
werden, sie sollte nicht Bestandteil der Rezeption eines Readers sein. Besonders gelungen war
auch die mediale Aufbereitung der Geschichte vom „Hitlerjunge Quex“ (1932) und die
Möglichkeit diesen streitbaren Text als Kopiervorlage zu erhalten. Im Anschluss an den Film
führten Studierende intensive Diskurse über die Rolle subtiler Propaganda im Dritten Reich
und die Autorin wurde angeregt, sich Schulbücher aus dieser Zeit anzusehen und
festzustellen, dass der heutige literarische Kanon zum Teil auch damals bestand hatte, die
Aufgabenstellungen allerdings abwichen.
62

Die parallele Aufbereitung in Form von „herrschaftsfreien Diskursen“ (Tillmann 2006: 224),
d.h. einer Kommunikationsform, die lediglich das bessere Argument gelten lässt und somit
der Polyvalenz von literarischen Texten gerecht wird, in begleitenden Tutorien, waren
nützlich und hilfreich. Die zusätzliche Schulung der Tutorianten zeugt von der
Ernsthaftigkeit, mit der die Lehre im Fach ‚Deutsch’ genommen wird. Allerdings zeigt sich
hier auch ein Punkt, der dauerhaft noch optimierungsbedürftig ist: Es ist problematisch, wenn
Tutorien von Studierenden geleitet werden, die selbst noch an diesen Portfolios arbeiten –
dies galt nicht für das begleitende Tutorium der Autorin, da diese im Studium bereits deutlich
fortgeschritten ist. Dies müsste der Standard sein, an dem sich eine Tutoriumsbegleitung
misst.
63

Literatur
Basile, Ciambattista (1991): Sonne, Mond und Talia. In: Boehlich, Walter (Hrsg.):
Halienische Märchen. Der Pentamerone des Giambattista
Basile. Frankfurt am Main: Insel Verlag, S.55-63
Bettelheim, Bruno (1980): Kinder brauchen Märchen. München: dtv
Biermann-Ratjen, Eva-
Maria et al. (2003):
Gesprächspsychotherapie. Verändern durch Verstehen. 9.
überarb. Aufl. Kohlhammer: Stuttgart
Boie, Kirsten (2007): Eine Meisterin der Poesie des Einfachen. In: Petersen, Anne
(Hrsg.): Astrid Lindgren. Lesebuch zum 100. Geburtstag.
Hamburg: Oetinger
Campe, Johann Heinrich
(1779):
Robinson der Jüngere, zur angenehmen und nützlichen
Unterhaltung für Kinder. Hamburg: Kunstmann Antje GmbH
Chidolue, Dagmar (1985): Lady Punk. Weinheim u.a.: Beltz
Cromme, Gabriele (1996): Astrid Lindgren und die Autarkie der Weiblichkeit.
Literarische Darstellung von Frauen und Mädchen in ihren
Gesamtwerken. Hamburg: Verlag Dr. Kovač
Cunningham, Hugh (2006): Die Geschichte des Kindes in der Neuzeit. Düsseldorf: Patos
Verlag
Defoe, Daniel (2004): Robinson Crusoe. Frankfurt a. Main: Unipart
Dudenredaktion (2006): Duden. Die Grammatik. Bd. 4. Mannheim u.a.: Dudenverlag
Durian, Wolf (2004): Kai aus der Kiste. Eine ganz unglaubliche Geschichte.
Hamburg: Cecilie Dressler Verlag
Ende, Michael (2005): Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und
von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit
zurückbrachte. Thienemann Verlag: Stuttgart
Ewers, Hans-Heino (1992): Pippi Langstrumpf als komische Figur. Anmerkungen zu
einem Kinderbuchklassiker. In: Ewers, Hans-Heino (Hrsg.):
Komik im Kinderbuch. Erscheinungsformen des Komischen in
der Kinder- und Jugendliteratur. Weinheim u.a.: Juventa, S.
127-134
Ewers, Hans-Heino (2000): Was ist Kinder- und Jugendliteratur? In: Lange, Günter:
Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Bd. 1.
Balmannsweiler: Schneider Verlag, S. 2-16
Ewers, Hans-Heino (2002): Romantik. In: Wild, Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen
Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 99-138
Ewers, Hans Heino (2005): Was ist Kinder- und Jugendliteratur? Ein Beitrag zu ihrer
64

Definition und zur Terminologie ihrer wissenschaftlichen
Beschreibung In: Lange, Günter (Hrsg.): Taschenbuch der
Kinder- und Jugendliteratur. Bd. 1. Baltmannsweiler:
Schneider Verlag, S. 2-16
Fontane, Theodor (1975): Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848. In: Billen, Josef/
Koch, Helmut H. (Hrsg.): Was will Literatur?. Bd. 2. Paderborn:
Schöningh, S. 174-180
Fritzsche, Joachim (1995): Überschrift Deutsch. Arbeitsbuch Literatur und
Kommunikation Sekundarstufe II. Hannover: Schroedel
Schulbuchverlag
Gailberger, Steffen et al.
(2007):
Wissen und Kompetenz im Literaturunterricht am Beispiel von
Nachts schlafen die Ratten doch. In: Gailberger, Steffen/ Krelle,
Michael: Wissen und Kompetenz. Entwicklungslinien und
Kontinuität in Deutschdidaktik und Deutschunterricht.
Baltmannsweiler-Hohengehren: Schneider Verlag, S. 97-118
Garbe, Christine (2008a): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (01.04.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008b): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (08.04.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008c): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (22.04.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008d): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (29.04.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008e): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (06.05.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008f): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (13.05.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008g): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (20.05.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008h): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (27.05.2008) Leuphana
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Garbe, Christine (2008i): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (03.06.2008) Leuphana
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Garbe, Christine (2008j): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (10.06.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008k): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (17.06.2008) Leuphana
65

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Garbe, Christine (2008l): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-21.
Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (24.06.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008m): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-
21.Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (01. 07.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
Garbe, Christine (2008n): Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 18.-
21.Jahrhundert. Vorlesung SS 2008 (03. 06.2008) Leuphana
Universität Lüneburg
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Crusoe, of York, Marnier: Who lived Eight and Twendty
Years, all alone in an uninhabited Island on the Coast of
Amerika, near the Mouth of the Great River Oroonoque;
having been cast on shore by Shipwreck, wherein all the men
perished but himself. With an account how he was at last as
strangely delivers’d by pyrates. Written by himself.”
Bd. 7: München: dtv, S. 5708-5710
Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales
Lexikon. Sonderausgabe. Bd. 1. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag
Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales
Lexikon. Sonderausgabe. Bd. 2. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag
Erzählungen in Literatur und Medien und ihre Didaktik.
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Stuttgart: Reclam
69

Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung...............................................................................................................................
1
2. Schaubildes zu den Definitionen der KJL nach Ewers 2000 (Aufgabe 1) ....................... 5
Abb.1: Bild der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ............................................. 5
3. Vergleich der Erzählweise von Defoe und Campe (Aufgabe 2) ........................................ 9
Abb. 2: Daniel Defoe 1660-1731, Kupferstich von M. Van der Gucht.................................
9
4. Vergleich der Handlung und der Figuren in Grimms „Dornröschen“ und Basiles
„Sonne, Mond und Thalia“ (Aufgabe 3) ............................................................................... 15
Abb. 3: Illustration nach Heller (1989: 9) ............................................................................. 15
5. Essay über fremde Kinder in der Kinder- und Jugendliteratur (Aufgabe 4) ............... 23
Abb. 4: Illustration modifiziert nach Braun (2008, Einband) ............................................ 23
6. Menschen- und Weltbild in der KJL der Aufklärung und Romantik (Aufgabe 5) ...... 28
Abb. 5: Illustration von Ubbelohde (1974, Einband) ........................................................... 28
7. Vergleich der Figuren in Durians „Kai in der Kiste“ und Kästners „Emil und die
Detektive (Aufgabe 8)“ ........................................................................................................... 40
Abb .6: Kai aus der Kiste nach Waechter (2004) ................................................................. 40
Abb. 6: Emil und die Detektive nach Trier (1981) .............................................................. 40
8. Das Kindheitsbild in Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ (Aufgabe 10) ........................... 48
Abb. 7: Zeichnung aus Lindgren 1967: 11............................................................................
48
Abb. 8::Zeichnung aus Lindgren 1967: 13...........................................................................
49
9. Analyse der Räume in Wölfels „Die grauen und die grünen Felder“ (Aufgabe 11) ..... 56
Abb. 9: Titelbild von Wölfel (2004) ....................................................................................... 56
Fazit..........................................................................................................................................
61
Literatur...................................................................................................................................
64
Abbildungsverzeichnis............................................................................................................
70
Anhang A: Zusatzsanalyse von Defoe und Campe.................................................................
I
Anhang B: Zeitungsartikel zu Momo...............................................................................
VIII
Anhang C: Graphik zu Momo................................................................................................
X
Anhang D: Tabellarische Raumanalyse Wölfel.................................................................
XII
Anhang E: Eidesstattliche Erklärung................................................................................
XIV
70

Anhang A: Zusatzsanalyse von Defoe und Campe
Einleitung
„Was muß man tun, um diesen seltenen Menschen heranzubilden? Zweifellos viel:
nämlich verhindern, daß etwas getan wird.“ (Rousseau 1971: 14)
Rousseaus „Emile“ darf lange Zeit nur ein einziges Buch lesen, u.z. Defoes (2004) „Robinson
Crusoe“, da er es für „die beste Abhandlung über die natürliche Erziehung“ (Rousseau 1971:
389) hält. Defoes (2004) Roman leitete das Genre der „Robinsonaden“ (Garbe 2008) ein und
wurde wiederholt als Stoff modifiziert, u.a. von Campe (1779) mit seinem Kinder- und
Jugendroman „Robinson der Jüngere“, der von dem durch Rousseau geadelten Stoff inspiriert
wurde.
Die grundlegende These der folgenden Ausführungen ist, dass es sich bei Campes (1779)
Modifikationen um eine Akkomodation der Erzählung an kindliche Bedürfnisse und
Fähigkeiten mit ausgeprägten pädagogischen Implikationen handelt. Im Folgenden sollen
exemplarisch einige inhaltliche Veränderungen von Defoes Plot durch Campes (1779)
Adaption beleuchtet werden, um dann die expliziten Intentionen der beiden Autoren konkret
anhand der Vorrede zu vergleichen. Schließlich sollen die Erzählperspektiven
gegenübergestellt werden.
Zentrale inhaltlicher Unterschiede
Defoes (2004) „Robinson Crusoe“ ist ein junger, temperamentvoller Sohn aus dem gehobenen
Mittelstand, der sich gegen die Einrichtung in ein bürgerliches, zufriedenes, aber langweiliges
Leben wehrt, indem er ohne elterlichen Segen seine Heimatstadt Bremen verlässt. Campe
greift Ende des 18. Jahrhunderts die Geschichte Robinson Crusoes wieder auf, allerdings in
adaptierter Form. Anders als bei Campes (1779) Textadaption durchlebt Defoes (2004)
Robinson drei Reisen, die er ausführlich und mit einem hohen Detailreichtum darstellt.
Sowohl Campe als auch Defoe bedienen sich Formen der Binnenhandlung. Allerdings wird
die Binnenhandlung in Defoes Roman in Form von Tagebuchaufzeichnungen des Erzählers
dargeboten und in die Geschichte integriert, wohingegen Campes (1779) „Robinson der
Jüngere“ den Plot in die Binnenhandlung legt und die Rahmenhandlung eine didaktische
Funktion bekommt. Defoes (2004) Robinson erfährt nicht so eindeutig wie Campes (1779)
I

Robinson die Konsequenzen seiner Schuld die elterlichen Gebote missachtet zu haben, denn
er erlebt auf seinen Reisen auch positive Folgen seines Tuns und zwischenzeitlichen
Reichtum.
Campe (1779) bettet die Erzählung in eine Rahmenhandlung ein, indem er einen
Familienvater und Erzieher von dem Leidensweg des auf einer einsamen Insel gestrandeten
jungen Europäers berichten lässt. So verlegt er beispielsweise den Ort der Handlung nach
Hamburg (anstatt sie in Bremen beginnen zu lassen), um sie an die Erfahrungswelt der Kinder
anzupassen. Der Plot wird insgesamt gekürzt und auf das Inselleben fokussiert, die Handlung
insgesamt gestrafft, um sich von einem seiner didaktischen Ziele nicht zu entfernen:
Unterhaltung. Zudem wird Wert auf Verständlichkeit gelegt, indem Kinder eventuell nicht
vertraute Begriffe erklärt werden.
Bereits zu Beginn der Erzählung wird eine Verantwortungsverschiebung deutlich: War in
Defoes Roman ein „dämonischer Zwang“ (Defoe 2004: 11) Ursache für den stürmischen
Aufbruch des jungen Mannes, so sind es in Campes Roman die Eltern, die es zu verantworten
haben, dass ihr Sohn nicht gelernt hat, sich seinen Pflichten zu stellen, sondern ihn „mit
Unverstand“ (Campe 1779: 21) liebten und ihn zu sehr verwöhnten. Bereits hier kommen
zentrale Motive des Romans zum Tragen: Es ist nicht die Natur des Menschen, nicht sein
Temperament, das zu falschen Handlungen motiviert, sondern die gesellschaftlichen
Bedingungen, die nicht die puritanischen Werte „ora et labora“ vermitteln. Die
Verwirklichung des Erziehungsgedankens in Rousseaus (1971) „Emile“ finden hier ihren
Widerhall. Dies zeigt sich beispielsweise in der Modifikation der Vorlage (Defoe 2004), in
der Robinson zunächst noch durch Materialien (weltliche Dinge) sich zusehends auf der Insel
einrichten kann, wohingegen Campes Robinson „kein einziges Werkzeug, als seine beiden
Hände“ (Campe 1779: 56) besitzt. Campes Robinson überlebt durch Erfindungsreichtum,
Ehrgeiz sowie einen starken Glauben an Gott, dabei wird im Gegensatz zu Defoes langsamer
Hinwendung zu Gott, der Entwicklungs- und Selbstsozialisationsprozess des Jünglings bei
Campe verkürzt und die Dankbarkeit für Gottes „beste aller Welten“ (Kindler 1986: 5709)
setzt gleich zu Beginn der Inselstrandung ein.
„Vor Freud’ und Schrecken zitternd warf er sich auf die Knie, hob seine
Hände gen Himmel, und dankte mit lauter Stimme, und unter einem Strom
II

von Tränen, dem Herren des Himmels und der Erde, der ihn so wunderbar
erretet hatte“ (Campe 1779: 46).
Die moralpädagogische Bedeutung bei Campe (1779) wird im Kontext der Rahmenhandlung
durch die lehrhaften Dialoge der Kinder untereinander und mit dem Vater stets deutlich, denn
die Ziele Campes, seine jungen Leser und Leserinnen zu größtem Respekt gegenüber den
Eltern, stetigem Fleiß, Toleranz, Mäßigkeit und Gottesfurcht zu erziehen, sind neben der
Unterhaltung Hauptaugenmerk des Vertreters der Philanthropen. Eine weitere Adaption des
Plots zeigt sich darin, dass Campe nicht nur die Orte der Handlung verlegt, sondern
unbekannte Orte beschreibt und mit den Kindern anhand von Landkarten nachzeichnet. Man
geht in der Textdeutung wohl nicht zu weit, wenn man dies als einen Auftrag an die Eltern
liest. Im Sinne Wielers (1997) präsentiert er eine offene, dialogische Vorlesepraxis. Campe
(1779) geht in seinen erzieherischen Absichten über Defoes Roman hinaus, allerdings weist
Defoes Roman ebenfalls Elemente puritanischer Moralvorstellungen auf, wenn der auktorial-
personale Erzähler durch Vorausdeutungen und spätere Rückblenden auf die richtigen
Einsichten seines bürgerlichen Vaters verweist.
Die Erzählung ist – ebenso wie bei Defoe – ein Entwicklungsroman, in dem die Fehler eines
Heranwachsenden zu Bewährungsproben führen, die ihn reifen lassen, allerdings wird die
Vernunftsentwicklung bei Defoe sukzessive aufgebaut von den hierarchisch niedrigeren
Bedürfnissen (Hunger, Durst, Behausung), um dann langsam geistige Nahrung zu suchen und
in der Bibel zu finden. Aus der Sinnfrage „[u]nd was bin ich (…)?“ (Defoe 2004: 128) lässt
Defoe seinen Protagonisten eine Gottesbegründung ableiten, wohingegen Campe (1779: 47ff)
den Gottesdiskurs in der Rahmenhandlung dialogisch begleitet und aus der Macht der höheren
Autorität ableitet und dies zugleich mit elterlicher Autorität verknüpft. Hier zeigt sich Campes
Vorstellung von der Allmacht der Erziehung.
In der Binnenhandlung von Campes Kinder- und Jugendroman wird ein ideales Modell der
Jugend konzipiert, das letztlich in der Integration in die Gesellschaft mündet. Eine gewisse
Widersprüchlichkeit in dieser Erzählung zeigt sich in der Differenz zwischen
Fremdsozialisation in der Rahmengeschichte durch Vater und Peers und Selbstsozialisation
oder Erziehung durch die Natur Robinsons in der Binnengeschichte.
III

Insgesamt lassen sich Campes (1779) Modifikationen des Abenteuerromans von Defoe (2004)
als altersspezifische Akkomodation deuten.
Differente Intentionen bei Defoe und Campe (Vorrede)
Beide Romane beginnen mit einer Vorrede, unterscheiden sich hierbei aber zentral: Während
Defoes (2004) Intention darin zu liegen scheint, seiner Erzählung einen Anstrich von
Seriosität zu verleihen und sich als Herausgeber (Herausgeberfiktion) dieses
„Tatsachenberichts“ ausgibt, um damit ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen (vgl.
Kindler 1986: 5708), präsentiert Campe (1779: 5ff) in seinem Vorbericht seine didaktischen
Ziele in Form einer numerischen Auflistung. Auch Defoe (2004) beleuchtet durch den
fiktiven Herausgeber seine Intentionen. Er fühlt sich dem „christlichen Glauben“ (Defoe
2004: 10) verpflichtet und meint seinen vernunftbegabten Leser eine unterhaltsame,
exemplarische Lektion geben zu können. Defoe (2004) führt dem Leser ein religiöses, aber
vom Geist der Aufklärung beeinflusstes Weltverständnis vor Augen. So wie Campe (1779)
will auch er unterhalten und belehren. Campe (1779) möchte aber in seiner Rolle als Autor
darüber hinaus Kenntnisse über Dinge, Natur und gemeinschaftliches Zusammenleben
vermitteln und diese realen Dinge und Produkte der Welt bzw. die Erscheinungen der Natur
zum kindlichen Verständnishorizont in Bezug setzten. Zudem möchte er den
Selbsttätigkeitstrieb und das Imitationsvermögen der Kinder anregen und damit deren
natürliches Forschungsinteresse beleben. Die Weitergabe moralischer Werte (Frömmigkeit
und Gottesfurcht) ist für Campe (1779) zentral. Er glaubt, dem „Empfindlichkeitsfieber“
(Campe 1889: 6) der Kinder und der Literatur seiner Zeit entgegenwirken zu müssen. Hierin
zeigt sich die puritanische Wertvorstellung von einer sittsamen und gezügelten Kontrolle der
Affekte. Campe (1779) betont, dass sein Roman nicht zum Erwerb der Schriftsprachlichkeit
geeignet sei, sondern vielmehr der Wissens- und Wertevermittlung dient.
Erzählperspektive bei Defoe und Campe
Die Erzählperspektive ist in Defoes (2004) Roman komplex: in der Vorrede verwendet er eine
Form der Herausgeberfiktion. Der fiktive Herausgeber verweist darauf, dass er den Inhalten
der als Reportage dargestellten Geschichte Glauben schenkt. Es handelt sich um eine Figur
des Romans, die ebenso fiktiv ist wie die Romanfiguren selbst, eine Art impliziten Autor, der
von dem wahren Autor (Defoe) verschieden ist. Der eigentliche Plot wird in Ich-Form erzählt,
allerdings befindet sich der fiktive Ich-Erzähler bereits zeitlich gesehen am Ende seiner
(Lebens-)Reise und überblickt somit das gesamte Geschehen. Er kann Vorausdeutungen und
IV

Rückbezüge herstellen, z.B. indem er bereits zu Beginn der Erzählung die warnenden Worte
seines Vaters als „wahrlich prophetisch“ (Defoe 2004: 14) deuten und bewerten kann.
Demnach kann Defoes Geschichte in Erweiterung der Typologie von Stanzel (1995) als
auktoriale, personale Erzählung klassifiziert werden. Die Lehren aus Robinsons Leben
werden nicht direkt dargestellt im Sinne einer „Moral von der Geschicht’“, sondern fordern
vom Leser eine Deutung der impliziten Lehren des Heranwachsenden.
Campes (1779) Erzählperspektive hat eine simplere Struktur: So verzichtet er auf eine
Herausgeberfiktion und erläutert stattdessen die Intentionen seines Werkes. Bereits die
Einleitung der Geschichte soll dem Leser oder der Leserin verdeutlichen, dass es sich um eine
Fiktion handelt. Der Beginn „Es war einmal (…)“ (Campe 1779: 19) signalisiert gerade
jungen Lesern, dass das gesamte Geschehen einschließlich der Rahmenhandlung eine Form
von Märchen ist. Er lässt eine Figur, den Vater und Erzieher einer besonderen Variante von
Großfamilie, die Robinson-Geschichte erzählen, d.h. er gestaltet eine mündliche
Erzählsituation in Form einer auktorialen Fremdperspektive. Die auktoriale Perspektive wird
nahezu exemplarisch bereits in der Einleitung seiner Geschichte deutlich, wenn er den Leser
oder die Leserinnen in typisch auktorialer Erzählweise persönlich anspricht:
„Du [das lesende Kind, anmerk. d. Verfass.] kanst also, wenn du willst, gleich auf der
folgenden Seite anfangen“ (Campe 1779: 19).
In seiner Geschichte tritt kein Ich-Erzähler auf, sondern ein auktorialer Erzähler beschreibt
die Situation der Familie und eine Romanfigur erzählt die Robinson Geschichte. Campe
(1779) belebt seine Rahmenhandlung durch Eltern-Kind-Dialoge und nutzt somit
streckenweise eine zeitdeckende Perspektive und gleicht diese Verlängerung des Romans
durch Kürzungen des Plots der Originalgeschichte wieder aus. Die Dialoge stellen eine
idealisierte Erzählsituation dar, die Kinderfiguren sind rational, diszipliniert, kritisch und
selbstbewusst, der Vater fungiert als Korrekturinstanz möglicher irrationaler kindlicher
Impulse. Die Debatten sollen dem jungen Leser oder der jungen Leserin die von Campe
(1779) intendierten Schlüsse und Lehren aus dem Roman erleichtern und die „Moral von der
Geschicht’“ wird gleichsam mitgeliefert. Die Rahmenhandlung verbindet die äußeren
Bedingungen mit dem puritanischen Wertsystem, indem sie sowohl das Naturverbundene
(„Komt, wir wollen uns im Grünen lagern“ (Campe 1779: 8)), als auch die Verhinderung von
Müßiggang während der erzählten Geschichte („So ganz müssig werdet ihr wohl nicht gern
da sizzen wollen? (ebd.: 20)) predigt.
V

Fazit
Der exemplarische, inhaltliche Vergleich von Defoes (2004) Robinson Crueso“ und Campes
(1779) Roman „Robinson der Jüngere“ haben deutlich werden lassen, dass Campe durch die
Kürzung des Plots und die Umgestaltung der Handlungsorte sowie die Einbettung in eine
dialogisch gestaltete Rahmengeschichte eine altersspezifische Akkomodation im Sinne der
untersuchten These vorgenommen hat. Der pädagogisch erhobene Zeigefinger wird dann im
Rahmen des Vergleichs der Vorreden der beiden Autoren ersichtlich, d.h. auch hier kann die
These, dass Campe (1779) stärker als Defoe (2004) pädagogische Intentionen zu
verwirklichen sucht, als belegt gelten. Auch die Modifikation der Erzählperspektive und die
Entwicklung einer mündlichen Erzählsituation können, gemeinsam mit der Simplifizierung
der Erzählperspektive, als Argumente für eine altersspezifische Akkomodation herangezogen
werden.
VI

Campe, Johachim
Heinrich (1779):
Defoe, Daniel
(2004):
Garbe, Christine
(2008):
Kindlers Literatur
Lexikon (1986):
Rousseau, Jean-
Jaques (1971):
Stanzel, Franz K.
(1995):
Wieler, Petra
(1997):
Literatur
Robinson der Jüngere, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung
für Kinder. Hamburg 1779
Robinson Crusoe. Frankfurt a. Main
„Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur“. Vorlesung SS 2008,
Leuphana Universität Lüneburg
„The life and strage supprizing adventures of Robinson Crusoe, of
York, Marnier: Who lived Eight and Twendty Years, all alone in an
uninhabited Island on the Coast of Amerika, near the Mouth of the
Great River Oroonoque; having been cast on shore by Shipwreck,
wherein all the men perished but himself. With an account how he was
at last as strangely delivers’d by pyrates. Written by himself.”
Bd. 7: München: dtv, S. 5708-5710
Emile oder Über die Erziehung. 13. unverändert. Aufl. Paderborn
Theorie des Erzählens. Göttingen: Vandenhoeck
Vorlesen in der Familie. Fallstudien zur literarisch-kulturellen
Sozialisation von Vierjährigen. Weinheim: Juventa
VII

Anhang B: Zeitungsartikel zu Momo
VIII

Anhang C: Graphik zu Momo
X

Phantastik als Mittel der Gesellschaftskritik
Aufklärirische, antiautöritärerer Impetus (unpräziser Begriff)
Antifaschismus, Antikapitalismus
Aufruf zur Solidarität
Lösung der Kinder aus der Unterdrückung der Erwachsenen
Egozentrisches kindliches Denken � Ich-Stärke ohne
Anpassungsdruck
androgyn
geheimnisvolle
Herkunft
Elternlosigkeit
unbestimmtes Alter
auffälliges
Erscheinungsbild
besondere Fähigkeiten
Verzicht auf
Erwachsenwerden
westliche Industrieländer der
1970er Jahre
fremdes Kind
Primär- & Sekundärwelt
Wunderwelt/ Wirklichkeit
Phantastische
KJL
Romantik
Phantasie (fremdes Kind) vs. Verstand (träge Wissenschaften, Gelehrter Feind, schwarz, Tod)
Natur (wilder Wald) vs. Kultur (blaßgelbes Gesicht )
Krearivität (Luftschlösser) vs. Automaten (Spielzeug, rote Augen)
Kinder (Grenzgänger) vs. Erwachsene
Sekundäre Welt/ Wunderwelt
geschlossen: Verfasser und impliziter Leser nicht innerhalb desselben
Universums
Vs. offen
Permanente vs. temporäre Schwellen
Gesetzmäßigkeiten: Türen, Träume, Boten aus fremder Welt
Reise: linear (hin), zirkulär (hin-zurück), schleifenförmig (mehrfach hinzurück)
Lokalisation: Bild/ Spielgel, mysthisches Land, Märchenreich, Zeitkonzepte
(Dauer Übergang)
Elemente & Motive &
Themen
Optische Dinge
(Brille, Spiegel)
Selbstständig
werden (z.B.
Zerstörung)
Spielzeug als
beseelte Wesen
(herrschen oder
beherrscht werden)
XI

Anhang D: Tabellarische Raumanalyse Wölfel
Thema Erklärung Text: Wölfel: Die grauen und die grünen
Felder
Raum: Räume/Objekte mit Südamerika: (3. Welt): Dorfbewohner mit
Atmosphäre (Saupe 2006) großem Meer dazwischen,
Dorf am Berg
Graues Steinhaus am Berg in einem Dorf
Namensgleichheit: Juantita (Zufällige
Zuordnung zu Arm & Reich, Gleichhheit der
Menschen – unterschiedliche sozikulturelle
Räume)
Opposition Gestaltung von
Südamerika (Juanita)
von Räumen geographischen,
Bergdorf
landschaftlichen, kulturellen, Graue Felder/ Häuser vs. Schönes Haus hinter
sozialen räumlichen weißen Mauern, grüne Felder, gebildetes
Oppositionen
Talmädchen
Sprachfunktionen
Kontrastierung:
Oben/unten
Nah/fern
Innen/außen
Eng/weit
Alltäglich/fremd (exotisch)
Gewöhnlich/unheimlich
(grotesk, phantastisch,
halluzinatorisch)
Räume:
Knapp benannt
Anschaulich
detailreich
Subjektiver Ausdruck von
Stimmungen/Gefühlen
Getreue
Darstellung/Widerspiegelung
von „realen Verhältnissen
(Milieus)
Appell zur Veränderung
Literarischer Selbstzweck
Fern („weit weg von hier“, S. 11)
Hoch (Berg) vs. Tief (Tal)
Berg –Tal (saftig, fruchtbar, schönes Haus,
Wasser)
Grau – grün (Farbsymbole)
Trocken - Wasser
(Ungebildete) Dorfmädchen vs. (armes)
Stadtmädchen
Dorf (Vertrautheit, Verhaltenskodex) vs. Stadt
(fremde Läden): Oppositionen nich zwischen
Juanitas, sondern von Räumen
(Desorganisation vs. Vertrautheit)
Arme Stadt (oben, Slum, Vorort) vs. Reiche
Stadt (unten, Villenviertel)
anschaulich, detailreich (Isotophieanalyse:
viele prägnate Wörter (grau, trocke, Steine,
schöne Häuser)
Räume durchgängig relevant
Graue Steine (Haß, Hilflosigkeit, Zorn)
Dreck, Ratten, stinkendes Wasser
Hunger vs. Sättigung
KJL des Realismus (Fontane)
Veränderungsappell: Gewalt, Bildung (du
kannst durch dich selbst verändern, Zorn in
Stärke umwandeln)
Sinnbildliche, Ort des Glücks/Unglücks, Glück (Tal), Unglück (Berg)
XII

symbolische
Funktion
Bedeutungsgehalte
Dingsymbole (wichtiger
Gegenstand, der an
wichtigen Stellen des
Erzähltextes genannt wird)
Religiöse,
historische,
soziologische
BSp. Himmel/Erde;
Natur/Kultur;
Ständegesellschaft
Farbsymbole: grau (Arm, Hoffnungslos) und
grün (Reich, Zukunftsgewiß)
Reich vs. Arm
Weiße Mauer = sauber, fein
Am Wegrand spielen vs. Hoch zu Roß
(Reiche sitzen immer: Pferd, Auto, Sitzplatz)
Soziologisch:
Hierarchische Gesellschaftsordnung (z.B. der
Herr, die Dame) � keine Selbstständigkeit
möglich,
Ständegesellschaft (Arbeiterklasse, gehobene
Gesellschaftsschicht)
XIII

Anhang E: Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre an Eides Statt, dass ich diese Hausarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst
und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen benutzt habe. Die Stellen, die anderen Werken
dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich in jedem Fall durch Angaben der
Quellen, auch der benutzten Sekundärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.
Mit ist bekannt: Bei Verwendung von Inhalten aus dem Internet habe ich diese zu kennzeichnen
und mit dem Datum sowie der Internet-Adresse ins Literaturverzeichnis aufzunehmen.
Die Hausarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde in gleicher oder ähnlicher Form vorgelegen.
Uelzen, den 15. 09. 2008
Hannah Uhle
Unterschrift: ________________________________________________
XIV