30 Jahre - Gour-med

Tatsächlich sollte die "Europa 2" ja alle
Qualitäten der Ur-"Europa" überbieten
und überhaupt anders werden, neuartig
eben: keine alten Traditionsrituale
mehr wie zum Beispiel Captains Dinner,
gesetztes Essen im Smoking und Auslaufkonzerte
an der Pier. Stattdessen der
sogenannte "legere Luxus", entspannt,
entformalisiert: "21 Knoten, aber keine
Krawatte", propagierte ungewohnt witzig
einer der Slogans der Reederei.
Die neue Architektur mobilisiert nicht
mehr die schiffstypischen Edelhölzer,
Messing, Spiegel, sondern modernes
Design, Kunst (reichlich!) von Gerhard
Richter und Damian Hirst, eben alles so
zeitgenössisch wie nur möglich.
Der gediegene Genießer der alten "Europa",
so formulierte es die als Fachblatt
der gehobenen Gesellschaft ja erfahrene
FAZ, solle auf der neuen abgelöst werden
vom "dynamisch Trendbewussten". Die
gute Nachricht: Der Genießer vom alten
Schlag darf trotzdem mitfahren, und er
tut es auch – mit großem Vergnügen (und
für ein paar Euro mehr).
Denn die neue "Europa" versammelt
einige Superlative, wie es sie bislang
in der Schiffahrt nicht gegeben hat: Alle
251 Kabinen besitzen Balkons, keine ist
kleiner als 28 Quadratmeter. Die 44 größeren
Suiten (demokratischerweise werden
hier alle so genannt) können sich zu
den Ausmaßen einer standesgemäßen
Münchner Penthouse-Wohnung ausdehnen.
Der Platz pro Passagier an Bord (die
von Ward erfundene “Passenger Space
Ratio”) – der Rekordhalter war bislang die
alte "Europa" – wurde hier nochmal um
zehn Prozent gesteigert. Und hier legt
auch niemand sein Handtuch auf einen
Liegestuhl, von den Cabanas und den Ku-
schelecken ganz zu schweigen.
Wer durch das großzügige Spa streift,
das cremefarben und hochpoliert eher
wie ein teurer Film-Set wirkt, perfekt ausgeleuchtet
und sogar wohlduftend, nur
hier und da mit einer opulenten Früchte-
Komposition farbig dekoriert, kriegt einen
guten Eindruck vom schönen Überfluss
der Dinge auf dieser wahrhaften
Diva der See, wenn ihm den nicht schon
ein paar ungewöhnliche Zahlen signalisiert
hätten.
384 Crewmitglieder kümmern sich hier um
die maximal 516 Passagiere (auf unsrem
Törn durchs westliche Mittelmeer von Barcelona
nach Monte-Carlo sind wir gerade
382), auch das wohl ein Rekord. Denn zur
Erinnerung: Auf den "Mein Schiff"-oder
"Aida"-Flotten (2000 und mehr Passagiere)
müsste die "Europa"-Besatzung für mindestens
doppelt soviel Passagiere sorgen.
Sonnendeck mit Pool: Bei Regen schliesst sich das Glasdach
24 G our-med l www.gour-med.de l 5/6-2013