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PDF-Ausgabe - Bergischer Bote

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ALLES RUND UMS HAUS • TägLicH gEöffNET voN 10 biS 18 UHR<br />

Bauen & Wohnen<br />

Von Karin Grunewald<br />

Das Haus ohne Heizung<br />

Die Sonne und die Bewohner selbst sorgen im Passivhaus von Corinna Amelung und Uli Seeck für Wärme.<br />

Die Energiekosten tendieren gen Null<br />

Corinna Amelung und Uli Seeck<br />

haben ein Haus ohne Heizung.<br />

Das Ehepaar wohnt nicht<br />

etwa im stets sonnigen Süden, sondern<br />

in Overath, wo der bergische<br />

Winter nicht selten bereits im Herbst<br />

beginnt oder erst Anfang Mai endet.<br />

Gefroren haben sie jedoch noch nie.<br />

Und wie bitte wird‘s dann warm?<br />

„Durch uns“, sagt Corinna Amelung,<br />

„von den Bewohnern, vom Computer,<br />

vom Licht, vom Nudelwasser.<br />

Selbst jede angezündete Kerze gibt<br />

Wärme ab.“ Die Wärme der Sonnenstrahlen,<br />

die auf die Fenster fallen,<br />

hat sie noch vergessen. Das zusammen<br />

reicht - bis auf ganz wenige<br />

trübkalte Tage, für die sie eine Notfallheizung<br />

eingeplant haben.<br />

Überhaupt haben sie lange geplant.<br />

Ganze zwei Jahre wälzten<br />

Amelung und Seeck Herstellerprospekte<br />

und Produktbeschreibungen,<br />

lasen Bücher und Fachartikel, kamen<br />

ins Gespräch mit Architekten und<br />

Handwerkern, legten Ordner für Ordner<br />

an. Ganz oben standen für sie<br />

zwei Ziele: Möglichst geringe Belastung<br />

für die Umwelt und ein komfortables<br />

und behagliches Wohngefühl<br />

für sich selbst.<br />

Heraus kam ein sogenanntes Passivhaus.<br />

Das ist gar nicht mal wirklich<br />

etwas Neues, denn das erste<br />

Passivhaus wurde bereits vor über<br />

40 Jahren gebaut. Doch immer noch<br />

ist das Wissen um die Möglichkeiten<br />

bei Bauherren eher gering und bei<br />

Architekten wie Handwerkern muss<br />

es gezielt gesucht werden. „Bei allen<br />

Neubauten gelten heute schon<br />

ständig steigende gesetzliche Anforderungen<br />

an die Energieeffizienz“,<br />

erklärt Uli Seeck. Beim Passivhaus<br />

geht der sparsame Umgang mit<br />

Energie jedoch so weit, dass auf ein<br />

konventionelles Heizsystem völlig<br />

verzichtet werden kann.<br />

Im Passivhaus kann ein 20-Quadratmeterzimmer<br />

mit zehn Teelichtern<br />

oder vier zusätzlichen Personen<br />

beheizt werden. Tatsächlich heizt<br />

man sie in der Regel nicht mit Teelichtern<br />

und missbraucht auch lieben<br />

Besuch nicht dafür, die Bude warm<br />

zu bekommen - aber im Zweifel<br />

funktioniert auch das. Im Grunde<br />

braucht es nur drei Maßnahmen,<br />

um den Passivhaus-Standard zu erreichen:<br />

Luftdichte Gebäudehülle,<br />

spezielle Fenster und eine Lüftungsanlage<br />

mit Wärmerückgewinnung.<br />

Das ist alles hinreichend aus dem<br />

Niedrigenergiehausbau bekannt. Es<br />

kommt nur noch auf den Standard<br />

an, die fachkundige Ausführung und<br />

die sorgfältige Kombination von Details<br />

zu einer funktionierenden Gesamtlösung.<br />

Im Haus von Corinna Amelung<br />

und Uli Seeck sieht das so aus: Statt<br />

der üblichen 8 bis 14 Zentimeter<br />

Dämmung, hat ihr Haus 25 Zentimeter<br />

Dämmschicht - aus dem gleichen<br />

Material wie herkömmliche Bauten<br />

und im Baufachhandel erhältlich.<br />

Unterm Dach sind die Dämmplatten<br />

sogar bis zu 60 Zentimeter stark.<br />

„Wir haben eine richtig warme Pudelmütze<br />

drauf“, sagt Corinna Amelung.<br />

„Ganz wichtig ist es, dass sämtliche<br />

Wärmebrücken ausgeschaltet<br />

werden“, fährt sie fort. Nichts darf<br />

raus. Nicht an Wänden und Dach,<br />

nicht an den vielen Fensterrahmen,<br />

die bis auf 1,5 Zentimeter hinter der<br />

Wärmedämmung verschwinden.<br />

Nicht mal durch Steckdosen oder<br />

Einbauleuchten, die alle in der Ausführung<br />

„luftdicht“ installiert sind.<br />

„Dabei ist es wichtig, dass sehr sorgsam<br />

gearbeitet wird“, sagt Uli Seeck.<br />

Es darf sich sozusagen im Haus nicht<br />

das kleinste Lüftchen regen.<br />

Weiterhin spielen die Fenster<br />

eine entscheidende Rolle. Diese sind<br />

dreifachverglast, besitzen Infrarot<br />

reflektierende Schichten und sind<br />

mit Edelgas gefüllt. Mit dieser Glasqualität<br />

liegen die inneren Oberflächentemperaturen<br />

der Scheiben in<br />

der Nähe der Raumlufttemperatur.<br />

Ein Heizkörper unter dem Fenster,<br />

um einen Kältezufluss auszugleichen,<br />

wird überflüssig. „Wenn man<br />

im Sessel am Fenster sitzt und liest,<br />

spürt man auch im Winter keinerlei<br />

Zugluft. Das ist sehr angenehm“,<br />

sagt Corinna Amelung.<br />

Während die Fenster die Kälte<br />

am Hereinkommen hindern, laden<br />

sie die Wärme der Sonnenstrahlen<br />

zum Eintreten ein. Passive Nutzung<br />

von Solarenergie heißt es, wenn die<br />

Sonne, die auf die Scheiben fällt, in<br />

Raumwärme umgesetzt wird. Selbst<br />

„Es ist einfach<br />

ein tolles Gefühl,<br />

nicht von<br />

Energiekonzernen<br />

abhängig<br />

zu sein und<br />

etwas Gutes<br />

für die Umwelt<br />

zu tun.“<br />

im Winter erzeugen die Fenster höhere<br />

Wärmegewinne als Wärmeverluste.<br />

„Das lässt sich fühlen“,<br />

sagt Uli Seeck. „Wenn die Sonne<br />

scheint, sind die Fenster von innen<br />

warm – auch wenn außen Minusgrade<br />

sind.“<br />

Voraussetzung allerdings ist<br />

eine kluge Architektur. Der Kölner<br />

Architekt Manfred Brausem, Spezialist<br />

für Passivhäuser, hat daher<br />

das Haus seiner Overather Kunden<br />

mit einer breiten Fensterfront nach<br />

Süden ausgerichtet und den Dachüberstand<br />

exakt nach Sonnenstand<br />

berechnet. Was im Winter an Sonnenstrahlen<br />

ins Haus fällt und den<br />

Wohnraum heizt, bleibt im Sommer<br />

beim höheren Stand der Sonne<br />

draußen. Im Passivhaus ist es<br />

nicht nur im Winter warm, sondern<br />

auch im Sommer kühl. Vorausgesetzt<br />

die Fenster bleiben zu.<br />

Ohne Lüften wird‘s aber muffig?<br />

Nein, denn hier kommt die<br />

dritte Komponente ins Spiel: Die<br />

Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.<br />

Durch im Boden verlegte<br />

Rohre mit Öffnungen in allen Räumen<br />

saugt die Anlage verbrauchte<br />

Luft ab und führt frische von<br />

außen zu. Vorher jedoch erwärmt<br />

sie die neue Luft durch die Wärme<br />

der alten. „95 Prozent der Wärme<br />

bleibt beim Austausch im Haus“,<br />

erklärt Seeck. 95 Prozent, die bei<br />

herkömmlichem Lüften nicht nur<br />

symbolisch zum Fenster hinausgeworfen<br />

werden.<br />

Selbstverständlich können die<br />

Bewohner eines Passivhauses<br />

ihre Fenster öffnen wann immer<br />

sie wollen. Einziger Effekt: Ist es<br />

draußen kälter als drinnen geht<br />

dabei Energie verloren – wie in<br />

jedem anderen Haus auch. Zum<br />

Lüften hat das geöffnete Fenster<br />

im Passivhaus jedoch nur eine<br />

rein psychologische Funktion. „Es<br />

ist nicht erforderlich, denn das<br />

Raumklima ist optimal“, sagt Uli<br />

Seeck. „Innerhalb von zwei bis<br />

drei Stunden ist die gesamte Luft<br />

im Haus ausgetauscht.“ Durch eine<br />

Membran erhalte sie zusätzlich<br />

Feuchtigkeit und auch ein Staubund<br />

Pollenfilter sei eingebaut.<br />

„Das alles ist nicht teurer als eine<br />

Große Fenster mit<br />

Dreifachverglasung<br />

lassen Wärme<br />

herein, aber<br />

keine hinaus. Die<br />

Dämmung ist die<br />

gleiche wie bei<br />

konventioneller<br />

Bauweise - mit<br />

25 Zentimeter<br />

aber erheblich<br />

dicker.<br />

Den Dachüberstand<br />

hat der<br />

Architekt nach<br />

dem Sonnenstand<br />

berechnet. Im<br />

Winter fallen die<br />

Sonnenstrahlen<br />

auf die Scheiben,<br />

im Sommer bleiben<br />

sie schattig.<br />

Hell und wohnlich<br />

ist es zu jeder<br />

Jahreszeit.<br />

20 <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 5-2013<br />

<strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 5-2013<br />

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