GESUND „Marens Tod war nicht umsonst.“ Wilfried Reckhaus (63), ehemaliger kaufmännischer Angestellter, tröstet es, dass seine Tochter in einigen Organempfängern fortlebt. Immer mal wieder fragt er bei der Deutschen Stiftung Organspende nach, wie es ihnen aktuell geht. 14 GESUNDHEITSJOURNAL <strong>02</strong>|13
Für das Leben eines anderen Die Organspendebereitschaft der Deutschen ist stark gesunken. Doch noch gibt es Menschen, die sich trotz ihres persönlichen Schmerzes entschließen, zu helfen und Leben zu retten ------------ Text Constanze Löffler Fotos Sascha Kraus Es war die schwerste Entscheidung seines Lebens: Am 17. Februar 2012 erklärt Wilfried Reckhaus sich einverstanden, die Organe seiner Tochter zu spenden. „Leber, Herz, zwei Nieren, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm meiner toten Tochter wurden sechs Menschen verpflanzt. Darunter war ein neunjähriger Junge, der die Lunge meiner Tochter bekam“, erzählt der 63-Jährige. „Dem Kleinen geht es gut.“ Menschen wie Wilfried Reckhaus gibt es immer seltener, seitdem im Frühjahr 2012 bekannt wurde, dass Patienten in Göttingen, Regensburg, München und Leipzig unrechtmäßig Spenderorgane erhalten hatten. „Die Transplantationszahlen sind zurückgegangen“, bestätigt Wilfried Gwinner, Leiter der Transplantationsambulanz der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Im Jahr 2012 sank die Zahl der Organspender bereits um 13 Prozent auf 1.046 – und war damit so niedrig wie seit 20<strong>02</strong> nicht mehr. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach <strong>2013</strong> fortsetzen. Bis März wurden lediglich 230 Verstorbenen Organe entnommen. Zumindest über eine Spende nachdenken Bei einer repräsentativen Umfrage der GfK Marktforschung im November 2012 war unter knapp 2.000 Personen jeder Dritte grundsätzlich bereit, ein Organ zu spenden. Doch nur 13 Prozent besaßen tatsächlich einen Organspendeausweis. Reckhaus will das ändern. Er verteilt Organspendeausweise im Wartezimmer seines Arztes, am Stammtisch und im Supermarkt – und versucht, mit den Menschen zu reden. „Wenn ich von 20 nur einen überzeugen kann, über eine Organspende nachzudenken, macht mich das zufrieden“, sagt der ehemalige kaufmännische Angestellte. Auch deshalb erzählt er den Menschen immer wieder die Geschichte seiner Tochter Maren. Sie fährt an einem Februarmorgen mit ihrem Auto auf der Landstraße frontal in einen anderen Wagen. Die 22-Jährige zieht sich beim Aufprall Brüche und schwere innere Verletzungen zu; sie wird mit dem Hubschrauber ins Evangelische Krankenhaus Bielefeld geflogen. „Als ich meine Tochter in der Klinik besuchte, sah sie aus, als ob sie schliefe“, erinnert sich Reckhaus. Doch bald geht es Maren schlechter. Zwei Tage nach dem Unfall sagen die Ärzte den entscheidenden Satz: „Ihre Tochter ist hirntot.“ Was das heißt, darüber hatte sich der Rentner aus Rheda-Wiedenbrück nie „Maren sah aus, als ob sie schliefe. Es war die schwerste Entscheidung in meinem Leben. Aber ich würde es immer wieder tun – und dafür setze ich mich auch ein.“ Gedanken gemacht. „Ich dachte, man stirbt, wenn das Herz aufhört zu schlagen“, so Reckhaus. Doch Marens Herz schlägt weiter, pumpt Sauerstoff und Medikamente durch den Körper, ihr Brustkorb hebt und senkt sich durch die Beatmungsmaschine. Entscheidend ist der Hirntod Das Herz schlägt, allein das Gehirn zeigt keinerlei Regung mehr. „Beim Hirntod sind sämtliche Funktionen des Gehirns erloschen“, erklärt Gwinner. Aus medizinischer Sicht sei es damit unwiederbringlich geschädigt. Nur die Maschinen halten diese Menschen am Leben. „Früher erlitten vor allem junge Leute nach einem Unfall einen Hirntod, heute sind es auch Ältere nach einem Herzin- > GESUNDHEITSJOURNAL <strong>02</strong>|13 15