Ausgabe 2/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft
Ausgabe 2/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft
Ausgabe 2/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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MUNICH<br />
SOMMER HIGHLIGHTS<br />
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Freundliche Grüße<br />
aus der Redaktion<br />
E<br />
ine begeisternde und Vorfreude auf ein großes Fußballfest<br />
weckende Generalprobe sollte er werden, der Confederations-<br />
Cup in Brasilien. Und die Stimmung sollte natürlich auch schon<br />
ausstrahlen auf die zwei Jahre nach der Fußball-WM 2014 stattfindenden<br />
<strong>Olympische</strong>n Sommerspiele in Rio de Janeiro. Doch<br />
daraus, liebe Leserinnen und Leser, wurde bekanntlich nichts.<br />
Die Fieberkurve brasilianischer Emotionen zeigte eher in die<br />
entgegengesetzte Richtung. Es gab gesellschaftspolitische Hitzewallungen<br />
in einem Ausmaß, dass sie auch der Weltöffentlichkeit<br />
nicht verborgen bleiben konnten. Die Protestwellen rollten Tag um<br />
Tag, um auf soziale Missstände und politische Versäumnisse im<br />
großen Stil aufmerksam zu machen und im Gegensatz dazu den<br />
Prunk und Protz der Infrastruktur für die kommenden sportlichen<br />
Großveranstaltungen anzuprangern.<br />
Wenn nicht alles trügt, könnte das ein brasilianischer Weckruf für<br />
den Sport und seine fußballerischen Auswüchse im Allgemeinen<br />
und die <strong>Olympische</strong> Bewegung im Besonderen gewesen sein. Und<br />
den sollten die FIFA und das IOC eigentlich nicht ignorieren. Denn<br />
ob es noch eine Zukunft hat, den ungezügelten Gigantismus einer<br />
weit über den Sport hinausreichenden Infrastruktur für zwei bis<br />
drei Wochen Globalspektakel zu erwarten oder sogar zu fordern,<br />
wird doch mehr und mehr in Zweifel gezogen.<br />
Vor allem auch deshalb, weil die vorher immer lautstark beschworenen<br />
Konzepte der Nachhaltigkeit sich später meistens als Flop<br />
erwiesen haben. Lehren für Rio 2016 wird das IOC wohl nur noch<br />
kleinteilig ziehen können, weil der große Rahmen ja längst vorgegeben<br />
ist.<br />
Aber was die olympische Zukunftsorientierung generell betrifft, da<br />
bieten wir in dieser OF-<strong>Ausgabe</strong> vielleicht ein paar wichtige<br />
Denkanstöße. Sie sind gepaart mit einer Kandidatenparade um die<br />
künftige IOC-Führungsspitze. Wir stellen die Herausforderer des<br />
deutschen Bewerbers Thomas Bach in Kurzporträts vor. Trotz aller<br />
Olympia-Fixierung: der Blick auf das nationale Sportgeschehen mit<br />
seinen Themen und Problemen von den Hoffnungen des Nachwuchses<br />
über die Gefährdungen in der Spitze bis zu den Daueranfechtungen<br />
durch Doping fehlt auch in dieser <strong>Ausgabe</strong> nicht.<br />
Und dann sind noch 100. Geburtstage gebührend zu würdigen:<br />
vom <strong>Deutsche</strong>n Sportabzeichen und von Rudolf Harbig. Der eine<br />
auch zur persönlichen Erbauung und der andere in Erinnerung an<br />
einen großen Athleten, dem der Zweite Weltkrieg alle weiteren<br />
Lebensentwürfe zerstörte.<br />
Ihr Harald Pieper<br />
Inhalt<br />
OF Mosaik 4<br />
OF-Podium: Viola von Cramon 6<br />
Quo vadis, IOC - Gesucht wird ein starker Präsident mit<br />
überzeugenden Antworten 8<br />
Günter Deister<br />
Vorsicht Spitzensport! Eine Risikoeinschätzung 16<br />
Prof. Dr. Helmut Digel<br />
OF-Interview mit Ralf Holtmeyer 18<br />
Dr. Andreas Müller<br />
Die Seilschaften funktionieren –<br />
aber Dopingopfer haben keine Lobby 22<br />
Bianka Schreiber-Rietig<br />
Der Antidopingkampf braucht mehr Radikalität 24<br />
Michael Gernandt<br />
„Was zu tun ist, das wissen alle. Es muss gehandelt werden“<br />
Das „Nachwuchskonzept 2020“ des DOSB 26<br />
Dr. Andreas Müller<br />
„Eliteschule des Sports“ in Luckenwalde: Ringen mit der<br />
Ungewissheit 30<br />
Dr. Andreas Müller<br />
Gespräch mit Olympiasieger Andreas Dittmer: „Eliteschulen<br />
bilden das Rückgrat der deutschen Olympiamannschaften“ 32<br />
Dr. Andreas Müller<br />
OF-Kommentare 34<br />
Bianka Schreiber-Rietig, Dr. Christoph Fischer, Harald Pieper,<br />
Dr. Andreas Müller, Hans-Peter Seubert<br />
Eine Medaille für Millionen:<br />
100 Jahre <strong>Deutsche</strong>s Sportabzeichen 38<br />
Steffen Haffner<br />
Vom Trimmpfad zur Bewegungsmedizin oder<br />
Die späte Bestätigung des „Grünen Rezepts“ 42<br />
Herbert Somplatzki<br />
Was macht eigentlich ...? Heinz Fütterer 44<br />
Steffen Haffner<br />
Eins-sechsundvierzig-sechs: 800-Meter-Weltrekord überlebte<br />
den Rekordhalter - Rudolf Harbig zum 100. Geburtstag 46<br />
Jochen Frank<br />
Ulrich Inderbinen – Der König der Alpen 50<br />
Carlo von Opel<br />
OF-Galerie: Sportfotografie von Laci Perényi 52<br />
Iris Gehrke<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> KOMPAKT 56<br />
Impressum 66<br />
Die Zeitschrift „<strong>Olympische</strong>s Feuer“ wird von der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> herausgegeben
Holger Obermann <strong>Deutsche</strong>r<br />
Fußball-Botschafter <strong>2013</strong><br />
D<br />
er "Fußball-Entwicklungsexperte"<br />
Holger Obermann erhielt in Nürnberg<br />
den Award „<strong>Deutsche</strong>r Fußball-Botschafter“,<br />
der <strong>2013</strong> erstmals vergeben wurde.<br />
Die Laudatio hielt Schauspieler Peter<br />
Lohmeyer („Das Wunder von Bern“), der<br />
Obermann für sein großes internationales<br />
Engagement in der sportlichen und<br />
medialen Entwicklungsarbeit würdigte.<br />
Die Awards werden an deutsche Trainer<br />
und Spieler verliehen, die durch<br />
ihr Wirken im Ausland in besonderer<br />
Weise zum positiven Image<br />
von (Fußball-) Deutschland beitragen.<br />
Neben Obermann wurden die<br />
Trainer-Legende Dettmar Cramer<br />
und der Spieler Sami Khedira von<br />
Real Madrid geehrt.<br />
Der frühere Fernsehmoderator<br />
Holger Obermann über seine<br />
Motive, als Entwicklungshelfer in<br />
den ärmsten Ländern der Erde zu<br />
arbeiten: „Es war mir nach<br />
einigen NOK-Kurzzeiteinsätzen in<br />
Afrika klar geworden, dass ich<br />
nach 25 Jahre Fernsehen noch einmal<br />
hinaus in die Welt wollte, um vor allem in<br />
Kriegs- und Krisenländer wie Afghanistan,<br />
Pakistan, Ost-Timor, Sri Lanka und natürlich<br />
Nepal meine Hilfe als Fußball-Entwicklungshelfer<br />
anzubieten und vor allem<br />
am Aufbau des Fußballs meine ganze<br />
Kraft und Energie einzusetzen, bis hin<br />
zum Aufbau der Nationalmannschaft. Am<br />
Herzen aber lag mir vorrangig die Arbeit<br />
mit Kindern und Jugendlichen, die teilweise<br />
ihre Eltern verloren hatten und<br />
auch von den Ereignissen wie beispielsweise<br />
nach dem Tsunami in Sri Lanka<br />
noch traumatisiert waren. Das Gleiche<br />
betraf auch meine Arbeit in Pakistan nach<br />
dem schweren Erdbeben. In Afghanistan<br />
lag mir, trotz der Gefahren durch<br />
Anschläge der Taliban und dem spartanischen<br />
Leben, besonders der Straßen- und<br />
Schulfußball am Herzen. Überall war ich<br />
hochmotiviert und das Lachen der jungen<br />
Menschen, die endlich wieder dem Ball<br />
nachjagen konnten, war mir Lohn genug.“<br />
Woche des Bürgerschaftlichen<br />
Engagements<br />
V<br />
om 10. bis zum 21. September <strong>2013</strong><br />
sollen sich Bürgerinnen und Bürger,<br />
Initiativen, Vereine, Stiftungen und Verbände<br />
in Form von Beispielhaften Veranstaltungen<br />
wieder an der Aktionswoche beteiligen.<br />
Zahlreiche Projekte, innovative und<br />
unterschiedliche Ideen und Aktionen aus<br />
allen Themenbereichen engagierter<br />
Veranstalter unter dem gemeinsamen<br />
Motto „Engagement macht stark!“ werden<br />
dann im Fokus der Öffentlichkeit stehen<br />
und besonders gewürdigt.<br />
Die Vorbereitungen haben bereits begonnen.<br />
Erstmalig wird die Auftaktveranstaltung<br />
der Aktionswoche am 10. September<br />
<strong>2013</strong> in der Staatskanzlei in Mainz stattfinden.<br />
Die rheinlandpfälzische Minister-<br />
E<br />
Münchner G`schichtn (9):<br />
Fragezeichen vor dem Halleluja<br />
nde Mai sorgten sich Münchens Bürger,<br />
ihr OB könnte das Interesse am großen<br />
Sport verloren haben, suchte man Christian<br />
Ude doch während des Finales der Champions<br />
League vergeblich auf der Ehrentribüne<br />
in Wembley. „Is halt a Sechz`ger, der mog<br />
uns net“, nörgelten die Bayern-Fans, die<br />
freilich nicht wissen konnten, dass ihr<br />
offenbar urlaubsreifes Stadtoberhaupt<br />
dringend auf seiner Lieblingsinsel Mykonos<br />
Sonne tanken musste. Da waren dann auch<br />
die Freunde einer zweiten Bewerbung um<br />
Winterspiele in München beruhigt, holte<br />
Ude im olympischen Kernland doch vermutlich<br />
den Rat der antiken Götter ein, wie<br />
die Kandidatur für 2022 klappen kann.<br />
Udes Hellasreise wäre gar nicht mehr<br />
nötig gewesen, die himmlische Eingebung<br />
hatte schließlich bereits stattgefunden,<br />
war hernieder gegangen auf den DOSB in<br />
Frankfurt, der sie flugs nach München<br />
weiter leitete: Patchwork statt Cluster. So<br />
heißt das neue Konzept für einen weiteren<br />
Anlauf. Und sogleich begannen sie in<br />
München wie einst der gen Himmel<br />
entschwebte Dienstmann Alois Hingerl zu<br />
frohlocken und Hosianna zu singen.<br />
Eindeutschung gewünscht? Bitte sehr:<br />
Plan B des DOSB sieht vor, die 2018-<br />
Strategie der zwei Blöcke, vulgo Cluster,<br />
Eis in München, Schnee in Garmisch,<br />
aufzuweichen zu Gunsten eines Flickenteppichs,<br />
vulgo Patchwork. Im Detail: die<br />
Freestyle-Disziplinen Aerials und Halfpipe<br />
raus aus Garmisch und rüber nach München,<br />
Biathlon und Langlauf ebenfalls<br />
weg aus Gapa (Schwaiganger) und ab zu<br />
den stationären Loipen und Schießständen<br />
von Ruhpolding. Dieses Projekt hat<br />
eine Entlastung von Garmisch und wegen<br />
verbesserter infrastruktureller Nachhaltigkeit<br />
vermutlich mehr öffentliche Akzeptanz<br />
zur Folge, jedoch auch einen 2011<br />
noch verpönten vierten Veranstaltungsort<br />
mehr. Nun heißt es plötzlich, dezentral ist<br />
uns egal.<br />
Bevor der Chor der Möchtegernbewerber<br />
ein Halleluja anstimmen kann, muss noch<br />
die Gefahr von Dissonanzen gebannt<br />
4<br />
OF-MOSAIK
präsidentin Malu Dreyer wird die Aktionswoche<br />
eröffnen.<br />
„Unser Land wäre ärmer, wenn nicht<br />
tausende Bürgerinnen und Bürger ein<br />
Ehrenamt ausübten. Mit ihrem freiwilligen<br />
Engagement tragen die Bürgerinnen und<br />
Bürger zu einer Kultur der Solidarität, der<br />
Zugehörigkeit und des gegenseitigen<br />
Vertrauens bei und stärken damit den<br />
Zusammenhalt der <strong>Gesellschaft</strong>. Wir<br />
freuen uns daher ganz besonders, dass<br />
<strong>2013</strong> die bundesweite Woche des bürgerschaftlichen<br />
Engagements hier in Mainz<br />
eröffnet wird“, so die Ministerpräsidentin.<br />
Auch Bundespräsident Joachim Gauck hat<br />
bereits seine Schirmherrschaft zur Engagement-Woche<br />
zugesagt. Gefördert und<br />
unterstützt wird die Woche seit jeher vom<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend. Die langjährige<br />
Medienpartnerschaft mit dem ZDF wird<br />
<strong>2013</strong> zum neunten Mal fortgesetzt.<br />
Veranstaltungen der Woche können ab<br />
sofort im Engagementkalender eingetragen<br />
werden. Die teilnehmenden Akteure<br />
können ihre Initiativen während der<br />
Woche dort kurz beschreiben, mit Fotos<br />
illustrieren und ggf. nach Mitstreitern für<br />
ihr Vorhaben suchen. Gesucht werden<br />
kann nach Ort und Datum der Veranstaltung<br />
sowie nach dem Veranstalter.<br />
werden. Ist die Zustimmung der DOSB-<br />
Mitglieder, vorwiegend im Sommersport<br />
zu Hause, sicher? Enden alle vier Bürgerbefragungen<br />
am 10. November in München,<br />
Garmisch-Partenkirchen, Traunstein<br />
und Berchtesgaden mehrheitlich positiv?<br />
Nur ein Kontra<br />
bedeutet: Ende<br />
aller Überlegungen.<br />
Wie groß ist noch<br />
der Einfluss der<br />
Grünen („NOlympia“)?<br />
Wohin<br />
gehen die Sommerspiele<br />
2020? In<br />
welche Richtung<br />
würde eine Bewerbung<br />
von der Wahl<br />
Thomas Bachs zum<br />
IOC-Präsidenten<br />
beeinflusst?<br />
Fair Play Preis <strong>2013</strong><br />
E<br />
hre, wem Ehre gebührt: Personen,<br />
Vereine und Initiativen, die sich im<br />
Bereich des Fair Play besonders stark<br />
engagieren, können auch <strong>2013</strong> wieder für<br />
den Fair Play Preis<br />
des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sports vorgeschlagen<br />
werden.<br />
Erstmals wird der<br />
Preis vom Bundesministerium<br />
des Inneren (BMI)<br />
und dem <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n Sportbund (DOSB)<br />
gemeinsam mit dem Verband <strong>Deutsche</strong>r<br />
Sportjournalisten (VDS) vergeben. Die<br />
Nominierten sollen Vorbilder für die<br />
<strong>Gesellschaft</strong> sein und den toleranten<br />
Umgang untereinander symbolisieren.<br />
Vorschläge können von jedermann das<br />
ganze Jahr über unter<br />
www.fairplaypreis.de eingereicht werden.<br />
Schließlich: Was geschieht mit all den<br />
Fragezeichen, wenn das IOC München<br />
bittet zu übernehmen – weil die Winterspiele<br />
2022 keine andere Stadt haben<br />
will?<br />
Michael Gernandt<br />
Der Preis soll im vierten Quartal <strong>2013</strong> im<br />
Rahmen einer Festveranstaltung vergeben<br />
werden. Als nationale Botschafter für<br />
Fair Play und Toleranz konnten BMI und<br />
DOSB bislang Doppel-Olympiasiegerin<br />
Rosi Mittermaier-Neureuther, die Speerwurf-Weltmeisterin<br />
Steffi Nerius sowie<br />
Paralympics-Sieger Rainer Schmidt<br />
gewinnen.<br />
Hilfeportal Sexueller<br />
Missbrauch<br />
E<br />
in neues Online-Angebot bietet von<br />
sexueller Gewalt Betroffenen, Angehörigen<br />
und Fachkräften Informationen<br />
zu Beratung, Hilfen und Fragen der<br />
Prävention.<br />
Die Einrichtung eines Hilfeportals war<br />
eine zentrale Empfehlung des Runden<br />
Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, mit<br />
dessen Umsetzung der Unabhängige<br />
Beauftragte für Fragen des sexuellen<br />
Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm<br />
Rörig, beauftragt wurde. Das Hilfeportal<br />
ist spezifisch auf die Thematik des sexuellen<br />
Kindesmissbrauchs ausgerichtet und<br />
übernimmt eine Lotsenfunktion für das<br />
gesamte Bundesgebiet.<br />
Das Hilfeportal richtet sich an erwachsene<br />
Betroffene und Jugendliche sowie an<br />
Angehörige, das soziale Umfeld und<br />
Fachkräfte. Es wendet sich nicht explizit<br />
an Kinder, verweist aber auf entsprechende<br />
Angebote für Mädchen und Jungen.<br />
In der Datenbank finden sich folgende<br />
Kontakte:<br />
- Beratungsstellen (Fachberatungsstellen,<br />
allgemeine Familien-, Erziehungs- und<br />
Lebensberatungsstellen)<br />
- Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten<br />
- Ärztinnen und Ärzte<br />
- Trauma-Ambulanzen und Fachkliniken<br />
- Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte<br />
(Opferanwältinnen und Opferanwälte)<br />
- Telefonische Hilfsangebote<br />
- Online-Angebote<br />
- Krisendienste (auch Kinder- und<br />
Jugendnotdienste)<br />
- Jugendämter<br />
Das Hilfeportal www.hilfeportal-missbrauch.de<br />
wurde vom Unabhängigen<br />
Beauftragten mit Unterstützung des<br />
Bundesministeriums für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend realisiert.<br />
OF-MOSAIK<br />
5
Das aktuelle Sportfördersystem muss reformiert werden.<br />
Dies ist längst überfällig. Insgesamt ist ausreichend<br />
Geld in der Spitzensportförderung vorhanden, die<br />
Mittel müssen jedoch effizienter eingesetzt werden. Derzeit ist<br />
das System zu intransparent, ineffizient und unflexibel. Besonders<br />
ungünstig wirkt sich das aus meiner Sicht auf die eigentlichen<br />
Akteure des Spitzensports aus: Häufig sind Athletinnen<br />
und Athleten und und Trainerinnen und Trainer das schwächste<br />
Glied der Kette. Dies zeigen mir persönliche Gespräche mit<br />
Kaderathleten wie auch mit Trainern. Die Situation ist für sie<br />
unhaltbar: enormer Zeitaufwand, hoher Zeitdruck, schlechte<br />
Bezahlung und ein umfassendes Aufgabenspektrum. Trainer<br />
berichteten von Problemen bis hin zu Existenzängsten. Dass sie<br />
nicht an die Öffentlichkeit gehen, liegt auch an der aktuellen<br />
Vergabe von Sportfördermitteln. Sofern sie die Realitäten offen<br />
ansprechen, wird ihnen von Sportfunktionären suggeriert,<br />
liefen die entsprechenden Verbände Gefahr, bei der zukünftigen<br />
Mittelvergabe weniger berücksichtigt zu werden. Ich<br />
begrüße ausdrücklich die Entschlossenheit des Tischtennisverbands<br />
und der Leichtathleten. Sie sind mit ihren Problemen an<br />
die Öffentlichkeit gegangen und haben ein Signal gesendet,<br />
dass es so nicht weitergehen kann.<br />
Aus meiner Sicht muss ein Sportfördersystem effizient und<br />
transparent sein und den Menschen im Mittelpunkt seiner<br />
Handlungen haben. Medaillen dürfen nicht die einzige Währung<br />
eines Sportlers oder einer Sportlerin sein. Eine Perspektive<br />
für die Karriere nach der Karriere muss jede Sportlerin und<br />
jeder Sportler während seiner aktiven Zeit entwickeln. Das<br />
Sportfördersystem muss diesen Vorgang unterstützen und darf<br />
ihn nicht unterbinden. Bei einer so großen Zahl an Sportfachverbänden,<br />
darf die Mittelvergabe zudem nicht hinter verschlossenen<br />
Türen verhandelt werden. Es muss für jeden<br />
Verband nachvollziehbar sein, warum wem welche Summe<br />
gezahlt wird. Dies öffnet zudem die Diskussion über die Mittelvergabe.<br />
Außerdem muss ein Sportfördersystem flexibel auf<br />
aktuelle Bedarfssituationen im Sport und in den Verbänden<br />
eingehen können. Deshalb plädieren wir für eine transparente<br />
Überarbeitung der Förderrichtlinien. Dies sind für mich Punkte,<br />
die ein gutes Sportfördersystem ausmachen und damit effiziente<br />
und nachvollziehbare Rahmenbedingungen für Akteure<br />
des Spitzensports bieten.<br />
Doch wie kommen wir da hin? Ich halte es nicht für sinnvoll,<br />
unser Konzept abzuschaffen und vollständig durch ein komplett<br />
neues System zu ersetzen. Ergiebiger ist es meines Erachtens,<br />
Schritt-für-Schritt-Aspekte einer flexibleren Mittelvergabe<br />
unter Stärkung der Sportfachverbände einzuführen. Auch aus<br />
ökonomischer Sicht empfiehlt sich die schrittweise Lösung des<br />
Problems anstelle der „Big-Bang“-Erneuerung. Ansatzpunkte<br />
gibt es genug. In meinem Beitrag möchte ich auf drei Punkte<br />
eingehen, die mir besonders wichtig sind in der Diskussion um<br />
ein geeignetes Spitzensportförderungskonzept:<br />
• Transparenz bei der Vergabe und Verwendung der<br />
öffentlichen Fördermittel<br />
• Duale Ausbildung für alle Bildungsniveaus<br />
• Nachwuchsförderung.<br />
Die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln muss transparent<br />
gestaltet werden. Die Vergabe darf nicht auf einer Absprache<br />
zwischen Sportfunktionären beruhen. Es ist wichtig, dass der<br />
DOSB die einzelnen Zuteilungen sportfachlich begründet und<br />
allen anderen Verbänden sowie der Öffentlichkeit zugänglich<br />
macht. Ich begrüße den Vorgang, dass der DOSB im Juni <strong>2013</strong><br />
allen Mitgliedern offen darlegte, welcher Verband mit wie viel<br />
Steuergeld für die Zeit bis zu den <strong>Olympische</strong>n Sommerspielen<br />
2014 in Brasilien ausgestattet wird und diese Zuteilung auch<br />
begründet. Dieser<br />
Schritt erschien mir<br />
längst überfällig und<br />
ich habe immer die<br />
Frage gestellt, warum<br />
der Nachweis seitens<br />
des DOSB nicht schon<br />
bei der Mittelvergabe<br />
für die <strong>Olympische</strong>n<br />
Sommerspiele 2012 in<br />
London erbracht<br />
wurde.<br />
Das „Voucher“-System<br />
ist aus meiner Sicht<br />
ein geeignetes Instrument,<br />
um Transparenz<br />
in der Vergabe und<br />
Verwendung von<br />
Mitteln im Spitzensport<br />
herzustellen.<br />
Das Prinzip des Systems sähe folgendermaßen aus: Gelder<br />
werden von den Fachverbänden an den Geldgeber beantragt.<br />
Ein bestimmter Betrag X wird genehmigt und an den jeweiligen<br />
Verband für einen Zeitraum Y überwiesen. Dieser kann<br />
die Mittel beliebig einsetzen. Im Nachgang erfolgt eine<br />
umfassende Evaluierung, welche die Grundlage für die<br />
anschließende Förderperiode darstellen würde. Dies erlaubt<br />
die dringend notwendige, stärkere Individualisierung der<br />
Förderung für Verband und Athleten. So wären Athleten auch<br />
freier zum Beispiel in der Wahl ihrer Physiotherapeuten oder<br />
Ärzte. Ebenso käme dadurch den Verbänden eine größere<br />
Verantwortung für die durchgeführten Maßnahmen zu.<br />
Gleichzeitig nutzt man bei der Beantragung der Gelder auch<br />
die vorhandenen Kompetenzen in den jeweiligen Verbänden<br />
deutlich stärker und trägt damit zum Effizienzgewinn bei.<br />
Das Modell lehnt sich an das britische Vorbild (UK Sports) an,<br />
in dem Vereine/Verbände Finanzanträge direkt beim Bundesinnenministerium<br />
stellen. Aber auch die Möglichkeit von<br />
6
Globalzuweisungen für Sportfachverbände sind interessante<br />
Ansätze, die denkbar wären.<br />
Spitzensportlerinnen und Spitzensportler benötigen jedoch<br />
mehr zum Leben als Wertgutscheine für eine Physiotherapie.<br />
Nur selten können sie alleine vom Sport leben und selbst wenn,<br />
dann zu häufig auf Kosten ihrer dualen Karriere. Eine Entscheidung<br />
für den Leistungssport stellt noch oftmals eine Lebensentscheidung<br />
dar: Vorbereitung auf Olympia mithilfe der<br />
Bundeswehr oder die berufliche Karriere. Es ist legitim, sich für<br />
die Spitzensportförderung durch die Bundeswehr zu entscheiden,<br />
und doch gilt es zu bedenken, dass die Athletinnen und<br />
Athleten unterschiedliche Bedürfnisse in Bezug auf ihre Ausbildung<br />
mitbringen. In diesem Punkt ist die Bundeswehr in der<br />
Spitzensports sowie Ausbildungspartner in der Wirtschaft<br />
gefragt. Im internationalen Vergleich halte ich das Stipendienmodell<br />
der USA für Hochschulen als eine mögliche und praktikable<br />
Vorlage. Doch auch Verbände müssen Einsicht zeigen. Die<br />
Arbeit der Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe finde ich in diesem<br />
Bereich sehr aufschlussreich. Zeigt dies doch, dass die enorme<br />
Bedeutung einer dualen Karriere im Bereich des Spitzensports<br />
angekommen ist.<br />
Zuletzt möchte ich den Nachwuchsbereich ansprechen. Die<br />
Zukunft des Leistungssports hängt auch von der heutigen<br />
Nachwuchsförderung ab. Gerade deshalb müssen Politik und<br />
Sport gemeinsam deutlich mehr Energie investieren. Nachwuchsförderung<br />
sollte hierbei nicht auf einzelne Eliteschulen<br />
Es ist eine Reform der Spitzensportförderung<br />
in Deutschland geboten<br />
Viola von Cramon, Obfrau der Grünen im Sportausschuss des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundestages<br />
dualen Ausbildung bildungshöherer Niveaus limitiert. Kaderathleten<br />
bei der Bundeswehr berichteten mir zudem von dem<br />
Umstand, dass teilweise Verbände – wenn die Bundeswehr<br />
Fortbildung anböte - dagegen Sturm liefen.<br />
Es sind also zwei Punkte, die problembehaftet sind. Zum einen<br />
scheint es derzeit nur unter schwierigen Bedingungen möglich<br />
zu sein, neben der Ausübung des Spitzensports andere Ausbildungsmöglichkeiten<br />
als die der Bundeswehr, der Polizei oder<br />
des Zolls zu nutzen. Trainings- und Wettkampfzeiten lassen<br />
sich kaum mit Arbeitszeiten oder studentischen Anforderungen<br />
vereinbaren. Andererseits geben Verbände den Athleten nicht<br />
ausreichend Freiraum, um sich beruflich weiterzubilden. Die<br />
Athleten sind letzten Endes die Leidtragenden, die sich gegen<br />
eine der beiden Möglichkeiten entscheiden müssen. Um diesen<br />
Problemen entgegenzuwirken, erscheint es mir wichtig, geeignete<br />
Alternativmöglichkeiten zu schaffen. Zur Milieuabdeckung<br />
sind hier sowohl Bundeswehr als auch Partnerhochschulen des<br />
des Sports konzentriert werden. Stattdessen gilt es, das Augenmerk<br />
auf einen breit angelegten Sportunterricht zu legen und<br />
ein niedrigschwellig zugängliches Bewegungsangebot für alle<br />
Kinder und Jugendlichen einzurichten, insbesondere vor dem<br />
Hintergrund des demographischen Wandels. Meines Erachtens<br />
bräuchte es eine andere Form der Sichtung als die bisherigen<br />
Formen der althergebrachten Bundesjugendspiele. Diese setzen<br />
in frühem Alter viel zu sehr auf einzelne Disziplinen. Sinnvoller<br />
für eine ausgiebige Sichtung wären meines Erachtens niedrigschwellige<br />
Motoriktests in spielerischer Form, die den Kindern<br />
Lust an der Bewegung verschaffen. Leider erschwert in vielen<br />
Regionen nicht nur der demographische Wandel die Vereinsarbeit,<br />
sondern auch die Vernetzung von Ganztagsschulen mit<br />
den Vereinen lässt noch häufig auf sich warten. Mein Ziel ist es<br />
deshalb ein Verbundsystem zu schaffen, in dem Schule und<br />
Verein eng miteinander kooperieren. Dies braucht die Bereitschaft<br />
von Schule und Verein sowie materielle und immaterielle<br />
Unterstützung aus der Politik.<br />
PODIUM<br />
7
Von Günter Deister<br />
Quo vadis, IOC<br />
Gesucht wird ein starker<br />
Präsident mit überzeugenden<br />
Antworten, warum es auch künftig<br />
<strong>Olympische</strong> Spiele geben soll<br />
und mit welcher Sinnstiftung<br />
8
Es gibt beim Sechskampf um die<br />
Führung des Internationalen<br />
<strong>Olympische</strong>n Komitees (IOC) die<br />
heile olympische Welt, und es gibt eine<br />
olympische Unterwelt. Die heile olympische<br />
Welt schreibt Entspannung bis<br />
zum Wahltag am 10. September in<br />
Buenos Aires vor. Dazu gehört die<br />
Neuheit eines jeweils 15-minütigen Vortrags vor der Sonder-<br />
Session am 4. Juli in Lausanne, bei der Kandidaten ohne<br />
Öffentlichkeit ihre wohl vorbereiteten Bewerbungstexte<br />
verlesen können. Anlass bietet die Präsentation von Istanbul,<br />
Madrid und Tokio als Bewerber um die<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele 2020. Der für die<br />
Präsidentenwahl extra noch einmal<br />
überarbeitete Ethik-Kode soll die Zahl<br />
der Reisen „begrenzen“, indem er zu<br />
Besuchen von Wählern „nicht ermutigt“.<br />
Öffentliche Versammlungen und<br />
Treffen zur Unterstützung sind verboten,<br />
ebenso werbende Internet-Auftritte.<br />
IOC-Mitglieder dürfen keinen<br />
Bewerber materiell unterstützen, sie<br />
dürfen nicht einmal weitersagen, wen<br />
sie wählen wollen. Der Kandidat darf<br />
keine Geschenke machen und auch<br />
keine Versprechungen. Insgesamt<br />
wünscht der Kodex eine Auseinandersetzung<br />
„in Gleichheit und gegenseitigem<br />
Respekt“. Jeder Kandidat könne,<br />
das immerhin, die „Art und Weise und<br />
die Methode“ selbst wählen, mit denen<br />
er für sich wirbt, doch um Gottes<br />
willen sollen „alle Exzesse“ vermieden<br />
werden, „zu denen Unterstützer sich in<br />
gutem Glauben hinreißen lassen könnten“.<br />
Es ist ein blumiger Katalog, den in der<br />
Vergangenheit wohl einzig Willi Daume<br />
eingehalten hätte. Der deutsche Olympier<br />
hatte 1980 bei der Präsidenten-<br />
Wahl in Moskau seine Kollegen noch bis<br />
zum Wahltag im Unklaren gelassen, ob<br />
er überhaupt anzutreten gedenke.<br />
Andererseits: Als damals der Sieger im<br />
„Haus der Gewerkschaften“ verkündet<br />
wurde, registrierte das im Souterrain der<br />
Adlatus von Juan Antonio Samaranch<br />
nur mit einem Lächeln. Schon eine<br />
halbe Stunde zuvor hatte er Einblick<br />
gewährt in eine mit vielen Kreuzchen<br />
versehene Liste der Olympier. Hinter<br />
ihnen verbarg sich die Gewissheit, dass<br />
der von Politik und dem damals im<br />
Sport mächtigen Adidas-Chef Horst<br />
Dassler massiv unterstützte Spanier<br />
bereits im ersten Wahlgang den Chefsessel<br />
des Weltsports erobern würde.<br />
Solche Listen wird es diesmal vermutlich<br />
in sechsfacher Ausfertigung<br />
geben, nur dass sie weniger Gewissheiten<br />
beinhalten werden. Unterhalb der Oberfläche ist<br />
längst ein Kampf ausgebrochen, den Wahlkampf zu nennen<br />
eine starke Untertreibung wäre. Eigentlich müsste es darum<br />
gehen, als Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge denjeni-<br />
Die Herausforderer von Thomas Bach<br />
Richard Carrion (60), Puerto Rico<br />
IOC-Eintritt 1990, von 2004 bis 2012 Mitglied der Exekutive,<br />
seit 2002 Vorsitzender der Finanzkommission.<br />
W<br />
ie wird man Mitglied im IOC und zu einem aussichtsreichen<br />
Präsidenten-Anwärter? Man muss eine Frau aus Barcelona<br />
geheiratet haben, und deren Familie muss eng befreundet gewesen<br />
sein mit der Familie der Frau des ehemaligen Präsidenten Juan<br />
Antonio Samaranch. Längst hat Richard Carrion als Chefverkäufer<br />
der TV-Rechte (außer Europa) im Ringe-Orden Karriere gemacht. Er<br />
hält sich zugute, die Reserven des IOC von 100 Millionen auf 900<br />
Millionen Dollar gesteigert zu haben. Dabei<br />
wirkt sein Deal mit dem US-Giganten NBC über<br />
4,38 Milliarden Dollar für die kommenden vier<br />
Spiele bis 2020 eindrucksvoller, als die Zahlen<br />
hergeben. Die Inflationsrate herausgerechnet,<br />
bedeutet der Abschluss Verlust gegenüber der<br />
letzten Periode 2009 bis 2012. Der Bankenchef,<br />
im März aufgestiegen in das Direktorium der<br />
Federal Reserve Bank in New York, hat das<br />
Selbstverständnis eines Supermanagers, der dem IOC zu größerer<br />
Stärke und Ansehen verhelfen will, höhere Einnahmen inbegriffen.<br />
In seinem an die IOC-Kollegen gerichteten Bewerbungsschreiben<br />
auf Hochglanzpapier lässt sich der Puertoricaner mit US-Pass zum<br />
ersten Mal überhaupt zu Fragen des Sports vernehmen. Carrion<br />
sagt: „Ich höre immer ein Banker, ein Banker – was soll ich sagen?<br />
Die IOC-Mitglieder werden für den stimmen, den sie für den Besten<br />
halten. Ich weiß mich in dieser Welt zu bewegen.“ Und das auch<br />
mit Hilfe eines Privatflugzeugs.<br />
9
gen zu küren, der als neunter Präsident<br />
des IOC am besten geeignet ist, die<br />
führende Organisation des Weltsports<br />
durch die Untiefen des kommenden<br />
Jahrzehnts zu steuern. Und zwar in<br />
größtmöglicher Unabhängigkeit und<br />
mit einer überzeugenden Begründung,<br />
warum es auch künftig <strong>Olympische</strong><br />
Spiele geben soll und mit welcher Sinnstiftung. Stattdessen<br />
geht es, jenseits der viel zitierten Werte und Ideale, vor<br />
allem um Macht und Einfluss. Selbst der sehr müde gewordene<br />
Rogge spricht von einem Herbst „politisch aufgeladener<br />
Entscheidungen“, wozu er auch die Vergabe der übernächsten<br />
Sommerspiele zählt, den Vorsitzenden-Wechsel bei<br />
der Weltantidoping-Agentur WADA und das Votum über<br />
eine 28. olympische Sportart.<br />
Die IOC-Präsidentenschaft wird zudem<br />
auch von den Fragen überlagert, ob<br />
das aufstrebende Asien es schaffen<br />
kann, das europäische Monopol mit<br />
bisher sieben von acht Präsidenten zu<br />
durchbrechen, oder ob am Ende das<br />
große Kapital oder politisches Wollen<br />
den Ausschlag geben werden. Eine<br />
besondere Aussagekraft hätte es schon und auch eine<br />
gewisse Logik in einer immer merkantiler gewordenen<br />
olympischen Welt, wenn nach dem 10. September in dem<br />
Geldbeschaffer Richard Carrion ein überaus erfolgreicher<br />
Banker mit amerikanischem Pass den Ringe-Orden anführen<br />
würde. Der Puerto-Ricaner und mehr noch Ng Ser Miang<br />
aus Singapur gelten denn auch als die chancenreichsten<br />
Herausforderer von DOSB-Präsident Thomas Bach. Der<br />
Schweizer Denis Oswald, der Ukrainer Sergej Bubka und Wu<br />
Ching-Kuo aus Taiwan besetzen die<br />
Außenseiterrollen.<br />
Ng Ser Miang (64), Singapur<br />
IIOC-Eintritt 1998, seit 2005 Mitglied der Exekutive, gegenwärtig<br />
1. Vizepräsident. Organisator der 1. <strong>Olympische</strong>n<br />
Jugendspiele 2010.<br />
A<br />
n einem Augusttag der Jugendspiele in Singapur sagte Ng Ser<br />
Miang bei einem Einladungsessen für seine asiatischen IOC-<br />
Kollegen: „Alle Asiaten müssen zusammenhalten. Die Zukunft liegt<br />
auf unserem Kontinent. Wir müssen die Vormacht Europas brechen.<br />
Asien hat das Recht, künftig den IOC-Präsidenten zu stellen.“<br />
Öffentlich gibt sich der Festlandchinese eher zurückhaltend. Das hat<br />
ihn nicht davon abgehalten, seine Kandidatur bei mehreren Umrundungen<br />
der Erde zu promoten. Zur Verkündung<br />
seiner Bewerbung hatte er Halt in Paris<br />
gemacht, genau dort, wo Baron Pierre de<br />
Coubertin 1894 das IOC gegründet hatte, in der<br />
Sorbonne. Ng gilt als beachtlicher Kandidat.<br />
Seine Geschäfte im Stadtstaat haben ihm<br />
Reichtum eingebracht. Als Botschafter für<br />
Norwegen hat er Diplomatenstatus. Dem<br />
Segeln ist er besonders verbunden. Sein Organisationstalent<br />
hat er bei der Premiere der Jugendspiele gezeigt.<br />
Das IOC benötige einen „Führer, der weltweit zu Hause ist und die<br />
<strong>Olympische</strong> Bewegung mit einer einigenden Vision zusammenhält“,<br />
so das Credo von Ng. Ob er selbst diese Eignung besitzt, darauf gibt<br />
er eine indirekte Antwort: „Ich bin stolz, ein Asiate zu sein, doch ich<br />
bin gleichzeitig ein Weltbürger.“<br />
Die von Kandidaten im Wahlkampf<br />
ausgelegten Köder sprechen für sich. Es<br />
sind mit der Erhöhung der Altersgrenze<br />
von bisher 70 Jahren, einer finanziellen<br />
Ausstattung und einem Zuwachs von<br />
Olympiern über die Maximalzahl von<br />
115 hinaus Vorschläge zum Nutzen und<br />
Frommen für persönliche Mitglieder.<br />
Seit 2000 hat es einen Zuwachs von 36<br />
Olympiern gegeben. Ihnen eine längere<br />
Verweildauer zu verschaffen, das könnte<br />
Stimmen bringen. Doch offenbar<br />
besteht ein weitgehender Konsens<br />
darüber, die Grenze auf 75 Jahre zu<br />
erhöhen und sie somit dem Privileg<br />
jener Mitglieder anzunähern, die vor der<br />
Jahrhundert-Wende in das IOC berufen<br />
worden sind. Diese müssen erst mit 80<br />
weichen.<br />
Die Präsidentenwahl wird bestimmt<br />
nicht durch die Bewerbungsschreiben<br />
der sechs Kandidaten entschieden.<br />
Zumal sie überwiegend den Anschein<br />
von Fremdproduktionen erwecken,<br />
geschrieben von Agenturen und propagiert<br />
von Spindoktoren im Gefolge von<br />
weltumspannenden Reiseaktivitäten.<br />
Die Undurchsichtigkeit wird erhöht<br />
durch die Möglichkeit in Buenos Aires,<br />
Stimmverhalten zu verknüpfen mit der<br />
Vergabe der Sommerspiele 2020, der<br />
Auswahl einer Sportart zwischen Ringen,<br />
Squash und Baseball/Softball und<br />
der Neuverteilung von Posten und<br />
10
Positionen. Besonders schwer zu kalkulieren<br />
ist die Wählerwanderung bei der<br />
Abstimmung mit der Rekordzahl von<br />
sechs Präsidentschaftsanwärtern, von<br />
denen bis zur absoluten Mehrheit der<br />
abgegebenen Stimmen jeweils der<br />
Bewerber mit den wenigsten Voten<br />
ausscheidet.<br />
Unter all den Voraussetzungen ist es sehr mutig, Thomas<br />
Bach als eindeutigen Favoriten auf den Präsidenten-Stuhl zu<br />
bezeichnen. Sicher, man könnte in dem Wirtschaftsanwalt<br />
aus Tauberbischofsheim mit all seinen Erfahrungen im Sport,<br />
in der Wirtschaft und mit der Politik einen „gelernten Präsidenten“<br />
sehen. Als Olympiasieger hat er auch die Basis des<br />
Sports studiert und ist mit Hilfe seiner Viersprachigkeit schon<br />
lange in der Internationalität zu Hause. Zudem muss es nicht<br />
mehr zum Nachteil gereichen, <strong>Deutsche</strong>r<br />
zu sein, als Bürger eines Landes,<br />
das im Ranking des internationalen<br />
Ansehens weit oben angekommen ist.<br />
Doch wenn es tatsächlich einen eindeutigen<br />
Trend für den 59-Jährigen geben<br />
sollte, dann gäbe es auch einen starken<br />
Gegentrend derjenigen, die Bach verhindern<br />
wollen. In der olympischen<br />
Mathematik von Buenos Aires werden<br />
von maximal 103 IOC-Mitgliedern in der<br />
ersten Runde etwa 90 stimmberechtigt<br />
sein. Für einen eher unwahrscheinlichen<br />
K.o.-Sieg in der ersten Runde bräuchte<br />
es demnach 46 Voten. Was danach<br />
käme, ist schwer zu kalkulieren. So sind<br />
Zweitstimmen wohl entscheidend.<br />
Mit Sicherheit ist zu sagen, dass es im<br />
IOC eine starke Sehnsucht nach Führung<br />
gibt, verbunden mit überfälligen<br />
Reformen und Korrekturen. Dabei geht<br />
es auch darum, jene Veränderungen zu<br />
überprüfen, die vor 13 Jahren unter<br />
dem Druck des Korruptionsskandals um<br />
Salt Lake City mit Hast in Kraft gesetzt<br />
worden sind. Rogge war ein nach außen<br />
hin kompetent wirkender Präsident, der<br />
Mängel mit Eloquenz und Freundlichkeit<br />
zu überdecken vermochte. Im<br />
Inneren wirkte er eher kleinteilig. Die<br />
Möglichkeiten und die ideelle Kraft, die<br />
der Weltorganisation IOC innewohnen,<br />
hat der orthopädische Chirurg zu wenig<br />
zu nutzen vermocht. Einen besonderen<br />
Ausdruck hat das beim allzu nachgiebigen,<br />
schier hilflosen Umgang mit der<br />
chinesischen Staatsmacht vor und bei<br />
den Spielen in Peking gefunden. Immerhin<br />
schaffte es der Belgier, und das hebt<br />
ihn deutlich von seinem Vorgänger ab,<br />
seine 12-jährige Amtszeit skandalfrei zu<br />
halten. Seinen größten Erfolg hat er<br />
ausgerechnet auf jenem Feld vorzuweisen,<br />
das Samaranch zu einer ersten<br />
Blüte gebracht hat. Die Spiele von<br />
Vancouver und London als einzige, die unter seiner Ägide<br />
vergeben und veranstaltet worden sind, haben dem olympischen<br />
Sport einen Rekordumsatz von nahezu acht Milliarden<br />
Dollar beschert. Seinem Nachfolger hinterlässt er damit eine<br />
gute Basis für künftige Geschäfte und ein Polster, das sich der<br />
Milliarden-Grenze nähert. Auf seiner Habenseite stehen<br />
zudem sein bemühter, aber längst nicht durchweg erfolgreicher<br />
Kampf gegen Doping und der Großversuch <strong>Olympische</strong>r<br />
Jugendspiele.<br />
Wu Ching-Kuo (66), Taiwan<br />
IIOC-Eintritt 1988, seit 2012 Mitglied der Exekutive.<br />
A<br />
uch „Dr. Wu“, wie er in olympischen Kreisen genannt wird,<br />
verdankt seine olympische Karriere Samaranch. Beide vereinte<br />
unter anderem die Leidenschaft des Sammelns olympischer Briefmarken,<br />
die es im IOC sogar zu einer Kommission gebracht hat.<br />
Auch zum Dank dafür, dass er von der üppigen Kollektion des<br />
spanischen Ex-Präsidenten erben konnte, setzte der auch international<br />
sehr erfolgreiche Architekt vor einigen Monaten dem früheren<br />
IOC-Boss ein Denkmal in Form eines Museums. Dass dies im<br />
chinesischen Tianjin geschah, hatte, unter<br />
Anwesenheit von zwei Dutzend IOC-Mitgliedern,<br />
eine besondere Bedeutung. Zum ersten<br />
Mal hatte es die Regierung der Volksrepublik<br />
erlaubt, einem Nichtchinesen im eigenen Land<br />
ein solches Bauwerk zu widmen. Was das für<br />
Wu selbst bedeutet? Dass China seine Kandidatur<br />
unterstützt, oder die von Ng Ser Miang,<br />
oder beide verhindern will mit dem Ziel,<br />
irgendwann einen Landsmann zum ersten asiatischen IOC-Präsdenten<br />
zu machen? Der reiche Wu hat den einst unter einer korrupten<br />
Führung stehenden Internationalen Amateurbox-Verband reformiert,<br />
unter Anschluss einer Profi-Abteilung, die bei den Spielen in<br />
Rio de Janeiro debütieren und in der Perspektive die Vielzahl der<br />
Profi-Weltverbände ersetzen soll. Stimmen sammeln will er mit der<br />
Forderung auf Erhöhung der IOC-Mitgliederzahl von 115 auf 135<br />
und auf Anhebung des bisherigen Alterslimits von 70 Jahren. Und<br />
dann, ganz wichtig für ihn, soll sich das IOC viel mehr um die<br />
olympische Erziehung der Jugend kümmern.<br />
11
Genug Raum also für Rogges Nachfolger,<br />
das IOC nach einer Inventur neu zu<br />
justieren. Thomas Bach beschreibt seine<br />
umfassende Wahlkampfschrift an seine<br />
Kollegen mit der vorsichtigen Formel:<br />
„Wir brauchen Kontinuität durch Evolution<br />
statt durch Revolution.“ Mehr als<br />
Vorsicht, dafür entschiedene Ablehnung<br />
ist jedoch geboten, wenn es um die Herausforderung durch<br />
den gerade erst zum SportAccord-Präsidenten gewählten<br />
Marius Vizer geht. Der in Rumänien gebürtige Ungar gewann<br />
die Präsidentschaft im Dachverband von 91 internationalen<br />
Sportverbänden mit seinem Plan, bereits 2017 in einem Land<br />
erste „Vereinte Weltmeisterschaften“ aller angeschlossenen<br />
Organisationen durchführen zu wollen, natürlich auch als<br />
Geldmaschine, um den bisher eher im Hintergrund wirkenden<br />
SportAccord zu einem Global Player zu machen. Was wie ein<br />
Sergej Bubka (49), Ukraine<br />
IOC-Eintritt 2000, von 2000 bis 2008 als Athletenvertreter<br />
in der Exekutive, danach unabhängiges IOC-Mitglied und<br />
seit 2012 wieder mit Sitz im Führungsgremium.<br />
S<br />
ergej Bubka hat bisher fast alle Höhen in seinem Leben genommen.<br />
Als Stabhochspringer gewann er bei vier <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen einmal Gold (Seoul 1988), wurde sechs Mal Weltmeister und<br />
setzte 35 Weltrekorde, von denen zwei noch unerreicht sind: 6,15<br />
Meter in der Halle und 6,14 Meter außerhalb. Er schaffte dies,<br />
berechnend und deshalb besonders einträglich, zentimeterweise.<br />
Berechnend war dann auch sein schier unaufhaltsamer Aufstieg als<br />
Sportfunktionär und Geschäftsmann. In der<br />
Ukraine erkämpfte er sich 2005 die NOK-Präsidentschaft,<br />
was ihm die Eintrittskarte in die<br />
Welt der Oligarchen verschaffte. Das wiederum<br />
machte ihn zu einem steinreichen Mann. In der<br />
Ukraine spricht man ihm ein Vermögen von<br />
mehreren hundert Millionen Dollar zu. Im<br />
Internationalen Leichtathletik-Verband schaffte<br />
es der außerordentlich betriebsame Bubka bis<br />
zur Vizepräsidentschaft. Dort will er im kommenden Jahr, mit dem<br />
Briten Sebastian Coe als Rivalen, auch Präsident werden. In seiner<br />
Bewerbung gibt Bubka wieder einmal alles. Er wolle „Hingabe, Energie,<br />
Dynamik und Motivation einbringen“, all das, „was für eine<br />
solche Verantwortung nötig ist“. Und natürlich wolle er, „wenn nötig,<br />
24 Stunden am Tag für den Erfolg der <strong>Olympische</strong>n Bewegung<br />
arbeiten“. Und wenn der Präsident dann auch erstmals bezahlt<br />
würde, wolle er das Geld gern annehmen - um es für wohltätige<br />
Zwecke zu spenden. Inzwischen hat Rogge seinen Vorschlag auf<br />
Honorierung des Ehrenamts zurückgezogen.<br />
Phantasma erscheint, wirkt allein durch<br />
seine Ankündigung wie eine Art Kriegserklärung<br />
an das IOC. Vizer ist als Präsident<br />
des Judo-Weltverbandes, wie die<br />
anderen 27 Sommersportverbände,<br />
auch Teilhaber an <strong>Olympische</strong>n Spielen.<br />
Gerade erst sind sie vom IOC für ihr<br />
Mitwirken an den Londoner Spielen mit<br />
520 Millionen Dollar reich entlohnt worden. Eine Super-<br />
Weltmeisterschaft wären Gegenspiele. In der Katholischen<br />
Kirche würde ein solches Verhalten zur Exkommunikation<br />
führen.<br />
Wer immer zum Steuermann des IOC gewählt wird, er ist,<br />
auch als Hinterlassenschaft von Jacques Rogge, mit ganz<br />
besonderen Herausforderungen konfrontiert:<br />
STRUKTUR/MITGLIEDSCHAFTEN: Soll die<br />
Formel der Vollversammlung mit 75<br />
unabhängigen Mitgliedern und je 15<br />
qua Amtes gewählten Mitglieder aus<br />
NOKs, Sportverbänden und aktiven<br />
Athleten beibehalten oder aber im<br />
Sinne eines Sportparlaments erweitert<br />
werden? Oder soll das IOC einen<br />
Zuwachs an mandatsunabhängigen<br />
Mitgliedern bekommen als Wissensund<br />
Erfahrungstransfer aus anderen<br />
gesellschaftlichen Bereichen? Soll es<br />
dabei bleiben, dass nur 73 von 205<br />
NOKs mit persönlichen Mitgliedern<br />
vertreten sind, davon 19 gleich mehrfach<br />
und die Schweiz zugleich zu Fünft?<br />
Soll die Altersgrenze von 70 Jahren<br />
angehoben werden? Sollen Mitglieder<br />
künftig stärker eingebunden und sogar<br />
bezahlt oder, wie es bei dem Kandidaten<br />
Ng Ser Miang heißt, „ausgestattet“<br />
werden? Heiße Eisen für die sechs<br />
Kandidaten, die nur in ihrer Umschreibung<br />
existieren. Grundsätzlich geht es<br />
darum, die relative Unabhängigkeit<br />
gegen den Ansturm des großen Kapitals<br />
und der Politik zu verteidigen.<br />
ETHIKKOMMISSION: Sie soll Hüterin von<br />
Good Governance sein und Schutzschild<br />
gegen Betrug, Korruption und Manipulation.<br />
Tatsächlich ist sie bisher lediglich<br />
ein Instrument des Präsidenten. Er<br />
ernennt ihre Mitglieder und muss ihnen<br />
einen Einsatz geben für Untersuchungen.<br />
Ihre Ergebnisse gehen lediglich als<br />
Empfehlungen an die Exekutive. Damit<br />
hinkt das IOC zumindest in der Kon-<br />
12
struktion weit hinter dem Fußball-<br />
Weltverband FIFA hinterher. Der hat sich<br />
mittlerweile eine Zweikammer-Kommission<br />
zugelegt, und für diese Konstruktion<br />
spricht sich nun auch Bach aus. Die<br />
eine Kammer wirkt als Staatsanwaltschaft,<br />
die andere als Gericht, und das,<br />
nach Statut, in Unabhängigkeit. Unter<br />
Rogge hat die Ethikkommission eher mit Milde gewirkt. So<br />
durfte der wegen Wirtschaftsverbrechen verurteilte Samsung-Chef<br />
Lee Kun Hee seinen Sitz im IOC behalten. Mit dem<br />
NOK Weißrusslands wurde der größte Sünder unter den<br />
NOKs, die laut Regel zur politischen Unabhängigkeit verpflichtet<br />
sind, nicht einmal suspendiert. Vorsitzender des NOK<br />
ist Alexander Lukaschenko, als Präsident des Landes gilt er als<br />
„letzter Diktator Europas“.<br />
KAMPF GEGEN DOPING: Mit der Gründung<br />
der WADA hat das IOC 2001 die<br />
alleinige Führerschaft im Kampf gegen<br />
den Sportbetrug abgegeben. Nicht<br />
einmal bei den eigenen Spielen ist es<br />
Herr im eigenen Haus. Sein Versuch,<br />
gedopte Athleten über die WADA-<br />
Regeln hinaus von Olympia fern zu<br />
halten, scheiterte vor dem Internationalen<br />
Sportgerichtshof CAS. Auch das<br />
IOC hing lange dem Irrglauben an, dass<br />
die Masse der Tests ein Indiz für erfolgreiche<br />
Aufklärung sei. Zum Nachtest<br />
der eingefrorenen Proben von den<br />
Spielen 2004 in Athen musste es erst<br />
gedrängt werden. Die verseuchte Disziplin<br />
Straßenradsport der Männer blieb<br />
unbehelligt. Die Wahl des australischen<br />
Politikers John Fahey 2008 zum WADA-<br />
Chef bedeutete eher Stillstand. Nun<br />
könnte der Sport selbst, durch die<br />
wahrscheinliche Wahl des Briten Craig<br />
Reedie, Mitglied der IOC-Exekutive,<br />
mehr Einfluss für einen wirkungsvolleren<br />
Kampf gegen Doping ausüben.<br />
WAHL DER OLYMPIASTÄDTE: Eine seiner<br />
wichtigsten Entscheidungen wird vom<br />
IOC höchst unzureichend vorbereitet<br />
und gesteuert, und das ausgerechnet<br />
auf einem Feld mit massivster Einflussnahme<br />
von Wirtschaft und Politik. Die<br />
eigenen Prüfberichte sind oberflächlich<br />
und Kandidaten kaum unterscheidbar.<br />
Das gilt auch für die sogenannten<br />
Bidbooks, die von einigen Spezialagenturen<br />
als Hochglanzprodukt hergestellt<br />
werden. Die Angaben wirken in der<br />
Realität der Umsetzung, vor allem was<br />
die Kosten angeht, wie ein Wunschkonzert.<br />
Am Ende kostet allein eine Kandidatur<br />
bis zu 100 Millionen Dollar. Die<br />
Prüfberichte werden von den IOC-<br />
Mitgliedern kaum geprüft, die Bewerberstädte<br />
dürfen sie nicht einmal in<br />
Augenschein nehmen. Notwendige<br />
Konsequenzen: Die Prüfung muss, auch durch Beteiligung<br />
außerolympischer Experten, professionalisiert und in einem<br />
Prozess langfristig begleitet werden. Dabei könnte die UNEP<br />
als Umweltunterorganisation der UN ein Testat zur Umweltproblematik<br />
liefern. Bach schlägt vor, eine „Kommission für<br />
Nachhaltigkeit“ zu etablieren. Eine Wiederzulassung der<br />
Inspektion durch die IOC-Mitglieder als Gemeinschaftsbesuche<br />
würde Sinn machen. Gespart werden könnten dadurch<br />
die Vielzahl unsinniger Präsentationen in aller Welt. Begleitet<br />
Denis Oswald (66), Schweiz<br />
IOC-Eintritt 1991, Mitglied der Exekutive von 2000 bis<br />
2012.<br />
E<br />
s gibt nicht viele Olympier, die sich so verdient gemacht haben<br />
wie der bescheidene Denis Oswald. Als Sportler hat er sich mit<br />
einer olympischen Bronzemedaille im Rudern schmücken können.<br />
Seine Karriere als Spitzenfunktionär begann 1989 mit der Präsidentschaft<br />
im Welt-Ruderverband. Bis zum vergangenen Jahr<br />
vertrat Oswald die Interessen der Sommersport-Verbände in der<br />
IOC-Exekutive und war als Koordinator verantwortlich für die<br />
Vorbereitung der Sommerspiele in Sydney und Athen. Parallel dazu<br />
schaffte es der Jurist zu einer Professur in<br />
Neuenburg. Man kann ihn aus guten Gründen<br />
einen Fachmann für Olympismus nennen, und<br />
wenn er über die Verteidigung olympischer<br />
Werte spricht, dann wirkt das nicht hohl wie<br />
bei einigen seiner Mitbewerber. Er will Dienst<br />
an der Sache leisten, „ich habe etwas zu bieten<br />
und offeriere es dem IOC“. Er hoffe, dass das,<br />
„was ich bin und was ich getan habe mehr<br />
zählt als Händeschütteln und Kontaktpflege“. Oswalds Credo:<br />
<strong>Olympische</strong> Spiele „auf höchstem Niveau zu organisieren“, mit<br />
„unvergleichlichem Charakter“ fern einer „Anhäufung von Weltmeisterschaften“.<br />
Mit seiner Entscheidung zur Kandidatur habe sich<br />
seine Ambition auf den wichtigen, Ende des Jahres frei werdenden<br />
Präsidentenposten bei der Weltantidoping-Agentur WADA „erledigt“.<br />
Das macht den Weg frei für seinen britischen Kollegen in der<br />
IOC-Exekutive, Sir Craig Reedie.<br />
13
werden müsste der Vergabeprozess<br />
durch strikte Überwachung und Sanktionierung<br />
von Regelverletzungen.<br />
Kenner der Verhältnisse sprechen<br />
gegenwärtig von einem (nicht erlaubten)<br />
Tourismus der Bewerber Istanbul,<br />
Madrid und Tokio zu den IOC-Mitgliedern<br />
in einem nie dagewesenen Ausmaß.<br />
OLYMPIAPROGRAMM: Rogge ist mit seiner Politik der Erneuerung<br />
weitgehend gescheitert, auch deshalb, weil der Lobbyismus<br />
für Sportarten maßlos ist. Er hinterlässt seinem Nachfolger<br />
kein verlässliches Verfahren der Modernisierung. Bach<br />
und auch sein Schweizer Mitbewerber Oswald wollen mit<br />
„Flexibilität“ erneuern. Die 28 muss demnach nicht unbedingt<br />
die Maximalzahl sein. Raum für Neues soll unter der Vorgabe<br />
von 10 500 Sportlern über die Reduzierung von Disziplinen<br />
geschaffen werden.<br />
OLYMPISCHE WERTE: Das IOC immer mehr und vor allem ein<br />
Konzern, der seine Unterhaltungsware mit großem Erfolg<br />
verkauft? Oder aber eine Organisation, der es gelingt, das<br />
<strong>Olympische</strong> neu und glaubwürdig zu definieren im Spannungsbereich<br />
von Markt oder Tempel, Markt und Tempel,<br />
Markt im Tempel oder Tempel als Markt?<br />
Dabei reicht es nicht aus, die Werbung aus olympischen<br />
Arenen auch weiterhin zu verbannen, Olympiasiege nicht zu<br />
prämieren und IOC-Präsidenten nicht zu entlohnen. Die<br />
Neudefinition von Olympisch setzt ein<br />
eindeutiges Regelwerk voraus, dessen<br />
Grundlage Fairplay bildet. Fairplay als<br />
globales olympisches Grundprinzip für<br />
Erziehung und Soziales, für demokratisches<br />
Verhalten und Transparenz. Dabei<br />
ist Gewinnstreben erlaubt und sogar<br />
gefordert, solange es dem Fairplay<br />
dient. Ein solches olympisches Komitee müsste seine Selbstbeschränkung<br />
und Genügsamkeit, die auch als Isolation wirkt,<br />
aufgeben.<br />
Als eine Weltorganisation, die sich selbst für bedeutend hält,<br />
ist das IOC bisher kaum vernehmbar, bietet sich viel zu wenig<br />
als Gesprächs- und Kooperationspartner an und betreibt dazu<br />
eine kaum wahrnehmbare Öffentlichkeitsarbeit. Die Aufnahme<br />
in die UN mit Beobachterstatus erschöpft sich weitgehend<br />
in dem gemeinsamen Aufruf zum „olympischen Frieden“<br />
während <strong>Olympische</strong>r Spiele. Als sich jüngst 137 Länder in<br />
Berlin zur 5. UNESCO-Weltsportministerkonferenz trafen,<br />
glänzte das IOC durch Abwesenheit. Eine engere Kooperation<br />
mit der Umwelt-Unterorganisation UNEP kam bisher nicht<br />
zustande. Auch deshalb konnte deren ehemaliger Vorsteher<br />
Klaus Töpfer im Zusammenhang mit den bevorstehenden<br />
Winterspielen in Sotschi sagen, er vermisse „jegliches Gespür<br />
für Nachhaltigkeit“. Es gäbe „eine Dissonanz zwischen Ökologie,<br />
Ökonomie und sozialer Verantwortung“. Die „Kurzfristigkeit<br />
und Kurzsichtigkeit“ sei beklagenswert. Präziser ist kaum<br />
zu kritisieren, warum das IOC sich öffnen muss für einen<br />
Informations-, Wissens- und Ideentransfer.<br />
D<br />
ie IOC-Vollversammlung wird gegenwärtig von 100 persönlichen<br />
Mitgliedern gebildet. Am Wahltag des 10. September<br />
in Buenos Aires wird sich die Zahl auf maximal 103 erhöhen.<br />
Anfang Juli werden bei einer Sonder-Session in Lausanne die<br />
vier bei den London-Spielen von den Olympia-Teilnehmern<br />
gewählten Athletenvertreter Danka Bartekova (Slowakei),<br />
James Tomkins (Australien), Kirsty Coventry (Zimbabwe) und<br />
Tony Estanguet (Frankreich) in das IOC aufgenommen werden.<br />
In Buenos Aires selbst wird die Session formal den Antrag des<br />
frisch gekrönten Königs der Niederlande, Willem-Alexander,<br />
auf Rückgabe der Mitgliedschaft annehmen.<br />
Die Entscheider<br />
Die dann 103 Mitglieder verteilen sich auf 73 (von 205) NOK-<br />
Länder, wovon 53 mit jeweils einem Olympier vertreten sind.<br />
Die Mehrfach-Länder werden von der Schweiz (5) und Großbritannien<br />
(4) angeführt. Aus China, Russland, Spanien, Italien,<br />
USA, Frankreich und Australien kommen jeweils drei Mitglieder.<br />
Deutschland zählt mit Thomas Bach und Claudia Bokel zu<br />
den zehn Ländern mit je zwei olympisch Auserwählten.<br />
Mit 43 Mitgliedschaften wird Europa in Buenos Aires weiterhin<br />
über die meisten Stimmen verfügen. Im Kontinental-<br />
Vergleich folgen Asien (25), Amerika (18 - je fünf aus Nordund<br />
Südamerika, 8 aus Mittelamerika und Karibik), Afrika (11)<br />
und Ozeanien (6).<br />
Bei der Abstimmung dürfen jene Ländervertreter nicht mitwählen,<br />
die noch einen Kandidaten im Präsidentschaftsrennen<br />
haben. Der neue Präsident benötigt die absolute Mehrheit<br />
der abgegebenen Stimmen. Bis dahin scheidet jeweils der<br />
Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus.<br />
14
„Im richtigen Moment<br />
alles geben.“<br />
Jeder hat ein Ziel.<br />
Die GlücksSpirale unterstützt den Spitzen- und<br />
Breitensport bislang mit mehr als 660 Millionen Euro.<br />
Die Rentenlotterie, die Gutes tut.<br />
www.gluecksspirale.de
I Vorsicht Spitzensport! –<br />
m deutschen Hochleistungssport haben kürzlich<br />
einmal mehr die Alarmglocken geläutet.<br />
Mit einer Agenturmeldung über eine Befragung<br />
deutscher Hochleistungssportler wurde eine Diskussion<br />
ausgelöst, die sich in ihrer Hilflosigkeit kaum<br />
überbieten lässt. Im Auftrag der Stiftung Sporthilfe,<br />
finanziert durch das Bundesministerium des Innern, wurden<br />
von einem Institut der Sporthochschule Köln mehr als 1.000<br />
Kaderathleten über ihre soziale Lage befragt, in der sie sich<br />
derzeit befinden. Es handelt sich dabei um eine Befragung,<br />
wie sie überall in der Welt schon mehrfach durchgeführt<br />
wurde. Nahezu theorielos werden beliebig konstruierte Fragen<br />
an Athleten gerichtet, die diese mehr oder weniger aufrichtig<br />
beantworten, wobei die Verweigerung von Antworten dabei<br />
immer üblicher geworden ist. Das, was dabei also herauskommt,<br />
sind Antworten auf konstruierte Fragen, die man<br />
allenfalls als eine Annäherung an die Wirklichkeit bezeichnen<br />
kann. Die tatsächliche Situation, in der die Athleten leben und<br />
handeln, lässt sich auf diese Weise nicht abbilden.<br />
Die Rezeption der Ergebnisse hingegen spricht eine andere<br />
Sprache. Demnach müssen die Athleten mit wenig Geld ihren<br />
Lebensunterhalt bestreiten und haben dabei außergewöhnlich<br />
hohe Trainings- und Wettkampfbelastungen zu bestehen. Ihr<br />
Gesundheitsrisiko ist sehr hoch. Zehn Prozent gestehen dabei<br />
angeblich, gedopt zu haben, und da viele die Antwort auf<br />
diese Frage verweigern, wird auf eine Dopingquote unter<br />
deutschen Athleten von zirka 50 Prozent geschlossen. Das<br />
psychische Risiko scheint dabei auch sehr hoch zu sein, Burn-<br />
Out-Symptome werden ebenso benannt wie Zukunftsängste.<br />
An der Diskussion beteiligen sich Athleten, Trainer, Wissenschaftler,<br />
Funktionäre – nicht zuletzt auch die Verantwortlichen<br />
im DOSB melden sich zu Wort. Mehrheitlich wird versprochen,<br />
dass man nunmehr alles zu tun hat, um diesen<br />
Problemen entgegen zu treten.<br />
Betrachtet man die Diskussion über die angeblich so alarmierenden<br />
Befunde der neuen Studie aus einer distanzierten<br />
Perspektive, so ist deren Oberflächlichkeit besonders auffällig.<br />
Vorschnelle Verallgemeinerungen sind dabei die Folge, und<br />
eine kritische Diskussion der Methode und eine Überprüfung<br />
der Reichweite der Untersuchung findet schon gar nicht<br />
statt. Vor allem tritt man nicht in eine vergleichende Betrachtung<br />
ein, um die Frage aufzuwerfen, ob sich die Entwicklung<br />
im Hochleistungssport im Sinne eines gefährlichen Totalisierungsprozesses<br />
verschärft hat oder ob es sich lediglich um<br />
eine Wiederholung alter Befunde handelt.<br />
Die Risiken, die heute im Hochleistungssport zu beobachten<br />
sind, sind vor allem jene, wie sie bereits vor Jahrzehnten in<br />
vielen Analysen und Studien zum Hochleistungssport<br />
beschrieben wurden.<br />
Bei aller berechtigten Kritik an dieser Diskussion darf allerdings<br />
nicht übersehen werden, dass die Initiative der Stiftung<br />
<strong>Deutsche</strong> Sporthilfe in die richtige Richtung weist. Es muss<br />
auch anerkannt werden, dass bei dieser Studie immerhin<br />
mehr als 1.000 Spitzensportler über ihre eigenen Probleme<br />
sprechen und dass sich uns dabei ein Szenario unterschiedlicher<br />
Risiken zeigt, das durchaus als dramatisch zu bezeichnen<br />
ist. Eine wiederholte genaue Beschreibung kann deshalb<br />
durchaus notwendig und hilfreich sein.<br />
Da ist zunächst das Gesundheitsrisiko, das für nahezu sämtliche<br />
olympische Sportarten konstitutiv ist, was dazu geführt<br />
hat, dass das Gesundheitsmotiv zur Legitimation des Hochleistungssports<br />
nur noch in ideologischen Proklamationen<br />
verwendet werden kann. Deshalb ist es auch äußerst fraglich,<br />
wenn die Verantwortlichen des internationalen Sports den<br />
Anti-Doping-Kampf mit dem Schutz der Gesundheit der<br />
Athleten begründen. Die Gefahr, dass das Training im Hochleistungssport,<br />
die vielen Wettkämpfe und die ständig wachsende<br />
Belastung der Athleten die Gesundheit gefährden, hat<br />
sich in den vergangenen Jahren erheblich vergrößert. Die<br />
Verletzungsrisiken sind in fast allen olympischen Sportarten<br />
offensichtlich. Der Umgang mit den Verletzungen ist äußerst<br />
nachlässig. Von einem verantwortlichen Gesundheitsmanagement<br />
kann nur in wenigen Fällen des Hochleistungssports<br />
gesprochen werden. Die Gefahr, dass Athletinnen und Athleten<br />
langfristige Folgeschäden nach ihrer sportlichen Karriere<br />
aufweisen, ist nach wie vor gegeben. Diesbezügliche Befunde<br />
sind mehr als alarmierend. Lösungen für das Problem sind<br />
nicht in Sicht.<br />
Neben der Gesundheit muss der Athlet sehr viel Geld und Zeit<br />
investieren, hat er eine erfolgreiche Leistungssportkarriere<br />
zum Ziel. Sein finanzielles Investitionsrisiko ist dabei außergewöhnlich<br />
hoch. Wer Leistungssport betreibt, der muss in<br />
vielen Sportarten sehr viel Eigenkapital einbringen, ohne dass<br />
absehbar ist, jemals eine Rendite dafür zu erhalten. Bereits im<br />
Kindesalter müssen Eltern in die Karriere des zukünftigen<br />
Athleten investieren. Für die meisten Athleten reichen die<br />
Einnahmen aus Antritts- und Erfolgsprämien gerade aus, um<br />
das nahezu tägliche Training, die Wettkämpfe und die damit<br />
verbundenen Reisen zu finanzieren. Kommen überraschende<br />
Verletzungen hinzu, die möglicherweise ein Karriereende<br />
auslösen, so können hohe Schulden die Folge sein. Eine<br />
finanzielle Absicherung für die Zeit nach der Karriere gelingt<br />
nur wenigen Hochleistungssportlern. Hochleistungssport ist<br />
in fast allen Sportarten ein berufliches Handeln auf Zeit, das<br />
auf das Hier und Jetzt ausgerichtet ist, und bei dem die Zeit<br />
danach so gut wie nicht im Blick ist. Die Organisatoren des<br />
Sports selbst fühlen sich für die Zeit danach nicht verantwortlich.<br />
Deshalb kann es auch kaum überraschen, dass<br />
16
Eine Risikoeinschätzung<br />
Von Helmut Digel<br />
Athleten nach Karriereende nur im Ausnahmefall für die<br />
jeweiligen Sportverbände noch über eine relevante Bedeutung<br />
verfügen. Für die meisten Athleten folgt nach ihrer<br />
Verabschiedung aus einer Nationalmannschaft das allgemeine<br />
Vergessen. Sie sind mit ihren Nöten auf sich selbst gestellt.<br />
Von einer sozialen Absicherung kann nicht die Rede sein.<br />
Der zweite Risikokomplex ist eng verbunden mit einem Dritten,<br />
der auf die Probleme verweist, die dadurch entstehen,<br />
dass Athleten heute in ihrer Leistungssportkarriere Anforderungen<br />
gerecht werden müssen, durch die ihre gesamte<br />
Persönlichkeit gefordert ist. Hochleistungssport betreiben<br />
heißt dabei, sich einer Sache voll und ganz verpflichtet fühlen,<br />
sehr viel Zeit für dieses Handeln aufzubringen, sich in<br />
einem engen begrenzten Handlungsfeld zu bewegen und sich<br />
mit einem Tunnelblick auf die höchsten Ziele auszurichten.<br />
Die soziale Integration der Athletinnen und Athleten in<br />
verschiedene Lebenswelten ist deshalb in der Regel sehr<br />
begrenzt. Hochleistungssport findet in der Lebenswelt des<br />
Hochleistungssports statt, und die soziale Bindung bezieht<br />
sich auf die Menschen, die sich in diesem Handlungsfeld<br />
bewegen. Fällt der Athlet aus diesem Feld heraus, so ist er mit<br />
Bindungslosigkeit konfrontiert. Er ist alleine auf sich gestellt,<br />
die Handlungskompetenz reicht nicht aus, um Anschluss in<br />
anderen Handlungsfeldern zu finden.<br />
Das Risiko der unzureichenden sozialen Bindung hängt mit<br />
den Ansprüchen zusammen, die heute das System des Hochleistungssports<br />
an die Athleten richtet. Der finnische Soziologe<br />
Heinilä hat in diesem Zusammenhang von einem Totalisierungsprozess<br />
des Hochleistungssports gesprochen, in dem<br />
dieser sich befindet, was so viel bedeutet, dass der Mensch in<br />
diesem System jeweils total in Anspruch genommen wird. Das<br />
heißt, andere Welten sind für ihn nicht mehr erschließbar. In<br />
diesem Zusammenhang muss deshalb auch von einem Bildungsrisiko<br />
gesprochen werden, das mittlerweile im Hochleistungssport<br />
entstanden ist. Wenn Trainer, Funktionäre und die<br />
übrige Umwelt des Athleten diesem nahe legen, sich voll und<br />
ganz auf den Hochleistungssport zu konzentrieren, nichts<br />
Anderes zu tun, als das anspruchsvolle Ziel des olympischen<br />
Sieges zu verfolgen, so darf man sich nicht wundern, dass die<br />
Bildungs- und Erziehungskarrieren der Athletinnen und<br />
Athleten immer kürzer werden, dass Ihre Bildung einseitig ist,<br />
von einer umfassenden Allgemeinbildung schon gar nicht<br />
mehr gesprochen werden kann und anderweitige kulturelle<br />
Interessen bei Hochleistungssportlern eher zur Ausnahme<br />
geworden sind, als dass sie regelmäßig angetroffen werden<br />
können. Wer täglich zu trainieren hat und dies mehrere<br />
Stunden am Tag, wer sich nur noch unter seinesgleichen<br />
bewegt, wessen Freundeskreis zwangsläufig begrenzt sein<br />
muss, wer seine Freizeitinteressen einzugrenzen hat und die<br />
Freizeit allenfalls zur Kompensation der Belastungen beitragen<br />
kann, dessen Persönlichkeitsentwicklung ist notwendigerweise<br />
problematisch und begrenzt, wenn ihm nicht außergewöhnliche<br />
Hilfen bereitgestellt werden.<br />
Die Beschreibung von Risiken im Hochleistungssport könnte<br />
fortgeführt werden. Was diesen Risiken gemeinsam ist, ist der<br />
Sachverhalt, dass die Athleten heute mit ihnen konfrontiert<br />
sind, ohne dabei eine angemessene Hilfe zur Bewältigung<br />
und zur Minderung dieser Risiken zu erhalten. Auf diese<br />
Weise ist der gesamte Hochleistungssport für die Entwicklung<br />
von Kindern und Jugendlichen zum Risiko geworden. Es darf<br />
nicht überraschen, dass immer mehr Menschen sich gegen<br />
den Hochleistungssport aussprechen, immer mehr junge<br />
Athleten ihre Karrieren beenden und immer mehr Eltern<br />
bemüht sind, ihre Kinder von einer derartig gefährlichen<br />
Karriere fernzuhalten. Die Risiken, die Kinder und Jugendliche<br />
im Hochleistungssport antreffen, gefährden die zukünftige<br />
Entwicklung des Hochleistungssports in grundsätzlicher<br />
Weise. Werden sich die Verantwortlichen des Hochleistungssports<br />
dieser Risiken nicht annehmen, wird es zukünftig keine<br />
soziale Absicherung für die Athleten geben. Wird der Wettkampfkalender<br />
durch die Funktionäre nicht bereinigt, werden<br />
die Trainingsbelastungen nicht zurückgenommen, wird nicht<br />
eine wirkliche Doppelkarriere für die Athleten durch entsprechende<br />
Betreuungsmaßnahmen ermöglicht, werden die<br />
finanziellen Hilfen<br />
zu Gunsten aller<br />
Athleten und<br />
nicht nur der<br />
erfolgreichen<br />
Athleten nicht<br />
ausgebaut, und<br />
wird dem Athleten<br />
nicht geholfen,<br />
dass er sich<br />
umfassend bilden<br />
kann, so hat der<br />
Hochleistungssport<br />
keine verantwortbare<br />
Zukunft aufzuweisen.<br />
Seine kulturelle<br />
Bedeutung ist<br />
heute vielmehr in<br />
hohem Maße<br />
gefährdet.<br />
17
OF: Seit dem Verbandstag der Ruderer Anfang Februar ist<br />
klar, dass Sie auch im nächsten olympischen Zyklus am<br />
Bundesstützpunkt in Dortmund für den Deutschland-Achter<br />
der verantwortliche Bundestrainer sein werden. Was motiviert<br />
Sie auf dem Weg zu den nächsten Sommerspielen<br />
2016 in Rio?<br />
Holtmeyer: Das Spannende ist ja immer wieder aufs Neue,<br />
gemeinsam mit verschiedenen Menschen zu arbeiten. Nach<br />
Hochleistungssport sehr dynamisch zugeht, wo alte Strukturen<br />
aufgebrochen werden und Neues entsteht, während<br />
wir im deutschen Leistungssport insgesamt eher verharren<br />
und von solchen Reformen insgesamt keine Rede sein<br />
kann. Ins Ausland zu wechseln, das wäre für mich persönlich<br />
auf Grund meiner familiären Situation etwas schwierig.<br />
Meine beiden Kinder gehen hier zur Schule und sind<br />
mit den Verhältnissen eng verwachsen. Meine Frau arbeitet<br />
als Lehrerin an einem Gymnasium. Da kann man nicht<br />
„Es wird immer nur ein bisschen<br />
herumgedoktert. Für echte Reformen<br />
scheinen wir keine Kraft zu haben.“<br />
Ralf Holtmeyer, Trainer des Jahres 2012, der den Deutschland-<br />
Achter in London zum Olympia-Sieg führte<br />
dem Olympiasieg von London gilt es jetzt, einen neuen<br />
Achter zu formen. Der Umbruch wird ja unvermeidlich sein.<br />
Wahrscheinlich wird die Hälfte des Olympia-Achters von<br />
London in dieser Saison nicht mehr dabei sein, weil die<br />
Sportler sich im nacholympischen Jahr entweder stärker auf<br />
ihr Studium konzentrieren oder weil ein paar von ihnen ihre<br />
Karriere beendet haben.<br />
OF: Gab es einen Moment, an dem Sie vielleicht abzuwandern<br />
gedachten wie die frühere Frauen-Bundestrainerin<br />
Jutta Lau, die nach den Sommerspielen 2008 in Peking<br />
einem Lockruf aus China folgte?<br />
Holtmeyer: Andere Nationen machen sich die Dienste<br />
deutscher Trainer durchaus gern zunutze. Das zeigt, dass<br />
die deutschen Trainer offensichtlich so schlecht nicht sein<br />
können. Jeder, der weggeht, ist natürlich ein Verlust für<br />
den deutschen Sport. In anderen Ländern besteht eben oft<br />
genug die Möglichkeit, als Trainer etwas zu bewegen und<br />
das Umfeld entsprechend mit zu gestalten. Es ist reizvoll,<br />
dort zu arbeiten, wo es - wie beispielsweise in China - im<br />
einfach mal so weg. Wenn ich das machen würde, dann<br />
hätte eine solche Entscheidung für mich etwas Endgültiges.<br />
OF: In einem Interview haben Sie jüngst gesagt, sie würden<br />
jungen Leuten in Deutschland eher davon abraten, die<br />
Trainerlaufbahn einzuschlagen. Schlechte Bezahlung, relativ<br />
kurze Vertragslaufzeiten maximal über einen olympischen<br />
Zyklus hinweg, mangelnde Anerkennung – gibt es noch<br />
andere Gründe?<br />
Holtmeyer: Hinzu kommen die Arbeitszeiten, die nicht klar<br />
strukturiert sind und oft mit dem Familienleben nur schwer<br />
in Einklang zu bringen sind. Ich zum Beispiel bin jedes Jahr<br />
mindestens drei Monate in Trainingslagern oder zu Wettkämpfen<br />
unterwegs. Im vergangenen Jahr sind es sogar<br />
viereinhalb Monate gewesen. Für gut ausgebildete junge<br />
Leute ist das alles in allem ein sehr vages Feld. Jemand hat<br />
mal gesagt, der Trainerberuf ist bei uns so etwas wie ein<br />
Vabanquespiel. Zumal sich ein Trainer auch noch ständig im<br />
Spannungsfeld zwischen seinen Athleten und der Führung<br />
18
seines Verbandes und damit in einer Art „Sandwich-Rolle“<br />
befindet. Es kann für ihn doch nicht nur um trainingsmethodische<br />
und handwerkliche Aspekte gehen, sondern<br />
zugleich um die Mitgestaltung des Umfeldes und der Rahmenbedingungen<br />
für das tägliche Training mit den Athleten.<br />
Der Trainer muss insofern auch immer ein Manager und<br />
Gestalter sein, doch die Spielräume dafür sind ziemlich eng.<br />
Nehmen wir zum Beispiel einen Landestrainer in der Stadt<br />
X, der dort nicht die besten Trainingsbedingungen vorfindet<br />
Athleten, sondern auch von ihren Trainern bis hin zu jenen,<br />
die ein Talent entdeckt, geformt und so weit entwickelt<br />
haben, dass es dann unter die Fittiche eines Bundestrainers<br />
kommen konnte. Oft wird vergessen, dass es nicht nur<br />
Bundestrainer gibt. Tatsache ist: Unser Leistungssport-<br />
System hat sich an einigen Stellen abgenutzt, und es<br />
besteht nicht nur hinsichtlich der Trainersituation dringend<br />
Reformbedarf. Das soll nicht als Meckerei verstanden werden,<br />
sondern als realistische Beurteilung der Lage. Im Detail<br />
hat sich auch manches gebessert, zum Beispiel im Zusammenspiel<br />
mit den Universitäten. Ich kann mich noch gut<br />
erinnern, wie es 1988 vor den Spielen in Seoul gewesen ist.<br />
Da haben die Professoren an der Dortmunder Uni auf meine<br />
Olympia-Kandidaten wenig Rücksicht genommen. Wollt ihr<br />
studieren oder wollt ihr rudern?, hieß es damals. So ist das<br />
heute nicht mehr, obwohl ich mir wünschen würde, dass<br />
man die „duale Karriere“ bei Spitzenathleten nicht nur von<br />
Semester zu Semester plant, sondern möglichst über ein<br />
ganzes Studium hinweg. Das würde den Trainern, gerade im<br />
Ausdauerbereich, Einiges leichter machen.<br />
OF: Sie haben geäußert, die Situation der Trainer habe sich<br />
in der jüngeren Vergangenheit seit dem Start der „Traineroffensive“<br />
des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n Sportbundes (DOSB) in<br />
den vergangenen sechs Jahren eher noch verschlechtert als<br />
verbessert. Was müsste geschehen, damit Besserung eintritt?<br />
und trotzdem die Sportler ausgerechnet an diesem Standort<br />
zusammenziehen soll. Vielleicht wäre es im konkreten Fall<br />
besser, wenn der Trainer eher flexibel in den Vereinen als<br />
Beobachter arbeiten würde. Vieles hängt von den Konzepten<br />
des einzelnen Verbandes und des Personals ab. Wechselt der<br />
Präsident, kann es sein, dass alles umgekrempelt wird.<br />
Trainer zu sein, ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden.<br />
Wenn aber jemand total verrückt danach ist, in diesem<br />
Beruf zu arbeiten, dann soll er das ruhig machen. Dann<br />
würde ich ihm das nicht ausreden.<br />
OF: Helmut Digel von der Uni Tübingen hat die Situation<br />
der Trainer in Deutschland als „katastrophal“ bezeichnet.<br />
Können Sie dieses Urteil unterstreichen?<br />
Holtmeyer: So generell würde ich das nicht sagen. Es<br />
hängt immer ganz konkret davon ab, wie es gerade läuft.<br />
Die Situation ist wahrscheinlich von Verband zu Verband<br />
unterschiedlich. Prinzipiell ist es so, dass wir zwar den Erfolg<br />
lieben, aber nicht den Weg dahin. Medaillen und sportliche<br />
Erfolge sind das Ergebnis jahrelanger Arbeit nicht nur der<br />
Holtmeyer: Für mich ist die Problematik des Trainerberufs<br />
nur ein besonders wichtiger Teil des Ganzen. Das Thema<br />
steht für mich im Zusammenhang mit der grundsätzlichen<br />
Frage, welche Rolle der Sport in unserer <strong>Gesellschaft</strong> überhaupt<br />
spielen soll, wo wir mit dem Sport im Allgemeinen<br />
und mit dem Spitzensport im Besonderen überhaupt hin<br />
wollen. Von dieser Antwort leitet sich alles Andere ab, auch<br />
die Fragen des Bedarfs an Trainern, von Planstellen und der<br />
finanziellen Ausstattung. Ich betrachte den Sport zuallererst<br />
als Teil des Bildungssystems, doch Sport und Bewegung wird<br />
bei uns – anders als im anglo-amerikanischen Raum -<br />
zunehmend vernachlässigt. Sind die Autobahnen in einem<br />
schlechten Zustand oder der Benzinpreis steigt, dann meldet<br />
sich regelmäßig der ADAC zu Wort und wirft sich für<br />
seine Mitglieder in die Bresche. Wenn aber in den Schulen<br />
die Sportstunde stets als erste ausfällt oder das G8-System<br />
den Schülern immer weniger Raum für die sportliche Betätigung<br />
lässt, wo ist dann die Stimme des DOSB? Wo erhebt<br />
dann der organisierte Sport seine Stimme? Wo wird deutlich,<br />
dass 30 Millionen Mitglieder eine wichtige politische<br />
und gesellschaftliche Macht darstellen? Ich höre da eher<br />
wenig.<br />
OF: Die „Traineroffensive“ des DOSB hat also kaum etwas<br />
gebracht, außer alljährlich einen „Trainer des Jahres“ zu<br />
INTERVIEW<br />
19
küren? Für 2012 wurde diese Ehre Ihnen und Hans Melzer<br />
von den Reitern zuteil.<br />
Holtmeyer: Natürlich habe ich mich über diese Auszeichnung<br />
gefreut, auch wenn mir die von den Sportjournalisten<br />
vergebene Ehrung als „Mannschaft des Jahres“ wichtiger ist.<br />
Auf keinen Fall sollte die Auszeichnung „Trainer des Jahres“<br />
ein Alibi für diese Offensive sein oder ihr als Feigenblatt<br />
dienen, denn bisher ist diese Trainer-Offensive sicher nicht<br />
der große Wurf. Für mich ist das eher ein semantisch aufgeladener<br />
Begriff, genau so wie die „Meilenstein-Gespräche“<br />
zwischen Dachorganisation und Spitzenverbänden, die<br />
früher schlicht Verbandsgespräche hießen. Das ist so, als ob<br />
man im Leerlauf Vollgas gibt. Ich sehe die klaren Analysen<br />
nicht, ich sehe beim Dachverband nicht die realistische<br />
Lagebeurteilung. Erst recht, wenn man bedenkt, dass wir in<br />
der Trainerlandschaft mit einer zunehmenden Überalterung<br />
zu tun haben und einen Generationswechsel bewältigen<br />
müssen. Es wird immer nur ein bisschen herumgedoktert.<br />
Für echte Reformen scheinen wir keine Kraft zu haben. Oder<br />
es fehlt der nötige Druck dafür, weil wir gegenüber der<br />
internationalen Konkurrenz alles in allem immer noch gut<br />
aufgestellt sind und irgendwie immer genügend Medaillen<br />
gewinnen können. Einen wirklichen Bruch haben wir nur<br />
1990 einmal erlebt, mit dramatischen Folgen. Da kamen aus<br />
dem Osten beispielsweise auf einmal 250 Rudertrainer auf<br />
den Markt, der daraufhin zusammenbrechen musste. Plötzlich<br />
gab es nicht nur bei uns Ruderern ein Überangebot von<br />
Trainern, das zu Dumpinglöhnen führte.<br />
OF: Hierzulande ist noch nicht einmal das Berufsbild des<br />
Trainers klar definiert. Vom Übungsleiter mit C-Lizenz bis<br />
zum Spitzencoach darf sich jedermann Trainer nennen. Es<br />
gibt ein unübersichtliches Geflecht aus Chef- und Bundestrainern,<br />
Vereins-, Landes- und Stützpunkttrainern, den<br />
Trainern an Olympiastützpunkten, mischfinanzierten Trainern,<br />
ein regelrechtes Dickicht…<br />
Holtmeyer: Ja, und dieses Dickicht ist ungesund und<br />
gefährlich. Auch hier müsste man unbedingt eingreifen,<br />
auch das wäre eine sehr zeitgemäße Aufgabe. Es gibt auch<br />
noch die „Schnittstellentrainer“. Was für ein Wort! Schnittstellentrainer,<br />
wer möchte denn so etwas sein? Über die<br />
Jahrzehnte hinweg ist da ein regelrechter Flickenteppich<br />
entstanden, und die Bürokratie treibt ihre Blüten. Es ist ja<br />
schon in unserem relativ kleinen und überschaubaren<br />
Ruder-Verband schwierig, eine gesunde Trainer-Pyramide<br />
mit klar abgegrenzten Kompetenzen aufzubauen. Es gibt<br />
bei uns zum Beispiel Landestrainer, die zugleich für den<br />
DRV tätig sind. Schon da kann es schwierig werden, wenn<br />
Neid oder ungesunde Konkurrenz die Arbeit behindern. Um<br />
es deutlich zu sagen: Ich wünsche mir kein absolut zentralistisches<br />
System mit nur einem Arbeitgeber. Das ist in<br />
einem so großen Land wie unserem gar nicht möglich.<br />
Doch einige rote Fäden und Orientierungsmarken im<br />
Gesamtsystem wären ganz schön und wünschenswert,<br />
wenn es nicht bei Stückwerk und Zufallsprodukten bleiben<br />
soll.<br />
OF: Gibt es eine Lobby zur Interessen-Vertretung der Trainer,<br />
etwa gegenüber dem DOSB?<br />
Holtmeyer: Nein, leider nicht. Der Beirat der Bundestrainer,<br />
den es früher einmal gab, wurde abgeschafft. Es existiert<br />
zwar ein Gremium wie die jährlich tagende Bundestrainer-<br />
Konferenz, aber da sitzen um die 150 Leute und nicht nur<br />
Trainer, und so ist es schwer, sich gemeinsam zu artikulieren.<br />
Sportarten übergreifend gibt es leider auch viel zu wenige<br />
Kontakte zwischen den Trainern. Ich hatte schon mal überlegt,<br />
ob man den Trainer-Beirat oder ein ähnliches Gebilde<br />
neu gründen und eine solche Gruppe wieder ins Leben<br />
rufen könnte. Man müsste das dann natürlich sehr konsequent<br />
und professionell machen, da liegen die ganz praktischen<br />
Probleme. Wir brauchen eine eigene Organisation, um<br />
die Interessen der Trainer zu vertreten. So etwas wäre meines<br />
Erachtens außerdem ein wichtiges Pendant zum „Beirat<br />
der Aktiven“, der Interessenvertretung der Sportlerinnen<br />
und Sportler. Mit einer eigenen Organisation könnten wir<br />
als Trainer zugleich den Dialog mit den Athleten pflegen<br />
und uns austauschen und da, wo es gemeinsame Interessen<br />
gibt, unseren Standpunkt sogar gemeinsam nachdrücklich<br />
artikulieren. Athleten und Trainer, das sind nun einmal die<br />
entscheidenden Figuren in einem funktionierenden Leistungssport-System,<br />
die im Zentrum stehen bzw. stehen<br />
sollten.<br />
OF: Wie wäre es mit der Begründung einer „Stiftung Sporthilfe“<br />
ausschließlich für Trainer?<br />
Holtmeyer: Keine schlechte Idee. Eine Organisation, die nur<br />
für Trainer da ist, wäre jedenfalls äußerst sinnvoll und<br />
zeitgemäß. Eine solche Institution könnte zum Beispiel auch<br />
da sehr hilfreich wirken, wo es gilt, junge Talente unter den<br />
Trainern zu fördern und ihnen berufliche Perspektiven zu<br />
eröffnen. Die Sporthilfe wäre mit dieser zusätzlichen Aufgabe<br />
überfordert. Die Stiftung darf nicht überfrachtet werden<br />
und sollte sich weiterhin ausschließlich auf die Athleten<br />
bezogene Förderung konzentrieren. Das ist immerhin ein<br />
Erfolgsmodell.<br />
Interview: Andreas Müller<br />
20
Ein Unternehmen der dpa-Gruppe<br />
Rom 1960 - Armin Hary gewinnt Gold im Sprint über 100m<br />
Momente für die Ewigkeit.<br />
Unser historisches Archiv und aktuelle Bilder dokumentieren die<br />
Geschichte der <strong>Olympische</strong>n Spiele von 1896 bis heute.<br />
Telefon +49 69 2716 -34770, sales@picture-alliance.com, www.picture-alliance.com
Es ist einer der wenigen sonnigen<br />
Tage in diesem Mai <strong>2013</strong>.<br />
Die Menschen drängeln sich in<br />
den kleinen Cafes in einem Kiez in<br />
Berlins Mitte: Entspannung und<br />
Wellnessfeeling zwischen Latte macciato<br />
und Curry-Wurst. Idylle pur -<br />
wäre da nicht dieses Gespräch, das<br />
einen frösteln lässt. Man mag es<br />
kaum glauben, was Ines Geipel,<br />
ehemalige DDR-Leichtathletin und<br />
seit kurzem Vorsitzende des Vereins<br />
für Doping-Opfer-Hilfe (DOH) erzählt:<br />
Von Beschimpfungen, Attacken in<br />
Zeitungsartikeln oder Netzwerken,<br />
tätlichen Angriffen auf sie in ihrem<br />
Kiez, ganz zu schweigen von den<br />
ständigen Schmierereien an ihrem<br />
Auto. Ines Geipel, Professorin an der<br />
Hochschule für Schauspielkunst Ernst<br />
Busch in Berlin, ist für manche ehemaligen<br />
Mitbürger und -bürgerinnen<br />
oder besser gesagt ehemalige Funktionsträger<br />
des einstigen Arbeiter- und<br />
Bauernstaates eine Hassfigur.<br />
Die Seilschaften<br />
aber Dopingopfer<br />
Von Bianka Schreiber-Rietig<br />
Warum? Schließlich sind doch seit<br />
der deutschen Einheit nun schon<br />
über 20 Jahre vergangen, trennende<br />
Gräben angeblich zugeschüttet und<br />
engstirnige Mauern eingerissen<br />
zwischen den Brüdern und Schwestern<br />
aus Ost und West. Der Satz vom<br />
„Zusammenwachsen, was zusammengehört“<br />
sei Geschichte, so versichern<br />
Politiker und Funktionäre: Es ist<br />
zusammengewachsen. Das behauptet<br />
auch der deutsche Sport. Doch die<br />
Realität ist eine andere, wie das zeigt,<br />
was Ines Geipel zu spüren bekommt<br />
und was sie nun zum zweiten Mal<br />
zum Opfer macht: Sie war eine, die<br />
im DDR-Sport ohne ihr Wissen gedopt wurde, sich in den<br />
Westen absetzte und heute denjenigen auf die Füße tritt, die<br />
damals mitverantwortlich für Zwangsdoping waren beziehungsweise<br />
es mittrugen. Die Chance, ein Team, eine Einheit<br />
herzustellen, wurde schon 1990 vom Sport verpasst: Das<br />
sportliche und somit politische Wettrüsten zwischen West<br />
und Ost, speziell das zwischen der BRD und der DDR war<br />
folgenreich, vor allem für viele Athleten und Athletinnen. Das<br />
DDR-Regime definierte sich über Sporterfolge, die - koste es<br />
was es wolle - erreicht werden sollten. Ein ausgeklügeltes<br />
flächendeckendes Förder- und Dopingsystem war das Rezept<br />
für den Medaillenregen, der für weltweite Anerkennung der<br />
DDR sorgte. Doch diese Titelproduktion forderte Opfer: Mädchen<br />
und Jungen, die im Dienste des sozialistischen Staates<br />
für Vaterland und Partei schon von klein auf in spezielle<br />
Sportschulen mussten. Sie wurden nicht nur um eine unbeschwerte<br />
Kindheit und Jugend gebracht. Manche blieben auf<br />
der Strecke, weil sie nicht gut genug waren, es auch an<br />
Linientreue fehlte. Oder weil sie gesundheitliche Probleme<br />
bekamen als Folge von zu viel Training und/oder zu vielen<br />
„unterstützenden Maßnahmen“.<br />
Über die grenzenlose Experimentierfreudigkeit mit Menschen,<br />
ihren Körpern, ihrem Leistungsvermögen, ihrer Psyche aus<br />
politischer Eitelkeit konnte man nach dem Mauerfall schwarz<br />
auf weiß nachlesen. <strong>Deutsche</strong> Gründlichkeit hat auch hier<br />
22
funktionieren –<br />
haben keine Lobby<br />
Jahrzehntelang hatte man<br />
deutsch-deutsche Gespräche<br />
geführt, sich - zumindest off<br />
the record – dann bei einem<br />
Gläschen angenähert. So war<br />
auch die Haltung in den Verbands-Etagen<br />
und bei den<br />
zuständigen Vertretern des<br />
Bundesinnenministeriums<br />
(BMI) gegenüber möglichen<br />
Doping- oder Stasitätern unter<br />
den Funktionären sehr großzügig.<br />
Auf Anfrage etwa bei<br />
damals (west-)deutschen<br />
Wintersportverbänden, warum<br />
denn nun diese (Ost-)Trainer so<br />
schnell und ohne Überprüfung<br />
angestellt werden, war die<br />
häufigste Antwort: „Wir kennen<br />
den schon lange, der ist<br />
ein netter Kerl und erfolgreich.“<br />
Das reichte auch dem BMI als<br />
Empfehlung für einen Anstellungsvertrag.<br />
Auch wenn der<br />
damalige <strong>Deutsche</strong> Sportbund<br />
Kommissionen zur Stasi-und<br />
Dopingaufarbeitung einrichtete<br />
und honorige Personen für die<br />
Aufarbeitung gewinnen konnte,<br />
blieben doch viele Fragen<br />
offen. Etwa die: Wie gehen wir<br />
mit denen um, die Opfer dieses<br />
Staatssports wurden?<br />
alle gruseligen Fakten detailliert festgehalten. Doch viele<br />
Akten wurden bei den Volks-Stürmen auf Stasizentralen<br />
während der friedlichen Revolution schnell noch im Reißwolf<br />
vernichtet. Es blieben dennoch genug übrig, um den einen<br />
oder anderen Verantwortlichen im DDR-Sport zu überführen.<br />
Gerichte versuchten aufzuklären, führende Funktionäre<br />
wurden verurteilt, wenn auch das Strafmaß in vielen Fällen<br />
von denen, die unter diesem System litten, oft als zu milde<br />
befunden wurde. Verurteilt, und damit ist die Vergangenheit<br />
erledigt? Bloß nicht noch mehr graben. Und außerdem: Nun<br />
wollten die geeinten <strong>Deutsche</strong>n ja auch von der DDR-Medaillenschmiede<br />
profitieren.<br />
Am liebsten wäre es vielen<br />
Offiziellen aus Sport und Politik<br />
gewesen, das Thema auszublenden,<br />
totzuschweigen. „Man<br />
muss auch mal mit der Vergangenheit<br />
abschließen“, ist ein<br />
Standardsatz von Funktionären<br />
auch heute noch bei Nachfragen<br />
zu diesem Thema. Ansonsten gibt DOSB-Generaldirektor<br />
Michael Vesper viele Sprechblasen-Versprechen. Und Präsident<br />
Thomas Bach ist hier besonders schmallippig.<br />
Nachfragen nicht nur bei den Sportverantwortlichen. Besonders<br />
auch bei dem Mitarbeiter in einem Jobcenter, der eine<br />
schwerbehinderte ehemalige DDR-Athletin, die sich bei ihm<br />
als anerkanntes Dopingopfer vorstellt und um Hilfe bei der<br />
Arbeitsplatzsuche bittet, süffisant mit dem Satz abfertigt: „Sie<br />
haben doch damals gewusst, was sie einwerfen.“<br />
Oder bei den ehemaligen schreibenden Kollegen, die im DDR-<br />
Sport an entscheidender Stelle saßen und heute ehemalige<br />
23
Sportlerinnen und Sportler, die sich „als Dopingopfer“ geoutet<br />
haben, nicht nur in Artikeln diffamieren.<br />
Oder bei Trainern und Funktionären, die nach einem kurzen<br />
Abtauchen wieder im Sport in vorderster Linie mitmischen<br />
und damit für ihre ehemaligen Zöglinge, deren Leben sie<br />
mit zugrunde gerichtet haben, eine ständige Provokation<br />
sind.<br />
Die Seilschaften funktionieren schon lange wieder... Und die<br />
Opfer haben keine Lobby.<br />
Dennoch versuchen Einige sich zu wehren und irgendwie ihr<br />
Leben erträglicher zu machen. 10.000 Athleten und Athletinnen<br />
wurden seit 1974 bis zur Einheit mit Dopingmitteln<br />
vollgestopft. Heute gibt es 193 anerkannte Dopingopfer. Sie<br />
erhielten nach dem Dopingopferhilfegesetz von 2002 und<br />
zähen Verhandlungen eine Einmalzahlung, und der Arzneimittelhersteller<br />
Jenapharm, der die „blauen Bohnen“, das<br />
Anabolikum Oral Turinabol herstellte, zahlte 2, 9 Millionen<br />
Euro Schmerzensgeld an die Betroffenen. Ein Klacks für ein<br />
ruiniertes Leben.<br />
Das Leben davor und danach – die Wenigsten wollen darüber<br />
reden. Auch die 400-m-Läuferin Helga Arendt lehnte das<br />
ab. Die ehemalige Hallen-Weltmeisterin und Olympia-Siebte<br />
ist kürzlich im Alter von 49 Jahren an Brustkrebs gestorben.<br />
Wieder eine von ihnen. Auf Interviewanfragen zu ihrem<br />
DDR-Sportlerleben antwortete die Rechtsanwältin stets: „Zu<br />
meiner Zeit im Sport, die lange zurückliegt, möchte ich<br />
nichts sagen.“ Was Helga Arendt zum Schweigen veranlasste,<br />
werden wir nicht mehr erfahren. Andere aber schweigen „aus<br />
Scham und Angst“ sagt Ines Geipel. Helga Arendts Tod ist so<br />
ein Angstmoment für viele von ihnen. „Es fängt sofort im<br />
Kopf zu rattern an,“ schildert eine Schwimmerin, die schweres<br />
Asthma und Rückenprobleme hat, ihre Gemütsverfassung.<br />
„Ich frage mich dann: Muss ich auch so bald sterben?<br />
Ist das die Folge von dem Zeug? Jeden Tag, jeden Tag frage<br />
ich mich das. Und: Was kommt als nächstes?“ Arendts Tod<br />
müsse der Anlass sein, Nachsorgestrukturen aufzubauen, die<br />
die Folgerisiken des Hochleistungssports minimieren, sagt<br />
Geipel.<br />
Im Bundestag wurde gerade auch wieder einmal über eine<br />
Dopingopferrente diskutiert. Es war gegen Mitternacht, und<br />
die Einzige, die vor dem Plenum sprach, war die Grünen-<br />
Der Antidopingkampf braucht mehr Radikalität<br />
D<br />
er qualvolle Tod der Leichtathletin Birgit Dressel hat<br />
vor 26 Jahren den (bundes-)deutschen Sport erschüttert<br />
und eine lang anhaltend heftige Diskussion über<br />
die Abgründe des Dopings ausgelöst. An Betroffenheitsadressen,<br />
Schuldzuweisungen, Mahnungen und Gelöbnissen zu<br />
forschem Vorgehen gegen die Seuche war damals kein Mangel.<br />
Was daraus wurde, ist hinlänglich bekannt. Die Manipulation<br />
ging weiter, auch hierzulande. Im Mai <strong>2013</strong> starb wieder<br />
eine bekannte Leichtathletin, Helga Arendt, nicht mit 27<br />
Jahren wie weiland Dressel, sondern auch mit 49 viel zu früh.<br />
Das mediale Echo, das ihr Tod hervorrief, fiel vergleichsweise<br />
überschaubar aus; vermutlich, weil ein durchaus möglicher<br />
Zusammenhang zwischen Brustkrebs, an dem die ehemalige<br />
Läuferin erkrankt und der Ursache für ihr Ableben war, sowie<br />
dem der jungen Arendt nachgewiesenen Missbrauch androgener<br />
Steroide sich nur Krebsforschern erschloss und deshalb<br />
für fette Schlagzeilen nicht taugte.<br />
Geeignet, wenigstens die Dopingprävention zu forcieren, ist<br />
der Fall A. allemal. Mit den anderen Abwehrmaßnahmen geht<br />
es nämlich nicht wirklich voran. Dieser Eindruck lässt sich aus<br />
einem umfangreichen Report („Mangel an Effektivität des<br />
Testprogramms“) herauslesen, den der frühere Chef der Weltantidopingagentur<br />
WADA, Dick Pound (Kanada), erstellen ließ.<br />
Er gipfelt in der Feststellung: Trotz der Zunahme der Kontrollen,<br />
trotz wissenschaftlicher Fortschritte bei der Entschlüsselung<br />
raffinierter Substanzen versagt das weltweite Antidopingprogramm,<br />
weil Sportorganisatoren und Regierungen der<br />
konzertierte Wille fehlt – Pound nennt „menschliche und<br />
politische Faktoren“ als Ursache -, das zu tun, was notwendig<br />
ist: Nämlich die Tests nicht nach Quantität zu bemessen,<br />
sondern nach Qualität und Effektivität. Tatsächlich sind<br />
weniger als ein Prozent Positivfälle bei weltweit 250.000<br />
Kontrollen jährlich lächerlich.<br />
Pound beklagt den Einfluss von Regierungen auf ihre nationalen<br />
Antidopingagenturen (NADA). Er sagt: „Regierungen<br />
treibt wenig an, ihre nationalen Sportgrößen zu fangen.“ Sein<br />
Report kritisiert die WADA, weil sie keine Neigung zeigt,<br />
Sportverbände, die die Antidopingregeln nicht einhalten, „zu<br />
benennen und zu beschämen“. Dem IOC, dessen Mitglied er<br />
ist, empfiehlt er: Alle Säumigen rauswerfen! Und nicht kla-<br />
24
Obfrau im Sportausschuss, Viola von Cramon, die für eine<br />
Rente eintrat. Die anderen Parteiensprecher reichten ihre<br />
Rede schriftlich ein. Was sagt uns das über den Stellenwert<br />
dieses Themas, aber vor allem der Betroffenen?<br />
Politiker, Funktionäre und Medien haben sich nach den<br />
Doping-Enthüllungen im Radsport wieder einmal als Wahrer<br />
des sauberen Sports aufgeplustert – und sind mittlerweile<br />
vom Empörungsolymp herabgestiegen und in die gewohnten<br />
Fahrspuren zurückgekehrt. Freiburg und Sportmedizin? Was<br />
war da noch mal? Pharma-Versuche in der DDR titelt der<br />
Spiegel. Überraschung oder alter Hut? Schon 1991 hatte das<br />
Journal in einem Artikel über Versuchsreihen westdeutscher<br />
Unternehmen auch im Sport geschrieben.<br />
Vergessen, verdrängen. Während wir uns hier im Westen über<br />
die tiefen Stimmen der DDR-Schwimmerinnen (dank Dopingmittel)<br />
lustig machten, übersahen wir gerne, dass auch vor<br />
der eignen Haustür heftig in die chemische Trickkiste gegriffen<br />
wurde und Ärzte wie Armin Klümper und Joseph Keul als<br />
Gurus verehrt wurden. Fragen, ob denn da alles mit rechten<br />
Mitteln etwa bei Olympiaarzt Keul zuging, veranlassten den<br />
damaligen Präsidenten des Nationalen <strong>Olympische</strong>n Komitees,<br />
Willi Daume, erst dazu, die Gesichtsfarbe zu wechseln, tief<br />
Luft zu holen – und zu schweigen. Um dann sehr laut zu<br />
sagen: „Keul ist unantastbar.“<br />
Unantastbar ist die Würde des Menschen. so heißt es jedenfalls<br />
im Grundgesetz. Manchen dieser Dopingopfer wurde die<br />
Würde von klein auf genommen. Sie bräuchten vielleicht<br />
auch die Solidarität von ehemaligen Teamkollegen. Sollte<br />
nicht jemand wie der ehemalige Eislaufstar und jetzige Olympia-Werberin<br />
Katarina Witt oder die Schwimmerin Kirstin<br />
Otto, die heute über Sport im ZDF berichtet, sich nicht vom<br />
damaligen System distanzieren und sich für diejenigen engagieren,<br />
die es nicht so gut getroffen haben wie sie? Sind sie<br />
ihnen das nicht schuldig? Sie hatten nämlich bisher viel<br />
Glück.<br />
Der Doping-Opfer-Hilfe-Verein, der etwa 600 Mitglieder hat,<br />
will jedenfalls helfen, dass Geschädigte wieder etwas von<br />
ihrer Würde, ihrem Selbstwertgefühl zurückgewinnen – durch<br />
tatkräftige Unterstützung im Alltag. Ines Geipel schwebt u.a.<br />
eine Hotline und Beratungsstelle für alle Dopingeschädigten<br />
vor. Und eine Stiftung, die den Namen der Siebenkämpferin<br />
Birgit Dressel tragen soll - einem Doping-Opfer West.<br />
Von Michael Gernandt<br />
gen, dass es dann auch unschuldige Athleten treffen kann.<br />
Die WADA wird zu Pounds Papier („Ein Weckruf“) im September<br />
Stellung nehmen. Da kommt Spannung auf.<br />
Selbst auf die Gefahr hin, dass ewige Bedenkenträger und<br />
zähe Verteidiger des Status quo protestieren, ein Schuss mehr<br />
Radikalität á la Pound würde dem Antidopingkampf gut tun.<br />
Immerhin schlägt eine deutsche Initiative diese Richtung ein.<br />
Baden-Württembergs Justizminister brachte jetzt einen<br />
Gesetzentwurf im Bundesrat ein, der Doper im Profisport<br />
unter Strafe stellt. Der schwäbische Ansatz: Im Berufssport<br />
geht es um wirtschaftliche Werte, wer an einem Profiwettbewerb<br />
gedopt teilnimmt, verzerrt diesen. Er braucht Schutz.<br />
Arzt, Betreuer und Dealer machen sich strafbar, so Minister<br />
Stickelberger (SPD), nur der Sportler selbst nicht. „Und da<br />
gehen wir jetzt dran.“<br />
Stuttgart will eine fünfjährige Freiheitsstrafe; was das Sportrecht<br />
betrifft, versucht die WADA die Regelsperre für schwere<br />
Dopingvergehen von 2015 an auf vier Jahre zu erhöhen. Fünf<br />
oder vier Jahre: ein Fall für Juristen. Oder einer für den deutschen<br />
Wähler im September. Für den Hinterkopf: CDU und<br />
FDP wollen Doper nicht hinter Gitter schicken. Die CSU ist<br />
nicht so heikel. Von Bayerns Justizministerin Beate Merk<br />
(CSU) liegen bereits zwei Entwürfe für einen Straftatbestand<br />
Sportbetrug vor, und jüngst hielt ihr Parteifreund, Bundesinnenminister<br />
Hans-Peter Friedrich, den „für sinnvoll, wenn die<br />
Abgrenzungsprobleme (Sport- zu Strafrecht) zu lösen sind“.<br />
Weichen die Fronten - hie DOSB und Teile der Regierung, dort<br />
progressive Antidopingkämpfer - jetzt doch noch auf?<br />
Die Politik als Katalysator oder Bremser, je nachdem, auch in<br />
Russland, dessen Sport mit 38 aktuellen Dopingfällen die<br />
Schmuddelliste weltweit anführt. Diese Spitzenstellung, sagt<br />
Leichtathletikchef Balachnitschew, ist dem niedrigen Niveau<br />
von Moral und Bildung geschuldet, die Philosophie des existierenden<br />
Sports nur noch: Geld, Geld, Geld. Das Ende der<br />
UdSSR sei für das Dilemma verantwortlich, „da haben wir die<br />
moralischen Standards verloren, die die Sportler vor Betrug<br />
schützen“. Eine absurde Feststellung, unterschlägt sie doch die<br />
wahren Standards der damaligen Zeit: Schweigen und Heucheln.<br />
Wie in Deutschland, als Helga Arendt noch lief.<br />
25
„Was zu tun ist, das wissen alle.<br />
Das „Nachwuchskonzept 2020“ des DOSB soll drohenden Einbrüchen im<br />
Im Leistungssport ist es nicht anderes als im normalen<br />
Leben. Wer gut ausgebildete Facharbeiter oder hoch spezialisierte<br />
Akademiker braucht, muss sie vorher passgenau<br />
ausbilden. Wer sich Kinder später als anständige Erwachsene<br />
und als wertvolle Glieder in Familie und <strong>Gesellschaft</strong> wünscht,<br />
muss sich um die Kleinen von Kindesbeinen an intensiv und<br />
liebevoll kümmern. Wer im Sport Weltspitze sein oder bleiben<br />
will, darf über der aktuellen Athleten-Generation die nächste(n)<br />
nicht vergessen. Ganz im Gegenteil gilt es dem Nachwuchs<br />
und den Talenten die ganz besondere Fürsorge angedeihen<br />
zu lassen, soll das Perpetuum mobile des deutschen<br />
Spitzensports erfolgreich in Schwung bleiben und sollen<br />
Medaillen für deutsche Starter bei kommenden <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen, Welt- und Europameisterschaften nicht rar und rarer<br />
werden. Damit sich Politiker, Funktionäre und die Freunde des<br />
Sports nicht künftig ob ausgedünnter Kaderlisten, zu weniger<br />
Akteure und mangelnder oder gar ausbleibender Erfolge<br />
verdutzt die Augen reiben, hat hinter den Kulissen emsiges<br />
Treiben eingesetzt. Vornehmlich in den kleineren, weniger<br />
Bundesligen, kommerziellen Erwägungen oder den Mechanismen<br />
der Unterhaltungsindustrie unterworfenen Sportarten<br />
gilt es, die Weichen für die Zukunft zu stellen und für den<br />
leistungssportlichen Nachwuchs ein durchgängiges, bundesweit<br />
übergreifendes System auf die Beine zu stellen.<br />
Lange To-Do-Liste bei der Suche und<br />
Entwicklung von Talenten<br />
„Baustellen gibt es dabei viele, der Handlungsbedarf ist sehr<br />
groß“, weiß Antje Hoffmann, die Leiterin des Fachbereiches<br />
Nachwuchsleistungssport am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft<br />
(IAT) in Leipzig. Nicht zufällig fand dort<br />
Anfang Mai ein Symposium zum Nachwuchs-Leistungssport<br />
unter dem Titel „Wege an die Spitze“ statt. Dabei konnten<br />
von den rund 300 Teilnehmern und Experten die Problemzonen<br />
aus nächster Nähe besichtigt werden, und zugleich<br />
wurde bei dieser Gelegenheit der Blick über den eigenen<br />
Gartenzaun der einzelnen Sportarten hinaus gepflegt. Die<br />
Liste der Hausaufgaben im Metier der Olympioniken von<br />
morgen und übermorgen ist lang. In Zeiten immer öfter<br />
gekappter Sportunterrichts-Stunden und mangelnder Bewegung<br />
von Kindern und Heranwachsenden der „Generation<br />
Computer“ ist zum Beispiel ein professionelles System der<br />
Sichtung und Suche von Talenten zwingend geboten. Sind die<br />
Kinder für den Sport gewonnen, gilt es, sie individuell und<br />
flexibel zu fördern und über dem sportlichen Reifeprozess mit<br />
Hilfe modernster Trainingsmethoden ebenso die schulische<br />
und berufliche Ausbildung nicht zu vergessen. „Die Qualität<br />
der Trainer und Betreuer spielt dabei eine ganz zentrale<br />
Rolle“, weiß Antje Hoffmann. Sie sei oft genug nicht ausreichend<br />
wie die finanzielle Ausstattung des „Ressorts Nachwuchsleistungssport“.<br />
Unter den Stichwörtern „Individualisierung<br />
und Flexibilisierung“ verweist die<br />
Spezialistin vom IAT auf weitere<br />
unerlässliche Posten auf der To-Do-<br />
Liste des deutschen Spitzensports.<br />
Was zum Beispiel bedeute, die Tür für<br />
Spät- und Quereinsteiger unter den<br />
hoffnungsvollen Teenagern weit zu<br />
öffnen und dafür zu sorgen, dass<br />
möglichst viele Talente nicht nur den<br />
Weg in die Vereine, Stützpunkte und<br />
schließlich zu den 41 „Eliteschulen<br />
des Sports“ finden, sondern dem<br />
Sport auch erhalten bleiben und ihm<br />
nicht schnell wieder - als so genannter<br />
Aussteiger - verlustig gehen.<br />
Natürlich werden nicht alle jener<br />
jungen Athleten in den D- oder C-<br />
Kadern den Weg in die Weltspitze<br />
finden bzw. einem ungeschriebenen<br />
Gesetz des Leitungssports zufolge nur<br />
die allerwenigsten von ihnen. Doch<br />
was kann die Abbrecher und all jene<br />
von den jungen Athleten, die es nicht<br />
ganz „nach oben“ schaffen, daran<br />
hindern, anschließend ihrem Metier<br />
ein Leben lang als aktive Hobbysportler<br />
treu zu bleiben, sich zum hervorragenden<br />
Übungsleiter oder Trainer<br />
zu entwickeln oder sich in eine der<br />
zahlreichen Funktionen des sportlichen<br />
Ehrenamtes einzubringen?<br />
Sportpolitisch wünscht sich Antje<br />
Hoffmann von den einzelnen Fachverbänden,<br />
dass sie ihre sportfachli-<br />
26
Es muss gehandelt werden“<br />
deutschen Spitzensportsystem vorbeugen<br />
Von Andreas Müller<br />
che Richtlinien-Kompetenz bei der Ausbildung von Nachwuchsathleten<br />
besser als bisher wahrnehmen. Der Dachverband<br />
DOSB indes solle nun die als richtig erkannten Maßnahmen<br />
auch durchsetzen und damit in die Praxis überführen.<br />
„Was zu tun ist, das wissen alle. Es muss gehandelt werden.<br />
Es funktioniert nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang<br />
ziehen“, sagt die IAT-Expertin und wird in ihrer grundsätzlichen<br />
Einschätzung von SPD-Politikerin Martina Münch bestätigt.<br />
„Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein<br />
Umsetzungsproblem“, fasste die brandenburgische Ministerin<br />
für Bildung, Jugend und Sport die Situation beim leistungssportlichen<br />
Nachwuchs treffend zusammen. Olav Spahl, der<br />
Leiter des Ressorts Nachwuchsleistungssport beim Dachverband,<br />
weiß bestens um diese Diskrepanz. Seit mehr als einem<br />
Jahr ist es für den früheren Bildungsreferenten des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Schwimm-Verbandes (DSV) die Aufgabe, in der DOSB-<br />
Zentrale in Frankfurt am Main für ein zukunftsorientiertes<br />
Nachwuchsleistungssportkonzept 2020 zu sorgen. Sukzessive<br />
galt es zunächst, seit dem vergangen Frühjahr das aus dem<br />
Jahr 2006 stammende zentrale Konzept für den Nachwuchs-<br />
27
leistungssport zu überprüfen und entscheidende Stellschrauben<br />
für eine Neujustierung zu fixieren. Die Analyse fand im<br />
Zusammenwirken mit den Spitzenverbänden, den Landessportbünden<br />
und den Olympiastützpunkten statt. Zum Prozedere<br />
gehörte desgleichen, verschiedene Expertengruppen zu<br />
den Themenkreisen Training/Wettkampf, Trainer, duale Karriere<br />
und Steuerung/Förderung einzusetzen, die aus der Analyse<br />
praktische Handlungs-Empfehlungen ableiteten. Ende des<br />
Jahres soll die „Reinschrift“ des überarbeiteten Nachwuchs-<br />
Konzepts vorliegen. Sie soll auf der nächsten DOSB-Vollversammlung<br />
im Dezember - gewissermaßen das Dunkel verlassend<br />
und das Licht der breiten Öffentlichkeit erblickend -<br />
zum zentralen Thema avancieren, breit und intensiv diskutiert<br />
und schließlich verabschiedet werden.<br />
Sichtung, Talente-Transfer und OSP-<br />
Betreuung als zentrale Elemente<br />
Ganz praktisch und innovativ werden die Delegierten der<br />
nächsten DOSB-Vollversammlung beispielsweise darüber zu<br />
befinden haben, ob im deutschen Sport- und Schulsystem ab<br />
2016 flächendeckend die neue Berufsgruppe der so genannten<br />
Talente-Scouts Fuß fassen soll. So jedenfalls sehen es die<br />
Überlegungen vor. „Die Talentsuche und Sichtung hat sich<br />
als eine der ganz großen Schwachstellen herauskristallisiert“,<br />
berichtet Olav Spahl. Darauf will der deutsche Sport mit so<br />
genannten Bewegungs-Checks reagieren, die demnächst<br />
erstmals bei Grundschülern in der 2. Klasse vorgenommen<br />
werden sollen. Mit Hilfe der flächendeckenden Tests soll<br />
nach motorisch begabten Kinder ebenso Ausschau gehalten<br />
werden wie nach motorisch besonders unbegabten Kindern,<br />
um beide Gruppen anschließend über spezielle Angebote von<br />
Sportvereinen unterschiedlich anzusprechen und auf die eine<br />
wie die andere Weise mit dem Sport-Gen zu infizieren. Der<br />
Arbeitsschwerpunkt bei diesem Element sowohl für das<br />
Personal als auch für die inhaltliche Ausgestaltung der<br />
Bewegungsprogramme für talentierte wie für bewegungsarme<br />
Kinder soll bei den jeweiligen Landessportbünden liegen.<br />
Die gewünschten Effekte sollen im Zusammenspiel mit den<br />
Stadt- und Kreissportlehrern sowie mit den Schulen und<br />
Sportvereinen vor Ort erreicht werden. Wie viele Planstellen<br />
bei dem vorgeschlagenen Verfahren benötigt werden und<br />
wie das strukturierte, professionelle Scouting künftig über<br />
die vorhandenen personellen Ressourcen im Schuldienst,<br />
über die kommunalen Sport- und Schulämter und die Kreissportbünde<br />
abgedeckt und mit ihnen verzahnt werden kann,<br />
all das wird noch in Gesprächen mit den Kultusministerien<br />
der Länder geklärt und abgestimmt werden müssen. Vorbilder<br />
und „Modell-Inseln“ gibt es mancherorts bereits, etwa im<br />
nordhessischen Fulda, wo der Bewegungscheck in diesem<br />
Jahr schon seine dritte Auflage erlebt, wie Magistratssprecher<br />
Michael Schwab berichtet. Der Bewegungscheck beziehe<br />
sich auf Grundschülerinnen und –schüler der zweiten<br />
Jahrgangsstufe in Stadt und Landkreis Fulda. Bei verschiedenen<br />
Kriterien wie Körperhaltung, Adipositas und Ernährungsverhalten<br />
werde geschaut und zugleich wissenschaftlich<br />
ausgewertet, für welche Sportart die Kinder geeignet sind.<br />
Am Ende der Datenauswertung gebe es eine schriftliche<br />
Empfehlung für Kinder und Eltern. Das Verfahren liege in<br />
den Händen von Professor Andreas Hohmann von der Universität<br />
Bayreuth, in Personalunion Vorsitzender des SC<br />
Wasserfreunde Fulda.<br />
„Dieses einheitliche, flächendeckende Sichtungssystem wird<br />
dringend gebraucht, und zwar Sportarten übergreifend“,<br />
unterstreicht Olav Spahl. Tests in den zweiten Klassen der<br />
Grundschulen seien lediglich als „Einstieg“ gedacht, dem sich<br />
regelmäßige und kontinuierliche Sichtungen in den Klassenstufen<br />
darüber anschließen sollten. Auf diese Weise werde die<br />
Sichtung zum fortlaufenden, ständigen und dynamischen<br />
System. Einen weiteren Schwerpunkt des neuen DOSB-<br />
Konzepts für den leistungssportlichen Nachwuchs bildet der<br />
„Transfer von Talenten“. Geht es bei der Sichtung zunächst<br />
einmal darum, Kinder für den Sport zu begeistern und ans<br />
regelmäßige Training heranzuführen, knüpft der Talente-<br />
Transfer daran an. Haben Kinder und Heranwachsende in<br />
einer Sportart oder Disziplin ihr Limit erreicht, seien kaum<br />
mehr Steigerungen zu erwarten, sollten den jungen Athleten<br />
weit stärker und strukturierter als bisher Alternativen und<br />
Perspektiven aufgezeigt werden. „Das setzt natürlich eine<br />
neue Qualität der Kooperation und des Miteinanders aller<br />
Beteiligten voraus“, unterstreicht Olav Spahl und verweist auf<br />
junge Turner oder Leichtathleten, die dank ihrer motorischen<br />
Fähigkeiten in anderen Sportarten Großes zu leisten vermögen.<br />
Oder warum sollte ein junger Alpiner nicht in den ebenso<br />
jungen olympischen Freistil-Disziplinen seinen Weg<br />
machen, wenn es zwischen den Toren auf dem Hang nicht<br />
mehr so gut wie erhofft vorangeht? Mit gutem Beispiel in<br />
Sachen Transfers gehen seit langem die Bob- und Rodelsportler<br />
voran, indem Leichtathleten regelmäßig zu Anschubtests<br />
eingeladen werden.<br />
Erster Entwurf des Gesamtkonzepts in<br />
der Experten-AG durchgefallen<br />
Ganz gleich, ob in ihrer angestammten oder einer anderen<br />
Sportart, ist für die potenziellen künftigen Olympioniken im<br />
Alltag eine bessere Trainingsbegleitung vonnöten. Auf dieses<br />
Moment weist die überarbeitete Nachwuchskonzeption<br />
deutlich hin. Vor allem für die D/C-Kader gelte es, den Zugriff<br />
auf das professionelle und komplexe Betreuungssystem an<br />
den insgesamt zwanzig Olympiastützpunkten (OSP) deutlich<br />
zu verbessern. Bislang sind die Einrichtungen in der Hauptsache<br />
den Top-Athleten vorbehalten und auf die A-und B-<br />
28
Kader fokussiert. Ob und wie künftig daneben ebenso hoffnungsvolle<br />
Nachwuchsathleten vom Know-how der OSP<br />
profitieren, das ist Olav Spahl zufolge einer der wesentlichen<br />
Aspekte zeitgemäßer Nachwuchsbetreuung. Ganz in diesem<br />
Sinne gelte es, an den jeweiligen Standorten die „Ressourcen<br />
zu optimieren“ und „das Serviceangebot neu zu ordnen“. Eine<br />
Herausforderung und besonders wichtige Aufgabenstellung<br />
insbesondere für die Spitzenverbände. Schließlich sind sie es,<br />
die sportfachlich die Gesamtverantwortung innehaben und –<br />
nicht zuletzt hinsichtlich der Rahmen-Trainingspläne für<br />
ihren Nachwuchs - mit der notwendigen Richtlinien-Kompetenz<br />
ausgestattet sind. Zuallererst liegt es darum an den<br />
Verbänden, inwieweit die vom DOSB-Nachwuchskonzept<br />
entwickelten Empfehlungen möglicht schnell Früchte tragen.<br />
Was die OSP-Betreuung von jungen Athleten anlangt, könnte<br />
das neue Stützpunkt-Konzept im<br />
deutschen Sport äußerst hilfreich<br />
sein. Es regelt, dass nicht mehr jeder<br />
Verband mit jedem Olympiastützpunkt<br />
separate Vereinbarungen trifft<br />
und der Wirrwarr mit fast 200<br />
Kooperationsvereinbarungen ein Ende<br />
hat. Fortan soll jede Sportart nur<br />
noch einen einzigen Komplettvertrag<br />
mit dem gesamten OSP-System und<br />
allen anderen Partnern des wissenschaftlichen<br />
Verbundsystems<br />
abschließen. Eine gute Chance, bei<br />
der Neufassung zugleich die Interessen,<br />
Erwartungen und Ansprüche in<br />
Bezug auf die Nachwuchsathleten<br />
deutlich zu artikulieren sowie die<br />
Pflichten der Verbände festzuschreiben.<br />
„Da erwarten wir von ihnen nun<br />
verbindliche Aussagen und werden<br />
ihnen entsprechend auf den Füßen<br />
stehen“, blickt Olav Spahl voraus.<br />
„Denn was nützen die besten Vorschläge<br />
zur Entwicklung des leistungssportlichen<br />
Nachwuchses, wenn<br />
das Konzept anschließend nicht mit<br />
Leben erfüllt wird.“<br />
Vorlage bei der DOSB-Mitgliederversammlung in den kommenden<br />
sechs Monaten noch eine gewaltige Arbeit zu leisten,<br />
damit das „Gesamtkonzept 2020“ zur Zukunft des leistungssportlichen<br />
Nachwuchses seinem Namen und den Herausforderungen<br />
in diesem Segment des Spitzensports tatsächlich<br />
gerecht werden kann. Die aus dem Symposium abgeleiteten<br />
„Leipziger Positionen“ sollen nun mithelfen, das Papier als<br />
akzeptable Vorlage für die nächste Vollversammlung des<br />
Dachverbandes fertig zu stellen. Mit dem im April dieses<br />
Jahres vorgelegten ersten Entwurf aus dem Hause DOSB<br />
hatte sich noch keines der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft<br />
(AG) Nachwuchsleistungssport so recht identifizieren<br />
mögen. Entsprechend war diese erste Vorlage innerhalb der<br />
AG, die seit dem Frühjahr 2012 vier Mal getagt hatte,<br />
zunächst durchgefallen.<br />
Beim Symposium „Wege an die<br />
Spitze“ wurden die bei dieser Gelegenheit<br />
erstmals in die Öffentlichkeit<br />
getragenen Überlegungen des Dachverbandes<br />
DOSB weniger als schlüssiges<br />
Gesamtwerk, sondern vielmehr<br />
als Ensemble von Bruchstücken<br />
wahrgenommen. In der Diskussion<br />
war ein Tenor nicht zu überhören.<br />
Wiewohl im Detail - wie weiter oben<br />
ausgeführt - bereits sehr konkrete<br />
Vorstellungen existieren, ist bis zur<br />
29
„Eliteschule des Sports“ in Luckenwalde:<br />
Die beiden Schilder, die im ersten Stock der Friedrich-<br />
Ludwig-Jahn-Schule einander anblicken, sind nicht zu<br />
übersehen. Auf der einen Seite das Bildnis des deutschen<br />
Turnvaters und Namensgebers der Bildungseinrichtung,<br />
ihm gegenüber der deutliche Hinweis auf die „Eliteschule des<br />
Sports“. Seit Anfang des Jahres darf die Schule im Norden von<br />
Luckenwalde diesen Titel tragen. „Die Verleihung war ein<br />
ergreifender Akt. Doch gleich darauf folgte der Katzenjammer,<br />
als die Pläne des IOC bekannt wurden“, skizziert die stellvertretende<br />
Schulleiterin Ines Schwerdt das momentane Lebensgefühl.<br />
Zur großen Freude und zum Stolz auf den neuen<br />
Status kommen jetzt beträchtliche Bauchschmerzen wegen<br />
der olympischen Zukunft des Ringens. Der traditionelle Zweikampf<br />
ist an der Luckenwalder Sportschule nämlich die<br />
einzige Schwerpunkt-Sportart…<br />
Seitdem in dem heute 18.000 Einwohner zählenden Städtchen<br />
im Süden Berlins 1897 der Kraftsport-Klub das Licht<br />
der Welt erblickte, gehört das schon in der Antike gepflegte<br />
Ringen hier gewissermaßen zum Kulturgut. Umso größer die<br />
Sorge, das Internationale <strong>Olympische</strong> Komitee könnte bei<br />
seinem nächsten Zusammentreffen im September den Klassiker<br />
aus dem olympischen Programm verbannen. „Daran<br />
wollen wir am besten gar nicht denken“, sagt Ines Schwerdt.<br />
Die 49-jährige Frau, die in ihren Spezialfächern Mathematik<br />
und Physik unterrichtet, mag sich die Kette an möglichen<br />
Konsequenzen nach einem Olympia-Aus gar nicht ausmalen.<br />
Und doch lässt sich aus den Köpfen der jungen Ringer-<br />
Schüler und des gesamten Betreuerstabes nicht der Gedanke<br />
verdrängen, dass wegen einer IOC-Entscheidung nicht nur<br />
die schöne Plakette mit den Namen „Eliteschule“ verlustig<br />
30
Ringen mit der Ungewissheit Von Andreas Müller<br />
gehen, sondern damit zugleich ein komplettes, funktionierendes<br />
und mit viel Fleiß und Kärrnerarbeit zustande<br />
gebrachtes Fördersystem dem Untergang geweiht sein könnte.<br />
Rund ein Fünftel von den insgesamt 326 Mädchen und<br />
Jungen in der Oberstufe der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule<br />
sind aktive Ringer. Im Rahmen des normalen Unterrichts wird<br />
pro Woche viermal vormittags trainiert. Hinzu kommen<br />
wöchentlich fünf bis sechs Trainingseinheiten am hochmodernen<br />
Stützpunkt. Die große Halle mit ihrer Klinkerziegel-<br />
Fassade gilt als der erste große Neubau im ostdeutschen<br />
Sport nach der Wende. Nebenan im älteren Teil finden die<br />
Kämpfe des 1990 gegründeten 1.Luckenwalder Sportclubs<br />
statt. Unter dem Namen Sportgemeinschaft Dynamo zu DDR-<br />
Zeiten Serienmeister, haben sich die Brandenburger mit bis zu<br />
eintausend Zuschauern an den Kampftagen längst in der<br />
Bundesliga etabliert. Im Jahre 2006 durften sie die deutsche<br />
Meisterschaft feiern, in der abgelaufenen Saison war im<br />
Viertelfinale Endstation. „Na klar möchte man später mal ins<br />
Bundesliga-Team reinwachsen“, berichtet Ilja Matuhin. „Es<br />
macht uns stolz, jetzt Eliteschüler zu sein. Aber wir heben<br />
deswegen nicht ab.“<br />
Der 15-Jährige und seine Mitschüler aus der zehnten Klasse<br />
bereiten sich auf den vier großen blauen Ringermatten gerade<br />
auf die brandenburgischen Meisterschaften vor. Sein ganz<br />
privater Motivator ist sein acht Jahre älterer Bruder Nick, mit<br />
dem Ilja am liebsten die Sommerspiele 2020 gemeinsam auf<br />
der Matte erleben möchte. Als Teilnehmer in London hatte<br />
der große Bruder bereits olympisches Flair genießen dürfen.<br />
Kein Wunder, dass Nick Matuhin nun bei den Eliteschülern<br />
von Luckenwalde ein fast ebenso großes Vorbild ist wie die<br />
früheren „Eigengewächse“ Maik Bullmann oder Heiko Balz,<br />
die bei den Sommerspielen 1992 in Barcelona Gold und Silber<br />
gewannen. Einige von den aktuellen Nachwuchshoffnungen<br />
haben sich Mitte Juni bei den Kadetten-EM in Montenegro<br />
und werden sich einen Monat später bei den europäischen<br />
Titelkämpfen der Junioren im mazedonischen Skopje beweisen<br />
dürfen. Für Lydia Nürnberger aus dem sächsischen Werdau<br />
indes ist nach einer langwierigen Verletzung für dieses<br />
Jahr die Chance dahin. „Ich denke schon an 2014“, dann will<br />
sie wieder wie im vorigen Jahr bei der Nachwuchs-EM starten.<br />
Noch viel näher ist der 18-Jährigen derzeit ein guter<br />
Schulabschluss, um anschließend nach einem Freiwilligen<br />
Sozialen Jahr in Luckenwalde eine Ausbildung beginnen zu<br />
können. Ihr Bruder Marcus hat ihr die Lehrstelle schon voraus<br />
- als Auszubildender am Schul-Internat.<br />
Die insgesamt 25 Plätze in der ersten Etage des Jugendzentrums<br />
„Go 7“ sind heiß begehrt. Das Internat nahe am Bahnhof<br />
in der Stadtmitte bildet für die jungen Luckenwalder<br />
Ringer zusammen mit der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule und<br />
dem Trainings-Stützpunkt so etwas wie das mit dem Fahrrad<br />
bestens zu bewältigende „magische Dreieck“. Damit das<br />
„Eliteschulen des Sports“<br />
N<br />
achdem Anfang dieses Jahres die Standorte<br />
in Luckenwalde und Nürnberg den Status<br />
einer „Eliteschule des Sports“ (EdS) erhielten, gibt<br />
es in der Bundesrepublik nunmehr insgesamt 41<br />
solcher Spezial-Einrichtungen. 21 davon in befinden<br />
sich in den neuen Bundesländern und Berlin,<br />
20 in den alten Bundesländern. Zum EdS-Gefüge<br />
gehören aktuell insgesamt 105 Haupt-, Real- und<br />
Gesamtschulen sowie Gymnasien, an denen<br />
bundesweit fast 50.000 Schülerinnen und Schüler<br />
lernen. Darunter befinden sich etwa 11.500<br />
junge Athleten, von denen mehr als eintausend<br />
den Nachwuchs-Bundeskadern ihrer Verbände<br />
angehören. Die Nachwuchsathleten an den<br />
Eliteschulen werden insgesamt von mehr als 650<br />
so genannten „Lehrertrainern“ betreut. Bei dieser<br />
speziellen Gruppe handelt es sich um Diplom-<br />
Trainer bzw. Inhaber einer A-Trainerlizenz. Etwa<br />
zwei Drittel von ihnen gehören zugleich als<br />
hauptamtliche Pädagogen dem Lehrkörper an<br />
diesen Bildungseinrichtungen an. In Anlehnung<br />
an die früheren Kinder- und Jugendsportschulen<br />
(KJS) des DDR-Sportsystems gibt es die EdS in<br />
modifizierter Form im bundesdeutschen Sport<br />
seit 1996.<br />
31
System der Sportschule in den Klassenstufen 7 bis 10 floriert,<br />
wird ständig professionell gesichtet. Im Zusammenspiel mit<br />
Adrian Hofmann, dem hauptamtlichen Sichtungstrainer des<br />
brandenburgischen Landesverbandes der Ringer, haben die<br />
beiden Luckenwalder Lehrertrainer Olaf Bock und Michael<br />
Kleinschmidt den Überblick. Stets im Herbst werden die<br />
potenziellen Kandidaten zum Probetraining eingeladen.<br />
Hauptsächliches Reservoir für Talente sind die etwa zehn<br />
Vereine in Berlin-Brandenburg, unterstreichen die beiden<br />
Lehrertrainer. Einige ihrer Schützlinge kämen jedoch auch aus<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder aus Sachsen.<br />
Wobei die Eliteschule in Luckenwalde inzwischen ausschließlich<br />
auf die Sparte Freistil spezialisiert ist, auf die<br />
Talente in der Stilart griechisch-römisch sind die Kollegen in<br />
Frankfurt/Oder spezialisiert.<br />
Damit dem Ringernachwuchs in Luckenwalde nach Abschluss<br />
der zehnten Klasse die Tür zum Abitur offen steht, wurde ein<br />
Kooperationsvertrag mit dem Oberstufenzentrum in der Stadt<br />
abgeschlossen. „Das war natürlich eine wichtige Voraussetzung,<br />
um den Titel einer Eliteschule zu bekommen“, erklärt<br />
Ines Schwerdt. Hatte sich die Konrektorin mit dem Ringen<br />
zunächst nicht besonders auseinandergesetzt, stehe sie nun<br />
seit geraumer Zeit „mitten drin im Thema“. Regelrecht verblüfft<br />
habe sie, „wie sehr die Kinder die Diskussion um die<br />
olympische Zukunft ihrer Sportart bewegt“. Sofort nach<br />
Bekanntwerden der IOC-Pläne seien die Schüler in der Stadt<br />
aktiv geworden und hätten beispielsweise in Geschäften und<br />
öffentlichen Einrichtungen Unterschriftenlisten ausgelegt.<br />
„Der erste Schock saß natürlich tief“, wissen Olaf Bock und<br />
Michael Kleinschmidt. Umso mehr staunten sie und freuten<br />
Olympiasieger Andreas Dittmer:<br />
„Eliteschulen bilden das Rückgrat<br />
der deutschen Olympiamannschaften“<br />
A<br />
ndreas Dittmer, zwischen 1996 und 2004 drei Mal Kanu-<br />
Olympiasieger und inzwischen Referent für die Sportförderung<br />
beim <strong>Deutsche</strong>n Sparkassen- und Giroverband (DSGV),<br />
über die Situation der „Eliteschulen des Sports“ in Deutschland<br />
OF: Eine Evaluation der„Eliteschulen des Sports“(EdS) stand<br />
schon nach den <strong>Olympische</strong>n Spielen 2008 in Peking auf der<br />
Agenda des DOSB. Ergebnisse wurden jedoch erst im vergangenen<br />
Herbst vorgelegt. Wie bewertet der Sportexperte des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) als dem<br />
wichtigsten Wirtschaftspartner der Eliteschulen des Sports<br />
die Verzögerung?<br />
Dittmer: Bei den inzwischen 41 Spezialschulen handelt es<br />
sich um ein kompliziertes Gefüge. Hierbei wirken Bildungsträger,<br />
Olympiastützpunkte, Internate, Sportverbände, Vereine<br />
und weitere Partner mit. Entsprechend braucht es bei einem<br />
so aufwändigen Verfahren wie der Evaluation der Mitwirkung<br />
von vielen beteiligten Personen. Allein die Ausarbeitung des<br />
Überprüfungs-Verfahrens festzulegen, war so kompliziert,<br />
dass es rund zwei Jahre in Anspruch genommen hatte. Zeitliche<br />
Verzögerungen sind die logische Folge gewesen.<br />
OF: Umso bedauerlicher, dass es dann bei einer Fragenbogen-<br />
Aktion blieb. Bei einer so aufwändigen Vorbereitung hätte<br />
man sich gewünscht, dass eine Experten-Kommission sämtliche<br />
Einrichtungen besucht und sich jeweils einen persönlichen<br />
Eindruck vor Ort verschafft.<br />
Dittmer: Dem stimme ich zu. Ein solches Verfahren wäre<br />
meines Erachtens der Bedeutung dieses Schulsystems für den<br />
deutschen Leistungssport angemessen und wünschenswert<br />
gewesen. Bei den Sommerspielen in London waren 31 Eliteschüler<br />
des Sports an den insgesamt 44 Medaillen beteiligt,<br />
die die <strong>Deutsche</strong> Olympiamannschaft gewonnen hat. Allein<br />
das zeigt den außerordentlichen Stellenwert dieser Spezialschulen.<br />
Leider verfügte der DOSB nicht über entsprechende<br />
Ressourcen in diesem Bereich, um eine qualitative Analyse auf<br />
diese Weise vorzunehmen. Durch die Schaffung einer neuen<br />
Stelle Projektleiter „Duale Karriere“ beim DOSB ist schon ein<br />
erster wichtiger Schritt getan. Trotzdem sollte man die Analyse<br />
jetzt nicht schlecht reden. Das war ein erster wichtiger<br />
Schritt zur Qualitätssicherung, dem nun weitere folgen müssen.<br />
Es ist ja gar nicht notwendig, stets alle Schulen zur selben<br />
Zeit zu untersuchen. Sinnvoll wäre meines Erachtens künftig<br />
32
sie sich über die jüngsten Reaktionen in<br />
der Ringer-Hochburg. Es sei „ein schönes<br />
Gefühl, wie die Menschen in der Region<br />
hinter uns stehen“, unterstreichen die<br />
beiden Lehrertrainer. Auch die Landespolitik<br />
habe sich solidarisch erklärt. Kleine<br />
Impulse zwar, aber große Mutmacher im<br />
Bunde mit dem energischen Bemühen der<br />
internationalen Ringer-Familie, die olympische<br />
Regierung doch noch zur Vernunft<br />
zu bringen. Sogar Franz Beckenbauer hat<br />
an das IOC appelliert. Die Liste der Sympathisanten<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Ringer-Bundes<br />
(DRB) umfasst inzwischen weit mehr als<br />
100.000 Unterschriften.<br />
eine Art Rotationsprinzip. Danach könnten pro Jahr beispielsweise<br />
immer zehn Schulen unter die Lupe genommen werden.<br />
Das wäre als Pensum für Vorort-Besuche sicher machbar und<br />
würde außerdem dazu führen, dass die Evaluierung zu einem<br />
fortlaufenden, ununterbrochenen Prozess wird.<br />
OF: Das Ergebnis der jüngsten Befragung klingt ernüchternd.<br />
Nur zehn der Eliteschulen wurde dieses schöne Prädikat bis<br />
2016 gewährt. Alle anderen Einrichtungen, also drei Viertel,<br />
sollen bis 2014 nachbessern…<br />
Dittmer: Der Maßstab ist der internationale sportliche Wettbewerb,<br />
in dem wir uns befinden. Gemessen am internationalen<br />
Standard ist in vielen Sportarten schon sehr früh ein<br />
beträchtliches Trainings-Pensum nötig. Ein ganz wichtiges<br />
Kriterium, das viele Schulen noch nicht erfüllen können, ist<br />
beispielsweise die variable Schulzeit. Wir brauchen für alle<br />
Eliteschulen des Sports unbedingt eine Schulzeitstreckung<br />
und eine den Bedingungen des Hochleistungssports angepasste<br />
Schulzeit. In einigen Bundesländern ist beispielsweise<br />
eine Schulzeitstreckung noch nicht möglich. Bei mehr als 20<br />
Stunden Trainingsumfang und einem Schulpensum von 35<br />
Stunden können wir kaum von leistungssportgerechten<br />
Rahmenbedingungen sprechen.<br />
OF: Das heißt, Nachwuchs-Leistungssport und speziell seine<br />
Eliteschulen liegen mit dem konföderalen Bildungssystem<br />
über Kreuz?<br />
Dittmer: Es wäre sicher einfacher, wenn wir nur einen Bildungsträger<br />
für diese Einrichtungen hätten. Gleichwohl<br />
haben wir in einigen Bundesländern sehr erfolgreiche Einrichtungen,<br />
daran können sich andere orientieren. Nun gilt es, die<br />
Qualität an den Standorten weiter zu verbessern, um jungen<br />
Talenten die Möglichkeit zu geben, Schule und Leistungssport<br />
zu vereinbaren. Meines Erachtens gibt es auch keine Alternative<br />
zu den Eliteschulen des Sports. Sie bilden das Rückgrat<br />
der deutschen Olympiamannschaften. Es sollte daher nicht<br />
der Zufälligkeit überlassen werden, dass sich irgendwo in der<br />
Republik ein Olympiasieger entwickelt.<br />
OF: Dessen ungeachtet wird Bildungspolitik weiterhin Ländersache<br />
bleiben und die zentrale Steuerung aller EdS aus<br />
einer Hand ein schöner Traum. Was kann der DSGV als wichtiger<br />
Partner des Sports, der seinen Vertrag mit dem DOSB<br />
kürzlich bis 2016 verlängerte, unter den gegeben Bedingungen<br />
für diese Schulen bewirken?<br />
Dittmer: Wir drängen darauf, dass die Qualität weiter gesteigert<br />
wird. Durch gezielte Maßnahmen helfen wir, die Bedingungen<br />
weiter zu verbessern oder drängen auf weitere<br />
Optimierungen. Aber die sportpolitischen Debatten um die<br />
grundsätzlichen Rahmenbedingungen müssen von Seiten des<br />
organisierten Sports und der Politik geführt werden. Was wir<br />
können ist, die Eliteschulen des Sports ganz praktisch und<br />
unbürokratisch in Detailfragen zu unterstützen. So stellen wir<br />
ihnen unter anderem Mittel für Sportgeräte, Trainingslehrgänge<br />
oder für den Transport zwischen Schule und Sportstätten<br />
zur Verfügung. Wir zeichnen gemeinsam mit dem DOSB<br />
jährlich die besten „Eliteschulen des Sports“ und die besten<br />
„Eliteschülerinnen und Eliteschüler des Sports“ aus und laden<br />
sie zu interessanten Workshops wie beispielsweise zu den<br />
<strong>Olympische</strong>n Spielen 2014 nach Sotschi oder zu Weltmeisterschaften<br />
in Deutschland ein. Darüber hinaus veranstalten wir<br />
gemeinsam „Tage der offenen Tür“. Mit all diesen Maßnahmen<br />
sorgen wir auch für eine verstärkte öffentliche Wahrnehmung<br />
der Eliteschulen des Sports.<br />
Interview: Andreas Müller<br />
33
Heiße Luft und nix wie weg<br />
I<br />
t`s showtime! Die Gladiatoren marschieren ein wie die<br />
Klitschko-Brüder bei heroischer Musik und im gleißenden<br />
Scheinwerferlicht – nicht in den Ring, sondern aufs Podium<br />
im Sparkassenhaus in Berlin. Der <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> Sportbund<br />
(DOSB) hat zum Wahlhearing geladen. Während vorne<br />
Spitzenprofis sitzen, sind im Publikum nicht viele aus der<br />
ersten Reihe der Sportfunktionäre angetreten. Natürlich ist<br />
Präsident Thomas Bach da, im Gefolge sein Präsidium. Einer<br />
hat auf dem Podium gekniffen: SPD-Spitzenkandidat Peer<br />
Steinbrück, doch der schickte einen aus seinem Kompetenzteam:<br />
Thomas Oppermann, der ja vielleicht mal Sportminister<br />
(also Innenminister) werden könnte und sich an dem Abend<br />
dafür empfahl.<br />
Volker Kauder (CDU), Rainer Brüderle (FDP), Jürgen Trittin<br />
(Grüne) und Gregor Gysi (Linke) vervollständigten das Politkleeblatt,<br />
das dann munter losdiskutierte, soweit es Moderator<br />
Johannes B. Kerner zuließ, der seine vorbereiteten Fragen<br />
abarbeitete. Die Themen waren vorgegeben: Verbände<br />
hatten Fragen beim DOSB eingereicht, Generaldirektor<br />
Michael Vesper die passenden ausgesucht. Das geladene<br />
Publikum ist zunächst zum Zuhören verdonnert. Und nach<br />
einer halben Stunde fragt man sich: Was macht man hier<br />
eigentlich? Was soll uns diese Veranstaltung sagen? Dass die<br />
DOSB-Bosse es geschafft haben, für diesen Abend Spitzenpolitiker<br />
herzuholen, die mehr oder weniger gut gebrieft<br />
sich da vorne selbst inszenieren? Um der zweiten Garde des<br />
Sports zu signalisieren: Bundespolitiker aus der ersten Reihe<br />
kommen, wenn wir rufen? Seht her, wie wichtig wir sind,<br />
wie wichtig der organisierte Sport ist? Es wurde ein klassisches<br />
Eigentor.<br />
Es wäre eine Chance gewesen, diese öffentliche (Wahl-)<br />
Veranstaltung für eine inhaltliche Diskussion zu nutzen, wenn<br />
man denn daran Interesse gehabt hätte. Doch dann hätten<br />
vielleicht weniger prominente Politiker, sondern kompetente<br />
Gesundheitspolitiker oder Bildungspolitiker oder... auf dem<br />
Podium sitzen müssen. So blieb es ein launiges Schattenboxen,<br />
mit einer Querbeet-Diskussion, vielen Sprechblasen und<br />
peinlicher Anbiederung.<br />
Sport ins Grundgesetz, Spitzensportförderung, Doping, Ehrenamt,<br />
Prävention, Inklusion, duale Karriere standen im Themenkatalog.<br />
Jeder Politiker durfte etwas<br />
sagen, brav abgefragt, der Reihe nach.<br />
Keine Zwischenrufe bitte, höchstens mal<br />
ein Späßchen. Keine Überraschungen<br />
also: Die Profis lavieren geschickt um<br />
Konkretes, etwa wenn es um mehr Geld<br />
für den Spitzensport geht. Oder Zuständigkeiten.<br />
Der Bund kann ja schließlich<br />
nicht immer alles bezahlen, was die<br />
Länder haben wollen. Oder sind etwa<br />
nicht alle für die Bewerbung um <strong>Olympische</strong><br />
Spiele? Na ja, von der linken<br />
Seite kommt doch eine Einschränkung:<br />
Nur, wenn die Bevölkerung dafür ist.<br />
Was der Sport nun will, oder was er von<br />
der Politik erwartet, wird nicht deutlich.<br />
Keine Strategie oder Taktik erkennbar,<br />
auf die Präsident Bach und sein General<br />
doch sonst immer großen Wert legen. Es plätschert vor sich<br />
hin. Dabei gäbe es viele Fragen, die es auszudiskutieren gilt.<br />
Doch die kommen nicht. Etwa beim internationalen Sport.<br />
Hoffnung keimt auf, dass es doch noch etwas spannend<br />
werden könnte, als der Generalsekretär des <strong>Deutsche</strong>n Fußball-Bundes,<br />
Helmut Sandrock, nachfragt, ob man internationalen<br />
Partnern weiter mitteilen kann, wenn sie hier in<br />
Deutschland ein Großereignis veranstalten würden, dass<br />
ihnen freundliches Entgegenkommen sicher ist. Will sagen:<br />
Bekommen sie zum Beispiel Vorteile wie Steuerbefreiung<br />
weiter? Die Antworten sind unverbindlich. Das Wort Knebelvertrag<br />
nimmt keiner der Herren in den Mund, geschweige<br />
denn Wörter wie Wettbewerbsverzerrung, Korruption. Um<br />
Gottes willen, bloß nicht nachfragen. Ungünstiger Zeitpunkt<br />
für internationale Verwicklungen. Schließlich will der DOSB-<br />
Präsident ja bekanntlich demnächst in Buenos Aires der<br />
oberste Olympier werden. Da passt das nicht. Und es interessiert<br />
offensichtlich auch nicht.<br />
Nächste Frage: Ein Ko-Referat zu Bildung und Sport. Bei der<br />
sehr speziellen Frage zum Führerschein bei Yachten und<br />
Motorbooten auf Bundeswasserstraßen müssen die Profis<br />
endlich mal passen. Das waren also die Themen, die den<br />
deutschen Sport so bewegen? Keine Zukunftsängste auf<br />
34
Grund ökonomischer oder ökologischer Entwicklungen? Oder:<br />
Wie sieht der Sportverein der Zukunft aus, wenn die Bevölkerung<br />
immer älter wird? Nein, ein eigener Fernsehsportkanal<br />
treibt um, nicht nur den Präsidenten Thomas Bach, der sich<br />
diesen Traum erfüllen will, wenn er zum IOC-Präsidenten<br />
gewählt wird.<br />
Der Wahlmarathon für die Politiker geht weiter. Die Gastgeschenke<br />
für die Diskutanten – Laufschuhe in den Parteifarben<br />
- machen da Sinn. Aber für den Einen oder die Andere im<br />
Publikum waren sie eine Art symbolischer Startschuss: Nix<br />
wie weg nach so viel heißer Luft....!<br />
Bianka Schreiber-Rietig<br />
Von Medaillenkorridoren und totaler<br />
Transparenz<br />
I<br />
n der Vergangenheit waren sie das große Geheimnis des<br />
deutschen Spitzensports. Bis der <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong><br />
Sportbund und der spitzensportfördernde Bundesminister des<br />
Inneren bei den <strong>Olympische</strong>n Spielen 2012 in London ein paar<br />
kommunikative Fehler machten und nach Klagen von Sportjournalisten<br />
" klein beigeben mussten. Jetzt verhandelt der<br />
olympische Dachverband die Zielvereinbarungen mit den<br />
olympischen Sportverbänden in „allergrößter Transparenz“,<br />
wie Generaldirektor Michael Vesper in<br />
Frankfurt verkündete. Dass man weiter<br />
Medaillen hochrechnet, es aber nicht mehr<br />
sagen will, führt zu Wortungetümen wie<br />
Medaillenkorridoren. Innerhalb eines<br />
Medaillenkorridors ist aber viel, wenn nicht<br />
sogar alles möglich.<br />
Für die weniger erfolgreichen deutschen<br />
Sportarten bleibt die Zukunft trotzdem<br />
düster, die Millionen des Steuerzahlers<br />
wandern in die olympischen Erfolgssportarten.<br />
Wie sich unter diesen Umständen<br />
aktuelle Minus-Sportarten in Richtung<br />
Erfolg bewegen sollen, bleibt Vespers<br />
Geheimnis. Kein Geheimnis ist dagegen,<br />
dass der deutsche Spitzensport natürlich<br />
weiter Medaillen gewinnen will. Für die<br />
<strong>Olympische</strong>n Winterspiele in Sotschi hat<br />
Vesper das Ziel verraten, ob er es nun wollte<br />
oder nicht. Der deutsche Wintersport will<br />
aufs Treppchen, hat Vesper gesagt. Damit muss man mindestens<br />
Dritter in der sogenannten inoffiziellen Nationenwertung<br />
werden. Sonst kommt man nicht auf das Treppchen.<br />
Weil die allzu optimistischen Prognosen der deutschen Spitzensportstrategen<br />
für London weiter nachwirken, ist man bei<br />
den Vorausberechnungen für Rio de Janeiro 2016 vorsichtiger<br />
geworden. Vesper sagt nur, dass das Medaillenergebnis von<br />
London gehalten und, wenn möglich, gesteigert werden soll.<br />
In London kam die deutsche Olympiamannschaft auf den<br />
sechsten Platz, mithin wird in Rio der fünfte angepeilt. Das<br />
wäre sozusagen ein schmaler Korridor, in einem etwas breiteren<br />
Korridor könnte man auch an höhere Ränge denken. Aber<br />
sagen will man das dann doch lieber nicht.<br />
Egal, ob man Medaillen hochrechnet oder Korridore bemüht,<br />
eine ganz wichtige Frage bleibt im Prinzip weiter unbeantwortet.<br />
Weil im deutschen Spitzensport nur der zählbare<br />
Erfolg belohnt wird, nicht aber unbedingt der Weg dorthin.<br />
Das bleibt ein grundsätzliches Problem, von dessen Lösung<br />
auch die größten Strategen auf allen Korridoren noch ziemlich<br />
weit entfernt sind.<br />
Christoph Fischer<br />
Kein Alibi-Engagement<br />
F<br />
ür die Anlandung der deutschen Sommer-Olympioniken<br />
nach ihrer kurzen Seereise von London nach Hamburg<br />
war im August 2012 öffentlich-rechtlich nur ein Plätzchen in<br />
einem der dritten Programme reserviert. Die Rückkehr der<br />
beiden Champions-League-Finalisten am 26. Mai <strong>2013</strong> indes<br />
fand ausgiebig im Hauptprogramm statt. Und zwar gleich<br />
doppelt, mit der Begrüßung der Sieger in München wie des<br />
unterlegenen Teams in Dortmund. Es mag dies wie eine<br />
Marginalie erscheinen. Doch sie erhellt, wie weit der Fußball<br />
KOMMENTARE<br />
35
den olympischen Sommersport hierzulande abgehängt hat.<br />
Die logische Folge der unterschiedlichen Wahrnehmung<br />
insbesondere in den elektronischen Medien sind Parallelwelten.<br />
Im Schatten die so genannten Randsportarten, ob ihrer<br />
Anonymität oft genug arm wie Kirchenmäuse. Im gleißenden<br />
Licht medialer Dauerpräsenz König Fußball im güldenen,<br />
Edelstein besetzten Gewand über den kurzen Hosen.<br />
Die Diskrepanz scheint inzwischen Besorgnis erregend. Schon<br />
muss gefürchtet werden, dass medaillengeschmückte deutsche<br />
Turner, Kanuten, Judoka, Ruderer oder Schwimmer<br />
künftig ausbleiben und somit die kleinen Sportarten und ihre<br />
Protagonisten nicht einmal mehr wenigstens alle vier Jahre<br />
gebührend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Ein Szenario,<br />
das selbst dem übermächtigen Fußball nicht gefallen<br />
kann und die Bundesliga-Stiftung nun zu einer schönen<br />
Geste veranlasste. Von diesem Jahr an übereignet sie der<br />
Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe als erklärtem Anwalt der weniger<br />
betuchten Athleten und deren Sportarten jährlich rund<br />
600.000 Euro. Zugute kommen soll dieses Geld den größten<br />
Talenten des deutschen Sports im Rahmen der speziellen<br />
Nachwuchs-Eliteförderung.<br />
Rund 150 hoffnungsvolle Teeanger können sich so jährlich<br />
über eine Zusatzförderung von jeweils bis zu 4.000 Euro<br />
freuen. Die Hälfte davon ist als Prämie für die sportlichen<br />
Leistungen gedacht, die anderen 2.000 Euro für sportbezogene<br />
Kosten in Schule und Ausbildung, wie sie jungen Spitzensportlern<br />
in ihrem „Doppelleben“ unausweichlich entstehen.<br />
Festgeschrieben ist die Kooperation, die als Gesamtpaket<br />
fortan ein seit 1993 existierendes Modell von Einzelpatenschaften<br />
ablöst, zunächst bis zu den Sommerspielen 2016 in<br />
Rio de Janeiro. Doch weder Christian Seifert als Vorsitzender<br />
des Geschäftsführung der <strong>Deutsche</strong>n Fußball-Liga (DFL) und<br />
Vize des Bundesliga-Stiftungsrates noch Sporthilfe-<br />
Vorstandschef Michael Ilgner ließen Zweifel an der Verlängerung<br />
des Engagements. Nur langfristig könne das Programm<br />
von Nutzen sein, weil es weniger auf die Rio-Kandidaten<br />
zugeschnitten sei, sondern auf eine vier- bis sechsjährige<br />
Förderung jener Talente abziele, deren Sternstunden erst bei<br />
darauf folgenden <strong>Olympische</strong>n Spielen erwartet werden.<br />
Die Handreichung über Parallelweltsgrenzen sei kein Alibi-<br />
Engagement von Fußball-Millionären, betonte Christian Seifert.<br />
Vielmehr stehe der Fußball mit seiner besonderen Stellung<br />
innerhalb der deutschen Sportfamilie in der Verantwortung,<br />
andere Sportarten und Sportler zu unterstützen. In<br />
diesem Sinne sind 600.000 Euro per anno eine honorige und<br />
hilfreiche Geste, auch wenn das Sümmchen für hoch bezahlte<br />
Profikicker nicht mehr als ein, zwei oder maximal drei Monatsgehältern<br />
entspricht. Schon seit fünf Jahren hilft die DFL der<br />
Sporthilfe, mittels gemeinsamer Kampagnen und Werbeauftritte<br />
das Anliegen der Stiftung verstärkt in die Öffentlichkeit<br />
zu tragen und ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Nur so sei<br />
es möglich gewesen, <strong>Deutsche</strong> Bank, Lufthansa, Mercedes-<br />
Benz und Telekom als nationale Förderer zu gewinnen, verweist<br />
Michael Ilgner auf den wesentlichsten Effekt. Was im<br />
Umkehrschluss einen ernüchternden Blick ins große Getriebe<br />
des deutschen Sports freigibt. Ohne die Strahlkraft und den<br />
Einfluss der wichtigsten Sportart scheint es der Sporthilfe weit<br />
schwerer gefallen oder ganz unmöglich gewesen zu sein, bei<br />
der großen Wirtschaft Gehör, Verständnis und tatkräftige<br />
Partner zur Unterstützung erstklassiger Athleten aus dem<br />
medialen Schattenreich zu finden.<br />
Andreas Müller<br />
Schmutzige Helden<br />
D<br />
ie schmutzigen Helden fallen im Radsport wie die<br />
Domino-Steine – just im Jahr der 100. Tour de France.<br />
Doping-Geständnis nach Doping-Geständnis – mehr oder<br />
weniger schuldbewusst, einige bockig, andere dafür tränenreich<br />
– wird offenbar: Die Weltmeister der Manipulation<br />
lüften ihre dunkle Vergangenheit.<br />
Auch wenn gut betuchte „Profis“ wie Lance Armstrong oder<br />
Jan Ullrich viel Zeit, Kraft, Geld und allerlei juristische Tricks<br />
darauf verwandten, ihre verseuchten Westen rein zu halten.<br />
Am Ende kommt doch die Wahrheit ans Licht.<br />
Beispiel: Jan Ullrich. Viele Fans und Millionen Zuschauer hat<br />
er hinters Licht geführt. Noch als er längst ertappt war. Naiv<br />
– oder geschickt beraten – hat Ullrich sich als Mitläufer und<br />
Opfer des Systems inszeniert und jüngst trotzig verkündet:<br />
Alle manipulieren, warum gerade ich nicht? Was für eine<br />
tölpelhafte Logik?<br />
36
Fakt ist: Leistungen, wie die der verdorbenen Generation<br />
Ullrich/Armstrong, aber auch deren Vorgänger und Nachfolger,<br />
sind nur mit Doping und Betrug – in welcher Dreistigkeit<br />
auch immer – zu erbringen. Talent, Ehrgeiz und Fleiß allein<br />
genügen nicht, um reihenweise mächtige Berggipfel im<br />
Sattel zu erklimmen und Rundfahrt auf Rundfahrt herunterzuspulen.<br />
Alle spielten mit bei diesen groben Fouls gegenüber Fairplay,<br />
Menschlichkeit und der eigenen Gesundheit. Trainern, Medizinern,<br />
Managern, scheinheiligen Sportlichen Leitern, Verbandsfürsten<br />
– der kriminellen Energie der Handlanger und<br />
Hintermänner gilt es immer noch nachhaltig das Handwerk<br />
zu legen. Viele geständige Profis tauchen inzwischen geläutert<br />
in verantwortlichen Funktionen wieder auf. Darf man<br />
ihnen trauen? Ist ihre Reue nach Sperren, Strafen und Prozessen<br />
nicht nur gespielt?<br />
Im Schneckentempo<br />
D<br />
ie Erkenntnis, dass der Fortschritt in vielen <strong>Gesellschaft</strong>sereichen<br />
und menschlichen Lebenslagen eine<br />
Schnecke ist, hat sicher keinen Neuigkeitswert. Doch dieser<br />
alte Hut erfährt immer mal wieder Bestätigung mit besonderen<br />
Verblüffungseffekten. Jüngere Beispiele liefert das<br />
Thema Volksgesundheit unter dem Aspekt von Bewegung.<br />
Hier stehen den düsteren Szenarien um die Wohlstandsaffinen<br />
Krankheitsbilder immer häufiger positive Entwicklungen<br />
gegenüber, die Lernfähigkeit auf allen Ebenen signalisieren.<br />
Laut einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts, der<br />
sogenannten „Studie zur Gesundheit Erwachsener in<br />
Deutschland“, ist etwa die Bereitschaft zum Sport deutlich<br />
gestiegen. Auch wenn sie noch nicht ausreicht, lässt der<br />
Trend längerfristig hoffen.<br />
Dealer, die mit der Manipulation fürstlich verdienten und<br />
Betrug weiter hartnäckig leugnen, obwohl ihre „Schützlinge“<br />
inzwischen reihenweise auspackten, haben junge und erfolgshungrige<br />
Sportler unter Druck gesetzt und geradezu abgerichtet<br />
für die Doping-Karriere. Wer am großen Rad mitdrehen<br />
wollte, bei der Prämien- und Medaillen-Vergabe und<br />
hoch dotierten Sponsoren-Verträgen, für den hieß es schlucken,<br />
spritzen, Blut panschen – Schmerzen unterdrücken und<br />
die Moral gleich dazu.<br />
Auch Sponsoren haben zu lange die Augen zugedrückt vor<br />
der Wahrheit. Und sensationslüsterne Medien müssen sich<br />
fragen lassen, warum sie schmutzigen Lorbeer noch verkauft<br />
haben, als Verlogenheit und das betrügerische Netzwerk<br />
offenbar wurden. Auch hier waren Kostgänger des Systems<br />
am Werk, die, als es eng wurde, schnell in die Rolle der Aufklärer<br />
schlüpften. Ist mit Helden-Epen nichts mehr zu verdienen,<br />
folgen Enthüllungsgeschichten.<br />
Wage es keiner, den Radsport als einziges Seuchen-Nest<br />
anzuprangern. Zugegeben, dort haben sich Manipulation und<br />
Betrug am brutalsten eingenistet. Es gibt jedoch im Hochleistungszirkus<br />
– und gerade in der Grauzone darunter – kaum<br />
noch eine Sportart, die nicht mit Doping- oder anderen<br />
Verstößen gegen Fairplay und Humanität kämpft.<br />
Und auch das gehört zur Realität: Die 100. Tour de France<br />
wird neue Helden und Legenden gebären. Und wieder werden<br />
ihnen Zuschauer huldigen und Sponsoren rote Teppiche<br />
ausrollen. Aber es fällt schwer zu glauben, dass diese Profis<br />
eine extrem harte Jubiläums-Rundfahrt in Frankreich ohne<br />
medizinische Tricks und pharmakologische Kraftspender<br />
meistern. Das Misstrauen, es klebt an der Zunft, wie der<br />
Schweiß der Pedaleure an den Körpern.<br />
Hans-Peter Seubert<br />
Was die Situation bei Kindern und Jugendlichen betrifft,<br />
werden uns Untersuchungsergebnisse die Stichworte Bewegungsmangel,<br />
Übergewicht, Fehlernährung und Schulsportdefizite<br />
wohl weiter um die Ohren hauen. Doch auch hier<br />
gilt: der Prozess des Umdenkens und der Umorientierung ist<br />
in vollem Gange. Vor allem bei Ärzten, die hier die Schlüsselpositionen<br />
einnehmen. Sie scheuen sich längst nicht<br />
mehr vor der Aussage: Sport wirkt besser als jede Tablette!<br />
So ist inzwischen sogar der Begriff „Bewegungsmedizin“<br />
hoffähig geworden. Und damit wären wir wieder beim<br />
Schneckentempo. In den 1970er Jahren hieß ein Slogan der<br />
Trimm-Aktion des deutschen Sports „Bewegung ist die beste<br />
Medizin“. Er wurde als Animation für zu verändernde<br />
Lebensweisen der Wohlstandsbürger in Verbindung mit<br />
einem „Grünen Rezept“ propagiert und seinerzeit nur von<br />
wenigen weitsichtigen Ärzten zum Praxis-Programm erhoben.<br />
Heute wissen wir: Nach rund vierzig Jahren ist die<br />
Schnecke angekommen.<br />
Harald Pieper<br />
KOMMENTARE<br />
37
Eine Medaille für Millionen: 100 Jahre<br />
Das <strong>Deutsche</strong> Sportabzeichen gehört hierzulande zum<br />
Inventar unseres Lebens. Das gute, alte Möbelstück<br />
wird in diesem Jahr hundert Jahre alt. Und da dieses<br />
Ereignis ausgiebig gefeiert wird, dürfte es stärker als sonst<br />
von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden.<br />
Zugleich feiert der zuletzt ein wenig verstaubt wirkende<br />
Leistungs- und Fitness-Nachweis für jedermann in einer<br />
modernisierten Form Premiere. Eine Sonderbriefmarke von 58<br />
Cent und eine 10-Euro-Silbermünze weisen ebenfalls auf das<br />
Jubiläum hin. Das Sportabzeichen hatte freilich nie das Zeug<br />
zu großen Schlagzeilen. Daran wird sich auch nicht viel<br />
ändern. Heutzutage ist es für seine Sachwalter vom organisierten<br />
Sport noch schwerer als früher, einer solchen Kampagne<br />
im medialen Getöse von Fußball und Formel 1 Geltung<br />
zu verschaffen.<br />
1913 feierte das Sportabzeichen noch im Kaiserreich seine<br />
Premiere. Carl Diem, eine der prägenden Figuren des deutschen<br />
Sports, dessen große Bedeutung heute wegen seiner<br />
Durchhalterede vor Hitler-Jungen oft verkannt wird, hatte die<br />
Idee von den <strong>Olympische</strong>n Spielen 1912 in Stockholm mitgebracht.<br />
Beim Debüt in Berlin wurde den 22 erfolgreichen<br />
Prüflingen jeweils eine „Auszeichnung für vielfältige Leistungen<br />
auf dem Gebiete der Leibesübungen“ verliehen. Die<br />
männlichen Teilnehmer – Frauen wurden erst 1921 zugelassen<br />
– hatten anspruchsvolle Anforderungen zu erfüllen: Sie<br />
mussten 4,75 Meter weit springen und beim 100-Meter-Lauf<br />
in 13 Sekunden am Ziel sein. Auch hatten sie sich im Eishockey,<br />
Fechten, Fußball und Golf zu bewähren. Die Nationalsozialisten<br />
brachten das „Reichs-Sport-Abzeichen“ in den<br />
gleichgeschalteten Massensport ein. Damit sollte die „Volksund<br />
Wehrkraft“ gestärkt werden. Außer den traditionellen<br />
Sportarten waren mehrere Schieß-Disziplinen sowie ein 25-<br />
Kilometer-Dauermarsch mit 12,5 Kilo Rucksack oder Tornister<br />
und eine „Kraftradgeländefahrt“ über 50 Kilometer zu absolvieren.<br />
Die DDR knüpfte an dieses vormilitärische Gedankengut<br />
an, wie sich an dem Motto ihres seit 1951 vergebenen<br />
Sportabzeichens: „Bereit zur Arbeit und Verteidigung der<br />
Heimat“ zeigt.<br />
Zur gleichen Zeit wurde in der Bundesrepublik und in West-<br />
Berlin das „<strong>Deutsche</strong> Sportabzeichen“ kreiert, dessen Charak-<br />
38
<strong>Deutsche</strong>s Sportabzeichen Von Steffen Haffner<br />
ter rein ziviler Natur ist. DOSB-Präsident Thomas Bach spricht<br />
von einer großen Erfolgsgeschichte der Auszeichnung und<br />
begründet dies mit der Zahl von 33,6 Millionen Verleihungen,<br />
davon 1,4 Millionen bis 1944. (Die DDR-Sportabzeichen,<br />
deren Zahl als getürkt gilt, sind darin nicht enthalten.) Vor<br />
über fünfzig Jahren wurde das Sportabzeichen in den Rang<br />
eines Ordens erhoben. Bundeswehrsoldaten tragen es stolz an<br />
ihrer Ausgehuniform. Die Bundespräsidenten Horst Köhler<br />
und Richard von Weizsäcker erwarben mehrmals die kleine<br />
Anstecknadel. Der mittlerweile 93 Jahre alte von Weizsäcker<br />
erfüllte noch als 83-Jähriger die Anforderungen zum zehnten<br />
Mal. Der Sport affine Gerhard Schröder zeigte sich als Bundeskanzler<br />
auch auf diesem Feld leistungsstark. Und der<br />
beliebte Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff stand ebenfalls<br />
seinen Mann, auch wenn Martin Jente ihm in seiner<br />
Rolle als kritischer Butler beschied: „Sehr mäßig!“ Das war in<br />
den siebziger Jahren, als das Sportabzeichen von der neuen<br />
Trimm-Bewegung profitierte. Es gibt eine Reihe von Dauerbrennern<br />
wie den 74-jährigen Wolfgang Radtke, der den<br />
Fitnessorden 55 Mal erwarb. Die Familie Nitsch tritt Jahr für<br />
Jahr gleich mit drei Generationen von den Großeltern über<br />
die Eltern bis hin zu den Enkeln an. Ihre stolze Bilanz: 36<br />
Familien- und 197 Einzel-Sportabzeichen. Fortsetzung folgt.<br />
Seit 2004 wird jedes Jahr mit einer Sportabzeichen-Tour, die in<br />
den Sommermonaten quer durch Deutschland führt, zum Mitund<br />
Nachmachen angeregt. Nach dem Start am 12. Mai bei<br />
der Internationalen Gartenausstellung in Hamburg führt die<br />
Karawane diesmal noch über zehn Stationen, bevor es am 14.<br />
September im Park von Schloss Bellevue beim Finale mit<br />
Bundespräsident Joachim Gauck zum Höhepunkt kommt. Bei<br />
dieser besonderen Deutschland-Reise, die – wie die gesamten<br />
Aufwendungen für das Sportabzeichen in Höhe von rund<br />
einer Million Euro – von der Firma Ferrero mit der Marke<br />
„Kinder und Sport“, von der Sparkassen-Finanzgruppe, von der<br />
Barmer GEK und vom Textilunternehmen Ernsting’s Family<br />
finanziert wird, treten bekannte Athleten wie Leichtathletik-<br />
Ikone Heike Drechsler, wie der dreifache Kanu-Olympiasieger<br />
Andreas Dittmer oder Frank Busemann, der Zehnkampf-<br />
Olympia-Zweite von Atlanta 1996, als Animateure auf. Busemann<br />
und einige andere Könner wie Dagmar Hase, Schwimm-<br />
Olympiasiegerin über 400 Meter Freistil von Barcelona 1992,<br />
39
Astrid Kumbernuss, Kugelstoß-Goldmedaillen-Gewinnerin von<br />
Atlanta, oder Lilli Schwarzkopf, die im Siebenkampf von London<br />
2012 Zweite wurde, geben den Sportabzeichen-Kandidaten<br />
Tipps in Motivationsfilmen, die über „splink“, die Internet-<br />
Plattform des DOSB, (auch als App) zu sehen sind.<br />
Bei den vielfältigen Anstrengungen, „das Olympia des kleinen<br />
Mannes“ zu popularisieren, müsste die Erfolgskurve des<br />
Fitnessordens eigentlich steil ansteigen. Doch das Gegenteil<br />
ist der Fall. Nach dem Zwischenhoch von 2008 und 2009, als<br />
zweimal die Millionen-Marke der Verleihungen überschritten<br />
wurde, registrierte der DOSB im vergangenen Jahr einen<br />
Rückgang auf 843.890 Abzeichen. 1989 hatte der DSB mit<br />
818.000 schon ähnlich viel erreicht. Und das vor der Vereinigung!<br />
Rund drei Viertel der Sportabzeichen wurden 2012 von<br />
Kindern und Jugendlichen ((638.586, davon 311.356 Jungen<br />
und 321.071 Mädchen) erworben. Das ist eine gute Nachricht,<br />
auch wenn die Schulen die treibende Kraft sind und zudem<br />
bei den Bundesjugendspielen erzielte Leistungen einbezogen<br />
werden. Die Kehrseite: Nur ein knappes Viertel Erwachsene<br />
(205.304, davon 124.078 Männer und 78.148 Frauen) haben<br />
die Bedingungen für das Sportabzeichen erfüllt, ein Viertel<br />
davon pflichtgemäß bei der Bundeswehr und der Bundespolizei.<br />
Das ist für ein 80 Millionen-Volk und angesichts des<br />
großen Werbe-Aufwands ein enttäuschendes Ergebnis. Traditionell<br />
nimmt die Zahl der Bewerber um das Sportabzeichen,<br />
die zuletzt schätzungsweise zwischen 1,5 und 2 Millionen lag,<br />
in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 drastisch ab. Für die<br />
Erwachsenen, die Beruf und Familie unter einen Hut bringen<br />
müssen, gerät die Überprüfung ihrer Fitness weitgehend aus<br />
dem Blick. Hinzu kommt, dass heute das Angebot an Kultur<br />
und Entertainment, dazu die Zeitfresser Computer und Fernsehen<br />
den Spielraum stark einengen.<br />
Das frisch aufpolierte Sportabzeichen soll die Wende zum<br />
Besseren bringen. Fünf Jahre lang hat eine Arbeitsgruppe, in<br />
der Fachleute aus den wichtigsten Sportorganisationen und<br />
Sportwissenschaftler der Technischen Universität München<br />
mitwirkten, die Anforderungen überarbeitet. Von diesem Jahr<br />
an wird das Sportabzeichen nicht mehr nach der Zahl der<br />
Wiederholungen, sondern wie bis 1945 und danach in der DDR<br />
gestaffelt nach Leistungen in Gold, Silber und Bronze vergeben.<br />
Kinder können jetzt schon von sechs statt von acht Jahren an<br />
teilnehmen, und die Anforderungen für über Achtzigjährige<br />
und sogar über Neunzigjährige wurden differenziert. Eine<br />
Reihe von Disziplinen wurde aussortiert. So können die<br />
Erwachsenen zum Beispiel nicht mehr unter beliebten Übungen<br />
wie Schlagball, 1.000 Meter, Inline-Skating, Skilanglauf<br />
oder Kegeln und Schießen wählen. Aus den fünf Kategorien<br />
Schwimmen, Sprungkraft, Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer<br />
sind vier Gruppen geworden. Nur noch einmal in fünf Jahren<br />
braucht die Schwimmfertigkeit nachgewiesen zu werden.<br />
Damit entfällt freilich auch die Notwendigkeit, sich wenigstens<br />
einmal im Jahr auf die Schwimm-Prüfung vorzubereiten.<br />
Statt Sprungkraft ist Koordination hinzugekommen. Karl-<br />
Heinz Marchlowitz, beim <strong>Deutsche</strong>n Sportbund fünfzehn<br />
Jahre lang für das Sportabzeichen verantwortlich, merkt<br />
40
kritisch an: „Sport hat eigentlich immer mit Koordination zu<br />
tun.“ Unter diesem Rubrum werden zum Beispiel Leistungen<br />
im Hochsprung, Weitsprung, Seilspringen und in neuen<br />
Übungen wie dem Zonenweitwurf und Zonenweitsprung<br />
angeboten, bei dem aus einer Zone heraus jeder Proband erst<br />
zweimal mit rechts, dann zweimal mit links aus einer Zone<br />
heraus in die Sandgrube springen muss. Gerade diese Übung<br />
beansprucht die Gelenke und birgt vor allem für in die Jahre<br />
gekommene Teilnehmer vier Mal die Gefahr von Muskelverletzungen.<br />
Der Sportmediziner Wildor Hollmann warnt schon<br />
seit langem: „Schnellkraftübungen sind für ältere Menschen<br />
nicht sinnvoll und verletzungsgefährlich.“ Das gilt gerade<br />
auch für die Sprints, die den Sportabzeichen-Bewerbern bis<br />
ins hohe Alter abgefordert werden. Über 75-Jährige haben<br />
zum Beispiel für Gold 30 Meter in 5,7 Sekunden zurückzulegen.<br />
Um dies zu schaffen, müssen sogar erfolgreiche Senioren-Leichtathleten<br />
ausgiebig trainieren.<br />
Unter den 70.000 oft überalterten Prüfern, die an 3.000<br />
Sportabzeichen-Treffs die Leistungen abnehmen, herrscht<br />
erheblicher Unmut. Viele finden das neue Verfahren zu kompliziert.<br />
So müssen sie jetzt die Punktzahlen ermitteln, die<br />
jeder Freizeit-Athlet sammelt. In jeweils einer Übung kann der<br />
Teilnehmer für Bronze einen Punkt, für Silber zwei und für<br />
Gold drei Punkte erhalten. Für 4 bis 7 Punkte wird Bronze,<br />
für 8 bis 10 Silber und für 11 bis 12 Punkte Gold vergeben.<br />
Marchlowitz nennt die Bronze-Kategorie, „ein reines Mitmachabzeichen,<br />
das jeder Gesunde schaffen kann. Die ‚Silber-<br />
Leistungen’ entsprechen dem Niveau des bisherigen Sportabzeichens.<br />
Und Gold dürfte künftig nur noch von trainierten<br />
Athleten erreicht werden.“ Dennoch werden die meisten<br />
Bewerber die Gold-Stufe erreichen wollen. Das Ziel Gold ist<br />
ein hoher Reiz. Es kann Ansporn sein, kann aber auch zu<br />
Selbstüberschätzung und zu Überforderung führen. Walter<br />
Schneeloch, DOSB-Vizepräsident Breitensport/Sportentwicklung,<br />
erhofft sich von der Einführung der drei Leistungsstufen<br />
„eine Steigerung der Attraktivität und einen Anreiz zur kontinuierlichen<br />
Vorbereitung gerade auch im Altersmittelbau“.<br />
Wenn die Sportabzeichen-Aspiranten mit Blick auf Gold<br />
trainierten, wäre das ein wichtiger Effekt. Denn bisher üben<br />
nur Wenige für die Prüfungen. Viele versuchen, die Disziplinen<br />
aus dem Stand zu absolvieren, oft noch, ohne sich richtig<br />
„warm zu machen“ oder die Muskeln zu dehnen. Und zu<br />
wenige Prüfer halten sie dazu an.<br />
Die Bilanz des <strong>Deutsche</strong>n Sportabzeichens wird rein statistisch<br />
sicherlich erfreulich ausfallen. Schon deshalb, weil die<br />
meisten Teilnehmer nicht mit leeren Händen, sondern<br />
zumindest mit Bronze heimkehren werden. Eine noch deutlichere<br />
Steigerung wäre zu erreichen, wenn die 91.000 Turnund<br />
Sportvereine im Lande, die sich nur in geringem Umfang<br />
für das Sportabzeichen engagieren, zu aktivieren wären. Und<br />
das müsste doch mit Wettbewerben und dem Ausloben von<br />
Preisen möglich sein. Die Millionen-Marke wird wahrscheinlich<br />
im Jubiläumsjahr geknackt werden. Damit ist aber noch<br />
nichts über die Qualität des neuen <strong>Deutsche</strong>n Sportabzeichens<br />
gesagt, das dauerhaft einer kritischen Überprüfung<br />
bedarf.<br />
41
Vom Trimmpfad zur<br />
Bewegungsmedizin<br />
oder Die späte<br />
Bestätigung des<br />
„Grünen Rezepts“<br />
Von Herbert Somplatzki<br />
Es war während meines Studiums zu Anfang der<br />
1960-er Jahre an der <strong>Deutsche</strong>n Sporthochschule<br />
Köln. Damals hörte ich während eines Seminars von<br />
Prof. Wildor Hollmann zum ersten Mal, dass es durch<br />
regelmäßiges sportliches Training möglich sei, körperlich<br />
um 20 Jahre jünger zu sein, als ein Untrainierter im gleichen<br />
Lebensalter.<br />
Damals nahm ich diese Feststellung des Medizinprofessors<br />
zwar als Lehrmeinung auf, kümmerte mich aber persönlich<br />
nicht weiter um diese Aussage, da ich - infolge der Praxis<br />
von etwa zwei Dutzend Sportarten während meines Studiums<br />
- überhaupt keine körperlichen Trainingsdefizite hatte<br />
- und mich außerdem in einer Umgebung bewegte, in der<br />
das sportliche Training eine Selbstverständlichkeit war.<br />
Erst später, als ich als Diplom-Sportlehrer in der Lehrpraxis<br />
wirkte, bemerkte ich sportliche Defizite bei anderen Menschen<br />
zielgenauer. Und durch die Kontakte mit anderen<br />
Kollegen, zum Beispiel mit Prof. Jürgen Palm, gerieten mir<br />
die Möglichkeiten des Sports für die Stärkung der menschlichen<br />
Gesundheit immer mehr in den Focus meiner Aufmerksamkeit.<br />
Meine sportliche Heimat war ein Turn- und Sportverein.<br />
Damals war es bei uns üblich, sich nicht darum zu kümmern,<br />
ob das, was wir dort taten, der Verbesserung der<br />
Gesundheit dienlich sei, sondern uns ging es schlicht und<br />
einfach darum, eine turnerische Übung in bestmöglicher<br />
Weise zu gestalten, eine Strecke möglichst schnell zu laufen<br />
oder aber mit der Fußballmannschaft gut zusammenzuspielen<br />
und zu gewinnen.<br />
Es war wohl vor allem Prof. Jürgen Palm, der den Gesundheitsaspekt<br />
des Sports in der Bundesrepublik öffentlich<br />
wirksam zu verstärken half. Ebenfalls aus einem Turnverein<br />
kommend, brachte er seinen Erfahrungsschatz ins Studium<br />
und die spätere Lehrtätigkeit ein und suchte nach neuen<br />
Möglichkeiten, seine Überzeugung möglichst vielen Menschen<br />
zu vermitteln. Die Trimm-Bewegung entstand mit<br />
Slogans wie „Laufen ohne zu Schnaufen“ und ähnlichen<br />
Aktionen, die vom <strong>Deutsche</strong>n Sportbund propagiert allmählich<br />
die Menschen verstärkt „in Bewegung“ setzte und ihr<br />
durch Seriosität und fachliche Betreuung zur Akzeptanz<br />
verhalf. Immer mehr Menschen schlossen sich an und<br />
schärften auf diese Weise allmählich ihr Gesundheitsbewusstsein<br />
durch sportliche Bewegung. Schließlich wurde<br />
damals schon für das „Grüne Rezept“ des DSB geworben.<br />
Etwas zeitversetzt zur Entwicklung des offiziellen Breitensports<br />
begann sich eine andere Körpertrainingsart, die das<br />
Äußere des menschlichen Körpers in ihren Fokus rückte, zu<br />
etablieren. Damals wurde manche Hinterhofgarage zum<br />
Trainingsraum erklärt, in dem sich Männer trafen, um im<br />
Schweiße ihrer Angesichter und fernab offizieller Verbands-<br />
42
tätigkeit Eisengewichte zum Zweck des Muskelaufbaues zu<br />
benutzen; nach körperlichen Vorbildern, die hauptsächlich<br />
aus den USA stammten.<br />
Zwar wurde diese Art des Körpertrainings einstmals schon<br />
von einigen unserer Altvorderen ausgeübt, aber der entscheidende<br />
Impuls kam doch unter der Bezeichnung „Bodybuilding“<br />
aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten - hier<br />
wären nur die Namen Jane Fonda und Arnold Schwarzenegger<br />
zu nennen - und verwandelte im Laufe der Zeit die<br />
männlich dominierten „Muckibuden“ in die heutigen Fitness-<br />
Studios, in denen Frauen und Männer an Fitness- Maschinen,<br />
nach dem Vorbild alter Therapiegeräte fabriziert, gleichberechtigt<br />
trainieren.<br />
Mit dem starken Wachstum der professionellen Studios, zur<br />
Zeit sind es 7.500 allein in Deutschland, wuchsen die Ansprüche<br />
und veränderten auch die soziologische Struktur der<br />
Studiobesucher. Das erforderte eine Reaktion der Studiobesitzer.<br />
So übernahmen immer mehr ausgebildete Trainer die<br />
Anleitung und sportliche Betreuung der Besucher. Und mit<br />
dieser verbesserten Qualität begann auch der Trend zum<br />
Gesundheitstraining zu wachsen, so dass zur Zeit 7,9 Millionen,<br />
also 9,6 Prozent der deutschen Frauen und Männer, in<br />
Fitness-Studios trainieren.<br />
Diese Entwicklung lässt sich besonders an der Messe FIBO<br />
ver- deutlichen. Als sie im Jahr 1985 als „Muskelmesse“ in<br />
Köln startete, da beteiligten sich gerade einmal 69 Aussteller,<br />
die alle nur aus der Bundesrepublik kamen und ausschließlich<br />
auf das Krafttraining fokussiert waren.<br />
Zur FIBO <strong>2013</strong> jedoch, die jetzt die Bezeichnung „Internationale<br />
Leitmesse für Fitness, Wellness und Gesundheit“ führt<br />
und zur weltweit größten Messe dieser Art angewachsen ist,<br />
sind 670 Aussteller aus 30 Nationen gekommen. Demnach<br />
hat ich die Zahl der Aussteller fast verzehnfacht. Und diese<br />
Messe <strong>2013</strong> hat insgesamt fast hunderttausend Besucher<br />
angelockt, die am Hauptbesuchertag so zahlreich waren, dass<br />
der Eingangsbereich zeitweilig geschlossen werden musste. In<br />
diesem Zusammenhang wurde auch festgestellt, dass inzwischen<br />
jeder fünfte Besucher aus dem Gesundheitsbereich<br />
gekommen ist.<br />
Die Intention, heutzutage in einem Fitness-Studio zu trainieren,<br />
hat sich sehr stark gewandelt. Heute steht bei den meisten<br />
Mitgliedern die aktive Erhaltung und Verbesserung ihrer<br />
Gesundheit im Vordergrund. Und deshalb hat sich auch auf<br />
der FIBO das Angebot der Aussteller immer weiter in diese<br />
Richtung entwickelt. Inzwischen zielen die Messeangebote<br />
sowohl auf das Gerätetraining als auch auf andere Trainingsmethoden.<br />
So fügen sich beispielsweise Yoga oder Tanz sowie<br />
neue Trainingsformen für die physiotherapeutische Praxis in<br />
das Messeangebot ein.<br />
Lagen früher zwischen den Ansichten der Fitness-Studio-<br />
Betreiber und denen der Mediziner und Therapeuten sozusagen<br />
Welten, so hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt,<br />
dass das gezielte und regelmäßige körperliche Training<br />
eine präventive Wirkung entfalten kann. Ja, es wird zunehmend<br />
bei einer Vielzahl von Erkrankungen, zum Beispiel bei<br />
Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sogar<br />
bei bestimmten Formen von Krebs, als unterstützende Maßnahme<br />
genutzt und erzielt dabei hervorragende therapeutische<br />
Wirkungen; so dass in diesem Zusammenhang der neue<br />
Terminus „Bewegungsmedizin“ durchaus seine Berechtigung<br />
hat. Und der auf dieser FIBO erstmalig<br />
durchgeführte interdisziplinäre<br />
„Fachkongress für Bewegungsmedizin“<br />
mit der Zielgruppe<br />
Allgemeinmediziner, Sportwissenschaftler,<br />
Sportpädagogen, Physiotherapeuten,<br />
Sportärzte, Fitnesstrainer<br />
und Übungsleiter hatte eine<br />
sehr gute Resonanz, die deutlich<br />
zeigt, welch großes Interesse für<br />
dieses Thema vorhanden ist. Die<br />
Bewegungsmedizin ist sicher auch<br />
eine interessante Möglichkeit, um<br />
in den Sportvereinen das Wissen<br />
um den Gesundheitssport in Theorie<br />
und Praxis zu erweitern.<br />
Ein weiterer Wachstumsbereich,<br />
der im Zusammenhang mit der<br />
demographischen Entwicklung<br />
steht, hat sich inzwischen auch in<br />
den Fitness-Studios etabliert. Es ist<br />
das gezielte Trainingsangebot für<br />
ältere Menschen. Denn allmählich<br />
hat sich auch im Bewusstsein der<br />
breiten Öffentlichkeit das Wissen<br />
verankert, dass durch gezieltes<br />
Training von Kraft, Ausdauer,<br />
Beweglichkeit und Koordination<br />
auch im höheren Alter Gesundheit<br />
und Lebensqualität deutlich zu<br />
verbessern sind.<br />
In diesem Zusammenhang ist es<br />
erfreulich, dass sich trotz ihrer<br />
unterschiedlichen historischen<br />
Wurzeln die Zielsetzungen von<br />
Breitensport und Fitnessbewegung<br />
inzwischen anzunähern beginnen,<br />
um der menschlichen Bewegung<br />
jenen Stellenwert einzuräumen,<br />
der ihr in einer durch Technik<br />
geprägten Welt „naturgemäß“<br />
zukommt.<br />
43
Was macht eigentlich ...?<br />
Heinz Fütterer<br />
Von Steffen Haffner<br />
Die Älteren schnalzen beim Namen Heinz Fütterer mit der<br />
Zunge, nennen gleich seinen Spitzenamen: „der weiße<br />
Blitz“. Die Jungen schauen sich ratlos an. Ihnen müssen<br />
wir erklären, warum dieser Mann ein Idol unserer Jugend war.<br />
Der heute 82-Jährige schildert uns seine Wahl zum „Sportler<br />
des Jahres 1954“. Zu guter Letzt waren bei der Proklamation in<br />
Karlsruhe noch drei Kandidaten übrig: der Springreiter Hans-<br />
Günter Winkler, Heinz Fütterer und Fritz Walter. „Als Dritter<br />
wurde Hans-Günter Winkler auf die<br />
Bühne gebeten. Beim Zweiten war ich<br />
schon am Aufstehen. Da hat’s geheißen:<br />
‚Fritz Walter’. Mir hat es fast den<br />
Boden unter meinen Füßen weggezogen.<br />
Ich hab spontan gesagt: ‚Fritz,<br />
das tut mir aber leid’.“ Diese<br />
Geschichte wird der Erfolgssprinter<br />
von einst demnächst wieder einer<br />
Seniorengruppe im Heimatmuseum<br />
von Illingen – das mit Elchesheim<br />
eine Gemeinde bildet – erzählen. In<br />
dem badischen Fischerdorf am Oberrhein<br />
25 Kilometer südlich von Karlsruhe<br />
wurde Fütterer geboren, hier ist<br />
er aufgewachsen, hier wohnt er mit<br />
seiner zweiten Frau im Olympia-Weg.<br />
1977 wollten die Stadtväter die<br />
Straße nach ihm benennen. Das fand<br />
Fütterer übertrieben, weshalb er<br />
Olympia-Weg vorschlug. Seit 2004 ist<br />
er Ehrenbürger der Gemeinde, 2011<br />
wurde er in die Hall of Fame des<br />
deutschen Sports aufgenommen. Zuvor war der herausragende<br />
Leichtathlet, der seit langen Jahren der DOG angehört,<br />
unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz, mit dem Silbernen<br />
Lorbeerblatt und dem Rudolf-Harbig-Preis ausgezeichnet<br />
worden.<br />
1953 hatte der nur 1,71 Meter große Mann mit dem blond<br />
gewellten Haar, der in der Staffel rasant durch die zweite Kurve<br />
stürmte, mit einem Sieg über vier schwarze Amerikaner erstmals<br />
international von sich reden gemacht. Gaston Meyer, der Chefredakteur<br />
von „L’Équipe“, schrieb: „Fütterer zuckte wie ein weißer<br />
Blitz durch die Halle.“ Und damit war sein Markenname geboren.<br />
1954 in Bern wurde er Europameister über 100 und 200 Meter.<br />
Im gleichen Jahr stellte der damals 23-Jährige auf einer<br />
Aschenbahn von Yokohama mit 10,2 Sekunden den Weltrekord<br />
von Jesse Owens aus dem Jahre 1936 ein. Eine der drei Stoppuhren<br />
hatte sogar 10,1 Sekunden<br />
angezeigt. „Ich hatte ein Gefühl, als<br />
wäre ich geflogen.“ Das trug zu der<br />
überraschenden Wahl zum „Sportler<br />
des Jahres“ bei. Die Entscheidung der<br />
(west-)deutschen Sportjournalisten<br />
zeigt, wie populär die Leichtathletik<br />
damals war mit Persönlichkeiten wie<br />
Armin Hary, Manfred Germar oder<br />
Martin Lauer. Aus heutiger Sicht ist es<br />
kaum vorstellbar, dass ein Nicht-<br />
Fußballer ein Drittel mehr Stimmen<br />
bekam als der Kapitän der „Helden<br />
von Bern“, die 1954 mit einem 3:2<br />
gegen die Wunderelf aus Ungarn<br />
sensationell Fußball-Weltmeister<br />
geworden waren.<br />
Der Traum von einer olympischen<br />
Einzelmedaille ging nicht in Erfüllung.<br />
1952 für die Spiele von Helsinki war<br />
Fütterer qualifiziert, konnte aber<br />
wegen einer Verletzung nicht starten.<br />
Vier Jahre später schaffte Fütterer nach einem Muskelfaserriss<br />
zwar den Sprung nach Melbourne, doch die gute Form war<br />
dahin. Den Gewinn der Bronzemedaille über 4 mal 100 Meter<br />
empfand er nur als schwachen Trost. 1958 in Stockholm wurde<br />
der Badener mit der Staffel Europameister. Ein Erfolg, der damals,<br />
als es noch keine Weltmeisterschaften gab, hoch angesehen war.<br />
Nach den Titelkämpfen in Schweden beendete Heinz Fütterer<br />
seine ruhmreiche Laufbahn, in der er zu 536 Siegen lief und dabei<br />
von 1953 bis 1955 ungeschlagen blieb. Dazu sammelte er fünf<br />
44
deutsche Meistertitel auf<br />
beiden Sprintstrecken und<br />
einen in der Staffel. Nebenbei<br />
sprang er 7,43 Meter<br />
weit. „Doch das war nichts<br />
für mich, untätig zuzusehen,<br />
was die Konkurrenten<br />
machen. Ich brauchte die<br />
Konfrontation Mann gegen<br />
Mann im Sprint. Ich wollte<br />
immer nur gewinnen. Die<br />
Zeiten interessierten mich<br />
nicht so sehr.“<br />
Als Siebzehnjähriger war er bei den ersten Wettkämpfen allen<br />
davon gelaufen und war Kreismeister geworden: „Barfuß, denn<br />
für Turnschuhe hatten wir kein Geld. Doch wollte ich auch<br />
Schuhe mit Nägeln haben, die ich bei Anderen gesehen hatte.<br />
Die gab es aber in der Nachkriegszeit nicht zu kaufen. Zum<br />
Glück entdeckte ich ein Paar Rennschuhe in einer Karlsruher<br />
Umtauschzentrale, wie die Second Hand-Läden damals hießen.<br />
Ich durfte in die Schuhe hinein schlüpfen. Sie passten wie<br />
angegossen. Als Tauschobjekt hatte ich das rauchblaue Verlobungskleid<br />
meiner Schwester geklaut. Als meine Schwester an<br />
Fronleichnam im Unterrock herumrannte und verzweifelt ihr<br />
Kleid suchte, musste ich Farbe bekennen. Da war Aufruhr im<br />
Haus. Ich habe gesagt: ‚Und wenn ihr mich tot schlagt, ich<br />
gebe die Rennschuhe nicht mehr her.’ Zur Wiedergutmachung<br />
habe ich ihr jedes Jahr zu Fronleichnam Geld für ein Kleid<br />
geschenkt.“ Bei Puma, dessen Generalvertreter für Baden-<br />
Württemberg er später wurde, hat er einen „Heinz-Fütterer-<br />
Rennschuh“ kreiert und dafür Lizenzgebühren bekommen.<br />
Ohne sein sportliches Talent hätte sich Fütterer wahrscheinlich<br />
als Fischer durchs Leben schlagen müssen wie sein Vater. „Von<br />
ihm habe ich die Seriosität gelernt, von meiner Mutter, die als<br />
legendäre Marktfrau die Fische verkaufte, habe ich den Biss.“<br />
Als Vierzehnjähriger begann er in Kiel eine Ausbildung zum<br />
Fischer. Das war eine harte Zeit. Nie vergessen wird er die<br />
strapaziöse Fahrt mit einem Kutter nach Island. „Als ich einmal<br />
das Netz nicht richtig einholte und die wertvolle Ladung von<br />
Heringen und Kabeljau ins Meer platschte, hat mir der Kapitän<br />
eine geschossen, dass ich fast über Bord gegangen wäre.“ Die<br />
Begleiterscheinungen der Fischerei waren wenig angenehm.<br />
„Ich konnte mich noch so gründlich waschen, immer roch ich<br />
nach Fisch. Und ich hatte ständig kalte Füße und bekam Rheuma.“<br />
Ein Glück, dass sein Entdecker und Trainer Professor<br />
Robert Suhr ihm einen Ausbildungsplatz beim Energieversorger<br />
Badenwerk verschaffte. Die Firma unterstützte seine sportliche<br />
Laufbahn und legte die Grundlage für seine spätere Existenz.<br />
Ganz kann Fütterer nicht vom Fischen lassen. Noch heute fährt<br />
er mit dem Ruderboot auf den Alt-Rhein und Rhein, wo die<br />
Familie seit mehr als hundert Jahren ein Fischwasser gepachtet<br />
hat, und fängt mit Netzen und Reusen Hechte, Karpfen und<br />
den schmackhaften Rhein-Zander für den Eigenbedarf und als<br />
Gabe für Bekannte. Doch auch der Erwerbssinn des gelernten<br />
Kaufmanns ist wach geblieben. An einem Baggersee „von der<br />
Größe des Titi-Sees“ hat er siebzig Segelboote liegen und<br />
unterhält in Karlsruhe einen Mini-Golfplatz. Das hilft, das<br />
Golfspielen zu finanzieren. „Das Handikap geht langsam nach<br />
oben, von 14 auf 20 in den letzten zehn Jahren. Meine Schläge<br />
sind zwanzig, dreißig Meter kürzer geworden. Das macht aber<br />
nichts. Ich bin ein begeisterter Golfer, aber kein Fanatiker.“ Auf<br />
eine andere Leidenschaft muss Fütterer, dem ein künstliches<br />
Knie- und Hüftgelenk verpasst wurden, verzichten. 23 Jahre<br />
lang hat der passionierte Skiläufer an der „Streif“ in Kitzbühel<br />
gewohnt, wo er sogar einen Zweit-Wohnsitz hatte. „Das Skifahren<br />
war mir nach den Operationen zu riskant. Und ich<br />
wollte nicht das Golfspielen gefährden. Denn daran hängt mein<br />
Herz.“ Im Keller tut er in seinem privaten Fitness-Studio zusätzlich<br />
Einiges für seine Gesundheit. Die wurde 1990 auf eine<br />
harte Probe gestellt, als ein Gehirntumor entfernt wurde, zum<br />
Glück ohne unangenehme Folgen.<br />
Gern denkt der Illinger an die erlebnisreichen Jahre als Aktiver<br />
zurück. „Wir hatten die schönere Zeit. Da drehte sich nicht alles<br />
ums Geld.“ Die strengen Amateurregeln gestanden den Athleten<br />
nur drei Dollar, damals zwölf Mark, Spesen pro Tag zu.<br />
„Wir nahmen das Auto und rechneten erster Klasse ab.“ Nur<br />
einmal ließ sich der junge Mann beim Kölner ASV-Sportfest<br />
einen Umschlag mit 500 Mark zustecken. Doping war für den<br />
Sprinter ein Fremdwort. „Als der Radprofi Hennes Junkermann<br />
mich einmal fragte: ‚Was feuerst du?’, habe ich ihn entgeistert<br />
angeguckt. Ich wusste gar nicht, was er meinte.“<br />
Dass Usain Bolt zu unlauteren Mitteln greift, kann er sich<br />
nicht vorstellen. „Der wird doch bei jedem Sportfest unter die<br />
Lupe genommen und würde mit Doping bestimmt nicht<br />
durchkommen.“ Andererseits gibt ihm zu denken, dass der<br />
Jamaikaner einmal im Jahr für sechs bis acht Wochen von der<br />
Bildfläche verschwindet. „Was er da macht, weiß man nicht.“<br />
Ihm ist aufgefallen, wie stark die Oberschenkel des schnellsten<br />
Mannes der Welt ausgebildet sind. „Bolt ist so überlegen, dass<br />
ihm keiner nahe kommt. Deshalb kann er auch so locker<br />
bleiben.“<br />
Heinz Fütterer kann heute mit dem Brustton der Überzeugung<br />
sagen: „Uns geht es gut.“ Die Wunde des schweren Schicksalsschlags,<br />
als er im Alter von 39 Jahren seine erste Frau verlor, ist<br />
vernarbt. Die Gemeinsamkeit mit seiner zweiten Frau, mit<br />
seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Enkelsohn steht für<br />
den Familienmenschen an erster Stelle, vor der Kameradschaft<br />
mit den Golffreunden und Weggefährten aus der Leichtathletik.<br />
Nie abgerissen ist seine Verbindung zum Karlsruher Sportclub,<br />
für den er als Athlet gestartet ist und dessen Ehrenrat er<br />
heute angehört. Und dass der KSC in die Zweite Liga aufgestiegen<br />
ist, ist für Heinz Fütterer eine ganz besondere Freude.<br />
45
Ein kleines Foto nur. Sechs mal<br />
neun, schwarz-weiß, mit Büttenrand.<br />
Und unscharf. Nicht reproduzierbar.<br />
Leider. Das Motiv, Mann mit<br />
Kind auf dem Arm, ist kaum auszumachen.<br />
Wertlos eigentlich. Nicht für<br />
Ulrike Harbig. Sie bewahrt das Bild als<br />
Kostbarkeit auf. 1943 entstanden, ist es<br />
die einzige Aufnahme, die sie, erst einige Monate alt, mit<br />
ihrem Vater zeigt.<br />
Rudolf Harbig starb, als seine Tochter noch nicht einmal ein<br />
Jahr alt war. Gefallen im Zweiten Weltkrieg am 5. März 1944<br />
als Soldat bei Olchowez in der Ukraine. Mit 30 Jahren. Eine<br />
Grabstelle gibt es nicht, und niemanden, der berichten konnte,<br />
wie Harbig gestorben ist. Den Zenit seiner sportlichen Laufbahn<br />
hatte der Ausnahmekönner auf den Mittelstrecken noch<br />
nicht erreicht. Alle Pläne, alle Hoffnungen, alle Träume waren<br />
auf die <strong>Olympische</strong>n Sommerspiele 1940 ausgerichtet. Spiele,<br />
die – ebenso wie die von 1944 – dem Krieg zum Opfer fielen.<br />
In diesem Jahr, am 8. November, wäre Harbig 100 Jahre alt<br />
geworden. Jener Harbig, der zwischen 1939 und 1941 gleichzeitig<br />
die Weltrekorde über 400 Meter (46,0 Sekunden), 800<br />
Meter (1:46,6 Minuten) und 1000 Meter (2:21,5 Minuten) hielt.<br />
Jener Harbig, der zwischen 1936 und 1941 in 47 Rennen über<br />
die zwei Stadionrunden ungeschlagen blieb. Jener Harbig, der<br />
als Schlussläufer der deutschen 4 x 400-Meter-Staffel 1936<br />
Olympia-Bronze und 1938 EM-Gold sowie den EM-Titel über<br />
800 Meter holte. Jener Harbig, der mit der Aufnahme in die<br />
Hall of Fame des deutschen Sports geehrt wird.<br />
Gedächtnispreis für Bartels eine<br />
große Ehre<br />
Eins-sechsundvierzig-sechs:<br />
Von Jochen Frank<br />
(Freiluft und Halle), doch „bedeutet mir dieser wertvolle Preis<br />
sehr viel“, sagt Bartels. „Er ist etwas Besonderes und die Auszeichnung<br />
eine große Ehre für mich.“ Zu seinen Vorgängern<br />
zählen unter anderem Heinz Fütterer, Ulrike Meyfarth, Hans<br />
Grodotzki, Heike Henkel, Lars Riedel und Frank Busemann.<br />
Wer von Rudolf Harbig spricht, denkt meist zuerst an den<br />
„historischen“ Weltrekord von 1:46,6 Minuten über 800<br />
Meter, aufgestellt am 15. Juli 1939 in Mailand auf einer 500-<br />
Meter-Bahn. Mehrere Nachrichtenagenturen meldeten die<br />
Fabelzeit euphorisch nicht in Ziffern, sondern in Buchstaben:<br />
eins-sechsundvierzig-sechs. 16 Jahre lang hielt er allen<br />
Attacken stand. Erst 1955 wurde er vom Belgier Roger Moens<br />
in Oslo um 0,9 Sekunden auf 1:45,7 Minuten verbessert.<br />
Harbig hatte die Bestmarke seines britischen Rekordvorgängers<br />
Sydney Wooderson gar um 1,8 Sekunden unterboten.<br />
Eine für die Mittelstrecke schier unglaubliche Leistung, die<br />
der Dresdner in einem Ländervergleich mit Italien schaffte.<br />
Sein Dauerrivale Mario Lanzi, der die ersten 400 Meter in 52,5<br />
Sekunden zurücklegte (Harbig in 52,8), hatte sich nach vermeintlichem<br />
Fehlstart, gewollt oder ungewollt, als idealer<br />
Tempomacher erwiesen.<br />
Gewissenhafte Chronisten haben sogar Harbigs 100-Meter-<br />
Abschnitte festgehalten, die mit Zeiten zwischen 12,2 und<br />
Und jener Harbig, dessen Name die<br />
wichtigste Auszeichnung trägt, die<br />
der <strong>Deutsche</strong> Leichtathletik-Verband<br />
alljährlich vergibt, den Rudolf-Harbig-<br />
Gedächtnispreis. Seit 1950 wird er als<br />
ewiger Wanderpreis in jedem Jahr an<br />
einen langjährig verdienten Athleten<br />
verliehen, „der in Haltung und Leistung<br />
als Vorbild für die Jugend“<br />
gelten kann. Zurzeit - und noch bis<br />
zu den <strong>Deutsche</strong>n Meisterschaften im<br />
Juli in Ulm - darf sich Kugelstoßer<br />
Ralf Bartels zu Hause in Groß Teetzleben<br />
als „aktueller“ Preisträger daran<br />
erfreuen. Der Mecklenburger brachte<br />
es als Aktiver bereits auf die stattliche<br />
Sammlung von acht Medaillen<br />
bei Welt- und Europameisterschaften<br />
und 14 deutschen Meistertiteln<br />
46<br />
Im Dress des Dresdner Sport-Clubs<br />
Dauerrivalen: Rudolf Harbig (links) und Mario<br />
Lanzi im ...
800-Meter-Weltrekord überlebte den Rekordhalter<br />
Rudolf Harbig zum 100. Geburtstag<br />
14,8 Sekunden angegeben werden. Überliefert ist auch, dass<br />
Trainer Woldemar Gerschler fortan eine neue Stoppuhr<br />
benutzte, bereits bei Harbigs 400-Meter-Weltrekordlauf vier<br />
Wochen später in Frankfurt am Main (46,0 Sekunden). Auf<br />
dem alten Chronometer, das die 1:46,6 anzeigte, sollten die<br />
Zeiger stehen bleiben. Für immer.<br />
Übrigens, wer Harbigs Mailänder 800-Meter-Zeit am derzeitigen<br />
Rekord des Kenianers David Rudisha (1:40,91 Minuten)<br />
messen will, dem sei auch ein Blick in die Statistik des DLV<br />
empfohlen. In den zurückliegenden zehn Jahren wurde der<br />
deutsche Meistertitel auf dieser Strecke acht Mal für Zeiten<br />
vergeben, die über 1:46,6 lagen. Wobei natürlich nicht außer<br />
Acht gelassen werden darf, dass Meisterschaftsrennen Taktikrennen<br />
sind.<br />
Mit Intervalltraining in die Weltspitze<br />
Trainer Gerschler war 1934 bei einem Talentsuche-Wettbewerb<br />
in Dresden auf den damals noch 20-jährigen, 1,74 m<br />
großen, schlanken jungen Mann aufmerksam geworden. Er<br />
holte ihn zum renommierten Dresdner Sport-Club, bei dem<br />
auch Fußball-Größen wie Kreß, Hofmann und Schön spielten.<br />
Dass er Harbig innerhalb von nicht einmal zwei Jahren mit<br />
neuen Methoden (Intervalltraining) und viermaligem Training<br />
in der Woche in die Weltspitze und zur Olympiareife brachte,<br />
spricht für die Qualitäten dieses Fachmannes.<br />
Harbig hatte bei den von den Nazis missbrauchten Spielen<br />
von 1936 seinen ersten internationalen Einsatz überhaupt.<br />
„Leider sahen mich die <strong>Olympische</strong>n Spiele wegen einer<br />
Darmgrippe nicht in besonderer Form, so dass ich meine<br />
Anhänger enttäuschen musste. Aber ich wusste, dass ich<br />
etwas konnte…“, bekannte er später. Über 800 Meter war er<br />
als Vorlauf-Sechster gescheitert. Bronze mit der 4 x mal 400-<br />
Meter-Staffel (außerdem mit Hamann, von Stülpnagel und<br />
Voigt) war wenigstens ein Trostpflaster. Mit Schlussläufer<br />
Harbig, aber ansonsten mit Blazejezak, Bues und Linnhoff neu<br />
zusammengestellt, holte die Staffel zwei Jahre danach in<br />
Paris den Europameistertitel, nachdem der Dresdner bereits<br />
die 800 Meter als klarer Sieger beendet hatte.<br />
„Unser Wunderläufer Harbig“, wie ihn Günter Grass in seinem<br />
Roman „Beim Häuten der Zwiebel“ schwärmerisch betitelt,<br />
hat sich alles, was er erreichte, hart erarbeiten müssen.<br />
Zudem hatte er das große Glück, unter die Fittiche eines<br />
Pädagogen von Gerschlers Format zu geraten. Ihm vertraute<br />
Harbig rückhaltlos. Der Trainer setzte sich auch dafür ein,<br />
dass sein Schützling in wirtschaftlich schwieriger Zeit einen<br />
Job als städtischer Angestellter bekam. Harbig las Gasuhren,<br />
... und nach dem Wettkampf<br />
EM-Staffel von 1938 mit Blazejezak, Bues, Linnhoff und Harbig<br />
47
Wasseruhren und Stromzähler ab, was ihm treppauf, treppab<br />
zu zusätzlichen Trainingseinheiten verhalf.<br />
Der Trainer wiederum zeigte sich beeindruckt vom „unerhörten<br />
Fleiß, den Harbig im Training zeigte“ sowie von der<br />
„unheimlichen Energie hinsichtlich seiner Lebensführung, die<br />
er ganz den sportlichen Zielen unterordnete“, wie es in Gerschlers<br />
Publikation „Harbigs Aufstieg zum Weltrekord“ heißt.<br />
Alkohol, Kaffee, schwarzer Tee, Nikotin und scharfe Gewürze<br />
wurden von Harbig gemieden. Seine Frau Gerda, die ihrem<br />
Mann das Buch „Unvergessener Rudolf Harbig“ widmete, ging<br />
noch etwas mehr ins Detail: „Nur im November, während der<br />
Ruhepause, ging Rudi ausnahmsweise etwas später als sonst<br />
schlafen und trank auch mal ein Glas Wein.“ Allerdings habe<br />
sie „für die strenge Lebensführung meines Gefährten viel<br />
Verständnis“ aufbringen müssen. Beide hatten sich 1933 beim<br />
Fest eines Turnvereins in Dresden kennen gelernt, 1937 verlobt<br />
und 1941 das Ja-Wort gegeben.<br />
Manch fröhliche Stunde mit den Staffelkameraden<br />
Konsequent und zielstrebig als Sportler, war Rudolf Harbig<br />
dennoch kein Kind von Traurigkeit. Im Gegenteil. Seine EM-<br />
Staffelkameraden von Paris schilderten „ihren“ Schlussläufer<br />
als „freundlichen, lustigen und jederzeit zu einem Späßchen<br />
aufgelegten Kameraden“, wie der Berliner Erich Linnhoff<br />
(1914-2006) in einem Brief festgehalten hat. Der Gladbacher<br />
Hermann Blazejezak (1912-2008) schrieb von „manch fröhlicher<br />
Stunde“, die man gemeinsam verbracht habe. Harbig<br />
sei „immer froher Dinge, uneigennützig und hart gegen sich<br />
selbst“ gewesen. Dr. Manfred Bues aus Kaiserslautern (1913-<br />
2012) hob unter anderem den „sonnigen Humor“ des<br />
Dresdners hervor und erinnerte an eine<br />
Begebenheit aus dem Jahre 1938, „als<br />
wir nach dem Länderkampf gegen<br />
Polen ins damalige Cranz oder Rauschen<br />
(heute Zelenogradsk bzw. Svetlogorsk<br />
/ d.A.) fuhren. Rudi kaufte sich<br />
einen Spickaal und verzehrte ihn zum<br />
Entsetzen der dort bummelnden Kurgäste“.<br />
Die Zitate konnten wir der<br />
Korrespondenz entnehmen, die der<br />
Autor in den 90er Jahren mit den drei<br />
Athleten führte.<br />
Gröditz ein neues Zuhause gefunden hat, gehört zu der<br />
Generation, die ihre Väter nie kennenlernen konnte. Freunde<br />
waren es auch, die noch rechtzeitig vor den Bombenangriffen<br />
auf Dresden im Februar 1945 einige von Harbigs Preisen und<br />
Erinnerungsstücken in Sicherheit bringen konnten. Die Stoppuhr<br />
des Vaters zum Beispiel, die Olympia-Glocke aus Porzellan<br />
und die Figur eines Handballspielers, die er von der Stadt<br />
Dresden als Anerkennung bekommen hatte, stehen im Wohnzimmer<br />
der Tochter.<br />
Vor knapp zwei Jahren wurde sie nach Triptis in Thüringen<br />
eingeladen, wo im Museum ein gemaltes Farbporträt des<br />
Weltrekordläufers enthüllt wurde. Die Arbeitsgruppe Sportgeschichte<br />
der Leichtathletik-Abteilung des dortigen Sportvereins<br />
hatte herausgefunden, dass es sich wohl um das<br />
einzige existierende Gemälde des Sportlers handelt. Am<br />
schönsten sei, so Ulrike Harbig, dass ihr Vater darauf „mit<br />
einem freundlichen Lächeln“ zu sehen ist.<br />
Zu den Thüringern, die ihre Sportstätte nach Harbig benannt<br />
haben, pflegt Ulrike Harbig engen Kontakt, ebenso wie zur<br />
Rudolf-Harbig-Schule in Ribnitz-Damgarten. Deutschlandweit<br />
tragen Straßen, Stadien, Hallen und Schulen den Namen<br />
des Ausnahmeläufers. Es ist schon etwas befremdlich, dass<br />
sich ausgerechnet die Stadtväter seiner Heimatstadt Dresden<br />
in dieser Beziehung schwer tun. Eine Rudolf-Harbig-Straße<br />
(oder einen –Weg) gibt es – nur einige Beispiele in alphabetischer<br />
Reihenfolge – in Angermünde, Bad Oeynhausen, Celle,<br />
Detmold, Heilbronn, Köln, Laage, München, Münster, Reutlingen,<br />
Sindelfingen und Wunstorf. Im Straßenverzeichnis der<br />
sächsischen Landeshauptstadt sucht man sie vergebens.<br />
Wann, wenn nicht in diesem Jahr, gäbe es einen geeigneteren<br />
Anlass zu einer Namensgebung?<br />
Von ähnlichen Erlebnissen, von den<br />
Eigenschaften und Eigenheiten ihres<br />
Vaters konnte sich Ulrike Harbig nur<br />
erzählen lassen. Von ihrer Mutter, von<br />
Freunden der Familie. Die 70-Jährige,<br />
die 1966 der DDR den Rücken gekehrt<br />
hatte, sich in Augsburg eine Existenz als<br />
Lehrerin aufbaute und heute mit ihrem<br />
Lebensgefährten Holger Weinbrecht in<br />
Harbigs Tochter Ulrike vor dem Gemälde in Triptis<br />
48
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Ein Weg durchs Jahrhundert:<br />
Ulrich Inderbinen – Der König der Alpen<br />
Carlo von Opels Erinnerungen an einen Bergkameraden<br />
Ludwig reichte Ulrich das Seil für den Klettergurt. Beide<br />
hatten gemütlich gefrühstückt. Ihnen war die Hektik<br />
fremd, von der allmorgendlich die Hörnli-Hütte<br />
beherrscht wurde. Für Viele war es ein Lebensziel – das Matterhorn,<br />
4.478 Meter, Fels, Geröll, Eis und Schnee. Sie gingen<br />
in die Kälte, hatten ihre Stirnlampen auf. Erst in einer Stunde<br />
würde sich die Morgensonne am Gipfel zeigen. Schon bald<br />
war das erste Fixseil erreicht: Mit den Armen hochziehen, die<br />
Beine suchen Halt. Noch rund 1.200 Meter lagen vor ihnen.<br />
Kein Meter konnte normal begangen werden. Jahr für Jahr<br />
gibt es tragische Unfälle. Nach etwa zwei Stunden erreichten<br />
sie die Solvay-Schutzhütte. Nicht alle, die dort rasten, setzen<br />
den Aufstieg fort.<br />
„Gelangweilt habe ich mich nie“, sagte Ulrich in einem AP-<br />
Interview und fügte mit einem Schalk in den Augen hinzu:<br />
„…höchstens dann, wenn meine Kunden zu langsam marschiert<br />
sind.“ Gäste, die ihn nicht kannten, fragten schon mal<br />
im Bergführerbüro, ob sie nicht einen jüngeren Führer<br />
bekommen könnten, und hinterher beklagten sie sich, weil<br />
Ulrich so schnell gegangen sei. „Bei meinen Kollegen bin ich<br />
dafür bekannt, dass ich nicht anhalten mag, bevor ich mein<br />
Ziel erreicht habe.“ – „Stress und Eile“, fügte er hinzu, „sind<br />
mir unbekannt. Ich lebe, wie ich klettere, mit langsamen und<br />
wohlüberlegten Schritten.“<br />
„Ich bin“, so pflegte er stolz zu sagen, „die einzige Person in<br />
Zermatt, die kein Telefon hat.“ Kunden, die mit ihm in Verbindung<br />
treten wollten, konnten ihn am frühen Nachmittag in<br />
der Kirchgasse antreffen oder über das Bergsteigerbüro<br />
buchen.<br />
Die Solvay-Hütte liegt auf 4.000 Meter – und weiter ging’s,<br />
das Steilste lag noch vor ihnen, die sogenannte Schulter<br />
musste geklettert werden. Für die oft recht zahlreichen Bergsteiger<br />
wurden Fixseile angebracht. Vor diesen bildete sich<br />
manchmal ein Stau, vor allem dann, wenn die ersten vom<br />
Gipfel herunter kamen. Die Luft wurde dünner, und es wurde<br />
empfindlich kälter. Sie erreichten den steilen Schneegrat, der<br />
sich zum Gipfel zieht und meistens nur mit Steigeisen zu<br />
begehen ist. Nach normalen 4 Stunden standen sie auf dem<br />
imposanten Gipfel, von dem es nach beiden Seiten 1.000<br />
Meter steil bis senkrecht abfallend ins Tal geht. Beim Abstieg<br />
passieren die meisten Unfälle, weil Kraft und Konzentration<br />
nachlassen. Es war das erste Mal, dass Ulrich bei einem Führerkollegen<br />
am Seil war, er selbst hatte 360 Menschen aufs<br />
Matterhorn geführt. Die ganze Tour bereitete den beiden<br />
keinerlei Schwierigkeiten. Ludwig Imhofen reichte Ulrich die<br />
Hand – Ulrich Inderbinen – er war 90 Jahre alt.<br />
Am 3. Dezember 1900 erblickte er in Zermatt als eines von 9<br />
Kindern das Licht der Welt. Noch bis 1995 führte er Gäste<br />
aufs Breithorn. Im 96. Lebensjahr stehend, hielt Inderbinen in<br />
seiner Biographie fest: „Meine gute Gesundheit habe ich<br />
meiner positiven Lebenseinstellung, der Freude an der Natur<br />
und meinem Beruf zu verdanken. Als Kind lernte ich mit<br />
wenig zufrieden zu sein, keine Forderungen an das Leben zu<br />
stellen und immer zu arbeiten.<br />
Die erste Begegnung mit ihm hatte ich bei einer Besteigung<br />
des Castor, ein leichter 4.000er in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
des Pollux, der etwa die gleiche Anforderung stellt: So<br />
etwa 500 Höhenmeter, Anstieg mit Ski, dann der ausgesetzte<br />
Gipfelgrat zu Fuß. Inderbinen, auf dem Pollux unterwegs,<br />
benötigte mit seinen damals 83 Jahren genau die gleiche Zeit<br />
wie ich, der sein Enkel sein könnte. Hätte er nicht einen Gast<br />
dabei gehabt, wäre er sicherlich noch schneller gewesen.<br />
Mich hat das damals sehr beeindruckt.<br />
Inderbinen hätte auch einen anderen Weg zum Geldverdienen<br />
finden können. Aber er ging seinen Weg, der an seiner<br />
Haustür begann und meist steil bergauf führte. Er erlebte, wie<br />
die ersten Glühbirnen eingeschaltet wurden, die ersten Fernsprecher<br />
klingelten, die ersten Kraftdroschken das kleine<br />
Bergdorf erreichten und die Musik auf einmal aus dem Rundfunkgerät<br />
kam. Die Kinder gingen im Sommer barfuß zur<br />
Schule, von den Bäuerinnen wurde noch gesponnen, gewebt,<br />
gegerbt. Die Almen wurden bis zum Fels gemäht und das Heu<br />
ins Tal gezogen. Der Skifahrer musste vor der Abfahrt seine<br />
Ski und sich selbst den Berg hinauftragen. Und wo einst der<br />
50
Bergler mit seinem Zeichenblock unterwegs war, haben wir<br />
heute den multikulturellen Jetset.<br />
Wo früher in den Ställen die Kühe gemolken wurden, da<br />
werden heute die Touristen versorgt. Ulrich hat dies alles<br />
nicht aus seinen Spuren gebracht, auf die er wohl immer<br />
gerne zurückblickte. Inderbinen hat nie ein Auto und auch nie<br />
ein Fahrrad besessen und nie ein Glas Wein stehen lassen. Er<br />
erfreute sich an der Einsamkeit der Bergwelt, dem geselligen<br />
Beisammensein im Bergführerkollegenkreis auf den Hütten<br />
und an der Geborgenheit in seiner Familie.<br />
Wenn Inderbinen jemand führte, so hatte er auch dessen<br />
Leben am Seil, und am anderen Seilende war er selbst. Es kam<br />
auch schon vor, dass ein abrutschender Gast den Führer zu<br />
Fall brachte und dieser zu Grabe getragen werden musste.<br />
Wie oft mag er wohl erlebt haben, dass sein Seilpartner sein<br />
Können überschätzte, ihm im steilen Fels schwindelig, er gar<br />
von Panik erfasst wurde oder keine Kraft mehr zum Umgehen<br />
eines Lawinenhanges hatte. Wie oft mag Inderbinen wohl<br />
unter Felsüberhängen Schutz vor Gewitter und Hagel gesucht<br />
haben? Es galt auch, Gestürzte zu bergen und Lawinenopfer<br />
zu finden und immer wieder das erhabene Gefühl, mit einem<br />
Gast das Gipfelkreuz erreicht zu haben.<br />
Bereut hat Ulrich Inderbinen eigentlich nur, dass er im 92.<br />
Lebensjahr nicht nach Afrika reiste. Sicherlich hätte er den<br />
Kilimandscharo geschafft, aber den Widerstand seiner Familie<br />
mochte er nicht überwinden. Das Meer hat er nie gesehen.<br />
Das war wohl für Ihn keine Herausforderung. Doch mit 96<br />
Jahren erfüllte sich der gläubige Katholik einen besonderen<br />
Lebenswunsch: Er reiste nach Rom, um den Segen des Papstes<br />
zu empfangen.<br />
Als er einmal von einem neugierigen Journalisten gefragt<br />
wurde, ob er Angst vorm Sterben habe, sagte er: „Nicht<br />
wirklich, wenn ich mir die Todesanzeigen ansehe, sehe ich<br />
kaum jemanden in meinem Alter.“ Der König der Alpen, wie er<br />
genannt wurde, wollte immer mit langen, wohlüberlegten<br />
Schritten marschieren. Sein Weg führte ihn durch das ganze<br />
20. Jahrhundert. Erst im Frühjahr 2004 endeten seine Spuren<br />
– bei einem Kreuz.<br />
51
L<br />
Sportfotografie von Laci Perényi<br />
aci Perényi gehört seit mehr als drei Jahrzehnten zu den<br />
renommiertesten Fotografen der internationalen Sportszene.<br />
Insgesamt 16 <strong>Olympische</strong> Sommer- und Winterspiele,<br />
acht Fußball-Weltmeisterschaften sowie zahlreiche andere<br />
Sportereignisse hat Perényi im Laufe seiner Karriere begleitet.<br />
Dabei hat sich der frühere Leistungsschwimmer nie als reiner<br />
Dokumentar des Wettkampfes verstanden, sondern wollte<br />
seine Begeisterung für den Sport mit der Liebe zur Kunst und<br />
Kreativität verbinden.<br />
»Jedes Bild ist von mir bewusst gemacht«, so Perényi, der als<br />
Fotograf nie nur den Markt des Sportjournalismus bedienen<br />
wollte, sondern stets das etwas andere Bild im Kopf hatte.<br />
Sein Konzept, das ganze Bildformat mit dem Objektiv auszufüllen,<br />
verleiht den Motiven oft eine ganz besondere Dynamik.<br />
Lichtverhältnisse, Uhrzeit, Wetter, Standort, die Stadionarchitektur<br />
– all das zieht Perényi mit ins Kalkül, um das<br />
perfekte Foto zu schaffen.<br />
Wie gut ihm das gelingt, hat der vielfach ausgezeichnete<br />
Fotokünstler immer wieder gezeigt. Zuletzt ist eine Aufnahme<br />
von Perényi zum »Sportfoto des Jahres 2012« gekürt worden.<br />
Bei den <strong>Olympische</strong>n Spielen in London gelang ihm ein beeindruckendes<br />
Bild der Degenfechterinnen Britta Heidemann und<br />
Shin A-Lam. In einem an Dramatik nicht zu überbietenden<br />
Halbfinale lieferten sich die <strong>Deutsche</strong> und die Südkoreanerin<br />
ein Gefecht mit Synchrontreffern in buchstäblich letzter<br />
Sekunde. Viele Fotografen haben dieses dramatische Gefecht<br />
im Bild festgehalten, aber Laci Perényi ist eine in ihrer Symbolik<br />
und Ästhetik einzigartige Aufnahme gelungen: Ein Bild, das<br />
den unbedingten Siegeswillen der Kontrahentinnen genauso<br />
festhält wie die Schönheit und Eleganz des Fechtsports an sich.<br />
GALERIE<br />
53
Sportfotografie ist eine Kunstform, die durchaus ins Museum<br />
gehört! Davon ist Laci Perényi überzeugt und das belegen<br />
seine höchst ästhetischen Aufnahmen. Zu Recht finden seine<br />
Arbeiten Anerkennung weit über den Sport hinaus. Magazine<br />
wie Stern, Bunte, Der Spiegel, Sports, Sports Illustrated oder<br />
dem New York Times Magazine drucken seine Fotos; zahlreiche<br />
Abdrucke in Bildbänden zeigen seine Meisterschaft an<br />
der Nahtstelle von Sport und Kunst. »In Motion – Sportfotografie<br />
von Laci Perényi« hieß eine Ausstellung, die kürzlich im<br />
<strong>Deutsche</strong>n Sport & Olympia Museum zu sehen war.<br />
Laci Perényi, 1955 in Pressburg (Bratislawa) geboren, erhielt<br />
u.a. folgende Preise:<br />
GRAPHIS AWARD NEW YORK 1991 »Best Sports«<br />
SPORTFOTO DES JAHRES 1996<br />
SPORTFOTO DES JAHRES 2012<br />
SVEN SIMON PREIS 2000 und 2012<br />
Für Interessenten: www.lp-sportsart.de<br />
54
Fachleute aus dem Archiv-, Bibliotheks- und Museumswesen tauschen sich gemeinsam mit den<br />
Verantwortlichen im Sport über Möglichkeiten aus, wie Vereine und Verbände ihre<br />
kulturgeschichtliche Überlieferung bewahren können und diese zeitgemäß der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht werden kann.<br />
Die Vernetzung von Sportarchiven, -sammlungen und –museen ist daher eine nicht nur wünschenswerte,<br />
sondern auch dringend notwendige Aufgabe sowohl für bestehende Sportgeschichtseinrichtungen als auch<br />
für den gesamten organisierten Sport.<br />
Fragen beantworten gerne: Martin Ehlers und Markus Friedrich,<br />
Institut für Sportgeschichte Baden-Württemberg Postfach 47, 75429 Maulbronn<br />
Tel.: 07043/103-16/-55; Fax: 07043/10345<br />
E-Mail:ifs@maulbronn.de Internet: www.ifsg-bw.de
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
KOMPAKT<br />
Aktuelles aus der Bundesgeschäftsstelle<br />
Die Bundestagung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> e.V. findet am 26.<br />
Oktober <strong>2013</strong> in der Kurstadt und <strong>Olympische</strong>n<br />
Stadt Baden-Baden statt. Unser<br />
herzlicher Dank gilt der Stadt Baden-Baden,<br />
vertreten durch Oberbürgermeister Wolfgang<br />
Gerstner, die die Nutzung ihrer<br />
Räumlichkeiten für die <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> in diesem Zeitraum<br />
ermöglicht.<br />
Das Programm beginnt am Freitag, 25. Oktober<br />
<strong>2013</strong>, um 19:00 Uhr mit einem offiziellen<br />
Empfang im Kulturhaus LA8. Der anschließende<br />
<strong>Olympische</strong> Abend mit einer Podiumsdiskussion<br />
wird in Zusammenarbeit mit der Zweigstelle<br />
Baden-Baden/Südbaden veranstaltet.<br />
Mit dem Eintragen in die Anwesenheitsliste<br />
am Samstag, 26. Oktober <strong>2013</strong>, ab 09:00 Uhr<br />
beginnt die XXVI. Bundestagung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>.<br />
Einladung zur XXVI. Bundestagung<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Das Präsidium der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e.V. lädt zur XXVI. Bundestagung<br />
am Samstag, 26. Oktober <strong>2013</strong> um 09:00 Uhr, in die Räumlichkeiten des Rathauses der<br />
Stadt Baden-Baden, Gemeinderatssaal, Marktplatz 2, 76530 Baden-Baden, ein.<br />
TAGESORDNUNG (gemäß § 11 der Satzung)<br />
Feststellung der Anwesenheit und Stimmberechtigung<br />
Genehmigung des Protokolls der letzten Hauptausschusssitzung<br />
Berichte des Präsidiums über die abgelaufenen Geschäftsjahre mit anschließender Diskussion<br />
Bericht der Revisoren<br />
Genehmigung der Haushaltsrechnung und des Prüfberichts 2012<br />
Entlastung des Präsidiums<br />
Anträge zur Satzungsänderung<br />
Anträge zur Änderung der Richtlinien für die Tätigkeit der DOG-Zweigstellen und Landesverbände<br />
Wahl des Präsidiums<br />
Wahl der Revisoren<br />
Genehmigung des Haushaltsvoranschlags für 2014<br />
Beschluss über die vorliegenden Anträge<br />
Verschiedenes<br />
Die Teilnahme- und Antragsberechtigung ist durch die §§ 10 bis 12 der Satzung der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
geregelt. Hiernach sind stimmberechtigt die Delegierten der Zweigstellen, der Landesverbände und der Anschlussorganisationen,<br />
wie z. B. der Gemeinschaft <strong>Deutsche</strong>r Olympiateilnehmer. Die Zweigstellen haben je angefangene zehn Mitglieder eine Stimme,<br />
jeder Landesverband hat fünf Stimmen, die Delegierten der Anschlussorganisationen erhalten pro Verband je angefangene 50<br />
Mitglieder eine Stimme, höchstens jedoch 5 Stimmen. Eine Stimmübertragung ist nicht möglich. Die Mitglieder des Präsidiums<br />
dürfen keine weiteren Stimmen vertreten.<br />
Anträge<br />
Anträge zur Bundestagung sind dem Präsidium bis zum 21. September <strong>2013</strong> schriftlich über die Bundesgeschäftsstelle, Otto-<br />
Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt a.M., einzureichen. Anträge kann jedes einzelne Mitglied stellen, darüber hinaus sind das<br />
Präsidium, die Landesverbände und die Zweigstellen antragsberechtigt.<br />
Wahlvorschläge<br />
Vorschläge zur Wahl des Präsidiums müssen ebenfalls bis zum 21. September <strong>2013</strong> in der Bundesgeschäftsstelle in Frankfurt<br />
schriftlich eingegangen sein. Sie werden den Mitgliedern, die als Delegierte an der Bundestagung teilnehmen, drei Wochen<br />
vorher bekannt gegeben. Vorschlagsberechtigt sind das Präsidium, die Zweigstellen und die Landesverbände. Gültig sind auch<br />
Wahlvorschläge, die von mindestens drei Mitgliedern des Präsidiums oder mindestens 25 Mitgliedern schriftlich eingebracht<br />
werden. Während der Bundestagung dürfen Wahlvorschläge von dem/der neu gewählten Präsidenten/in, von drei Mitgliedern<br />
des Präsidiums oder von mindestens 25 der vertretenen Stimmen eingebracht werden.<br />
Das Präsidium der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e.V.<br />
Frankfurt/Main, Juni <strong>2013</strong><br />
56
Mitgliederwerbeaktion <strong>2013</strong><br />
Auch in diesem Jahr führt die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> wieder ihre alljährliche<br />
Mitgliederwerbeaktion durch. In<br />
diesem Jahr konnten als wir als Kooperationspartner<br />
die <strong>Olympische</strong> Sport Bibliothek<br />
gewinnen. Ein herzliches Dankeschön<br />
senden wir in diesem Zusammenhang an<br />
den OSB-Vertreter Hakan Sagsöz, der uns<br />
hierbei tatkräftig unterstützt hat. Unter<br />
allen Neumitgliedern verlosen wir 10x je ein<br />
Buch „Sporthighlights <strong>2013</strong>“. Die Mitgliederwerbeaktion<br />
läuft noch bis zum 30.<br />
September <strong>2013</strong>. Die hierzu entworfenen<br />
Flyer wurden den DOG-Zweigstellen zugesendet.<br />
Sollten sie noch Flyer benötigen,<br />
können diese jederzeit bei der Bundesgeschäftsstelle<br />
angefragt werden. Wir wünschen<br />
allen Neumitgliedern viel Erfolg bei<br />
der bevorstehenden Verlosung.<br />
DOG trauert um<br />
Hubertus Kuntze<br />
Der ehemalige DOG-Hauptgeschäftsführer<br />
Hubertus Kuntze ist am 25. Mai <strong>2013</strong> in<br />
Köln im Alter von 80 Jahren verstorben. Im<br />
nordrhein-westfälischen Herne wurde<br />
Hubertus Kuntze am 16. Juli1932 geboren.<br />
Seiner Evakuierung als Schüler in Kriegszeiten<br />
ins ferne Pommern folgte nach dem<br />
Krieg ein Studium an der Universität Köln<br />
und der DSH in den Fächern Sport, Englisch,<br />
Geologie und Wirtschaftspädagogik. Um<br />
sich sein Studium zu finanzieren, arbeitete<br />
er als Bergmann unter Tage. Und obwohl er<br />
bereits die 1. und 2. Staatsprüfung für das<br />
57
Schulamt an berufsbildenden Schulen<br />
erfolgreich absolviert hatte und als Studienrat<br />
an der Fachoberschule für Technik in<br />
Köln-Deutz wirkte, absolvierte er ein einjähriges<br />
Praktikum als Maschinenbauschlosser<br />
und bestand 1966 die Gesellenprüfung im<br />
KFZ-Handwerk.<br />
Im Rahmen der beruflichen Karriere wurde er<br />
nach seiner Lehramtstätigkeit zunächst<br />
Dezernent für Schul- und Vereinssport in der<br />
Bezirksregierung Köln, später Regierungsschuldirektor,<br />
zuständig für 100 Kommunen<br />
und 3.000 Sportvereine. In dieser Funktion<br />
setzte er mit viel Augenmaß die Zuschüsse<br />
für Sportverbände und Sportvereine ein und<br />
erwarb sich durch sein geradliniges und<br />
nachhaltiges Wirken hohes Ansehen.<br />
Bereits durch den Goldenen Plan in Berührung<br />
mit der DOG geraten, wurde Hubertus<br />
Kuntze 1969 Mitglied der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong>. Seiner Tätigkeit im<br />
Vorstand der Zweigstelle Köln folgte die<br />
Mitarbeit im Zweigstellen-Ausschuss. Sein<br />
ehemaliger Regierungspräsident und DOG-<br />
Vizepräsident Dr. Günter Heidecke betraute<br />
ihn mit der Geschäftsführung der Kölner<br />
Zweigstelle und der Landesgruppe. Seiner<br />
Leidenschaft für die DOG folgend, trat er<br />
am 1. April 1986 die Nachfolge des aus<br />
Altersgründen in den Ruhestand getretenen<br />
Hillmar Dressler im Amt des DOG-Hauptgeschäftsführers<br />
an. Diese Funktion übte er bis<br />
zum 30. September 1992 aus, ehe er selbst<br />
im Alter von 60 Jahren in den verdienten<br />
Ruhestand wechselte.<br />
Das Präsidium trauert um Hubertus Kuntze,<br />
der über viele Jahre hinweg unvergessene<br />
Dienste für die DOG geleistet hat und<br />
wünscht der Familie und allen Angehörigen<br />
viel Kraft in dieser für sie schweren<br />
Zeit.<br />
Jung, sportlich, Fair<br />
Nach dem erfolgreichen Auftakt in 2012<br />
findet die Ausschreibung „Jung, sportlich,<br />
FAIR“ in diesem Jahr ihre Fortsetzung. Mit<br />
„Jung, sportlich, FAIR“ sollen auch <strong>2013</strong><br />
wieder faire Gesten im Sport sowie Projekte<br />
von Jugendlichen zur Thematik Fair Play<br />
ausgezeichnet werden. Jugendliche sollen<br />
hiermit darauf hingewiesen und angeleitet<br />
werden, den negativen Entwicklungen im<br />
Sport entgegenzuwirken. Die Ausschreibung<br />
läuft noch bis zum 31. August <strong>2013</strong> und<br />
stößt bereits jetzt auf großes Interesse,<br />
wurde sie doch von vielen Sportverbänden<br />
wie dem <strong>Deutsche</strong>n Turnerbund, dem<br />
<strong>Deutsche</strong>n Volleyball Verband, dem <strong>Deutsche</strong>n<br />
Leichtathletik-Verband sowie vielen<br />
weiteren Sportverbänden und Landessportbünden<br />
veröffentlicht und somit einem<br />
breiten Publikum vorgestellt. Weitergehende<br />
Informationen zur Ausschreibung „Jung,<br />
sportlich, FAIR“ erhalten Sie unter<br />
www.DOG-bewegt.de.<br />
Jugend trainiert für Olympia<br />
In bewährter Tradition war die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> beim Frühjahrsfinale<br />
von Jugend trainiert für Olympia in der<br />
Bundeshauptstadt Berlin mit einem Präsentationsstand<br />
vor Ort vertreten. Im Berliner<br />
Hauptbahnhof begrüßte die DOG die 3.500<br />
ankommenden Schülerinnen und Schüler,<br />
die sich vor Ort für die folgenden Wettkämpfe<br />
akkreditierten. Am DOG-Stand<br />
konnten die Schülerinnen und Schüler<br />
kleine Preise gewinnen, indem Sie <strong>Olympische</strong><br />
Sportarten pantomimisch darstellen.<br />
Nach zum teils langen Bahnfahrten freuten<br />
sich die Teilnehmer über die spielerische<br />
Möglichkeit der Bewegung. Alles in allem<br />
eine tolle Veranstaltung, die allen sehr viel<br />
Spaß gemacht hat.<br />
Bewegungspatenschaften<br />
Das Projekt Bewegungspatenschaften wird<br />
auch in <strong>2013</strong> fortgesetzt. Die <strong>Deutsche</strong><br />
Kreditbank AG und die KNS The Gym, Sports<br />
& Dance Academy setzen ihr Engagement<br />
im Rahmen des Projektes fort und wir sind<br />
guten Mutes weitere Partner für das Projekt<br />
begeistern zu können. Das Projekt befindet<br />
sich aktuell in den letzten Zügen der Vorbereitung.<br />
Natürlich werden wir über den<br />
Beginn und die weitere Entwicklung im<br />
<strong>Olympische</strong>n Feuer sowie auf www.DOGbewegt.de<br />
berichten.<br />
58
Baggern, pritschen, schmettern, blocken: Im<br />
Rahmen der Veranstaltungsreihe „Spitzensport<br />
zum Anfassen“ waren Mitglieder der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> Landesverband<br />
Berlin am 17. März Gäste des<br />
ersten Play-off-Viertelfinalspiels in der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Volleyball Liga zwischen den BR<br />
Volleys und dem VC Dresden. Vor einer sehr<br />
stimmungsvollen Kulisse von 5.289 Zuschauern<br />
in der Max-Schmeling-Halle<br />
konnten die Berliner die Partie mit 3:0-<br />
Sätzen für sich entscheiden. „Ein faszinierender<br />
Sport, großartige<br />
Stimmung und ein gutes<br />
Spiel mit standesgemäßem<br />
Ergebnis – ein toller Sonntagnachmittag“,<br />
so das Fazit<br />
eines DOG-Mitglieds.<br />
Innenminister Lewentz, 3. Mario Bender (Geschäftsführer DOG Bad Sobernheim), 5. Rolf Kindgen (Vorsitzender<br />
DOG Bad Sobernheim), 6. Egbert Jung (VG-Bürgermeister), 7. Fabian Sömmer (Zehnkämpfer) mit Kindern der<br />
Kita Odenbach<br />
Die BR Volleys sind eine der<br />
erfolgreichsten und renommiertesten<br />
deutschen<br />
Volleyball-mannschaften<br />
sowie eines der sportlichen<br />
Aushängeschildern der<br />
Hauptstadt. In der Saison<br />
2011/2012 wurden sie<br />
<strong>Deutsche</strong>r Meister – ein<br />
Titel, der verteidigt werden<br />
soll. Heimatverein der BR<br />
Volleys ist der Sport-Club<br />
Charlottenburg, einer der<br />
traditionsreichsten und<br />
größten Sportvereine Berlins<br />
sowie Mitglied der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>.<br />
Bad Sobernheim<br />
Innenminister Roger Lewentz<br />
positiv überrascht<br />
Am Samstag, 25. Mai <strong>2013</strong>, um 11:00 Uhr<br />
fanden im Stadion des SV Ginsweiler/<br />
Cronenberg die DOG-Kitaspiele statt. Rund<br />
150 Kinder mit ca. 600 Eltern und Großeltern<br />
bevölkerten die Sporteinrichtung. Unter<br />
Ihnen die Ehrengäste: Innenminister Roger<br />
Lewentz, VG-Bürgermeister Lauterecken<br />
Egbert Jung, Ortsbürgermeister Odenbach<br />
Herr Ginz sowie Zehnkampfmeister Fabian<br />
Sömmer.<br />
Die Kindertagesstätte Odenbach (Frau<br />
Schmidt) organisierte mit den DOG’lern<br />
Mario Bender und Rolf Kindgen den Ablauf<br />
der Spiele, bei denen es nicht ums gewinnen,<br />
sondern nur ums mitmachen ging.<br />
Standweitsprung, Sackhüpfen, Hürdenlauf,<br />
Balancieren, Weitwurf und Fussball-Dribbelparcours<br />
waren die Disziplinen.<br />
Kinder der Kitas Odenbach, Grumbach,<br />
Offenbach-Hundheim, St. Julian und Lauterecken<br />
waren am Start. Viele junge Talente<br />
wurden vom ansässigen Sportverein gesichtet.<br />
Alle Teilnehmer erhielten eine Goldmedaille<br />
und eine Urkunde. Die Ehrengäste<br />
übernahmen die Siegerehrung, bei der auch<br />
dem Innenminister aus den Händen des<br />
jüngsten Teilnehmers eine Goldmedaille<br />
verliehen wurde.<br />
Mario Bender, deutscher Jugendmeister im<br />
Kugelstoßen von 1986, wurde lobend<br />
hervorgehoben für den unermüdlichen<br />
Einsatz für die Kita-Spiele. Er war federführend<br />
in der Organisation und moderierte<br />
auch selbst den Ablauf. Bei einem kurzen<br />
privaten Gespräch bat der Innenminister, bei<br />
solchen Veranstaltungen doch auch weiterhin<br />
informiert zu werden, was ihm Rolf<br />
Kindgen (Vorsitzender der Zweigstelle Bad<br />
Sobernheim) auch versicherte. Viele Gäste<br />
betonten, das Stadion hätte schon lange so<br />
besetzte Ränge nicht mehr gesehen.<br />
Berlin<br />
Spitzensport zum Anfassen<br />
Um die Faszination „Olympia“ in der Olympiastadt<br />
Berlin erlebbar zu machen sowie<br />
olympische Sportarten und Sportstätten<br />
vorzustellen, organisiert die DOG Berlin<br />
unter dem Titel „Spitzensport zum Anfassen“<br />
für ihre Mitglieder sportspezifische Besuche<br />
und Führungen. Auf dem Programm standen<br />
bereits u.a. der Turnsport und das Bundesleistungszentrum<br />
Kienbaum, Eishockey und<br />
das Berliner Sportforum sowie der Besuch<br />
des Eisschnelllauf-Weltcups.<br />
Alexander Dorner<br />
59
39. Drumbo-Cup: DOG<br />
Fair Play-Pokale verliehen<br />
Auch der „39. Drumbo Cup“ – Europas<br />
größtes Hallenfußballturnier für Grundschulen<br />
– war wieder ein voller Erfolg. Nach<br />
über 1.500 Vor- und Zwischenrundenspielen,<br />
angemeldet hatten sich insgesamt 263<br />
Jungen- und 92 Mädchenteams, spielten<br />
am 21. März <strong>2013</strong> in der Berliner Sömmeringhalle<br />
die sechs besten Jungenteams in<br />
zwei Gruppen um den Einzug ins Halbfinale.<br />
Vier Teams der Mädchen hatten sich bereits<br />
vorher für das Halbfinale qualifiziert.<br />
In der anschließenden Halbfinalrunde und<br />
im Finale ging es dann auch wieder um den<br />
begehrten Fair Play-Pokal der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>. Sieger des Turniers<br />
und auch Gewinner des Fair Play-<br />
Pokals wurde bei den Mädchen das Team<br />
der Käthe-Kollwitz-Grundschule. Dem<br />
sympathischen Team, in dem alle acht<br />
Spielerinnen in jedem Spiel eingesetzt<br />
wurden, gelang es, die Sieger des Vorjahres,<br />
die Mannschaft der Grundschule am Rüdesheimer<br />
Platz, im Finale zu besiegen. Sieger<br />
in der Fair Play-Wertung bei den Jungen<br />
wurde die Mannschaft der Oskar-Heinroth-<br />
Grundschule, die in der Endwertung des<br />
Turniers den 5. Platz belegte und sich dabei<br />
besonders durch faires Verhalten und einen<br />
ungebro-chenen Kampfgeist auszeichnete.<br />
Überreicht wurden die Fair Play-Pokale vom<br />
Berliner DOG-Ehrenpräsidenten Hans-<br />
Jürgen Bartsch, der 1975 den Drumbo Cup<br />
ins Leben rief, und von Präsidiumsmitglied<br />
Dieter Krickow.<br />
Dieter Krickow<br />
Berliner DOG-Talk<br />
„Olympia hautnah“<br />
Wie stehen die Chancen auf ein <strong>Olympische</strong>s<br />
Sommer- oder Wintermärchen in Deutschland?<br />
Sind wir reif für Olympia und Paralympics?<br />
Welche Hausaufgaben müssen erledigt<br />
werden? Diese und andere Fragen standen<br />
am 24. April im Mittelpunkt des Talks „Olympia<br />
hautnah“ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> Landesverband Berlin im Atrium<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Kreditbank (DKB).<br />
Die prominenten Gesprächsgäste des<br />
Abends waren: Andreas Statzkowski (Berliner<br />
Sport-Staatssekretär), Friedhelm Julius<br />
Beucher (Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Behindertensportverbandes),<br />
Thomas Schmid<br />
(Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen)<br />
sowie die Fünfkampf-Olympiasiegerin 2008,<br />
Lena Schöneborn, die mehrfache Weltmeisterin<br />
im Eisschnelllaufen, Jenny Wolf, und<br />
die Diskuswerferin Julia Fischer. Moderiert<br />
wurde die Veranstaltung durch Friedhard<br />
Teuffel (Sportchef beim Tagesspiegel) und<br />
Hans-Joachim Lorenz (Vorsitzender des<br />
DOG-Kuratoriums).<br />
Außer Frage stand für alle Podiumsteilnehmer,<br />
dass sich Deutschland um <strong>Olympische</strong><br />
und Paralympische Spiele selbstbewusst<br />
bewerben soll – im Winter mit einem<br />
Austragungsort im Süden, im Sommer mit<br />
einem im Norden. Berlins Sport-Staatssekretär<br />
Andreas Statzkowski machte deutlich,<br />
dass der Regierende Bürgermeister Klaus<br />
Wowereit und Innensenator Frank Henkel<br />
<strong>Olympische</strong> Spiele in Berlin befürworten, der<br />
Weg dahin sei jedoch noch lang. Wichtig sei<br />
es, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und<br />
eine breite Akzeptanz zu schaffen: „Sport<br />
muss zum gesellschaftlichen Konsens in<br />
Berlin werden. Wir müssen deutlich machen,<br />
was Olympia der Stadt bringt und<br />
dass es gut ist, sich um <strong>Olympische</strong> Spiele<br />
zu bewerben“, so Statzkowski. Olympia trage<br />
z.B. dazu bei, dass Infrastrukturprojekte<br />
schneller umgesetzt werden können, auf die<br />
ansonsten womöglich lange gewartet<br />
werden müsste – das bringe die Stadt<br />
voran. Statzkowski: „Es gibt ohne Zweifel<br />
Risiken bei einer Bewerbung, aber die<br />
Strahlkraft <strong>Olympische</strong>r Spiele ist so groß,<br />
dass es sich lohnt, diese einzugehen.“<br />
Einen positiven Effekt von <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen erhofft sich auch Bürgermeister<br />
Thomas Schmid für Garmisch-Partenkirchen.<br />
Schmidt hatte die Bewerbung Münchens<br />
um die Winterspiele 2018 intensiv begleitet<br />
und unterstützt. Wie Andreas Statzkowski<br />
60
und Friedhelm Julius Beucher betonte auch<br />
er, dass die Themen Umweltschutz und<br />
Nachhaltigkeit eine viel größere Beachtung<br />
bei der Vergabe der Spiele finden müssen.<br />
Hinsichtlich der Vergabepraxis sowie mit<br />
Blick auf die zunehmende Kommerzialisierung<br />
und die Zukunft von traditionellen<br />
olympischen Sportarten wurde die Arbeit<br />
des Internationalen <strong>Olympische</strong>n Komitees<br />
(IOC) sehr kritisch bewertet. So äußerte<br />
Friedhelm Julius Beucher große Zweifel, ob<br />
das IOC bei den Entscheidungen über die<br />
Olympia-Austragungsorte verantwortungsvoll<br />
handele. Gleichzeitig forderte er, dass<br />
eine Vergabe der Spiele an autoritäre<br />
Staaten ausgeschlossen werde und die<br />
Beurteilung der Kandidaten durch die<br />
Sportler einen höheren Stellenwert erhalte.<br />
Zustimmendes Nicken gab es dafür auch<br />
von Julia Fischer, Lena Schöneborn und<br />
Jenny Wolf. Die Olympiateilnehmerinnen<br />
stört aber noch etwas ganz anderes: Werbung,<br />
Werbung, Werbung. Sie seien von ihr<br />
„genervt“ und „erdrückt“ – das sei sogar so<br />
schlimm, dass der <strong>Olympische</strong> Geist im<br />
<strong>Olympische</strong>n Dorf nur schwer zu spüren sei.<br />
Dies zeige genauso wie der geplante Olympia-Ausschluss<br />
für das Ringen, wie weit das<br />
IOC von der <strong>Olympische</strong>n Idee entfernt sei.<br />
Die mehr als 70 Gäste waren vom „Olympia<br />
hautnah“-Talk begeistert. Fazit eines DOG-<br />
Mitglieds: „Ein äußerst spannendes Thema,<br />
höchst interessante und kompetente Gäste<br />
sowie eine ausgewogene Diskussion –<br />
kurzum: eine sehr gelungene, runde Veranstaltung.“<br />
Ein großes Dankeschön für die<br />
ausgezeichnete Gastfreundlichkeit und die<br />
gute Zusammenarbeit richtete DOG-Präsident<br />
Gerhard Janetzky an Rolf Mähliß,<br />
Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n Kreditbank (DKB)<br />
und Mitglied der DOG Berlin. Mit der Live-<br />
Übertragung des Dortmunder 4:1-Erfolgs im<br />
Champions-League-Halbfinale gegen Real<br />
Madrid fand der Abend einen standesgemäßen<br />
Ausklang.<br />
Alexander Dorner<br />
Hintere Reihe v.l.n.r. DOG Darmstadt Vorsitzender Norbert Lamp,<br />
Jan Petermann, Mathias Rückert, Joana Brokelmann, Lara Henkel,<br />
Franziska Ganster, ehemalige hessische Kultusministerin Karin Wolff;<br />
untere Reihe v.l.n.r.: Leo Pfeifer und Daniel Schmidt, David Fabio Pul,<br />
Lena Kämmerer, Lea Wenzel.<br />
Seit 2003 verleihen der Landessportbund<br />
Hessen und die Hessische Sportjugend in Abstimmung<br />
mit dem Hessischen Kultusministerium<br />
die Pierre-de-Coubertin-Medaille mit<br />
großer Resonanz und Erfolg. Diese Auszeichnung<br />
gilt für die Abschlussjahrgänge von<br />
Gymnasien, Real-, Haupt- und Gesamtschulen.<br />
Geehrt werden Schüler, die sich auf dem<br />
Gebiet des Schulsports hervorgetan haben.<br />
Dazu gehören nicht nur überdurchschnittliche<br />
sportliche Leistungen, sondern ebenso soziales<br />
Engagement und vorbildliches Verhalten.<br />
Aus Anlass der 10. Vergabe der Coubertin-<br />
Medaille hatte die <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> Zweigstelle Darmstadt die<br />
jugendlichen Preisträger aus Südhessen im<br />
letzten Jahr zu einer Feierstunde mit anschließendem<br />
Varietébesuch beim Circus<br />
Waldoni eingeladen.<br />
Diese Veranstaltung fand bei allen Beteiligten<br />
einen so guten Anklang, dass die DOG<br />
Darmstadt sich entschlossen hatte auch in<br />
diesem Jahr eine Einladung an alle Preisträger<br />
der Coubertin-Medaille <strong>2013</strong> in Südhessen<br />
auszusprechen. Dass deshalb auch die<br />
Anzahl der beteiligten Schulen von 9 auf 14<br />
und die der Preisträger von 11 auf 17 in<br />
<strong>2013</strong> stieg, wollte der DOG Vorsitzende<br />
Norbert Lamp nicht ganz ausschließen.<br />
Gastgeber waren in diesem Jahr Eugen<br />
Breining und Katja Jungblut vom Bildungswerk<br />
der hessischen Wirtschaft. Nach<br />
einigen einführenden Worten des DOG-<br />
Vorsitzenden wurde die Moderation des<br />
Abends von den Oberstufenschülern Franziska<br />
Schmidt und Finn Holitzka von der<br />
Georg-August-Zinn Schule aus Reichelsheim<br />
übernommen. Beiden gelang es auf<br />
eine erfrischende Art und Weise die Preisträger<br />
<strong>2013</strong> zu<br />
interessanten<br />
Aussagen und<br />
Berichten aus ihrem<br />
Sportlerleben zu<br />
veranlassen, die oft<br />
ein anerkennendes<br />
Schmunzeln im<br />
Raum bei Eltern,<br />
Sportlehrern und<br />
Freunden nach sich<br />
zogen.<br />
Dabei war es wieder<br />
erfreulich und<br />
hoffnungsvoll zu<br />
hören, wie diese<br />
Schülerinnen und<br />
Schüler neben ihren<br />
sportlichen Aktivitäten<br />
auch sozial in<br />
ihren Schulen und<br />
Vereinen aktiv sind; das ging von der<br />
Betreuung von Sportfreizeiten in den Ferien<br />
bis hin zu Kampfrichter- und Schiedsrichtertätigkeiten<br />
bei den Schulsportwettbewerben<br />
von „Jugend trainiert für Olympia“.<br />
Dabei schätzten sie es am meisten, dass<br />
man ihnen Vertrauen entgegenbrachte und<br />
sie Verantwortung übernehmen konnten.<br />
Hochinteressant waren auch die Ausführungen<br />
der ehemaligen Kultusministerin Karin<br />
Wolff über das Zustandekommen des<br />
Coubertin-Preises in Hessen in 2003. In<br />
zwangloser Atmosphäre unterhielten sich<br />
die fast 40 Anwesenden mit der Initiatorin<br />
des Coubertin-Schulpreises über mehr Fair<br />
Play in unserer <strong>Gesellschaft</strong>. Dabei überzeugten<br />
die Oberstufenschüler durch ihre<br />
scharfsinnigen Fragen als auch Frau Wolff<br />
mit deren Beantwortung.<br />
München<br />
„Lieber kurz hell leuchten,<br />
als lange nur dahin-funzeln“<br />
Darmstadt<br />
„Pierre-de-Coubertin-<br />
Schulsportpreis“ <strong>2013</strong><br />
Die DOG-Stadtgruppe München ist Mitveranstalter<br />
des 2. Talk im Olympiaturm. Eine<br />
hochkarätige Expertenrunde diskutierte<br />
rund um das Thema Doping – äußerst<br />
unterhaltsam, aber auch mit interessanten,<br />
neuen Vorschlägen zur Doping-Bekämpfung.<br />
181 Meter über dem Olympiapark, im<br />
„Restaurant 181“ im Münchner Olympia-<br />
61
Dr. Helmut Pabst, Prof. Eike Emrich, Tobias Barnerssoi, Katja Mühlbauer, Philippe Crone<br />
turm begrüßten Dr. Stephan Thewalt,<br />
Geschäftsführer der Arena One GmbH, und<br />
Joachim Ebener, Vorsitzender der DOG<br />
Stadtgruppe München rund 50 Gäste. Im<br />
Anschluss daran eröffnete der frühere<br />
Skirennfahrer Tobias Barnerssoi als Moderator<br />
die Diskussionsrunde.<br />
Zu den Podiumsgästen zählten Regierungsdirektorin<br />
Katja Mühlbauer, ehemalige<br />
Gruppenleiterin der Schwerpunktstaatsanwaltschaft<br />
Doping in München, Philipp<br />
Crone, langjähriges Mitglied der deutschen<br />
Hockey-Nationalmannschaft, Professor Eike<br />
Emrich, Leiter der Abteilung Sportökonomie<br />
und Sportsoziologie der Universität des<br />
Saarlandes sowie ehemaliger Vizepräsident<br />
des DLV und Dr. Helmut Pabst, Präsident des<br />
Bayerischen Sportärzteverbandes und<br />
Dopingkontrolleur, Gründer der PWC GmbH.<br />
Das Geständnis von Lance Armstrong und<br />
der Prozess um den deutschen Radprofi<br />
Stefan Schumacher zeigen, wie hoch der<br />
Handlungsbedarf beim Thema Doping ist.<br />
Der Sport scheint noch nicht die richtigen<br />
Antworten gefunden zu haben. Grund<br />
genug für Arena One und die DOG Stadtgruppe<br />
München, die den „Talk im Olympiaturm“<br />
als Veranstaltungsreihe etablieren<br />
wollen, ein Zeichen zu setzen und dieses<br />
schwierige Thema unter dem Titel „Was<br />
lehrt der Fall ‚Armstrong‘? Ist Leistungssport<br />
ohne Doping überhaupt noch möglich?“ zu<br />
diskutieren.<br />
Katja Mühlbauer, Regierungsdirektorin im<br />
Bayerischen Ministerium der Justiz und<br />
Mitglied der Antidopingkommission des DLV<br />
gab eindrucksvolle Einblicke in ihre Erlebnisse,<br />
als sie noch bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft<br />
Doping in München arbeitete.<br />
Razzien im Drogenmilieu ergaben, dass<br />
Dopingmittel unter haarsträubenden hygienischen<br />
Bedingungen zusammengepantscht<br />
werden. Und sie beklagt eine „Mauer des<br />
Schweigens“ in der Dopingszene, die den<br />
Ermittlern die Arbeit erschwert. Mühlbauer<br />
unterstreicht die Notwendigkeit eines Anti-<br />
Doping-Gesetzes in Deutschland.<br />
Dopingkontrolleur Dr. Helmut Pabst berichtet<br />
aus dem Alltag des langjährigen Dopingjägers<br />
und verdeutlicht wie schwierig es ist<br />
Dopingkontrollen effektiv zu gestalten: „Die<br />
vorgegebenen Slots, in denen die Kontrollen<br />
durchgeführt werden dürfen, variieren<br />
teilweise so stark, dass zwischen der ersten<br />
und zweiten Kontrolle bis zu 36 Stunden<br />
liegen. Bei diesen großzügigen Zeiträumen<br />
ist die Abklingquote vieler Medikamente<br />
bereits überschritten. Sie sind somit nicht<br />
mehr nachweisbar.“ Daher fordert er: „Wir<br />
brauchen Kontrollen zur richtigen Zeit. Wir<br />
müssen Sportler testen, wenn es Sinn<br />
macht zu dopen. Dazu kommt, dass die<br />
Dopingsünder in vielen Fällen durch ein<br />
ausgeklügeltes System den Kontrolleuren<br />
immer wieder voraus sind.“ Ein Anti-Doping-Gesetz<br />
im Sinne von Katja Mühlbauer<br />
befürwortet er durchaus.<br />
Der ehemalige Hockey-Rekord-Nationalspieler<br />
Philip Crone ist sehr froh darüber,<br />
während seiner aktiven Zeit mit Doping<br />
nicht in Kontakt gekommen zu sein. „Im<br />
Mannschaftssport, wie es Hockey ist, kommt<br />
es auf das Team an. Geschwindigkeit ist<br />
wichtig, aber was zählt ist die Cleverness in<br />
der Spieltaktik. Die kann man nicht dopen“;<br />
berichtet er aus seiner aktiven Sportlerzeit.<br />
Umso mehr traf ihn zu Beginn seiner<br />
beruflichen Laufbahn als Journalist die<br />
Verallgemeinerung seiner neuen Kollegen,<br />
dass es doch so viele gäbe, die Doping<br />
abstreiten und dennoch davon betroffen<br />
sind. Als „sauberer“ Sportler, der sich noch<br />
nie Gedanken über das Dopen gemacht hat,<br />
überkommt ihn in solchen Momenten eine<br />
Riesenwut: „Sie werden mit denjenigen in<br />
einen „Topf“ geworfen, die sich nicht an die<br />
Regeln halten.“ Daher lautet auch seine<br />
klare Forderung: „Sportler, die mit verbotenen<br />
Mitteln erwischt werden, gehören in<br />
meinen Augen viel härter bestraft.“<br />
Professor Eike Emrich, Leiter der Abteilung<br />
Sportökonomie und Sportsoziologie der<br />
Universität des Saarlandes, berichtet von<br />
seinen Studienergebnissen. Nach einer<br />
anonymen Befragung hatten 23 bis 48<br />
Prozent der deutschen Kaderathleten<br />
Kontakt mit Dopingmitteln. Für Erstaunen<br />
sorgte die sog. „Glühbirnentheorie“: Manche<br />
Sportler würden für den schnellen sportlichen<br />
Erfolg sogar lebensgefährliche Nebenwirkungen<br />
in Kauf nehmen, nach dem Motto:<br />
„Lieber kurz hell strahlen, als lange Zeit<br />
nur dahin-funzeln.“<br />
Der ehemalige Vize-Präsident des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Leichtathletikverbands gab sich als<br />
vehementer Verfechter von Transparenz und<br />
machte spektakuläre Vorschläge. Schmunzelnd<br />
fordert er in der Runde: „Warum steht<br />
auf den Trikots, wie beispielsweise bei den<br />
100m Sprintern, nicht einfach die Anzahl<br />
der stattgefunden Dopingkontrollen?“ Dann<br />
stünde bei den deutschen Athleten eine<br />
Zahl über 100, bei Usain Bolt dagegen<br />
höchstens eine „zwei“.<br />
Tobias Barnerssoi<br />
Odenwaldkreis<br />
DOG ehrt<br />
Juniorsportlerin 2012<br />
Anlässlich des Kreisverbandstages der<br />
Odenwälder Leichtathleten ließ es sich die<br />
62
Ehrung Liv Jäger<br />
Kreisgruppe Odenwald der DOG wie in den<br />
Vorjahren nicht nehmen, den besten Juniorsportler<br />
2012 der Leichtathleten besonders<br />
zu ehren. Die Wahl fiel diesmal auf Laura<br />
Glaser vom TSV Höchst, die im vergangenen<br />
Jahr Hessische Vizemeisterin im 4-Kampf<br />
wurde und zudem Rang 3 im 7-Kampf der<br />
Schülerinnen W 15 erreicht hatte. DOG-<br />
Vorstandsmitglied Willi Hartmann überbrachte<br />
im Auftrag des Vorsitzenden der<br />
Kreisgruppe, Johann Weyrich, Grüße an die<br />
Versammlung und überreichte eine Urkunde,<br />
Medaille und ein Präsent an die junge<br />
Sportlerin.<br />
Ehrung Andre Sattler<br />
Der Odenwaldkreis ehrte auch in diesem<br />
Jahr wieder seine erfolgreichen Sportlerinnen<br />
und Sportler des Jahres 2012. Hierbei<br />
wurden über 250 Personen vom Kreismeister<br />
an aufwärts geehrt. Die DOG-Zweigstelle<br />
Odenwald hat wieder einen Juniorsportler<br />
des Kreises gekürt. Dieses Jahr ist es Andre<br />
Sattler, er erreichte im Motorrad Trail bei<br />
den Hessischen Meisterschaften den 1.<br />
Platz, bei den <strong>Deutsche</strong>n Meisterschaften<br />
den 8. Platz und bei den Italienischen<br />
Meisterschaften den 1. Platz und hat somit<br />
seinen Heimatkreis weit über die Grenzen<br />
hinaus bekannt gemacht.<br />
Mit einem großen Bahnhof wurde in der<br />
Gemeinde Höchst/Odw. in diesem Jahr die<br />
Sportlerehrung beim Apfelblütenfest durchgeführt,<br />
hier hat die DOG-Zweigstelle<br />
Odenwald eine Juniorsportlerin der Gemeinde<br />
gekürt. In diesem Jahr war dies Liv Jäger,<br />
als Karate-Sportlerin hat Sie bei den Mitteldeutschen<br />
Meisterschaften den 2. Platz<br />
belegt. Zu den Gratulanten gehörten die<br />
Apfelblütenkönigin mit ihren Prinzessinnen,<br />
der Bürgermeister Horst Bitsch und der<br />
Vorsitzende der Kreisgruppe Odenwald<br />
Johann Weyrich.<br />
Pfalz<br />
v.l.n.r. der Landrat des Odenwaldkreises, Herr Dietrich<br />
Kübler, der Sportler Andre Sattler, 2. Vors. der DOG Peter<br />
Falter und der 1. Vors. Johann Weyrich<br />
Jahreshauptversammlung<br />
der DOG Pfalz<br />
Der Vorsitzende, Carlo von Opel, begrüßte<br />
herzlich die Anwesenden. Die Einladung zur<br />
JHV erfolgte termingerecht. Einwände zur<br />
Tagesordnung gab es nicht. Die Jahresabrechnung<br />
lag vor. In Anwesenheit der Staatsministerin,<br />
Frau Prof. Dr. Maria Böhmer, wurde<br />
Dr. Alois Bierl als Vertreter der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> Pfalz ein symbolischer<br />
Scheck über 3.000 Euro überreicht zur<br />
Förderung des talentierten Nachwuchses, in<br />
diesem Fall Julius Neu (Hockey) und Michel<br />
Adam (Judo).<br />
Die Stiftung Spazierengehen, die in diesem<br />
Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, hat noch<br />
17 Mitglieder. Nach dem Tod seines Vaters<br />
übernahm zunächst Carlo von Opel 1972 die<br />
Stiftung Spazierengehen, 1978 übernahmn<br />
Frau Elke Eisheuer die Geschäftsführung. Jede<br />
Person, die innerhalb von 12 Monaten eine<br />
Anzahl von 300 Stunden<br />
(200,100) Spaziergehzeit per<br />
Kontrollheft nachweisen kann,<br />
erhält hierfür den Goldenen<br />
Schuh (Silber, Bronze) in Form<br />
einer Anstecknadel. Bis heute hat<br />
die Stiftung Spazierengehen<br />
554.000 Teilnehmer. Einige<br />
konnten über 100mal den<br />
Goldenen Schuh ergehen. Im<br />
Jahre 2012 wurden noch 19<br />
Kontrollhefte angefordert und 58<br />
Schuhe als Anstecknadel vergeben.<br />
Somit besteht kein Grund<br />
zur Auflösung. Die weitere<br />
Entwicklung soll abgewartet<br />
Prof. Dr. Maria Böhmer, Dr. Alois Bierl, Carlo<br />
von Opel<br />
werden. Carlo von Opel nahm dies gerne zum<br />
Anlass, um sich bei allen verbliebenen Mitgliedern<br />
für die teils Jahrzehnte lange Treue<br />
zu bedanken.<br />
Rems-Murr<br />
MV der DOG Rems-Murr -<br />
Erich Hägele einstimmig zum<br />
neuen Vorsitzenden gewählt<br />
Bei der Mitgliederversammlung der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> im Rems-<br />
Murr-Kreis wurde Erich Hägele einstimmig<br />
zum neuen Vorsitzenden gewählt.<br />
In den Berichtszeitraum des Vorsitzenden<br />
Siegfried Riester fallen im Wesentlichen zwei<br />
Aktionen. „Bewegungsförderung im Zeichen<br />
Olympias“ im Kindergarten-Wettbewerb<br />
sowie die Ehrung der Handball-AG des<br />
Lessing-Gymnasium in Winnenden, die am<br />
Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“<br />
erfolgreich teilgenommen hatte.<br />
In Anlehnung an das 2003 von der DOG<br />
initiierte Modellprojekt „Kinder bewegen“,<br />
forderte die DOG in Zusammenarbeit mit dem<br />
Sportkreis alle Kindergärten im Rems-Murr-<br />
Kreis auf, Konzepte und Ideen zu entwickeln,<br />
wie sie mehr Bewegung in den Kindergartenalltag<br />
bringen und diese dann auch umsetzen.<br />
Im Jahre 2011 hatte dabei der Kindergarten<br />
Stockrain in Auenwald-Unterbrüden und<br />
2012 der Lehenbachkindergarten in Winterbach<br />
die Nase vorn. Geehrt wurde auch die<br />
Handball-AG des Lessing-Gymnasiums in<br />
Winnenden. Sie hatte es im Wettbewerb<br />
„Jugend trainiert für Olympia“ bis zum Finale<br />
nach Berlin geschafft.<br />
63
Jörg Schaal, Roland Krimmer, Claus Paal, Erich Hägele, Arnulf Oberascher,<br />
Peter Eberhardt, Siegfried Riester, Marina Kleeh, Fritz Braun und<br />
Erich Hägele, Vizepräsident der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>, wurde bei den anschließenden<br />
Neuwahlen einstimmig zum<br />
neuen Vorsitzenden der DOG Zweigstelle<br />
Rems-Murr gewählt. Als seine Stellvertreter<br />
stehen ihm zur Seite: Arnulf Oberascher,<br />
Vorsitzender VfB-Freundeskreis, Claus Paal<br />
(MdL, (CDU)) und Ian Schölzel (Bürgermeister<br />
Weissach im Tal). Schatzmeister bleibt<br />
weiterhin Fritz Braun. Zu Beisitzern wurden<br />
Siegfried Riester (Ehrenratsvorsitzender<br />
Sportkreis Rems-Murr), Ursula Jud (Vizepräsidentin<br />
Sportkreis Rems-Murr), Joachim<br />
Kristen (Vorsitzender Freizeitstätte am<br />
Ebnisee, Zeltlager Salbengehren), Peter Noller<br />
(Golfclub Marhördt), Peter Eberhardt (Fa.<br />
Polytan) und Roland Krimmer (Schützenkreis<br />
Waiblingen) gewählt. Kassenprüfer ist Jörg<br />
Schaal (Raiffeisenbank Weissacher Tal).<br />
Jörg Fiedler<br />
Reutlingen<br />
Patenschaften feiern<br />
10-jähriges Jubiläum<br />
Die Kreisgruppe Reutlingen der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> begleitet nunmehr<br />
seit 10 Jahren die sportliche Entwicklung<br />
des Nachwuchses der Fechtabteilung<br />
der TSG Reutlingen und der Leichtathletikabteilung<br />
des VfL Pfullingen in Form einer<br />
Patenschaft. Die Patenschaft umfasst die 8<br />
– 14-Jährigen, also jene jungen Sportler/innen,<br />
für die es noch keine Kader gibt.<br />
Finanziell getragen wird die Reutlinger<br />
DOG-Patenschaft durch die Kreissparkasse<br />
Reutlingen. Die Patenschaften sollen die<br />
olympischen Werte wie Fairness, Leistungsbereitschaft<br />
und<br />
Werteorientierung<br />
vermitteln.<br />
Die 2003 übernommene Patenschaft hat 2<br />
Säulen: Einerseits werden die beiden Patengrup-pen<br />
mit einem Betrag von 500 Euro<br />
jährlich unterstützt, den jeweils die Kreissparkasse<br />
Reut-lingen bereitstellt. Er soll dazu<br />
dienen, notwendige Anschaffungen, die für<br />
den Trainingsbetrieb erforderlich sind, möglich<br />
zu machen. Andererseits soll die Patenschaft<br />
aber nicht anonym bleiben, sondern<br />
durch personelle oder organisatorische Hilfen<br />
sowie Veranstaltungen erlebbar werden. So<br />
standen in den vergangenen 10 Jahren<br />
Trainingsnachmittage im Olympiastützpunkt<br />
Stuttgart mit Turn-Olympiasieger Waleri<br />
Belenki, Handballtraining mit Bundesligahandballern,<br />
Bogenschießen mit <strong>Deutsche</strong>n<br />
Meistern oder Sportklettern im Kletterzentrum<br />
der DAV-Sektion Reutlingen ebenso auf<br />
dem Programm, wie Begegnungen der beiden<br />
Patengruppen bei denen über den sportlichen<br />
Tellerrand hinausgeschaut wurde, z. B. beim<br />
Besuch des Umweltinformations- und Bildungszentrums<br />
Listhof. Dabei standen<br />
Umwelt- und Artenschutz, Biotopverbund<br />
und regionale Produkte auf der Themenliste.<br />
Die beiden „Paten-Abteilungen“ führen im<br />
Verlauf eines Sportjahres eine Vielzahl von<br />
zum Teil hochkarätigen Veranstaltungen<br />
durch, die sich hervorragend eignen, den<br />
finanziell unterstützenden Teil der Patenschaft<br />
in einem würdigen Rahmen zu<br />
übergeben. Am vergangenen Samstag fand<br />
In der Betzinger Sporthalle die Übergabe der<br />
Trainingsgeräte an die beiden Patengruppen<br />
statt Sie war eingebettet in den<br />
tisoware.Pokal, mit dem die <strong>Deutsche</strong>n<br />
Meisterschaften im Degenfechten der<br />
Herren B-Jugend ausgerichtet werden.<br />
Für die DOG-Kreisgruppe haben Uwe Weber<br />
(stellvertretender Vorsitzender) und Arno Leis<br />
(Vorstandsmitglied der DOG Baden-Württemberg)<br />
die Übergabe vorgenommen, zusammen<br />
mit Herrn Michael Bläsius (stellvertretender<br />
Vorsitzender der Kreissparkasse Reutlingen).<br />
Schwarzwald-Bodensee<br />
Sportlerehrung der<br />
Stadt Tuttlingen<br />
Wie jedes Jahr trafen sich zu diesem Anlass<br />
die Sportpreisträger und Sportler mit ihren<br />
Familien, Freunden und Bekannten, um bei<br />
guter Stimmung in der Stadthalle Tuttlingen<br />
gemeinsam ihre sportlichen Erfolge zu feiern.<br />
80 Sportler erhielten an diesem Abend eine<br />
Ehrung von Oberbürgermeister Michael Beck<br />
und den Vorständen des Stadtverbandes für<br />
Sport e.V. Zudem wurden mehrere Sonderpreise<br />
verliehen: Gordana Herzer von der TG<br />
Tuttlingen, die leider nicht anwesend sein<br />
konnte, Bernd Kramer vom Schneeschuhverein<br />
Tuttlingen sowie Michele und Sigrid<br />
Lanzilotti von den A.I.S Azzurri Tuttlingen<br />
erhielten den Sport-Anerkennungspreis.<br />
Achmed Dudarov bekam für seine herausragenden<br />
sportlichen Erfolge den Sport-<br />
Ehrenpreis. Moritz Doms und Manuel Behr<br />
wurden mit dem Jugendsport-Förderpreis<br />
ausgezeichnet. In Namen der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> verlieh Oberbürgermeister<br />
Michael Beck zusätzlich die „Plakette<br />
für besondere Leistungen im Sport und der<br />
olympischen Idee“ an Helga Schulz vom TV 05<br />
Fridingen, Karl-Heinz Hügel vom TSV Neuhausen<br />
1873 e.V. und Josef Schilling vom SV<br />
Renquishausen e.V. Neben den Ehrengaben<br />
der DOG erhielten die Preisträger Wert-<br />
Gutscheine für Veranstaltungen der Tuttlinger<br />
Stadthalle. Über die goldene Ehrennadel<br />
durften sich Klaus Aicher, Wolfgang Dickhaus<br />
und Wolfgang Funkler freuen. Alle Preisträger<br />
64
haben sich seit Jahrzehnten in Ihren Vereinen,<br />
im Sportkreis Tuttlingen sowie auf Verbandsebene<br />
über die Maßen für den Sport eingesetzt<br />
und engagiert. Für die nun bereits 25-<br />
jährige Mitgliedschaft in der DOG wurde der<br />
Stadt-Turnverband Singen 1883 e.V. mit der<br />
goldenen Ehrennadel für Jubilare ausgezeichnet.<br />
Den Gästen wurde außerdem ein buntes<br />
Rahmenprogramm unterschiedlichster<br />
Showkünstler geboten, die die Gäste im Saal<br />
auf das Beste zu unterhalten wussten. So<br />
sorgten die Mädchen der Möhringer Leistungsriege<br />
als „Piraten der Karibik“ mit einer<br />
tollen turnerischen Darbietung für einen<br />
gelungenen Programmauftakt. Bereits während<br />
dem Eintreffen der Gäste bot die Big<br />
Band NULL 746 EINS der Musikschule Tuttlingen<br />
- Bundessieger 2012 - musikalische<br />
Highlights.<br />
Durchs Programm führte Arno Margraf alias<br />
„Herr Fröhlich“. Mit eigenwilligen Musikinstrumenten,<br />
irrwitzigen Verrenkungen und<br />
Gedichten von Heinz Ehrhardt kam er beim<br />
Publikum sehr gut an. Zwischen den Ehrungsblocks<br />
begeisterte das hochkomische Entertainement<br />
des Duos „Green Gift“ die Zuschauer.<br />
Beeindruckende Auftritte wie Yogaübungen<br />
auf einem Gymnastikball oder das<br />
„Ping-Pong-Phone“ gehören in das Repertoire<br />
von Stefanie Bonse und Michael Korthaus.<br />
Das Ende der Veranstaltung bildete das große<br />
Finale, bei dem alle geehrten Sportler und<br />
mitwirkenden Künstler nochmals auf der<br />
Bühne gefeiert wurden. Zu musikalischer<br />
Umrahmung der Combo der Musikschule und<br />
bei interessanten Gesprächen in der wunderschön<br />
dekorierten Stadthalle klang der Abend<br />
gemütlich aus.<br />
Stuttgart<br />
Stadtgruppe Stuttgart<br />
stiftet Ehrenpreis<br />
Am 15. und 16. Juni war die Stuttgarter<br />
SCHARRena nach 2012 zum zweiten Mal<br />
Austragungsort des Rollstuhlbasketball<br />
Junioren-Länderpokals. Die besten deutschen<br />
Rollstuhlbasketballer der Junioren boten<br />
Sport auf hohem Niveau und mit viel Spannung.<br />
Schirmherrin der Veranstaltung war<br />
Stuttgarts Bürgermeisterin für Kultur, Bildung<br />
und Sport, Dr. Susanne Eisenmann, zugleich<br />
stellvertretende Vorsitzende der Stadtgruppe<br />
Stuttgart der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>.<br />
Mit den aktuellen U22-Europameistern Leon<br />
Ole Schöneberg, Tobias Schreiner und Philip<br />
Schorp hatte das Baden-Württemberg-Team<br />
gleich drei Hochkaräter in der Mannschaft.<br />
Allerdings galt es auch fünf Neulinge in das<br />
bisher so erfolgreiche Team zu integrieren.<br />
Vor dieser Herausforderung stand das Trainer-<br />
Team mit Rainer Gastinger, Christian Gumpert<br />
und Kai Frank. Bis zum Stand von 22:32 Mitte<br />
des dritten Viertels glaubten jedoch nicht<br />
mehr viele der 150 Zuschauer in der SCHAR-<br />
Rena an den Sieg der Heimmannschaft. Die<br />
Mannschaft belehrte die Fans jedoch eines<br />
Besseren. Sowohl in der Verteidigung als auch<br />
im Angriff klappte plötzlich alles. Die sichtlich<br />
unsicher werdenden Titelverteidiger mussten<br />
nun Korb für Korb hinnehmen. Durch einen<br />
furiosen Zwischenspurt konnte vier Minuten<br />
vor Ende auf 32:32 ausgeglichen werden.<br />
Selbstbewusst drückte man dem Spiel weiter<br />
den Stempel auf. 38:32 hieß das Endergebnis<br />
zu Gunsten der Hausherren. „Wir haben ein<br />
Spiel auf sehr hohem Niveau gesehen.<br />
Letztendlich haben Nuancen das Spiel entschieden“,<br />
lobte U22-Nationaltrainer Peter<br />
Richarz die beiden Finalisten. Besonders die<br />
Art und Weise wie sich die Mannschaft selbst<br />
ins Spiel zurückgekämpft hat, war sehr<br />
beeindruckend“, freute sich Mitorganisator<br />
Andreas Escher vom Württembergischen<br />
Behinderten- & Rehabilitationssportverband<br />
e.V.<br />
Für die notwendige Unterstützung bei den<br />
Rahmenbedingungen sorgte in erster Linie die<br />
Stadt Stuttgart. So konnte man gemeinsam<br />
die Kosten für das Turnier reduzieren. Des<br />
Weiteren machte die Stadt aktiv Werbung für<br />
das national wichtigste Rollstuhlbasketball<br />
Turnier im Juniorenbereich. „Ohne diese<br />
Unterstützung hätten wir den Länderpokal<br />
nicht nochmal nach Stuttgart holen können“,<br />
so Escher.<br />
Ein weiterer Förderer war die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong>. Zudem verlieh die<br />
Stadtgruppe Stuttgart den Preis für den<br />
wertvollsten Spieler des Turniers. Hans Peter<br />
Haag, erster Vorsitzender, übergab in der<br />
SCHARRena den Pokal an den Spieler Oliver<br />
Jantz vom Team Nord. Jantz ist auch Mitglied<br />
der deutschen U19-Nationalmannschaft, die<br />
im Juni auch noch am Paralympic Europena<br />
Youth Festival im niederländischen Utrecht<br />
teilnimmt.<br />
Oliver wurde mit einer Teil-Querschnittslähmung<br />
geboren und kann die Beine nicht<br />
bewegen, er ist auf den Rollstuhl angewiesen.<br />
Große Worte macht der Schüler nicht.<br />
Schule? Na ja, Mathematik kann er nicht<br />
leiden. Er hat schon mal ein Praktikum als<br />
Zahntechniker gemacht, aber der Berufswunsch<br />
ist klar: „Ich will Profi werden." So<br />
wie sein großes Vorbild Kai Möller aus Ellingstedt<br />
im Kreis Schleswig-Flensburg, der sein<br />
Geld als Berufsspieler in Italien verdient.<br />
Rollstuhl-Basketball wird von Menschen mit<br />
unterschiedlichen Behinderungen und auch<br />
von Nichtbehinderten gespielt, Grundlage ist<br />
das Regelwerk des "Fußgänger-Basketballs",<br />
das Feld ist genauso aufgebaut. Die Sportart<br />
65
wurde 1946 von amerikanischen Kriegsveteranen<br />
erfunden, seit 1960 zählt sie zum<br />
paralympischen Programm. In Deutschland<br />
gibt es seit 1990 eine Bundesliga.<br />
Südniedersachsen<br />
Neuer Vorstand in<br />
Südniedersachsen<br />
Die mit ca. 170 Mitgliedern zweitgrößte<br />
Zweigstelle der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> auf Bundesebene, die Bezirksgruppe<br />
„Südniedersachsen/Göttingen“, hat in<br />
ihrer Mitgliederversammlung einen neuen<br />
Vorstand gewählt. Zur neuen 1. Vorsitzenden<br />
wurde die Betriebswirtin und Verwaltungsleiterin<br />
Petra Reußner gewählt. Petra Reußner<br />
hat langjährige Vorstandserfahrung und war<br />
neben ihrer bisherigen Tätigkeit im Göttinger<br />
Vorstand von 2002 bis 2008 auch Vizepräsidentin<br />
der DOG auf Bundesebene und über<br />
dieses Amt von 2002 bis 2005 Mitglied des<br />
Nationalen <strong>Olympische</strong>n Komitees für<br />
Deutschland. Neben Petra Reußner wurden<br />
folgende Personen in den Vorstand gewählt:<br />
Elke Balleer, Prof. Dr. Wolfgang Buss, Heinz-<br />
Vorstandes verabschiedet. Der bisherige 1.<br />
Vorsitzende Rainer Hald sowie auch der<br />
Schatzmeister Rolf Parr und der Geschäftsführer<br />
Frank Sickora kandidierten auf<br />
eigenen Wunsch nicht mehr für den Vorstand.<br />
Alle Drei wurden für ihre engagierte<br />
und zum Teil langjährige Tätigkeit im<br />
Vorstand mit Dank und Ehrengaben durch<br />
die Mitgliederversammlung verabschiedet.<br />
Rolf Parr war seit 24 Jahren Schatzmeister<br />
der Bezirksgruppe und Frank Sickora nahm<br />
seit 1998 die Aufgabe des Geschäftsführers<br />
wahr.<br />
Die neue Vorsitzende Petra Reußner kündigte<br />
mit dem neuen Vorstand eine weitere<br />
enga-gierte Arbeit für die Ziele der DOG in<br />
der Region Südniedersachsen an, wobei<br />
neben der Pflege der olympischen Werte von<br />
Fairness, Völkerverbindung und Integration<br />
vor allem auch die aktuellen Probleme des<br />
Sports über öffentliche Veranstaltungen<br />
weiter beleuchtet und diskutiert werden<br />
sollen. Schon im kommenden Herbst <strong>2013</strong><br />
wird in der Reihe der DOG-Foren eine<br />
öffentliche Veranstaltung zum Thema<br />
"Traumberuf Profisport? Karriere im Hochleistungssport"<br />
durchgeführt. Hierbei sowie<br />
bei allen anderen Aktivitäten erhofft sich die<br />
DOG eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit<br />
mit allen Sportorganisationen<br />
der Region, für die sie nicht<br />
als Konkurrent, sondern in<br />
Ergänzung und Zuarbeit wirken<br />
will. Weiterhin werden insbesondere<br />
für die Mitglieder, aber<br />
auch Gäste wiederum das<br />
bewährte Jahresprogramm mit<br />
Sommertreffen (in diesem Jahr<br />
am Wochenende 23./24. August),<br />
vor allem auch kulturorientierten<br />
Winterfahrten, Patenschaftsaktivitäten<br />
zur Unterstützung von<br />
Der neue Vorstand: S. Rudolph, H.-G. Halve, P. Reußner, Nachwuchsportlerinnen und -<br />
E. Balleer, H.-W. Elter, M. Lumme, W. Buss<br />
sportlern, das Programm „Kinder<br />
bewegen“ und natürlich Exkursionen<br />
zu Highlights des Sports<br />
Willi Elter, Hans-Georg Halve, Mischa Lumme angeboten. Dabei wird demnächst schon die<br />
und Dr. Sabrina Rudolph. Mit Sabrina Rudolph<br />
und Mischa Lumme hat es auch eine den <strong>Olympische</strong>n Sommerspielen in Rio de<br />
Planung für die nächste Olympiafahrt zu<br />
deutliche Verjüngung im DOG-Vorstand Janeiro im Jahre 2016 beginnen. Interessenten<br />
an der Arbeit der DOG-Zweigstelle<br />
gegeben, wobei Mischa Lumme zukünftig<br />
auch die Geschäftsführung der DOG-Bezirksgruppe<br />
übernimmt. Rudolph und Lumme demnächst mit neuesten Informationen<br />
„Südniedersachsen“ können sich auf deren<br />
arbeiten in der Universität Göttingen, sie in aktualisierten Homepage jederzeit informieren<br />
(http://www.dog-suedniedersachsen.de);<br />
der Abteilung „Sportmedizin“ und Lumme in<br />
der Zentralen Einrichtung für den Hochschul-sport.<br />
DOG-Südniedersachsen, c/o Mischa Lumme,<br />
die Adresse der neuen Geschäftsstelle lautet:<br />
ZHS Universität Göttingen, Sprangerweg 2,<br />
Mit den Neuwahlen des Vorstandes wurden 37075 Göttingen, Tel. 0551-395942, mobil:<br />
zugleich auch verdiente Mitglieder des alten 017623242471.<br />
Impressum<br />
<strong>Olympische</strong>s Feuer<br />
Die Zeitschrift der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
Herausgeberkollegium:<br />
Peter von Löbbecke (DOG)<br />
Prof. Dr. Helmut Digel<br />
Michael Gernandt<br />
Steffen Haffner<br />
Chefredakteur:<br />
Harald Pieper<br />
Redaktion:<br />
Jens Bünger-de Waal<br />
Redaktionsanschrift:<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
z. H. Jens Bünger-de Waal<br />
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt<br />
Telefon: 0 69 / 6 95 01 60,<br />
Fax: 0 69 / 6 77 18 26<br />
E-Mail: OF@DOG-bewegt.de<br />
Internet: www.DOG-bewegt.de<br />
Harald Pieper<br />
Stieglitzstraße 2, 63263 Neu-Isenburg<br />
Telefon: 0 61 02 / 5 22 62<br />
E-Mail: Pieper@DOG-bewegt.de<br />
Herstellung, Vertrieb & Verlag:<br />
Peter Kühne Verlag<br />
Theodor-Heuss-Straße 11<br />
63303 Dreieich<br />
Telefon: 0 61 03 / 87 00 584<br />
E-Mail: freiwurf@aol.com<br />
Grafische Gestaltung: Werner Pettersch, Dreieich<br />
Schlussredaktion/Anzeigenleitung: Peter Kühne<br />
Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
abgegolten.<br />
Druck: C. Adelmann GmbH<br />
Eschersheimer Landstraße 28<br />
60322 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 0 69 / 91 50 63 - 0<br />
Das <strong>Olympische</strong> Feuer ist ein Diskussionsforum.<br />
Mit Namen gezeichnete Artikel müssen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion und der<br />
Herausgeber entsprechen.<br />
Titelgrafik: Eberhard Stroot<br />
Fotos, Illustrationen, Karikaturen:<br />
picture-alliance/dpa<br />
Sandra Hoffmannr<br />
Eberhard Stroot<br />
66
Offizieller<br />
Partner<br />
der<br />
HAUPTSPONSOR<br />
Holger Wulschner<br />
Sieger des <strong>Deutsche</strong>n Springderbys<br />
Spitzenleistung verbindet.<br />
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