Ausgabe 1/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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XGAMES<strong>2013</strong>_ANZ_OLYMP_210_280_RZ.indd 1 19.02.13 09:15
Freundliche Grüße<br />
aus der Redaktion<br />
D<br />
as Positive vorweg: Die olympischen Ringkämpfe, die in den<br />
zurückliegenden Wochen fernab der Matten statt fanden,<br />
hatten ein weitaus größeres internationales Echo, als es den<br />
unmittelbaren Auseinandersetzungen um die Medaillen normalerweise<br />
beschieden ist. Auch die Tatsache, dass man sich angesichts<br />
der avisierten Streichung der Traditionssportart aus dem Olympiaprogramm<br />
plötzlich weltweit mit den olympischen Werten<br />
beschäftigte, macht Hoffnung.<br />
Ganz so markt- und trendorientriert, wie es die IOC-Strategen<br />
vielleicht gern hätten, ist die globale Olympiagemeinde wohl doch<br />
nicht. Eigentlich eine gute Gelegenheit, zweifelhafte Weichenstellungen<br />
der Vergangenheit und fragwürdige Planspiele für die<br />
Zukunft zu korrigieren. Fußball und Tennis mit ihren eigenen<br />
Großevents sind und bleiben olympische Fremdkörper. Beim Golf<br />
wird es künftig nicht anders sein. Und bei der sich rasant ausweitenden<br />
olympischen Trend-Euphorie sollte man erst recht kräftig<br />
auf die Bremse treten. Schließlich verändern sich zutiefst unolympisch<br />
- Markt und Möglichkeiten viel zu schnell. Der große thematische<br />
Bogen dieser OF-<strong>Ausgabe</strong> erfasst weitere IOC-relevante<br />
Entwicklungen, die ebenso bedenklich sind wie manche Fakten<br />
und Vorgänge im deutschen Hochleistungssport. Aber wir haben ja<br />
zum Glück auch noch den florierenden Basis - und Vereinssport<br />
und historische Würdigungen im Programm - von unseren künstlerischen<br />
Ambitionen ganz abgesehen.<br />
Mit der Kunst auf dem OF-Titel pflegen wir eine inzwischen über<br />
20-jährige Tradition, die uns nicht nur viel Interesse beschert und<br />
Anerkennung eingebracht hat, sondern auch zu weitergehenden<br />
Überlegungen Anlass gibt. Die DOG macht sich als eine gute<br />
Adresse für die Vermittlung von Sport und Kunst sicher nicht<br />
schlecht. Wie auch immer: Unsere langjährigen künstlerischen<br />
Wegbegleiter Hans Borchert (2012) und Eberhard Stroot (<strong>2013</strong>)<br />
haben mal wieder einen ihrer jährlichen Stabwechsel vorgenommen.<br />
Eine grundsätzliche, die Binnenstruktur betreffende Feststellung<br />
zum Schluss: Nach nur einem Jahr ist die Kooperation unserer<br />
Zeitschrift mit der <strong>Deutsche</strong>n Schulsportstiftung bereits wieder<br />
beendet. Eine Entscheidung der Stiftung, die zu bedauern, aber<br />
wohl nicht zu ändern ist. Keine Frage, dass der Schulsport in<br />
unserer inhaltlichen Ausrichtung ein Dauerthema bleibt. Denn<br />
Olympia hin und Hochleistungssport her - hier werden die Fundamente<br />
gelegt, die Zielvereinbarungen zwischen Sport und Politik<br />
viel nötiger hätten.<br />
Ihr Harald Pieper<br />
Inhalt<br />
Die Zeitschrift „<strong>Olympische</strong>s Feuer“ wird von der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> herausgegeben<br />
OF Mosaik 4<br />
OF-Podium: Prof. Lutz Nordmann 6<br />
Das Ringen um eine olympische Sportart –<br />
ein didaktischer Versuch 8<br />
Prof. Dr. Michael Krüger<br />
Ringkämpfe 10<br />
Michael Gernandt<br />
Fatale Signale in der <strong>Olympische</strong>n Bewegung:<br />
Verbände kämpfen für ein „neues“ IOC 12<br />
Günter Deister<br />
OF-Interview mit Wladimir M. Grinin 16<br />
Jochen Frank<br />
Vom Gegenbild zum Abbild oder<br />
In der Falle des Hochleistungssports 20<br />
Prof. Dr. Helmut Digel<br />
Der Leistungssport frisst seine Kinder 22<br />
Bianka Schreiber-Rietig<br />
Über die Trainersituation in Deutschland:<br />
Das Gesamtbild bleibt düster, einige helle Farbstriche<br />
können an der Misere bislang wenig ändern 26<br />
Dr. Andreas Müller<br />
OF-Kommentare 32<br />
Prof. Dr. Helmut Digel, Günter Deister, Dr. Andreas Müller,<br />
Harald Pieper<br />
Mit dem Sport zurück ins Leben<br />
Die unglaubliche Franziska Liebhardt-Story 36<br />
Michael Gernandt<br />
Familiensport - Ein soziales Kraftfeld in Verein<br />
und <strong>Gesellschaft</strong> 38<br />
Friedhelm Kreiß<br />
Der Sport vor Ort braucht Räume und Personal ...<br />
und entwickelt mit Phantasie und Fleiß<br />
Wertmarken für das Vereinsprofil 44<br />
Karl Hoffmann<br />
Was macht eigentlich ...? Uli Eicke 48<br />
Dr. Christoph Fischer<br />
Der größte Gestalter des deutschen Sports:<br />
Willi Daume zum 100. Geburtstag 50<br />
Steffen Haffner<br />
OF-Galerie: „Faszination Bewegung –<br />
Sportzeichnungen von Edith Hultzsch 54<br />
Iris Gehrke<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> KOMPAKT 56<br />
Impressum 66
Olympiapfarrer Karlheinz<br />
Summerer verstorben<br />
D<br />
er Sport trauert um Prälat Karlheinz<br />
Summerer, der im alter von 78<br />
Jahren in München verstorben ist. Als<br />
erster katholischer Olympiapfarrer<br />
Deutschlands war er bei den olympischen<br />
Spielen 1972 in München im Einsatz,<br />
baute die Pfarrei Frieden Christi im Olympiadorf<br />
auf und begleitete danach die<br />
Wintersportler bei ihren olympischen<br />
Spielen, zuletzt 1992 in Lillehammer.<br />
zusammen mit dem ehemaligen geistlichen<br />
Beirat des djk-sportverbandes,<br />
F<br />
inden Ober- und Niederbayern eine<br />
Situation vor, von der sie wissen, dass<br />
sie sie mit links bewältigen werden,<br />
sprechen sie gern von einer „gmahden<br />
Wiesn“ (die nichts mit dem Oktoberfest<br />
oder einem vom Grasmäher bearbeiteten<br />
Rasen zu tun hat). Wenn also, wie<br />
geschehen, der Schweizer Kanton Graubünden<br />
sich in einer Volksbefragung<br />
mehrheitlich und für die Olympiaplaner<br />
verbindlich gegen <strong>Olympische</strong> Winterspiele<br />
2022 in St. Moritz und Davos ausspricht,<br />
und vorläufig weit und breit kein<br />
anderer Bewerber offenbar Lust hat auf<br />
die Schnee- und Eissause in neun Jahren,<br />
ist für den Großsportpolitiker Mario<br />
4<br />
Pfarrer Paul Jakobi, war Karlheinz Summerer<br />
über Jahrzehnte wegweisend in der<br />
katholischen Sportarbeit und setzte<br />
Maßstäbe für eine Ethik im Sport.<br />
"Mir ist ein Freund verloren gegangen",<br />
sagte Walther Tröger, langjähriger NOK-<br />
Präsident, in einer Reaktion auf die<br />
Nachricht des Todes von Summerer. "Er<br />
war ein ganz wichtiger Wegbegleiter des<br />
NOK und seiner Mannschaften." Tröger<br />
hat als Bürgermeister des <strong>Olympische</strong>n<br />
Dorfes in München mit dem Olympiapfarrer<br />
eng zusammengearbeitet und erinnert<br />
sich: "Karlheinz Summerer hat sehr<br />
schnell das Vertrauen der Sportler gewonnen.<br />
Im <strong>Olympische</strong>n Dorf haben viele ihn<br />
um Rat gefragt. Manche wurden seine<br />
Freunde und haben immer Verbindung zu<br />
ihm gehalten.<br />
Gesundheit und der hohe<br />
Stellenwert des Sports<br />
P<br />
rävention und Gesundheitsförderung<br />
sind unverzichtbarer Bestandteil des<br />
Leistungskanons der gesetzlichen Krankenversicherung,<br />
heißt es im Präventionsbericht<br />
2012 des gkv-Spitzenverbandes.<br />
Münchner G`schichtn (8):<br />
A gmahde Wiesn?<br />
Schmidbauer, einen Münchner CSU-<br />
Stadtrat, der „Wiesn“-Fall eingetreten.<br />
„Wenn wir uns jetzt bewerben, gehe ich<br />
zu 95 Prozent davon aus, dass wir die<br />
Winterspiele auch bekommen.“<br />
Na, wenn das so ist, dann kann es ja<br />
losgehen mit Münchens drittem Anlauf auf<br />
Olympia! Schon haben sie im Rathaus der<br />
bayerischen Landeshauptstadt die Fallwinde<br />
aus den Schweizer Alpen, auch Föhn<br />
genannt, als Aufwind für ihr Vorhaben<br />
gedeutet. Wenn, ja wenn das Orakel des<br />
Mario S. nur nicht seine Tücken hätte.<br />
Erstens wird sich „jetzt“ niemand bewerben,<br />
sondern, wenn überhaupt, der bekannten<br />
das zum Teil förderfähige "Sport pro<br />
Gesundheit"-Angebot der Sportvereine<br />
spielt dabei eine wichtige Rolle.<br />
Insgesamt haben die Krankenkassen im<br />
Berichtsjahr 2011 rund 270 Millionen Euro<br />
für Präventionsaktivität ausgegeben, pro<br />
Versichertem durchschnittlich 3,87 Euro.<br />
Auch im Berichtsjahr 2011 fanden 73<br />
Prozent aller Präventionskurse in dem<br />
Handlungsfeld „Bewegung“ statt. Gesundheitssportkurse<br />
zählen dabei zum sogenannten<br />
individuellen Ansatz. Besonders<br />
stark werden sie von Versicherten ab dem<br />
40. Lebensjahr wahrgenommen, und die<br />
große Mehrheit sind Frauen.<br />
Zum 100. Geburtstag:<br />
Sportabzeichen Deutschland-Tournee<br />
S<br />
eit genau einem Jahrhundert trainieren<br />
Generationen von Sportlerinnen<br />
und Sportler für den Fitnessorden, legen<br />
die Prüfungen in den unterschiedlichen<br />
Disziplinen ab und dürfen sich anschließend<br />
das <strong>Deutsche</strong> Sportabzeichen ans<br />
Revers heften, das seit 1958 ein geschütz-<br />
Terminvorgaben wegen, von Bach und Ude<br />
erst kurz vor dem Anmeldeschluss beim IOC<br />
am 14. November; und zweitens steckt<br />
auch in diesem Fall der Teufel im Detail: die<br />
fehlenden fünf Prozent der genannten<br />
hundert haben es in sich.<br />
Bei aller Selbstzufriedenheit über den<br />
Ausstieg eines großen Konkurrenten sollte<br />
in München die Signalwirkung nicht<br />
unterschätzt werden, die vom Sieg der<br />
Schweizer Umweltbewahrer und sonstiger<br />
Bedenkenträger ausgeht. Von denen mit<br />
frischem Adrenalin versorgt, hat „NOlympia“,<br />
das Widerstandsnest von „2018“, das<br />
Gegenwindgebläse schon wieder angeworfen.<br />
Dass der allein entscheidende DOSB der<br />
neuen Lage („erheblich entspannt“, so<br />
„General“ Vesper) unaufgeregter begegnete<br />
als die Schmidbauers in München,<br />
OF-MOSAIK
tes Ehrenzeichen ist. Um „100 Jahre<br />
<strong>Deutsche</strong>s Sportabzeichen“ gebührend zu<br />
feiern, veranstaltet der DOSB seine dies-<br />
jährige Sportabzeichen-Tour von Mai bis<br />
September als große Deutschland-Tournee<br />
durch alle Bundesländer und ist zu Gast in<br />
16 Städten, wobei der LSV Saarland die<br />
Patenschaft für das Tour-Event in Metz<br />
(Frankreich) übernimmt. Diese Veranstaltung<br />
steht ganz im Zeichen des Deutsch-<br />
Französischen Freundschaftsvertrages,<br />
dessen Unterzeichnung sich <strong>2013</strong> zum 50.<br />
Male jährt. Das Finale der Sportabzeichen-<br />
Tour findet im September im Garten des<br />
Schlosses Bellevue in Berlin statt.<br />
hat mit dem Versteckspiel mit seinen<br />
wahren Olympiaplänen zu tun. Immerhin<br />
hat Vesper am Schweizer Beispiel<br />
erkannt, „wie wichtig die Bürgerbeteiligung<br />
ist“. Soll wohl heißen: Eine Bürgerbefragung,<br />
wie sie Münchens OB<br />
Ude am 10. November für sein Gemeinwesen<br />
plant, müsste zumindest auf<br />
Bayern ausgeweitet werden, um ein<br />
wirklich repräsentatives Bild zu bekommen.<br />
Bei den Eidgenossen hatte das Pro<br />
in St. Moritz und Davos keine Chance<br />
gegen das Contra des Kantons, dem die<br />
Bewerberstädte angehören. Wie wär`s,<br />
dem bayerischen Bürger bei der Wahl<br />
zum neuen Landtag am 15. September<br />
eine Drittstimme einzuräumen: Seehofer<br />
oder Ude, CSU oder SPD, Ja oder<br />
Nein zu Olympia. A gmahde Wiesn ist<br />
das, Stand jetzt, für keinen der Kontrahenten.<br />
Michael Gernandt<br />
Stärkung des Ehrenamts<br />
D<br />
OF-MOSAIK<br />
er deutsche Bundestag hat mit<br />
breiter Mehrheit dem Gesetz zur<br />
Stärkung des Ehrenamtes zugestimmt und<br />
damit auch die Situation der vielen engagierten<br />
in den Sportvereinen gestärkt.<br />
Es soll rückwirkend zum 1. Januar <strong>2013</strong> in<br />
Kraft treten und sieht unter anderem eine<br />
Anhebung der Übungsleiterpauschale um<br />
300 Euro auf jährlich 2.400 Euro vor. Die<br />
Ehrenamtspauschale wird von 500 auf<br />
720 Euro pro Jahr angehoben. Zu den<br />
weiteren Verbesserungen gehört eine um<br />
10.000 auf 45.000 Euro erhöhte Steuerfreigrenze<br />
für jährliche Einnahmen aus<br />
Breitensportkalender:<br />
5.000 Touren für Radfahrer<br />
D<br />
er neue Breitensportkalender des<br />
Bundes deutscher Radfahrer (bdr)<br />
bietet Hobby-Radlern über 5.000 Touren<br />
durch ganz Deutschland und wird jetzt<br />
wieder kostenlos abgegeben.<br />
Die Touren spiegeln den populärsten<br />
Freizeitsport Deutschlands in dieser<br />
„Radsportbibel für Breitensportler“ wider.<br />
Vom sportlich ambitionierten Radfahrer,<br />
über den gesundheitsbewussten Einsteiger<br />
bis hin zur Familie bietet der BDR<br />
bundesweit für Jeden das passende<br />
sportlichen Veranstaltungen. Zudem gibt<br />
es Änderungen bei Haftungsregeln für<br />
Ehrenamtliche. Wer für einen Verein oder<br />
eine Stiftung ehrenamtlich tätig ist, soll<br />
in Zukunft bei einer zweckwidrigen<br />
Verwendung von Spendengeldern nur<br />
noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit<br />
haften. Bisher setzte die Haftung bereits<br />
bei leichten Nachlässigkeiten ein. Der<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> Sportbund als<br />
Dachorganisation des deutschen Sports<br />
zählt mit seinen 8,8 Millionen Ehrenamtlichen<br />
und freiwillig Engagierten in 98<br />
Mitgliedsorganisationen mit 91.000<br />
Vereinen und 27,8 Millionen Mitgliedschaften<br />
zu den größten Trägern bürgerschaftlichen<br />
Engagements in Deutschland.<br />
Angebot. Die Experten vor Ort suchen<br />
dafür naturnahe Strecken von 20 bis über<br />
200 Kilometer aus und bieten einen<br />
attraktiven Servicerahmen, damit das<br />
Motto „Radfahren - im Verein am schönsten“<br />
erlebbar wird.<br />
Neben den Terminen bietet der Breitensportkalender<br />
auch allgemeine Informationen,<br />
Ansprechpartner in den Ländern<br />
und die Passagen der Straßenverkehrsordnung<br />
für Radfahrer. Der Breitensportkalender<br />
liegt in den Niederlassungen von<br />
BDR-Sponsorpartner Škoda zur Abholung<br />
bereit oder kann gegen eine Versandkostenpauschale<br />
von 3,00 Euro auch direkt<br />
beim BDR bestellt werden (Anfragen an:<br />
schrader(at)bdr-online.org).<br />
5
Trainerinnen und Trainer spielen im Sport eine wichtige<br />
Rolle. Sie sind nicht alles, aber ohne sie läuft nichts. In<br />
spezieller Weise trifft das auf den Leistungssport zu,<br />
denn der Schlüssel für sportlichen Erfolg ist das Training.<br />
Zahlreiche nationale wie internationale Studien zeigen, dass<br />
die Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer<br />
Nation in entscheidendem Maße auch davon abhängt, ob und<br />
wie die Trainerfrage - im Komplex mit weiteren wichtigen<br />
Systemkomponenten! - gelöst ist. Geht man dieser Frage in<br />
Deutschland ernsthaft nach, muss klar zwischen der kampagnenartigen<br />
Oberfläche und der Realität, wie sie Insider und<br />
eben vor allem unsere Trainer selbst erleben, unterschieden<br />
werden. Schon die Vorgängerorganisation des DOSB hat Ende<br />
2005 eine „Traineroffensive“ gestartet, die seitdem vom DOSB<br />
weitergeführt wurde. Das Gute daran ist, dass das Trainerproblem<br />
offensichtlich durchaus erkannt ist und spezifische<br />
Aktionsfelder benannt sind. In einigen Teilen dieser Kampagne<br />
sind Ergebnisse erzielt worden, gleichwohl ist die Ausbeute<br />
insgesamt für viele ernüchternd.<br />
Natürlich sind die Trainer im Leistungssport in ganz besonderer<br />
Weise dem Erfolg der von ihnen geführten Athleten verpflichtet.<br />
Zugleich aber agieren Trainer immer mit einem klaren<br />
pädagogischen Mandat. Trainer verbringen deutlich mehr Zeit<br />
mit ihren Athleten als jeder andere, etwa Lehrer. Damit haben<br />
Trainer ganz besondere Einflussmöglichkeiten, zudem aber<br />
auch höchste Verantwortung für die Persönlichkeitsentwicklung<br />
ihrer Athleten. Bis hierher dürfte kaum jemand widersprechen.<br />
Denkt man diese Aspekte weiter, ist es umso unverständlicher,<br />
weshalb Trainer - wir reden hier nicht über Trainer aus<br />
den Profi-Ligen in den Spielsportarten - vergleichsweise wenig<br />
Wertschätzung erfahren.<br />
Top-Trainer sind Experten in ihren Disziplinen und Sportarten.<br />
Sie führen ihre Athleten zu herausragenden sportlichen Erfolgen<br />
– und zwar wiederholt und mehrfach. Wissen, Erfahrung,<br />
Kompetenz, Begeisterung, Leidenschaft und Ausdauer sind<br />
bestimmende Merkmale für diese Trainer. Doch Persönlichkeitsund<br />
Charaktereigenschaften allein genügen nicht zur Formung<br />
von Spitzentrainern. Es sind zugleich Rahmenbedingungen<br />
vonnöten, für die strukturell Vorsorge getroffen werden muss.<br />
Ausgangs- und Bezugspunkt für die Entwicklung von Ausbildungs-<br />
und Fortbildungsprogrammen müssen die vom Trainer<br />
zu realisierenden berufstypischen Tätigkeiten sein. Diese müssen<br />
konsequent in die Vermittlungs-, Lehr- und Lernprozesse<br />
einbezogen werden. Der Gradmesser für die qualitativ hochwertige<br />
Aus- und Fortbildung von Trainern ist deren Beitrag<br />
zur trainingsmethodisch-pädagogischen Könnens- und Fähigkeitsentwicklung!<br />
Der vielfach verbreitete Blick ins Lehrbuch,<br />
der Besuch von Vorlesungen und das Sammeln von Scheinen<br />
allein ist deutlich zu wenig – diese Perspektive ist ein pseudowissenschaftlich<br />
verbrämter Irrweg, der vor allem den Anbietern<br />
solcher Programme hilft.<br />
6<br />
Aus Studierstuben und Elfenbeintürmen war vor kurzem zu<br />
vernehmen, man wolle in der „Champions League“ spielen.<br />
Deshalb beziehe man sich nur auf englischsprachige Literatur.<br />
Ich empfehle Michael M. Lombardo und Robert W. Eichinger.<br />
Auf Beide geht das „70/ 20/ 10 Learning and Development<br />
Model“ zurück. Danach lernt man 70 Prozent „on the job“, 20<br />
Prozent durch Coaching und Reflexion, zehn Prozent durch<br />
klassische Wissensvermittlung in Vorlesungen, Seminare oder<br />
beim e-Learning. Diese Relationen decken sich mit wissenschaftlichen<br />
Studien sowohl aus dem anglophilen Sprachraum<br />
und der Trainerakademie. Dass man also spezifische, vor allem<br />
praxisnah angelegte Aus- und Fortbildungsangebote für Trainer<br />
im Leistungssport braucht, kann nicht überraschen. Schon die<br />
Gründungsväter der Trainerakademie haben festgestellt, dass<br />
die sportwissenschaftlichen Institute an Hochschulen und<br />
Universitäten primär auf die Ausbildung von Sportphilologen<br />
für die Schulen ausgerichtet sind. Später wurde das 2009 noch<br />
einmal bestätigt<br />
durch das CHE-<br />
Ranking „Sportwissenschaft“,<br />
wonach zwei<br />
Drittel der Absolventen<br />
in die<br />
Schulen gehen<br />
(siehe DIE ZEIT,<br />
14.05.2009). Hinzu<br />
kommen noch<br />
Studienangebote<br />
für den außerschulischen<br />
sowie<br />
den breitensportlichen<br />
Bereich,<br />
nicht aber für den<br />
Trainer im Leistungssport.<br />
Im<br />
Zuge der Einführung<br />
von Bachelor-<br />
und Master-<br />
Studiengängen ist<br />
die Distanz zu den Erfordernissen des Leistungssports in den<br />
vergangenen Jahren inhaltlich sogar noch deutlich gewachsen.<br />
Die Konsequenzen, die zur Gründung der Trainerakademie<br />
geführt haben, sind heute sogar noch zwingender.<br />
1974 wurde die Trainerakademie für die Aus- und Fortbildung<br />
von Trainern des deutschen Leistungssports gegründet. Damals<br />
wie heute gab und gibt es gute Gründe für eine solche Berufsakademie.<br />
Eine vom Bundesinnenministerium beauftragte<br />
externe Evaluation hatte 2007 festgestellt, dass die originäre<br />
Ausbildung an der Trainerakademie nicht ersetzbar ist und<br />
auch nicht durch Universitäten und Hochschulen ersetzt<br />
werden kann, die andere Zielgruppen bedienen und andere
Studienkonzepte verfolgen. Eine wissenschaftlich fundierte<br />
Trainerausbildung im Sinne einer berufsakademischen Ausbildung,<br />
wie sie die Trainerakademie zusammen mit den Spitzenverbänden<br />
durchführt, ist besonders: Sie hat die für die Gestaltung<br />
von Bildungsprozessen oft als selbstverständlich geltenden<br />
kognitionspsychologischen Annahmen kritisch zu hinterfragen.<br />
Es kommt darauf an, Wissen, Denken, Entscheiden,<br />
Problemlösen und Reflektieren in der Aus- und Fortbildung für<br />
Trainer abzubilden und zugleich als praktisch-reale Interaktion<br />
mit der Leistungssportrealität umzusetzen. Ein solches „Ausbildungskonzept<br />
der Duplizität“ muss sich zwangsläufig von<br />
traditionellen Annahmen absetzen, aus denen eine versteckte<br />
bis offene Geringschätzung des praktischen und beruflichen<br />
Wissens und Könnens von Trainern sichtbar wird.<br />
Das Kölner „Trainer-Diplom“ ist mittlerweile eine weltweit<br />
anerkannte Marke, wie es die diplomierten Trainer selber sind.<br />
Die Namen der Absolventen sowie unserer Studierenden lesen<br />
sich wie ein „who is who“ des deutschen Leistungssports.<br />
Zunehmend mehr Diplom-Trainer arbeiten in verantwortlichen<br />
Positionen als Bundes-, Landes- und Stützpunkttrainer sowie<br />
als Führungskräfte in den Spitzenverbänden. Aktuell sind 90<br />
Studierende aus insgesamt 27 Spitzenverbänden an der Trainerakademie<br />
eingeschrieben. Wobei diese ehemaligen Aktiven<br />
einen außerordentlichen Erfahrungsschatz von 24 olympischen<br />
Medaillen, 79 WM- und 57 EM-Medaillen mit- und einbringen.<br />
Zur Spezifik gehört ebenso die besondere Altersstruktur der Trainerakademie-Studenten.<br />
Sie sind im Durchschnitt 32 bis 34 Jahre<br />
und zehn Jahre älter als „normale Studenten“. Zulassungsvoraus-<br />
setzungen an der Trainerakademie sind eine gültige A-Trainer-<br />
Lizenz, eine vertraglich geregelte Trainertätigkeit und eine „robuste“<br />
Stellungnahme des jeweiligen Spitzenverbandes – als Bestandteile<br />
individueller Verträge - zu den beruflichen Perspektiven. Das<br />
Konzept des Studiengangs zum „Trainer im Leistungssport“ bietet<br />
Leistungssportlern eine gern und oft gewählte Perspektive. Ein<br />
Weg, der neben den persönlichen Präferenzen der designierten<br />
Trainer ebenfalls für den deutschen Leistungssport insgesamt von<br />
besonderer Bedeutung sein müsste wie das Ringen um die längst<br />
überfällige Aufwertung des Trainerakademie-Diploms.<br />
Eine aktuelle Expertise des Instituts für Wissenstransfer und<br />
Evaluationsforschung der Friedrich-Alexander-Universität<br />
Nürnberg-Erlangen attestierte dem dreijährigen berufsintegrierten<br />
Studium an der Trainerakademie ein hohes Niveau. Das<br />
Studium und der Abschluss an der Trainerakademie sei auf<br />
derselben Stufe anzusiedeln, wie sie im Rahmen für Hochschul-<br />
Priorität Trainerqualifikation oder<br />
Unverzichtbarer Studiengang mit<br />
unverwechselbarem Profil<br />
Professor Lutz Nordmann, Direktor der Trainerakademie des DOSB<br />
PODIUM<br />
abschlüsse in Deutschland definiert ist und wie sie die Kultusminister<br />
für einen universitären Bachelor-Abschluss vorschlagen.<br />
Im Ergebnis dieser Expertise steht unseren Diplom-Trainern<br />
die Tür zu weiterführenden universitären Master-Studiengängen<br />
offen. Entsprechende Vereinbarungen der Trainerakademie<br />
mit universitären Partnern liegen bereits vor. Inzwischen<br />
ist die Trainerakademie sogar Partner gemeinsamer internationaler<br />
Master-Studiengänge, die 2014 beginnen werden. Diese<br />
erfreulichen Entwicklungen sind das Resultat zielführender<br />
internationaler Kooperationen der Trainerakademie, zum Beispiel<br />
in unmittelbarer Abstimmung mit der EU-Kommission für<br />
Sport, Bildung und Kultur. Allen, die diesen Weg begleitet und<br />
unterstützt haben, ist ausdrücklich zu danken.<br />
7
Das Ringen um eine olympische Sportart<br />
Die Entscheidung des Exekutivkomitees des Internationalen<br />
<strong>Olympische</strong>n Komitees, der Mitgliederversammlung<br />
des IOC zu empfehlen, Ringen aus dem olympischen<br />
Programm zu streichen, hat einen Aufschrei der Empörung<br />
ausgelöst. Der Präsident des Internationalen Ringer-<br />
Verbandes, der Schweizer Raphaël Martinetti, ist von seinem<br />
Amt zurückgetreten. Man weiß nicht, ob aus Zorn über die<br />
IOC-Entscheidung oder als Eingeständnis der Niederlage, dass<br />
es ihm und dem Internationalen Ringer-Verband FILA nicht<br />
gelungen ist, diese Entscheidung abzuwenden.<br />
Der Präsident des griechischen Ringerverbandes, Kostas Thanos,<br />
hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Olympier offenbar<br />
nicht mal mehr ihre eigene, von seinem Landsmann Spyros<br />
Samaras komponierte Olympiahymne (Text von Kostis Palamas)<br />
kennen, in der es in der zweiten Strophe heißt: „Beim Laufen,<br />
Ringen und beim Weitwurf/ Erleuchte die Kraft, die den edlen<br />
Spielen innewohnt,/ Und kröne mit dem nie verwelkenden<br />
Zweig,/ Und mache den Körper ehrenwert und wie aus Stahl.“<br />
Er machte dem IOC den sarkastisch gemeinten Vorschlag, die<br />
Spiele doch in Zukunft in „Business Games“ umzubenennen.<br />
Möglicherweise hatte Thanos auch eine Art Déja-vu-Erlebnis;<br />
denn als das IOC auf seiner 96. Session 1990 in Tokio über<br />
8<br />
die Vergabe der Jubiläumsspiele entschied, schien es für alle<br />
traditions- und geschichtsbewussten Anhänger der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele selbstverständlich zu sein, dass die Spiele nach<br />
Athen vergeben würden. Aber daraus wurde nichts. Statt<br />
<strong>Olympische</strong>r Spiele im Mutterland der Athletik gab es 1996<br />
Coca Cola-Games in Atlanta/USA: gut organisiert, kommerziell,<br />
medientauglich und medienfreundlich, spannend und<br />
unterhaltsam. Geschichte und Tradition spielten und spielen<br />
bei den Entscheidungen des IOC bis heute kaum eine Rolle.<br />
Die <strong>Olympische</strong>n Spiele sind eben ein kommerzielles Medien-<br />
Event erster Güte. Mit Geschichte und Tradition haben sie<br />
nichts mehr oder nur noch dann etwas zu tun, wenn sich<br />
historisch-kulturelle Versatzstücke in das Vermarktungskonzept<br />
einpassen lassen, wie die <strong>Olympische</strong>n Ringe, der<br />
Fackellauf, die Siegerehrungen und andere rituelle und<br />
zeremonielle Elemente der Spiele. Die Sportarten selbst<br />
werden in erster Linie danach beurteilt, ob sie attraktive<br />
Bilder von spannenden Wettbewerben liefern, die ein großes<br />
Publikum finden.<br />
Bei den Ringern war das offenbar nicht mehr der Fall. Sie<br />
müssen sich deshalb auch den Vorwurf gefallen lassen,<br />
nichts oder zu wenig für die Modernisierung und Medientauglichkeit<br />
ihrer Sportart getan zu haben. Die harten Gesetze<br />
des (Fernseh-<br />
)Marktes kennen kein<br />
Pardon. Angesichts<br />
neuer, attraktiver<br />
Sportarten wird der<br />
Kampf um die Aufmerksamkeit<br />
der<br />
Zuschauer noch<br />
größer. Wer nichts<br />
mehr bringt, fliegt<br />
raus. „Markt oder<br />
Tempel?“ fragte<br />
bekanntlich Pierre de<br />
Coubertin schon<br />
1925, als er diese<br />
Entwicklung kommen<br />
sah. Heute ist dies<br />
keine Frage mehr. Die<br />
„Sportsleute“, so<br />
Coubertin, haben sich<br />
für den Markt entschieden.<br />
Da hilft es<br />
auch nichts, wenn Evi<br />
Simeoni in ihrem
– ein didaktischer Versuch Von Michael Krüger<br />
Artikel vom 15. Februar <strong>2013</strong> in der FAZ an die große, Jahrtausende<br />
alte Tradition der Ringkunst erinnert, die eben<br />
nicht nur eine europäische Tradition, sondern eine Art Weltkulturerbe<br />
der schwerathletischen Körperkultur ist. Überall<br />
auf der Welt wurde und wird gerungen. Ringen ist quasi Teil<br />
der „conditio humana“, ein anthropologisch verankertes,<br />
universelles Kulturmuster, ließe sich frei nach dem Kulturwissenschaftler<br />
Hermann Bausinger sagen. Deshalb vereinigen<br />
sich jetzt auch im Protest gegen das IOC die Ringer und<br />
Ringerkulturen aus aller Welt in Koalitionen, die politisch,<br />
religiös oder ökonomisch undenkbar wären: USA, Russland<br />
und Iran, kann man in der Zeitung lesen, „kämpfen gemeinsam<br />
ums Ringen“.<br />
Ringen ist nicht nur eine bzw. neben dem Laufen die älteste<br />
athletische Disziplin bei olympischen Festen, sondern auch<br />
eine pädagogische Leibesübung, die sogar in Schul-Sportlehrplänen<br />
zu finden ist; wenn auch nicht unter Ringen im<br />
griechisch-römischen Stil oder im Freistil nach den Regeln<br />
des Ringerverbandes, sondern als Bewegungsfeld oder als<br />
Inhaltsbereich „Ringen und Kämpfen“ nach pädagogischen<br />
und schulsportlichen Regeln. Die pädagogisch-didaktischen<br />
Argumente zur Legitimation dieses athletischen Sports sind<br />
längst genannt und stehen außer Frage: Ringen ist seit alters<br />
her eine Leibesübung, bei der<br />
und durch die alle grundlegenden<br />
motorischen Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten<br />
konditioneller und koordinativer<br />
Art gelernt und geübt<br />
werden, Ausdauer, Kraft,<br />
Schnelligkeit, Beweglichkeit,<br />
Geschicklichkeit, Reaktionsvermögen.<br />
Ringen ist ein<br />
Zweikampf, in dem es nicht<br />
um die Vernichtung und<br />
Schädigung des Gegners<br />
geht, sondern um Technik<br />
und Taktik, um das faire<br />
Einhalten von Regeln, um<br />
Mut, Willenskraft und Zähigkeit,<br />
um Anstrengungs- und<br />
Leistungsbereitschaft, um die<br />
Erfahrung der eigenen Körperlichkeit<br />
und der Körperlichkeit<br />
des Gegners, um<br />
Fähigkeit, seinen Gegner<br />
einschätzen und auf seine<br />
Aktionen reagieren zu können. „Jeder andere Sport ist eine<br />
Hilfsübung für das Ringen“, zitiert Evi Simeoni die „Anhänger<br />
der Griffkunst“.<br />
Nun mag jeder Vertreter einer Sportart mehr oder weniger<br />
intelligente Gründe nennen, die „seinen“ Sport und seine<br />
Freizeitaktivität als besonders geeignet erscheinen lassen,<br />
entweder im Programm der <strong>Olympische</strong>n Spiele vertreten zu<br />
sein oder auch den pädagogischen und didaktischen Anforderungen<br />
zu genügen, die eine Sportart oder ein Bewegungsfeld<br />
als Inhaltsbereich für den Schulsport legitimieren. Grundlage<br />
einer solchen Entscheidung, die immer eine didaktische Reduktion<br />
aller möglichen Themen und Inhalte bedeutet, muss eine<br />
transparente didaktische Analyse sein, die sich an den Zielen<br />
der jeweiligen Organisation misst. Bewegung, Spiel und Sport<br />
in der Schule werden daran gemessen, ob und welchen Beitrag<br />
die einzelnen Themen und Inhalte des Schulsports für die<br />
Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen leisten.<br />
Welche Ziele haben die <strong>Olympische</strong>n Spiele? Lassen sich aus<br />
diesen Zielen konkrete Inhalte, also Sportarten ableiten, die das<br />
Programm der <strong>Olympische</strong>n Spiele bilden sollten?<br />
Die Ziele und grundlegenden Prinzipien der <strong>Olympische</strong>n<br />
Bewegung wurden in der <strong>Olympische</strong>n Charta festgeschrie-<br />
9
en. Nach den Formulierungen der olympischen Pädagogik in<br />
der <strong>Olympische</strong>n Charta gäbe es keinen Grund, Ringen aus<br />
dem olympischen Programm zu nehmen; denn zweifellos ist<br />
das Ringen ein Sport, mit dem sich die Ziele des Olympismus<br />
als Lebensphilosophie verfolgen lassen. Aber natürlich trifft<br />
dies auch auf viele andere Sportarten zu; selbst auf solche,<br />
die keine Aussicht haben, in das olympische Programm aufgenommen<br />
zu werden.<br />
Welche Möglichkeiten bieten sich noch, um eine begründete<br />
und notwendige Auswahl des olympischen Programms vorzunehmen.<br />
An welchen Kriterien hat sich das Exekutivkomitee<br />
des IOC orientiert?<br />
Die <strong>Olympische</strong> Charta nennt keine ausdrücklichen Kriterien,<br />
sondern stellt in § 45, Absatz 3 lediglich fest, dass<br />
diese Frage in die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung<br />
und des Exekutivkomitees falle. Bedingung ist jedoch, dass<br />
nur solche Sportarten und deren Verbände aufgenommen<br />
werden, die den World Anti-Doping-Code akzeptiert und<br />
implementiert haben. Dies ist bei allen zugelassenen olympischen<br />
Sportarten der Fall. Allerdings wird auch in nahezu<br />
allen Sportarten dagegen verstoßen. Es gibt begründete<br />
Zweifel daran, dass Dopingkontrollen und generell der<br />
Kampf gegen Doping konsequent genug durchgeführt<br />
Damit hat IOC-Präsident Jacques Rogge nicht wirklich<br />
rechnen können: Dass er auf der Schlussgeraden<br />
seiner Amtszeit, das Zielband bereits vor Augen,<br />
doch noch mal ein Debakel für den Ringezirkel erleben<br />
würde. Keines vom Ausmaß schlimmerer Tiefschläge seiner<br />
Regentschaft, des Korruptionsskandals vor den Winterspielen<br />
2002 und des Kotau des IOC vor den chinesischen<br />
Machthabern 2008 aus Anlass der Peking-Games, folgenreich<br />
der eine, weltpolitisch peinlich der andere. Indes ein<br />
Debakel, das dem ohnehin nicht sonderlich fein konturierten<br />
Image der Weltsportregierung beträchtlichen Schaden<br />
zugefügt hat - wie weltweite Proteste aus allen Schichten<br />
der Sportfamilie zeigen: gegen die Entscheidung des IOC-<br />
Exekutivkomitees, der Vollversammlung im September zu<br />
empfehlen, Ringen, den olympischen Traditionssport<br />
schlechthin, mit Wurzeln bis in die Antike, für 2020 aus dem<br />
Programm zu streichen.<br />
10<br />
werden. Nach diesem Anti-Doping-Kriterium läge es daher<br />
nicht nur nahe, Ringen aus dem Programm auszuschließen,<br />
sondern auch andere Sportarten einschließlich der Leichtathletik,<br />
ohne die <strong>Olympische</strong> Spiele allerdings wirklich<br />
undenkbar wären.<br />
Die Ausführungsbestimmungen des Paragraphen 45 regeln<br />
schließlich, dass nach jeden <strong>Olympische</strong>n Spielen stets neu<br />
die Frage nach dem olympischen Programm der kommenden<br />
Spiele geklärt werden muss. Mit dieser Regelung hat das IOC<br />
die Möglichkeit geschaffen, je nach Marktlage über Themen<br />
und Inhalte <strong>Olympische</strong>r Spiele zu beschließen. Kriterium ist<br />
nicht mehr wie in früheren Fassungen der Charta, dass eine<br />
Sportart bestimmten Definitionsmerkmalen von „Sport“<br />
genügen müsse. Beispielsweise war in älteren Fassungen der<br />
olympischen Charta Motorsport ausdrücklich ausgeschlossen.<br />
Dies ist nun nicht mehr der Fall. <strong>Olympische</strong> Sportarten<br />
müssen auch nicht mehr ihre weltweite Verbreitung nachweisen.<br />
Es liegt ausschließlich beim IOC zu entscheiden, ob sich<br />
eine Sportart im olympischen Programm bewährt hat oder<br />
nicht oder ob eine neue Sportart eine olympische Chance<br />
bekommen soll.<br />
Diese Veränderungen der bisherigen Regelungen für die<br />
Auswahl des olympischen Programms ist Ergebnis einer<br />
Ringkämpfe Von Michael Gernandt<br />
Das (noch nicht endgültige) Votum des Rogge-Vorstands pro<br />
Rauswurf soll, wie es heißt, zur Zukunftsfähigkeit des Olympiaprogramms<br />
beitragen. Doch dahinter steckt mehr. Erstens:<br />
Tradition hat, trotz gegenteiliger Beteuerung, im IOC als<br />
Wert abgewirtschaftet; zweitens: das IOC braucht neue<br />
Software für seine Playstation, um die Jugend für Olympia<br />
zu interessieren, tatsächlich aber will es seinem Hauptsponsor<br />
Fernsehen schön tun, verhageln dem doch die Ringer mit<br />
ihren komplizierten Regeln die Quote; drittens: Seilschaften<br />
und Lobbyisten stößt das IOC nur ungern vor den Kopf. Es<br />
hat jedenfalls ein Geschmäckle, wenn der ebenfalls auf der<br />
Kippe gestandene Moderne Fünfkampf, ein Minderheitenprogramm<br />
des Weltsports, zur Riege der 25 Kernsportarten<br />
durchgewinkt wird und das global verbreitete Ringen nicht.<br />
Wie das sein kann? Vielleicht, weil Fünfkampf-Vize ein<br />
gewisser Juan Antonio Samaranch ist, IOC-Mitglied und:<br />
Sohn vom Alten. Der Senior scheint selbst im Jenseits das
Entwicklung der <strong>Olympische</strong>n Spiele der Neuzeit von einem<br />
Fest athletischer Leibesübungen und Wettkämpfe hin zu<br />
Produkten der modernen Unterhaltungsindustrie mit hohem<br />
Marktwert. Allerdings ist dieser langfristige Trend auch nicht<br />
ohne Widersprüche; denn es gibt zweifellos andere Sportarten,<br />
deren Markt- und Medienwert nicht weniger gering ist<br />
als der von Ringen. Man denke nur an die Schießwettbewerbe<br />
oder auch den immer wieder genannten Modernen<br />
Fünfkampf. Sie sind noch Teil der martialischen, kriegerischen<br />
Tradition des olympischen Gentleman-Sports, der<br />
nach den Regeln des Kommerzes und der Medienwirksamkeit<br />
schon lange hätte vom Programm genommen werden<br />
müssen.<br />
Das IOC hat in seiner Charta 25 Kernsportarten und deren<br />
Verbände definiert, aus denen im Grundsatz das olympische<br />
Programm gestaltet wird. Dies bedeutet eine gewisse Beständigkeit<br />
im Wandel des olympischen Programms, das den<br />
Bedürfnissen und Interessen der Zeit angepasst werden soll;<br />
wie dies im Übrigen in der gesamten olympischen Geschichte<br />
der Fall war. Zu diesen 25 Kernsportverbänden gehörte bis<br />
jetzt auch der Internationale Ringer-Verband (International<br />
Federation of Associated Wrestling Styles, FILA). Auf Vorschlag<br />
des Exekutivkomitees entscheidet die Vollversammlung der<br />
IOC über das Programm <strong>Olympische</strong>r Spiele, das aus solchen<br />
Strippenziehen noch zu beherrschen. Ähnlich verhält es sich<br />
mit dem von Olympiafreunden lange schon als Streichkandidaten<br />
Nr. 1 erkannten Fußball. So wie das Millionenspiel bei<br />
Olympia auftritt, passt es nicht ins Programm, das ein Programm<br />
der Besten sein soll. Die Fifa jedoch schickt nur seine<br />
Nachwuchskicker zum IOC, um die Exklusivität seiner WM zu<br />
schützen. Rogges Leute lassen sich das gefallen: Mit dem<br />
mächtigen Fifa-Boss Blatter legt man sich besser nicht an.<br />
Ein Fall von Devotion.<br />
Was verrät das Urteil des Exco noch? Zum Beispiel Mutlosigkeit:<br />
Dem dopingverseuchten Straßenradsport wird wieder<br />
nicht die Rote Karte gezeigt. Zum Beispiel Verführbarkeit:<br />
Jeder neue sportive Jugendkult kommt auf die Kandidatenliste,<br />
mit diesem Trend zum Wischi-Wushi aber wird der Grat<br />
zwischen <strong>Olympische</strong>n Spielen und Zirkus noch schmaler.<br />
Olympia ein „Red-Bull-Event“ (Schwimmer Groß)? Das IOC<br />
kann diesen Eindruck selbst entkräften, wenn es die Schulterniederlage<br />
der Ringer bei der Wiedervorlage der Causa im<br />
Mai zurücknimmt. Bis dahin allerdings muss der leicht verschlafene<br />
Weltverband Fila („Nicht dieser Sport ist überaltert,<br />
sondern seine Führung“, so Schriftsteller und Ex-Ringer John<br />
Irving) das Gesamtpaket Ringen gefälliger als bisher verpackt<br />
haben. Das IOC wird wissen, dass Ringen ohne Olympia tot<br />
wäre. Rogges Club wirklich ein Totengräber?<br />
Kernsportarten (max. 28) und weiteren Sportarten des<br />
Zusatzprogramms besteht.<br />
Die Aufnahme in den exklusiven Kreis olympischer Sportarten<br />
hat ebenso enorme Konsequenzen für die jeweiligen Sportarten<br />
wie ihre Verbannung vom Olymp. Sie entscheiden über ihr<br />
Wachstum oder ihren Niedergang. Deshalb stehen viele Sportarten<br />
bzw. deren Verbände Schlange vor der Tür des IOC und<br />
bitten um Aufnahme in das olympische Programm, weil mit<br />
dieser Adelung Popularität, Geld, Ruhm, Ansehen, Macht im<br />
Sport usw. verbunden sind. Staaten fördern mit Steuergeldern<br />
olympische Sportarten. Fernsehgelder und Sponsorengelder<br />
fließen, Trainings- und Leistungszentren, Olympiastützpunkte,<br />
Trainer und Betreuer können bezahlt werden, und Funktionäre<br />
können zu Sitzungen und Kongressen in aller Welt reisen.<br />
Für das Ringen und die Ringer sind diese materiellen Rahmenbedingungen<br />
wichtig, sogar sehr wichtig. Aber sind sie<br />
auch das Wichtigste beim Ringen? Ringer werden weiterhin<br />
ringen, auch ohne Olympia; möglicherweise ohne Begleitung<br />
von Verbandspräsidenten und ohne professionelle Trainer und<br />
Ärzte, aber weiterhin mit aller Kraft und athletisch-olympischer<br />
Leidenschaft. Und vielleicht auch ohne Doping. Aber<br />
der Verlust ihrer wichtigsten Plattform der Präsentation<br />
bliebe dennoch ein olympisches Armutszeugnis.<br />
11
Fatale Signale in der <strong>Olympische</strong>n Bewegung:<br />
Verbände kämpfen für ein „neues“ IOC<br />
Von Günter Deister<br />
Es ist genau 40 Jahre her, dass die Internationalen<br />
Sportverbände eine olympische Revolution ausgerufen<br />
haben. Damals, beim <strong>Olympische</strong>n Kongress im bulgarischen<br />
Warna, forderte ihr Schweizer Anführer Thomas Keller<br />
das Internationale <strong>Olympische</strong> Komitee (IOC) heraus mit<br />
Aussagen wie: „Die Verbände sind die wahren Träger der<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele.“ Oder: „Ohne unsere Sportler, ohne unser<br />
Know-How und unser Personal würde es sie gar nicht geben.“<br />
Oder: „Wir wollen jetzt Tatsachen sehen, wir wollen gleichberechtigt<br />
sein.“ Das hat nicht ganz geklappt, wenngleich der<br />
aufmüpfige, gelegentlich dröhnende Eidgenosse eine Wende<br />
eingeleitet hat. Vier Jahrzehnte später sitzen die Verbände<br />
tatsächlich nicht mehr am Katzentisch der olympischen<br />
Familie. Aber sie wollen noch mehr. Mehr Mitbestimmung<br />
und natürlich auch noch mehr Geld.<br />
Das Ringen um Ringen darf dafür als Signal gelten. Und<br />
diesmal ist es in Denis Oswald wieder ein Schweizer und dazu<br />
noch Kellers Präsidenten-Nachfolger im Ruderweltverband<br />
FISA, der eine zweite Revolution anstreben könnte. Oswald<br />
gilt bei der Nachfolge von IOC-Präsident Jacques Rogge als<br />
12<br />
ein wahrscheinlicher Kandidat mit starker Unterstützung der<br />
Verbände. So steht bei der September-Entscheidung in Buenos<br />
Aires auch die Konstruktion des IOC und das künftige<br />
Maß der Unabhängigkeit dieser Weltsport-Organisation auf<br />
der Agenda.<br />
Keller hat einiges erreicht, auch wenn der damalige irische<br />
IOC-Präsident Lord Michael Killanin ihm entgegenhielt: „Wir<br />
lassen uns von niemandem etwas diktieren.“ Schon 1974<br />
lockerte das IOC bei seiner Session in Wien auf Druck der<br />
Verbände seinen Amateurparagraphen so, dass Werbung am<br />
Mann zumindest auf nationaler Ebene erlaubt war. Zur<br />
Empörung von Willi Daume, damals IOC-Vizepräsident und<br />
Präsident des bundesdeutschen Nationalen <strong>Olympische</strong>n<br />
Komitees (NOK). Daume sprach von „Entmachtung“ der NOKs<br />
und nannte den diplomatischen Killanin in seiner ersten<br />
Empörung einen „Umfaller“. Doch die Solidarisierung folgte<br />
auf dem Fuße. Denn Gefahr drohte auch vom zweiten Partner<br />
des IOC, den NOKs, und die war noch größer. Das Boykott-<br />
Jahrzehnt stand erst noch bevor, da forderte der von der<br />
Sowjetunion angeführte Ostblock zusammen mit Verbünde-
ten aus der Dritten Welt bereits ein „repräsentatives IOC“:<br />
Jedes NOK mit einer Stimme.<br />
Es gehört zu den Verdiensten des durchsetzungsstarken<br />
Killanin-Nachfolgers Juan Antonio Samaranch, das IOC in<br />
schwierigsten Zeiten zusammengehalten und dabei die<br />
unterschiedlichen Interessen seiner Partner NOKs und Verbände<br />
unter Kontrolle gebracht zu haben. Der Fall der Berliner<br />
Mauer nahm den politischen Überdruck. Die von dem<br />
Spanier generierten Dollar-Millionen wirkten als Kitt. Die<br />
Herausforderung der Verbände milderte der Spanier ab, indem<br />
er sich seines größten Gegners entledigte. Samaranch spaltete<br />
die von Keller angeführte Verbände-Weltorganisation<br />
AGFIS nach der Devise teile und herrsche in olympische<br />
Sommer- und Wintersport-Organisationen auf und beförderte<br />
an deren Spitze Funktionäre seines Vertrauens. „Nie war<br />
das IOC einiger als jetzt“, war seitdem Samaranchs Lieblingssatz,<br />
zum letzten Mal geäußert bei der Amtsübergabe 2001 in<br />
Moskau an Jacques Rogge.<br />
Ein Jahr zuvor war der Spanier durch den Korruptionsskandal<br />
um den Olympia-Bewerber Salt Lake<br />
City zu grundsätzlichen Reformen gezwungen. Sie<br />
erbrachten für die Verbände einen Durchbruch<br />
und für das IOC selbst eine Strukturveränderung<br />
mit noch nicht absehbaren Folgen. Bis dahin<br />
konnte der Ringe-Orden, dirigiert durch seine<br />
Präsidenten, weitgehend frei über Zuwahlen<br />
bestimmen. Nun bekamen die Verbände das Recht<br />
eingeräumt, bis zu 15 Plätze in der Vollversammlung<br />
besetzen zu können, zeitlich gebunden an ihr<br />
Spitzenamt. Dieselbe Zahl von Ex-Officio- Mitgliedschaften<br />
ging an die aus den Verbänden<br />
hervorgegangenen Athletenvertreter und an die<br />
NOKs. So wurde das Jahr 2000 zur Geburtsstunde<br />
der parlamentarischen Fraktionsbildung: Mit einem<br />
Dauerrecht von maximal 70 „unabhängigen“<br />
Olympiern und maximal 45 Abgeordneten der drei<br />
Fraktionen.<br />
Unter Samaranch waren die NOKs immer mehr in<br />
die Bedeutung olympischer Reisebüros abgedriftet.<br />
Ihnen blieb als wesentliche Aufgabe, ihren Sportlern<br />
ein möglichst gutes Umfeld für nationale<br />
Erfolge zu schaffen. Die internationalen Verbände<br />
verantworten ihren Sport durch Organisation,<br />
Regelsetzung und Zulassungskriterien und sichern<br />
sich Einnahmequellen und Aufmerksamkeit durch<br />
ihre internationalen Meisterschaften. Auch bei den<br />
<strong>Olympische</strong>n Spielen haben sie die fachliche Kontrolle<br />
und organisatorische Aufsicht für ihre Wettbewerbe.<br />
Rogge, ein Mann der NOKs, gab den<br />
nationalen Sportorganisationen wieder mehr<br />
Gewicht, räumte ihnen in der Verteilung der<br />
zugewiesenen IOC-Gelder größere Spielräume ein<br />
und widersetzte sich dem Begehr der Verbände, einen größeren<br />
Anteil an den Sponsorengeldern zu erhalten als die<br />
NOKs.<br />
Des Belgiers wohlbegründete Politik war es, nach dem gigantischen<br />
Wachstum der <strong>Olympische</strong>n Spiele von 17 Sportarten<br />
1948 in London auf 28 in Sydney 2000 eine Bremse einzubauen.<br />
Also setzte er eine Begrenzung mit maximal 28 Sportarten,<br />
300 Wettbewerben und 10 500 Wettkämpfern durch und<br />
erntete schon dabei Kritik der Verbände. Sie begriffen das als<br />
Einengung und, was das Quoten- und Qualifikationssystem<br />
angeht, als Eingriff in die eigenen Kompetenzen. Gleich in<br />
Rogges zweitem Amtsjahr kam es bei der Vollversammlung<br />
2002 in Mexiko-Stadt zur Konfrontation. Der Chirurg aus Gent<br />
wollte bei seiner ersten Programm-Operation Baseball, Softball<br />
und den Modernen Fünfkampf herausoperieren, um bei den<br />
Spielen 2008 in Peking Platz zu schaffen für neue Sportarten.<br />
Man dürfe nicht „den Sport draußen lassen, der es verdient<br />
hat, dabei zu sein“, argumentierte Rogge.<br />
13
Doch sein versuchter Einschnitt, der von der Exekutive nur<br />
mit Einstimmen-Mehrheit unterstützt war, erwies sich als<br />
überstürzt und nicht Regel gerecht. Die empörten Verbände<br />
verwiesen auf die <strong>Olympische</strong> Charta, wonach über Sportarten<br />
jeweils spätestens sieben Jahre vor den Spielen entschieden<br />
werden müsste, und drohten mit gerichtlicher Klage.<br />
Nach über vierstündiger hitziger Sitzung in der Session mit<br />
42 Redebeiträgen blies Rogge das Votum ab, und Oswald,<br />
damals Verbandsvertreter in der Exekutive, stellte fest: „Er hat<br />
die explosive Stimmung unterschätzt.“<br />
Drei Jahre später, als es bei der Vollversammlung in Singapur<br />
um das Programm der Spiele in London ging, folgte<br />
Panne Nummer zwei. Ein von Rogge erfundenes, undurchsichtiges<br />
Abstimmungsverfahren mit 28 Einzelabstimmungen<br />
sortierte zunächst Baseball und Softball aus. Bei der<br />
komplizierten Zuwahl über zehn Wahlgänge erreichte keine<br />
der Ersatzsportarten die notwendige Zweidrittel-Mehrheit<br />
der Stimmen. „Wir haben zwei Sportarten verloren, und<br />
nichts dafür getan, sie zu ersetzen“, umschrieb der Kanadier<br />
Richard Pound das erneute Debakel. Der Betriebsunfall<br />
konnte erst 2009 für die Spiele in Rio de Janeiro durch die<br />
Hinzuwahl von Golf und Rugby korrigiert werden, nach<br />
ausdrücklicher Empfehlung durch die Exekutive und Absenkung<br />
der Aufnahmehürde. Nun reichte die einfache Mehrheit<br />
der Session.<br />
Doch ausgerechnet wenige Monate vor seinem Ausscheiden<br />
hat sich der Belgier den größten Ärger seiner 12-jährigen<br />
Amtszeit eingehandelt. Trotz Warnungen von IOC-Mitgliedern,<br />
er solle mit dem konfliktträchtigen Sportarten-Problem<br />
nicht seinen Abschied trüben. Die versuchte Entfernung<br />
des Olympia-Methusalems Ringen aus dem Programm<br />
der Sommerspiele 2020 hat nicht nur die Verbände erneut<br />
herausgefordert. Sie stehen nun in einer Allianz mit den<br />
NOKs und einer einmaligen politischen Achse der Empörten<br />
aus USA, Russland und Iran. Nach Rogges ausdrücklichem<br />
Wunsch sollte die Exekutive diesmal der Session eine Sportart<br />
zur Streichung vorschlagen und eine andere zur Aufnahme.<br />
In der Erwartung, dass sich die Vollversammlung nicht<br />
über die das Votum der Führung hinwegsetzt. Der weltweite<br />
Protest, ausgerechnet die traditionsreichste olympische<br />
Sportart opfern zu wollen, durchkreuzt nun auch Rogges<br />
letzten Versuch, seinem Nachfolger ein verlässliches Verfahren<br />
zu hinterlassen. Schon jetzt scheint sicher, dass die<br />
Exekutive bei ihrem nächsten Treffen Ende Mai entgegen<br />
seiner ursprünglichen Absicht der Vollversammlung auch<br />
Ringen zur Wahl stellen wird, und dies mit den besten<br />
Aussichten.<br />
Bisher hat es Rogge vermocht, die Verbände durch enorme<br />
Zuwachsraten ihrer festen Anteile am olympischen Sozialprodukt<br />
zu beschwichtigen. Samaranchs Einstieg in die<br />
Bezahlung der an Olympia beteiligten Verbände begann<br />
1992 mit 37,6 Millionen aus den Erlösen aus den Barcelona-<br />
14<br />
Spielen und 17 Millionen aus den Winterspielen in Albertville.<br />
Unter dem Belgier steigerten sich die Zahlungen im<br />
Winter auf 92,4 Millionen Dollar (Salt Lake City), 126 Millionen<br />
Dollar (Turin) und 195 Millionen Dollar (Vancouver),<br />
jeweils aufgeteilt nach einem bestimmten Schlüssel unter<br />
sieben Verbänden. Bei den Sommerspielen lautet die enorme<br />
Steigerungsrate 256 Millionen Dollar (Athen), 295 Millionen<br />
Dollar (Peking) und nun garantierte 375 Millionen Dollar, aus<br />
denen nach endgültiger Abrechnung der auch finanziell<br />
überaus erfolgreichen Londoner Spiele rekordträchtige 475<br />
Millionen Dollar werden könnten. So jedenfalls die Voraussage<br />
an die 26 Verbände. Der bedeutende Internationale<br />
Leichtathletik-Verband kann dabei als Spitzenverdiener mit<br />
einer Zuwendung von nahezu 40 Millionen Dollar rechnen,<br />
vergleichsweise kleine Verbände wie der Moderne Fünfkampf<br />
immerhin noch mit knapp 13 Millionen Dollar. Der Verteilerschlüssel<br />
gewichtet die Verbände in vier Gruppen, wobei der<br />
Fußball-Weltverband FIFA sich freiwillig in die zweithöchste<br />
Kategorie einsortieren ließ. Das bringt ihm aber auch noch<br />
mehr als 19 Millionen Dollar ein.<br />
Trotz dieser Millionen-Zuflüsse erwarten die Verbände noch<br />
höhere IOC-Subventionen. Sie empfinden es als Unrecht, dass<br />
die NOKs finanziell gleich behandelt werden, und laufen<br />
Sturm gegen die Sonderstellung des <strong>Olympische</strong>n Komitees<br />
der USA. Das erhält alle vier Jahre fast soviel wie die Verbände<br />
insgesamt. Unabhängig von der Höhe der Zahlungen<br />
stehen die 35 Verbände mit olympischem Status auf der<br />
Sonnenseite unter 91 internationalen Sportverbänden.<br />
Zugleich sind sie enorm abhängig vom Geldgeber IOC. Eine<br />
Untersuchung des olympischen Dachverbandes hat ergeben,<br />
dass der Anteil der IOC-Gelder an den Etats der Verbände bis<br />
zu 84 Prozent ausmacht. „Ohne unsere Zahlungen wären die<br />
meisten Verbände nicht überlebensfähig“, hat Rogge festgestellt.<br />
Diese Abhängigkeit macht die Stärke des IOC und die<br />
Schwäche der Verbände aus. Größere Anteile am olympischen<br />
Kuchen und ein stärkeres Mitspracherecht lassen sich nur<br />
über Strukturveränderungen erreichen.<br />
Hier nun kommt wieder Denis Oswald ins Spiel, und auch sein<br />
eidgenössischer Kollege René Fasel, beide nach eigenem<br />
Bekunden interessiert an der Rogge-Nachfolge. Oswald war<br />
über 12 Jahre in der IOC-Exekutive Interessenvertreter der<br />
Sommersport-Verbände, ehe er im vergangenen Jahr vom<br />
ambitionierten Box-Verbandspräsidenten Ching Kuo Wu aus<br />
Taiwan abgelöst wurde. Fasel vertritt in der olympischen<br />
Regierung als Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF die<br />
Wintersport-Verbände, die als wachsende Olympiabranche<br />
bisher immer nur expandieren durften. Oswald hat sich unter<br />
einer handvoll Präsidentschafts-Kandidaten mit der Aussage<br />
am meisten vorgewagt, „selbstverständlich“ sei er an dem<br />
Amt interessiert, er werde aber noch seine „Chancen evaluieren“.<br />
Das hat er offensichtlich schon bisher intensiv getan und<br />
dabei besonders auf dem Feld der Verbände Unterstützung<br />
erfahren.
Ein Förderer der beiden Schweizer ist in Hein Verbruggen zu<br />
verorten. Der Niederländer und Rogge-Freund mit dem<br />
Leumund eines ehemaligen Radsport-Präsidenten, dessen<br />
Amtszeit unbestreitbar als Hochzeit des Sportbetrugs zu<br />
gelten hat, schied 2008 aus dem IOC. Er wurde Ehrenmitglied<br />
des Ringe-Ordens und ließ sich an die Spitze aller 91<br />
olympischen und nichtolympischen Sportverbände wählen.<br />
Ihr Zusammenschluss nennt sich SportAccord, als Nachfolgeorganisation<br />
der AGFIS.<br />
Verbruggens Interesse ist es zum<br />
Finale seiner Präsidentschaft in<br />
diesem Jahr offensichtlich,<br />
jemanden an die Spitze des IOC<br />
zu befördern, der die Interessen<br />
der Verbände stärkt. Und was<br />
das für ein Interesse ist, hat er<br />
kürzlich der FAZ in aller Offenheit<br />
so erklärt: „Ich bin ein<br />
Marketing-Mann und muss den<br />
Sport verkaufen.“<br />
Wohin die Reise gehen sollte<br />
auf dem Weg zu einem „neuen“<br />
IOC, hat Oswald 2009 beim<br />
<strong>Olympische</strong>n Kongress in<br />
Kopenhagen angegeben. Da<br />
nämlich schlug der 70 Jahre<br />
alte Anwalt eine radikale Veränderung<br />
der Vollversammlung<br />
vor. Sie sollte in ein „Weltsportparlament“<br />
gewandelt werden,<br />
gebildet von 35 „unabhängigen“<br />
Delegierten des IOC und jeweils<br />
derselben Zahl an Abgeordneten der Verbände, der NOKs<br />
und der Athleten. Macht zusammen 140 Mitglieder der<br />
Session statt bisher maximal 115. „Alle olympischen Verbände<br />
sollten vertreten sein. Sie sollten als wesentlicher<br />
Teil des IOC ein größeres Mitbestimmungsrecht haben, auch<br />
wenn es um die Vergabe <strong>Olympische</strong>r Spiele geht“, so<br />
Oswald.<br />
IOC-Präsident Jaques Rogge<br />
Dieses revolutionäre Modell wäre aber auch ein weiteres<br />
Einfallstor für alle möglichen Interessenten aus Politik und<br />
Wirtschaft. Schon jetzt ist zu beobachten, wie der von<br />
Präsident Wladimir Putin gelenkte russische Sport unter<br />
Hilfestellung von Oligarchen und Sponsoren seinen Einfluss<br />
in den Gremien der internationalen Verbände zu verstärken<br />
versucht, auch über die Platzierung willfähriger Funktionäre.<br />
Die Perspektive ist unübersehbar: Dem Land nach den<br />
Winterspielen im kommenden Jahr in Sotschi und der<br />
Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auch <strong>Olympische</strong> Spiele in<br />
Russland zu besorgen, möglichst schon 2024 in St. Petersburg.<br />
Nicht ganz zufällig findet in Putins Heimatstadt Ende<br />
Mai auch die nächste Vollversammlung der Weltverbände<br />
statt.<br />
Welche Rolle künftig die Verbände im IOC spielen sollen und<br />
wie sich die Machtfragen innerhalb der Ringe-Organisation<br />
entwickeln, das hängt stark vom künftigen IOC-Präsidenten<br />
ab. Rogge-Stellvertreter Thomas Bach, ein weiterer möglicher<br />
Kandidat für den olympischen Chefsessel, hat in Kopenhagen<br />
ein gegensätzliches Bild von der Architektur des IOC im 21.<br />
Jahrhundert gezeichnet. „Soll eine Session hauptsächlich aus<br />
Mandats-unabhängigen Mitgliedern bestehen, die über<br />
Kompetenz, Wissen und Erfahrungen in Politik, Wirtschaft,<br />
Kultur verfügen, oder hauptsächlich aus quotierten Delegierten<br />
verschiedener Interessengruppen, mit klarem Mandat<br />
ihrer entsendenden Organisation?“, hatte Bach vor dem<br />
Weltforum mit Vorsicht gefragt und danach eine eindeutige<br />
Antwort gegeben: „Ich habe erkennbar gemacht, dass ein IOC<br />
aus unabhängigen Mitgliedern ohne bindendes Mandat<br />
stärker wird, weil es besser in der Lage wäre, die verschiedenen<br />
legitimen Interessen auszugleichen.“<br />
Rogge sah keine Notwendigkeit, noch in seiner Regierungszeit<br />
eine Entscheidung über Strukturfragen des IOC zu treffen.<br />
Im Abschlussprotokoll des <strong>Olympische</strong>n Kongresses heißt<br />
es dann auch im besten Politslang: „Das IOC soll seine Kriterien<br />
für Mitgliedschaft und das Verfahren für Zulassungen im<br />
Lichte der Entwicklung des Sports und mit der Absicht prüfen,<br />
seine Unabhängigkeit und seine Autonomie zu wahren.“<br />
Wie diese drängende Prüfung ausgeht, welchen Weg das IOC<br />
als bedeutendste Weltsport-Organisation im kommenden<br />
Jahrzehnt einschlagen wird und welche Rolle die internationalen<br />
Verbände dabei spielen, das ist die spannendste Frage<br />
für die Zeit nach Rogge.<br />
15
Die letzte Runde ist eingeläutet. In knapp einem Jahr,<br />
exakt am 7. Februar, werden in Sotschi die XXII. <strong>Olympische</strong>n<br />
Winterspiele eröffnet. Der Feinschliff der<br />
Vorbereitung hat begonnen. Sotschi freut sich auf Olympia<br />
2014. Unter ursprünglich sieben Bewerbern hatte sich die<br />
russische Stadt an der östlichen Schwarzmeerküste im Juli 2007<br />
in Guatemala City bei den Mitgliedern des Internationalen<br />
<strong>Olympische</strong>n Komitees in der letzten, entscheidenden Wahlrunde<br />
mit 51:47 Stimmen gegen Pyeongchang (Südkorea)<br />
durchgesetzt.<br />
Ein Jahr vor Beginn des olympischen Wettstreits baten wir<br />
Wladimir M. Grinin, Botschafter der Russischen Föderation in<br />
Deutschland, um ein Interview. Der 65-jährige gebürtige Moskauer<br />
ist seit 1971 im diplomatischen Dienst. Er war unter<br />
anderem sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik<br />
sowie in Österreich, Finnland und Polen tätig und gehörte<br />
zwischen 1982 und 1986 der sowjetischen Delegation bei den<br />
Abrüstungsverhandlungen zwischen der UdSSR und den USA<br />
in Genf an. Wladimir M. Grinin hat den diplomatischen Rang<br />
eines Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters<br />
und residiert seit Juli 2010 in Berlin Unter den Linden. Er ist<br />
verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.<br />
OF: Herr Botschafter, Sie waren 32 Jahre alt, als Ihre Heimatstadt<br />
Moskau Gastgeber der <strong>Olympische</strong>n Sommerspiele war.<br />
Wie haben Sie dieses Ereignis 1980 erlebt?<br />
Wladimir M. Grinin: Leider konnte ich nicht unmittelbarer<br />
Augenzeuge jener Spiele sein. Damals beendete ich gerade<br />
meinen siebenjährigen Auslandsaufenthalt als Mitarbeiter der<br />
sowjetischen Botschaft in Bonn. Von Olympia 1980 bekam ich<br />
nur das mit, was vom westdeutschen Fernsehen gezeigt wurde.<br />
Die Reportagen waren aber nicht besonders großherzig und<br />
ziemlich eigenartig arrangiert. Es war ja die Zeit des kalten<br />
Krieges. Mein Land und Westdeutschland befanden sich jeweils<br />
auf der anderen Seite der Barrikaden. Der Sport, wie übrigens<br />
vieles andere auch, war damals stark politisiert.<br />
„Ich habe keinen Zweifel daran,<br />
dass die <strong>Olympische</strong>n Winterspiele in<br />
Sotschi erfolgreich sein werden“<br />
Wladimir M. Grinin, Russischer Botschafter in Deutschland<br />
16<br />
OF:…und die Spiele litten unter dem Boykott mehrerer Länder.<br />
Wladimir M. Grinin: Ja. Unser Versuch, die Organisation der<br />
Spiele in Moskau im traditionellen Sinne der Antike in Angriff<br />
zu nehmen, also sie als eine zeitweilige Phase der Friedfertigkeit<br />
und Aussöhnung zu gestalten, schlug bedauerlicherweise fehl.<br />
Da im Jahr zuvor die sowjetischen Streitkräfte in Afghanistan<br />
eingerückt waren, regten die USA einen Boykott der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele an, der durch einige Staaten, darunter auch durch<br />
die Bundesrepublik, unterstützt wurde.<br />
Interessante Überlegungen hierzu fand ich übrigens im<br />
Vorwort zur Biografie von Berthold Beitz, einer herausragenden<br />
Persönlichkeit jener Epoche und jetzt Ehrenmitglied<br />
des IOC. Er engagierte sich außerordentlich aktiv für<br />
die <strong>Olympische</strong> Bewegung und trat entschieden gegen den<br />
Boykott auf. Interessanterweise wurde jenes Vorwort vom<br />
ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt geschrieben. Er<br />
hatte damals entschieden, sich den amerikanischen Boykottforderungen<br />
anzuschließen. Der Altbundeskanzler<br />
schreibt sogar von einer „Enttäuschung“, die er dem Olympia<br />
verpflichteten, „international gesonnenen Mann“ Berthold<br />
Beitz bereitete: „1980 sah ich mich gezwungen, dem<br />
amerikanischen Präsidenten zu folgen, der über Nacht
seine Meinung geändert hatte und nunmehr die europäischen<br />
Verbündeten aufforderte, seinem Beispiel zu folgen<br />
und wegen Afghanistan die Moskauer <strong>Olympische</strong>n Spiele<br />
zu boykottieren.“<br />
OF: Haben Sie sich denn später noch von all dem Neugeschaffenen<br />
und den Veränderungen in Moskau überzeugen können?<br />
Wladimir M. Grinin: Selbstverständlich. Ich konnte sogar<br />
noch einige Impressionen vom damaligen Geschehen in Moskau<br />
gewinnen. Ein Zusammenspiel bestimmter Umstände führte<br />
mich nach meinem Bonn-Aufenthalt bereits einen Tag nach<br />
dem Abschluss der Spiele zurück in meine Heimatstadt. Ich war<br />
überwältigt von dem, was ich dort sah. Moskau hatte sich<br />
überraschend verändert, erneuert, blank geputzt und renoviert,<br />
also dermaßen aufgerafft und aufgehübscht, dass man sich<br />
eigentlich auf den ersten Blick in diese Stadt verlieben musste…<br />
In einem exzellenten Zustand waren die Sportanlagen. Viele von<br />
ihnen konnte ich im Nachhinein besuchen. Später sah ich auch<br />
in unserem Fernsehen zahlreiche Wiederholungen der Wettkampf-Übertragungen.<br />
Dazu gehörte die Abschlusszeremonie<br />
mit dem sich vom Publikum verabschiedenden Mishka-Bären,<br />
dem Maskottchen der Spiele. Aus seinem Auge kullerte – manche,<br />
die dabei gewesen sind, werden sich vielleicht erinnern -<br />
eine riesige Träne heraus. Ein rührender Anblick.<br />
OF: Nach 34 Jahren richtet mit Sotschi wieder eine russische<br />
Stadt das größte Fest des Weltsports aus. Was empfinden Sie als<br />
Erster Repräsentant der Russischen Föderation in Deutschland?<br />
Wladimir M. Grinin: Ich empfinde Stolz darauf, dass wir um<br />
solche Projekte wetteifern, dass wir sie auch anvertraut bekom-<br />
INTERVIEW<br />
men und auf höchstem modernem Niveau zu realisieren vermögen.<br />
Ich empfinde Begeisterung, die ich mit Millionen meiner<br />
Landsleute teile, in Erwartung einer sicher hinreißenden<br />
Sportveranstaltung mit vielen Gästen aus aller Welt und der<br />
Aufmerksamkeit, die meinem Land im Allgemeinen gelten wird.<br />
Wir werden künftig ein grandioses Resort haben, das von<br />
russischen Bürgern und Touristen aus vielen Ländern in<br />
Anspruch genommen werden kann. Und ich empfinde Verantwortung,<br />
denn Olympia ist ein Projekt, das ein Maximum an<br />
Einsatz und Engagement von allen verlangt, die auf die eine<br />
oder andere Art und Weise in die Vorbereitungsarbeiten eingebunden<br />
sind. Gemessen an einer ganzen Reihe von Parametern<br />
gilt das verständlicherweise auch für den russischen diplomatischen<br />
Dienst, der mit Aufgaben der Information über die Spiele<br />
und mit dem Werben dafür in der internationalen Öffentlichkeit<br />
betraut wurde.<br />
OF: Sotschi ist als Kur- und Urlaubsort weltbekannt. Für Olympia<br />
2014 musste eine wintersportliche Infrastruktur komplett<br />
neu geschaffen werden. Experten sprechen gar von einem<br />
„aktuellen Weltwunder“. Wie beurteilen Sie den Stand der<br />
Vorbereitungen?<br />
Wladimir M. Grinin: Ich muss wohl langsam anfangen,<br />
originelle, schmückende Attribute für Sotschis Olympia zu<br />
sammeln. Man spricht inzwischen nicht nur vom „Fest des<br />
Sports“, sondern auch von der „internationalen Prestigemaßnahme“<br />
und gar – nicht besonders schmeichelhaft – von der<br />
„Komsomolbaustelle mit Abenteuerromantik“. Doch „aktuelles<br />
Weltwunder“ widerlegt sehr zutreffend das letzte und gefällt<br />
mir deshalb sehr gut.<br />
Die Vorbereitungsarbeiten kommen gut voran. Der Zeitplan des<br />
IOC wird strikt eingehalten. Das wurde auch bei der Inspektionstour<br />
des Vorsitzenden des IOC-Koordinationskomitees der<br />
Winterspiele 2014 in Sotschi, Herrn Jean-Claude Killy, im<br />
November vergangenen Jahres bestätigt. Die IOC-Experten<br />
stellten mit Zufriedenheit fest, dass die meisten der Wettkampfstätten<br />
bereits in Betrieb oder kurz vor der Fertigstellung sind.<br />
Glücklicherweise hat das Erdbeben Ende Dezember die Vorbereitungen<br />
nicht beeinträchtigen können. Das gleiche trifft auf die<br />
kürzlich vorgenommenen personellen Veränderungen auf der<br />
Leitungsebene zu.<br />
OF: Könnten Sie das „aktuelle Weltwunder“ etwas konkretisieren?<br />
Wladimir M. Grinin: Lassen wir Zahlen sprechen. Zahlen über<br />
die Sport- und Infrastrukturanlagen, die in Sotschi gebaut und<br />
modernisiert werden bzw. worden sind: 13 Sportstadien und –<br />
anlagen mit einer Sitzplatzkapazität von insgesamt 145.000,<br />
vier alpine Skiresorts mit 150 km alpinen Ski-Trassen für 42.000<br />
Gäste, 360 Kilometer Straßen, über 100 Autobrücken, 200<br />
17
Kilometer Schienenwege, 54 Bahnbrücken, 22 Tunnels, 480<br />
Kilometer Gasleitungen, 550 Kilometer Hochspannungsleitungen,<br />
vier Wärmekraftwerke, ein Fernheizwerk, 18 Umspannwerke,<br />
42.000 Hotelzimmer verschiedener Preiskategorien und, und,<br />
und. Enorm viel Arbeit, die dahinter steckt. Die Menschen<br />
arbeiteten und arbeiten täglich in drei Schichten. In diesen<br />
Tagen und Wochen wird die Montage der letzten Wettkampfstätten<br />
beendet sein. Danach bleibt für dieses Jahr nur die<br />
Fertigstellung der großen Verkehrsinfrastrukturobjekte und<br />
Hotels.<br />
OF: Nach ersten internationalen Tests gab es von den Athleten<br />
viel Lob und große Anerkennung.<br />
Wladimir M. Grinin: Übrigens auch von den deutschen<br />
Rennrodel-Olympiasiegern von Vancouver, Felix Loch und<br />
Tatjana Hüfner, die gemeinsam mit „Schorsch“ Hackl im<br />
November bei den Trainingswochen im „Sanki Sliding Center“ zu<br />
Gast waren. Die zukünftigen Olympiasporteinrichtungen in<br />
Sotschi waren und sind in der laufenden Wintersaison Schauplatz<br />
von insgesamt 22 internationalen Testveranstaltungen in<br />
verschiedenen Sportarten. Positive Äußerungen gibt es ebenso<br />
schon nach ersten Probewettbewerben wie dem ISU Grand Prix-<br />
Finale im Eiskunstlauf im Skatingpalast „Eisberg“ und den FIS<br />
Weltcup-Etappen im Skispringen im „RusSki Gorki“ Zentrum. Sie<br />
wurden von Hunderten Sportlern aus vielen Ländern und ca.<br />
25.000 Zuschauern besucht.<br />
Zurzeit werden die freiwilligen Helfer der Spiele rekrutiert und<br />
geschult. Sie werden im kommenden Jahr Gäste und Teilnehmer<br />
betreuen. Schon im diesem Winter war ein „Probelauf“ für 5.000<br />
Volunteers im Rahmen der internationalen Testveranstaltungen.<br />
Ich habe keinen Zweifel daran, dass die XXII. <strong>Olympische</strong>n<br />
Winterspiele und die XI. Paralympischen Winterspiele 2014 in<br />
Sotschi erfolgreich sein werden. Diese Zuversicht teilen alle, die<br />
in die Organisation eingebunden sind. Gäste und Teilnehmer<br />
werden von der Qualität der Sportinfrastruktur, dem angebotenen<br />
Service und der russischen Gastfreundschaft nicht enttäuscht<br />
sein.<br />
OF: Der russische Sport hat viele großartige Athleten hervorgebracht,<br />
Turnerin Larissa Latynina zum Beispiel, Lidia Skoblikowa,<br />
die Eisschnellläuferin, oder Hochspringer Walerij Brumel. Haben<br />
Sie selbst ein sportliches Idol?<br />
Wladimir M. Grinin: Diese Namensliste würde ich gern erweitern.<br />
Erinnern möchte ich an hervorragende Fußballer. Torwart<br />
Lew Jaschin zum Beispiel. Oder denken wir an die Eishockeyspieler.<br />
Wen immer man unter ihnen nennen möge, sie alle<br />
waren Sport-Legenden, insbesondere in den 70er Jahren. Wenn<br />
ich einen Spieler besonders hervorheben sollte, dann Waleri<br />
Charlamow von ZSKA Moskau. Ein Volksliebling im wahrsten<br />
Sinne des Wortes. Gemeinsam mit Michailow und Petrow<br />
18<br />
bildete er jahrelang ein überragendes Sturmtrio. Er war an zwei<br />
Olympiasiegen (1972 und 1976) und an acht WM-Titelgewinnen<br />
der „Sbornaja“ beteiligt und hat zu Recht einen Platz in<br />
der Hockey Hall of Fame erhalten. Schade, dass sein Leben<br />
nach einem schweren Autounfall so tragisch endete. Er wurde<br />
nur 33 Jahre alt.<br />
OF: Glauben Sie, dass die <strong>Olympische</strong> Idee für die Jugend noch<br />
die gleiche Attraktivität und Wirkung besitzt wie einst?<br />
Wladimir M. Grinin: Ich glaube, in der heutigen Welt gibt es<br />
mehr Ereignisse und Entwicklungen zu erleben, mehr verschiedenartige<br />
Erfindungen und Ideen zu bestaunen, die bei den<br />
Jugendlichen Interesse hervorrufen können und das auch tun.<br />
Das Internet zum Beispiel. Eigentlich müsste es – auf den ersten<br />
Blick – die Aufmerksamkeit der Jugend zerstreuen und in der<br />
Folge die Attraktivität der früheren und heutigen Ereignisse<br />
herabsetzen, also auch die <strong>Olympische</strong>r Spiele. Doch dieser erste<br />
Eindruck täuscht, glaube ich. Gerade die neuen Kommunikations-<br />
und Informationsmedien machen es doch erst möglich,<br />
auch dank ihrer technischen Qualitäten, mehr Menschen zu<br />
erreichen als je zuvor. Das gilt voll und ganz auch für die <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele.<br />
Zudem investieren ihre Veranstalter viel Kreativität, Kraft und<br />
Finanzen in die Aufrechterhaltung ihrer spektakulären Farbenpracht.<br />
Olympia ist eine Attraktion, vor allem für die Jugend. Die<br />
Wirtschaft versucht intensiv, durch den Sport, insbesondere<br />
durch <strong>Olympische</strong>n Spiele, Werbung für ihre Produkte zu<br />
machen, wobei nicht zuletzt die Jugend im Fokus gesehen wird.<br />
Und schließlich noch ein Aspekt: Viele Staaten sind bemüht,<br />
durch den Sport für die Gesundheit ihrer Nation zu sorgen und<br />
in der Folge ihre staatliche Nachhaltigkeit sicherzustellen. Der<br />
Leistungssport dient im Sinne dieser Ziele als eine Art Propagandamittel<br />
im positiven Sinne des Wortes. So stellt sich die<br />
aktuelle Sachlage in meinen Augen dar.<br />
OF: Welche Sportarten haben Sie als Kind und Jugendlicher<br />
selbst betrieben? Erlaubt Ihre berufliche Tätigkeit heute noch<br />
Zeit für sportliche Fitnessprogramme oder ähnliches?<br />
Wladimir M. Grinin: Als Schüler habe ich sehr viele Sportarten<br />
ausprobiert: Leichtathletik, Skilaufen, Gymnastik, Basketball,<br />
Volleyball und natürlich Fußball, mit dem ich beinahe meinen<br />
Lebensweg verbunden hätte. In einigen Sportarten hatte ich<br />
sogar bestimmte Leistungsklassen erzielt und Auszeichnungen<br />
gewonnen. In der Studienzeit hat sich meine Begeisterung für<br />
das Schwimmen entwickelt. Als Fünfzigjähriger habe ich begonnen,<br />
Tennis zu spielen und spielte noch bis vor kurzem. Nun<br />
reichen Zeit und Kraft nur für Schwimmen und Nordic Walking<br />
und natürlich für spannende Sportevents im Fernsehen oder –<br />
leider sehr selten - unmittelbar im Stadion.<br />
Interview: Jochen Frank<br />
(mit Unterstützung von Mikhail Sukhov)
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Ein besonders wichtiges kennzeichnendes Merkmal des<br />
modernen Sports ist der Wetteifer, der durch eine<br />
besondere Konzeption von schriftlich niedergelegten<br />
Regeln ermöglicht wird. Nicht weniger wichtig ist die Nutzlosigkeit<br />
dessen, was das sportliche Handeln auszeichnet. Man<br />
überspringt eine Latte, obgleich man sie auf bequeme Weise<br />
unterlaufen könnte, man läuft 400 Meter auf einer Bahn und<br />
kommt zum Ausgangspunkt zurück, an dem man losgelaufen<br />
ist, man wirft einen Speer, ohne ein Tier zu erlegen. Dies alles<br />
findet auf besonderen Sportanlagen statt, und Menschen, die<br />
in je verschiedenen <strong>Gesellschaft</strong>en zuhause sind, begeben sich<br />
in die Räume des Sports, um sich durch eine besondere<br />
Gleichheit auszuzeichnen. Man entkleidet sich von der Alltagskleidung,<br />
und elf Spieler tragen das gleiche Trikot. Bei<br />
aller Unterschiedlichkeit der Sporttreibenden sucht man<br />
möglichst gleiche Ausgangsbedingungen, um faire Wettkämpfe<br />
zu gewährleisten. Auf diese Weise war der moderne<br />
Sport eine Sonderwelt in modernen <strong>Gesellschaft</strong>en. Nur das<br />
war erlaubt und zugelassen, was man über Konventionen<br />
festgelegt hatte. Vieles von dem stand dabei im Widerspruch<br />
zu dem, was außerhalb des Sports in der <strong>Gesellschaft</strong> der Fall<br />
ist.<br />
Doch genau darin lag die besondere Qualität des Sports. Er<br />
war eine Gegenwelt, und gegenüber der Umwelt hatte er sich<br />
ein eigenes Etwas geschaffen. Von einer eigenständigen<br />
Sportmoral war die Rede, und auf diese Weise konnte der<br />
moderne Sport eine pädagogische Qualität erreichen, die ihn<br />
zu einem Pflichtfach des öffentlichen Schullebens werden<br />
ließ.<br />
Auch in seiner Organisiertheit stellte er eine Gegenwelt dar.<br />
Erinnern wir uns an die Turngesellschaften des 19. Jahrhunderts,<br />
an die ersten englischen Clubs und die ersten europäischen<br />
Vereine, so waren sie als Vereine seit ihren ersten<br />
Anfängen am Ideal der Gemeinnützigkeit orientiert. Die<br />
Vereine waren dabei nicht Organisationen zur Erwirtschaftung<br />
finanzieller Gewinne. Eine kulturelle Idee hat vielmehr<br />
die Mitglieder der Vereine zusammengeführt zu freiwilligen<br />
Vereinigungen. Ehrenamtliche Mitarbeit stand dabei im<br />
Mittelpunkt, das im Verein gemeinsam vereinbarte ideelle Ziel<br />
war Grundlage und Triebfeder dieser Vereine. Nicht zuletzt<br />
diese Merkmale haben den modernen Sport zu einem besonderen<br />
Kulturgut gemacht, das in der ganzen Welt Nachahmung<br />
finden sollte, was die Alltagskultur nahezu aller <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
prägte und in dem außergewöhnliche kulturelle<br />
sportliche Leistungen zu beobachten waren. Aus einer historischen<br />
Perspektive betrachtet konnte sich dieses Kulturgut<br />
relativ lange erhalten, doch waren bereits früh auch Gefahren<br />
zu erkennen, die dieses Kulturgut in Frage stellten. Doch die<br />
Idee der Gegenwelt war stark genug, sich diesen Gefahren zu<br />
stellen und die Ideale dieses Kulturguts lebendig zu erhalten.<br />
Diese Situation veränderte sich auf ganz entscheidende Weise<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg in der letzten Hälfte des vergan-<br />
20<br />
Vom Gegenbild<br />
zum Abbild oder<br />
In der Falle des<br />
Hochleistungssports<br />
Von Helmut Digel<br />
genen Jahrhunderts. Im Zuge einer allgemeinen gesellschaftlichen<br />
Entwicklung, im Zuge der Modernisierung der <strong>Gesellschaft</strong>en<br />
wurde auch der Sport einem Modernisierungsprozess<br />
unterworfen, der in vielerlei Hinsicht einem Transformationsprozess<br />
gleichkommt. Der Sport wird dabei in seinen<br />
Erscheinungsformen aus einer Gegenwelt transformiert in<br />
eine Teilwelt unserer <strong>Gesellschaft</strong>, die nicht mehr Gegenbild,
sondern Abbild unserer <strong>Gesellschaft</strong> ist. Der Transformationsprozess<br />
ist dabei im Wesentlichen gekennzeichnet durch<br />
einen Prozess der Ökonomisierung. Die Gegenwelt Sport wird<br />
zu einer Teilwelt des Wirtschaftssystems moderner <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />
Aus organisatorischer Sicht lässt sich dies vor allem<br />
in den Vereinen erkennen, die die Basis des gemeinsamen<br />
Sportsystems darstellen. Immer mehr Vereine befinden sich<br />
dabei in einem Transformationsprozess hin zum Wirtschaftsunternehmen.<br />
Von Vereinen wird erwartet, dass sie ihre<br />
Strukturen der Wirtschaft anpassen, Managementprozesse<br />
sind gefragt, Manager haben Vereine zu führen, aus ehrenamtlicher<br />
Arbeit wird hauptamtliche Arbeit, Professionalisierung<br />
wird gefordert, Wachstum ist angesagt, obgleich es vor<br />
dem Hintergrund der angestammten Logik einer freiwilligen<br />
Vereinigung hierfür keine Notwendigkeit gibt. Ein Transformationsprozess<br />
von großer Tragweite kann auch unter den<br />
Athleten beobachtet werden. Immer mehr kommt es zu einer<br />
Totalisierung der Höchstleistungen. Man muss sich ganz der<br />
Sache widmen, andere Tätigkeiten neben dem Hochleistungssport<br />
verbieten sich. Doppelkarrieren haben allenfalls nur<br />
noch bei Randsportarten ihre Möglichkeiten, ansonsten sind<br />
die sportlichen Höchstleistungen in den einzelnen Sportarten<br />
nur noch durch eine volle Professionalität zu erreichen. Oft<br />
sind 60 und mehr Stunden Training gefordert, sieben Tage die<br />
Woche ist der Athlet fokussiert auf seine sportliche Höchstleistung.<br />
Eine gute Ausbildung in der Schule ist nur noch<br />
bedingt möglich, eine berufliche Karriere neben einer sportlichen<br />
Karriere verbietet sich. Betrachten wir die Zusammensetzung<br />
von Olympiamannschaften, so müssen wir erkennen,<br />
dass jene Athleten, die neben ihrer Rolle als Hochleistungssportler<br />
noch andere Rollen mit vergleichbarer Intensität<br />
erfüllen, die Ausnahme der Regel darstellen. Fast sämtliche<br />
Athleten einer Olympiamannschaft sind heute Angehörige<br />
der Bundeswehr oder des Bundesgrenzschutzes oder der<br />
Polizei, viele sind von ihrer Arbeit völlig freigestellt. Nur noch<br />
eine kleine Minderheit meistert die sogenannte Doppelkarriere.<br />
Zu diesem Totalisierungsprozess gehört auch die kontinuierliche<br />
Steigerung der Risiken, die die Ausübung des Hochleistungssports<br />
mit sich bringt. Diese Risiken hat der Athlet<br />
nahezu alleine zu tragen. Von einer sozialen Absicherung<br />
sportlicher Karrieren sind die modernen Hochleistungssportsysteme<br />
weiter entfernt denn je.<br />
Deshalb kann es nicht überraschen, dass der Transformationsprozess<br />
vom Gegenbild zum Abbild auch in moralischer<br />
Hinsicht zu beobachten ist. Angesichts der ökonomischen<br />
Bedeutungssteigerung des Hochleistungssports kommt es zu<br />
einem moralischen Verfall, Betrug wird immer wahrscheinlicher,<br />
Athleten befinden sich immer häufiger in der Falle des<br />
Hochleistungssports. Mitmachen bedeutet bereit sein zum<br />
Betrug, wer dazu nicht bereit ist, ist zur Zweitklassigkeit<br />
verurteilt oder hat seine Karriere zu beenden. Betrug zeigt<br />
dabei alle denkbaren Varianten. Er reicht von der Ergebnismanipulation<br />
zur Leistungsmanipulation des einzelnen Athleten<br />
bis hin zum Betrug bei Wahlhandlungen zu den Führungsgre-<br />
mien der einzelnen Sportarten. Gewalt wird zum nahezu<br />
selbstverständlichen Merkmal des modernen Sports. Sie wird<br />
von Athleten ebenso ausgeübt wie von den Zuschauern. Sie<br />
scheint in der Natur der Sache zu liegen, zumindest wird sie<br />
immer mehr als eine Selbstverständlichkeit hingenommen,<br />
gegen die wirksame Maßnahmen nicht wahrscheinlich sind.<br />
Die sportliche Höchstleistung wird dabei mit enormer gesellschaftlicher<br />
Bedeutung aufgeladen. Sportliche Höchstleistungen<br />
erzeugen höchste Emotionen, haben einen außergewöhnlich<br />
hohen Unterhaltungswert und ermöglichen für alle<br />
Beteiligten außergewöhnlich hohe Gewinne. Der Hochleistungssport<br />
ist dabei bestens anschlussfähig für die Massenmedien,<br />
für die Wirtschaft und die Politik. Immer mehr Athleten<br />
sind dabei bereit, alles zu investieren, was den sportlichen<br />
Erfolg sichern könnte. Das Ideal der Unversehrtheit des eigenen<br />
Körpers wird dabei über Bord geworfen, die eigene<br />
Gesundheit wird im vollen Bewusstsein der Gefahren, die der<br />
Hochleistungssport in sich birgt, in Frage gestellt. Schmerzen<br />
werden wider der Natur des eigenen Körpers gedämmt,<br />
Medikamente werden zur Leistungssteigerung genutzt, wohlwissend,<br />
dass sie eine Gefährdung der eigenen Gesundheit<br />
bedeuten können. Die körperliche Unversehrtheit des Gegners<br />
wird in Frage gestellt, wenn damit der eigene ökonomische<br />
Nutzen gesichert werden kann. Längst ist bei diesem Transformationsprozess<br />
des Sports zu erkennen, dass er sich genau<br />
jene Merkmale zu Eigen macht, die auch in der übrigen<br />
<strong>Gesellschaft</strong> zu finden sind. Wie in der Wirtschaft und wie in<br />
der Politik ist nun Korruption im Sport anzutreffen, wie in<br />
Wirtschaft und Politik finden Machtauseinandersetzungen in<br />
den Organisationen des Sports statt. Und das, was viele<br />
Funktionäre des Sports als Verteidigungsritual verwenden,<br />
wenn sie gefordert sind, wird zur gesellschaftlichen Realität:<br />
Der Sport ist nicht besser als die <strong>Gesellschaft</strong>, und er kann<br />
gewiss nicht Probleme der <strong>Gesellschaft</strong> lösen, wenn er die<br />
gleichen Verfehlungen aufweist, wie sie auch in der <strong>Gesellschaft</strong><br />
anzutreffen sind. Der Sport ist nicht mehr Gegenwelt,<br />
er ist Abbild der <strong>Gesellschaft</strong>. Seinen Siegeszug hat er seinem<br />
eigenen Werteverfall zu verdanken. Betrug, Korruption, Manipulation<br />
und all die sonstigen zu beklagenden Verfehlungen<br />
sind Teile eines kontinuierlichen Skandals, der die Unterhaltungsfunktion<br />
des Sports eher zu steigern weiß, als dass er<br />
sie in Frage stellen könnte. Moralische Appelle müssen dabei<br />
ebenso vergeblich sein, wie sie in der <strong>Gesellschaft</strong> vergeblich<br />
sind, und angesichts der vielen Verfehlungen in der <strong>Gesellschaft</strong><br />
hat auch der Sport keinen besonderen Legitimationszwang.<br />
Es gelingt ihm besser denn je, sich als wichtigen Teil<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> auszuweiten. Angesichts dieses aufgezeigten<br />
Transformationsprozesses ist es höchst unwahrscheinlich,<br />
dass aus dem System des Sports heraus eine Rückbesinnung<br />
auf den Gegenweltcharakter des Sports erfolgen könnte. Der<br />
Sport in seinem Verhältnis zur Wirtschaft, zur Politik und zu<br />
den Massenmedien befindet sich in einer Win-Win Situation,<br />
deren Fortschreibung von allen gewünscht ist. Fatal ist dabei<br />
lediglich, dass dies auch dann der Fall ist, wenn dabei die<br />
Moral auf der Strecke bleibt.<br />
21
Der Leistungssport frisst<br />
seine Kinder Von Bianka Schreiber-Rietig<br />
Es ist ein Déjà-vu. Die Rituale sind dieselben: Betroffenheitskundgebungen,<br />
empörter Widerspruch, Abwiegelungsversuche<br />
und die Erkenntnis: „Wir müssen was<br />
tun.“ Für viele langjährige kritische Wegbegleiter und Sportexperten<br />
waren die Ergebnisse der Studie mit dem sperrigen<br />
Titel „Dysfunktionen des Spitzensports: Doping, Match-Fixing<br />
und Gesundheitsgefährdung aus Sicht der Bevölkerung und<br />
Athleten“ keine Überraschung. Und auch der dadurch ausgelöste<br />
Verbal-Aktionismus von Funktionären nicht.<br />
Im Auftrag der Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe wurden telefonisch<br />
2008 Bürger und Bürgerinnen und 1.154 von der Sport-<br />
22<br />
hilfe geförderte Athleten online anonym befragt. Ob es dabei<br />
zielführend ist, die Altersgruppe zwischen 12- und 64-jährigen<br />
Sportlern und Sportlerinnen zu befragen, sei dahingestellt.<br />
Denn mag man gegenüber Umfragen skeptisch sein, so<br />
belegt auch diese im Wesentlichen wieder Probleme, die im<br />
Sport schon lange bekannt sind. Etwa: Leistungsdruck und<br />
Existenzängste lösen Depressionen (9%), Burn-Out (11,4%)<br />
oder Essstörungen (9,6%) aus. Und natürlich greift manch<br />
einer gerne in die pharmazeutische Trickkiste, um eigenen<br />
Anforderungen und denen von außen gerecht zu werden. 5,9<br />
Prozent gaben in der Umfrage zu, Dopingmittel zu nehmen,<br />
53,4 Prozent strichen das „Nein“ an, und 40,7 Prozent mach-
ten keine Angaben. Dass die Sportler ihre Situation in manchen<br />
Bereichen anders sehen als ihre Mitbürger, ist nicht<br />
verwunderlich. In einem sind aber alle einig: Rund 90 Prozent<br />
beider Gruppen sagen, dass Doping nicht im Einklang mit<br />
dem Leistungsprinzip stehe.<br />
Vieles steht nicht miteinander im Einklang im deutschen<br />
Sport, aber auch das ist keine neue Erkenntnis. Und wenn<br />
Ingo Weiss, der Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Basketballbundes<br />
und Präsidiumsmitglied des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n Sportbundes<br />
(DOSB), einer Nachrichtenagentur zu der Untersuchung<br />
sagt: „Das sind spannende Hinweise, denen wir nachgehen<br />
müssen“, muss er sich die Frage gefallen lassen: Wo<br />
waren er und seine Kollegen die letzten 25 Jahre? Doping ein<br />
Dauerbrenner, Existenzängste, systemimmanenter Leistungsdruck<br />
mit bösen Folgen. Es scheint sich keiner an die „spektakulären“<br />
Fälle zu erinnern: Sportler, die an Depressionen oder<br />
Essstörungen auf Grund des immensen Drucks litten. „Opfer“<br />
wie Sebastian Deisler oder Torhüter Robert Enke, Skispringer<br />
Sven Hannawald oder Ruderer Bahne Rabe. Sie stehen für<br />
viele andere, die mit dem Sportsystem nicht klar kamen und<br />
kommen.<br />
Ein System, das seit Jahrzehnten umstritten ist, an dem<br />
immer wieder herumgedoktert wird, in dem aber der Athlet<br />
nach wie vor das schwächste Glied ist. Nach Großereignissen<br />
– besonders nach <strong>Olympische</strong>n Spielen, wenn die selbst<br />
vorgegebenen Ziele - also Medaillen - nicht erreicht wurden,<br />
setzt immer wieder das gleiche Prozedere ein: Ein neues<br />
Konzept muss her.<br />
„Es geht uns gemeinsam um eine neue Reform der Kooperation<br />
zu Gunsten der Athleten, um eine Konzentration aller<br />
vorhandenen Möglichkeiten und um einen Zentralismus des<br />
Vertrauens.“ Das sagte 1988 der damalige Präsident des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Sportbundes Hans Hansen beim DSB-Bundestag in<br />
Würzburg. Das hätten auch DOSB-Präsident Thomas Bach<br />
oder sein Generaldirektor Michael Vesper nach den Spielen<br />
2012 in London formulieren können. Damals vor 25 Jahren<br />
wurden die Olympiastützpunkte und Laufbahnberater installiert,<br />
nach dem Motto „Problem erkannt ...“<br />
Heute arbeitet der DOSB an neuen Zielvorgaben und hat seit<br />
Januar <strong>2013</strong> mit Dr. Sven Baumgarten eine Art Bundes-<br />
Laufbahnplaner für die duale Karriere von Athleten und Athletinnen<br />
angestellt. Er soll nun eine erfolgreiche Konzeption für<br />
23
Sport und Ausbildung oder Studium erarbeiten. Zu beneiden<br />
ist der 52-Jährige nicht, der den Sport in vielen Positionen (u.<br />
a. beim Bundesinnenministerium, bei der Sporthilfe, als Olympiastützpunktleiter)<br />
kennen gelernt hat: Er muss praktisch die<br />
„duale Karriere“ aus einem Guss finden – oder zumindest den<br />
Weg dahin. Und es dabei jedem recht machen.<br />
An den Olympia-Stützpunkten und in den Landessportbünden<br />
setzt man bei der Laufbahnberatung auf Regionalkonzepte.<br />
Das läuft bei vielen seit Jahren gut, bei anderen weniger. „Es<br />
kommt natürlich immer auf die Leute an, die da sitzen. In<br />
Berlin läuft es gut – wir haben Netzwerke und ein gutes<br />
Miteinander“, sagt Leistungssportreferent Frank Schlizio.<br />
„Was läuft hier falsch?“, wird Helmut Digel, Sportsoziologe,<br />
ehemaliger Leichtathletikpräsident und Vielfach-Funktionär in<br />
der „Süddeutschen Zeitung“ zu den Studien-Ergebnissen<br />
zitiert. Wenn es Funktionäre nicht wissen, die lange an der<br />
Spitze mitgearbeitet haben, wer dann?<br />
Dass die Sporthilfe diese Untersuchung natürlich auch im<br />
Hinblick auf ihre weitere Arbeit in Auftrag gegeben hat, ist<br />
klar. Eigentlich wäre es aber doch Aufgabe des DOSB gewesen,<br />
Befindlichkeit und Probleme seiner Athleten und Athletinnen<br />
zu erfragen, bevor er ordre de mufti neue Fakten mit<br />
einem neuen Konzept schafft, was dann gern als professionelle<br />
Arbeit verkauft wird.<br />
Aber: In vielen Bereichen sind andere Dinge wichtiger als der<br />
Athlet. „Einigen Funktionären ist es egal, ob jemand mit Mitte<br />
dreißig aus der Bundeswehr ausscheidet und keine zufrieden<br />
stellende Ausbildung hat“, klagt die Hochspringerin Meike<br />
Kröger in der FAZ. Auch psychische Erkrankungen seien<br />
weiter ein Tabuthema – auch sie selbst rede nur so offen, weil<br />
ihre Karriere beendet sei. „Wenn ich ein Comeback vorhätte,<br />
würde ich mir das sehr gut überlegen. Man macht sich<br />
angreifbar. Die Chance, damit zurückzukommen, ist damit<br />
eigentlich gleich null.“<br />
Ist es die Angst der Funktionäre, dass der schöne Schein des<br />
Sports und der Superstars dahin wäre, wenn man den dunklen<br />
Seiten mehr Beachtung schenkte, die ein Sportleben mit<br />
sich bringen kann? Oder einfach Ignoranz und Bequemlichkeit?<br />
„In dem Moment, als ich sagte, ich habe Probleme,<br />
machten alle – außer meiner Trainerin - die Schotten dicht.<br />
Keiner wollte vor der Weltmeisterschaft wahr haben, dass ich<br />
nicht mehr konnte, obwohl es nicht zu übersehen war. Die<br />
Antwort meines Präsidenten war, als ich um Unterstützung<br />
bat: Behalt’ das für Dich, sonst springt der Sponsor ab“,<br />
erzählte eine Sportlerin und fügte hinzu: „Das habe ich aber<br />
jetzt nur unter vier Augen gesagt.“ Zwei Monate später stieg<br />
sie aus dem Leistungssport aus.<br />
Allein gelassen fühlen sich viele. Das liegt aber oft auch<br />
daran, dass selbst die „Unterstützer“ überfordert sind. Ein<br />
24<br />
ehemaliger Laufbahnberater erzählt, wie er sich mit Professoren,<br />
Arbeitgebern, Sponsoren und so genannten<br />
persönlichen Beratern - und natürlich Fachverbänden -<br />
herumärgern musste. „Wenn sie zehn oder zwölf Leute<br />
haben, um die sie sich kümmern müssen, dann kann man<br />
das grade noch so schaffen. Aber wir hatten damals etwa<br />
350 Kader-Athleten, und jeder hätte intensiv betreut<br />
werden müssen – das funktioniert aber nur, wenn der Tag<br />
mehr als 24 Stunden hat und mehr personelle Unterstützung<br />
da ist.“ Regionale Sponsoren musste man sich vor Ort<br />
zusammensuchen, was vor allem im Osten teilweise<br />
schwer war und noch ist.<br />
Und: Auch der Arbeitsmarkt erleichtert das Leben von<br />
Laufbahnberatern heute nicht. Mittlere Unternehmen sind<br />
angesichts drohender ökonomischer Einbrüche, Stellenabbau<br />
oder vieler hoch qualifizierter Bewerber nicht mehr so<br />
großzügig, Plätze an Hochleistungssportler zu vergeben, die<br />
selten da sind. Das gilt auch für Kommunen. Die Sporthilfe<br />
arbeitet zwar mit großen Unternehmen zusammen, die<br />
Athleten beim Studium unterstützen oder sie für Bewerbungen<br />
fit machen, aber das reicht lange noch nicht. Selbst<br />
sportinteressierte Schulleiter sehen sich heute oft durch die<br />
G8–Reform unter Druck, die Schüler schneller zum Abi zu<br />
bringen, und genehmigen eine „Sport-Pause“ immer zögerlicher.<br />
Und Professoren an den Universitäten haben nach der Bologna-Reform<br />
oft gar keinen Nerv mehr, Klausuren dann nachschreiben<br />
zu lassen – Medaillenanwärter hin oder her –,<br />
wenn es in den Sport-Terminkalender passt. An den Sportverantwortlichen<br />
scheinen diese Entwicklungen mit den abzusehenden<br />
Folgen für die Sportler vorbeigerauscht zu sein. Denn<br />
auch ohne großes Konzept hätte man da schon mal etwas<br />
gegensteuern können.<br />
Etwa beim Terminkalender. Sommer- und Wintersportler sind<br />
heute ganzjährig im Einsatz. Der Kalender ist überfüllt, Wettkampfpausen<br />
eher selten. Neben ständig mehr Wettbewerben<br />
kommen auch neue Disziplinen oder Klassen dazu. Wer soll<br />
da Zeit haben, Luft zu holen, geschweige denn sich um<br />
Studium oder Beruf so zu kümmern, wie es angemessen ist?<br />
Und wer soll den Stress ohne Hilfsmittel aller Art durchstehen?<br />
Athleten trainieren um die 30 Stunden pro Woche, drei<br />
Stunden weniger investieren sie theoretisch in Beruf, Ausbildung<br />
oder Studium.<br />
Viola von Cramon, Grünen-Obfrau des Sportausschusses im<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bundestag, verweist auch darauf, dass das Gros<br />
der Kaderathleten im Monat mit wenig Geld zurecht kommen<br />
muss. Seit langem sieht die Politikerin Bildung und Beruf für<br />
das Leben nach dem Sport als ein zentrales Thema im deutschen<br />
Spitzensport neben der Dopingbekämpfung. „Um<br />
Nachwuchs zu finden, der sich reinhängt, muss man ihm<br />
auch Sicherheit geben“, sagt sie.
Die Grünen sind gerade daran, ein eigenes Spitzensport-<br />
Konzept zu erarbeiten. „US-Amerikaner, Briten und Australier<br />
haben uns da schon einiges voraus“ sagt sie, die aus<br />
dieser Studie aber auch das Fazit zieht, dass die Straffreiheit<br />
für dopende Athleten ein Fehler ist. Viele sehen das so.<br />
Denn wer auf die „Selbstreinigung“ des Sports setzt, wird<br />
enttäuscht, wie die letzten 30 Jahre immer wieder zeigten.<br />
Die Aufklärung, wie etwa das Beispiel um die Sportmedizin<br />
an der Uni Freiburg zeigt, klappt ebenso wenig wie wirkliche<br />
Sanktionen. Spätestens seit sich der Sport als ökonomische<br />
Kraft auf den Weltmarkt begeben hat, kann er in bestimmten<br />
Bereichen nicht mehr auf eigene Regeln und Rechte<br />
pochen, geschweige, dass er sie denn durchsetzen will oder<br />
kann.<br />
Der dopende und betrügende Athlet: Das möchte der<br />
Sprecher der DOSB-Athletenkommission so nicht stehen<br />
lassen: „Wir distanzieren uns entschieden<br />
von der Behauptung in den<br />
Medien, dass Sportler korrupt seien<br />
und massenhaft manipulieren würden.<br />
Das geht aus der Studie nicht hervor“,<br />
stellt Christian Breuer in einer Presseerklärung<br />
fest.<br />
Wohl geht aber aus der Studie hervor,<br />
dass gedopt wird – und man aus den<br />
gegebenen und nicht gegebenen<br />
Antworten seine Schlüsse ziehen<br />
kann. Und: Wenn 96,8 Prozent der<br />
Athleten für sich eine Vorbildfunktion<br />
in Anspruch nehmen, dann passen<br />
Doping, das Einwerfen von Schmerzmitteln<br />
oder die Einnahme fragwürdiger<br />
Nahrungsergänzungsmittel nicht<br />
zu diesem Selbstbild. Unterstützen,<br />
fördern, helfen im Sinne des Sporthilfe-Leitgedankens<br />
„Leistung Fairplay<br />
Miteinander“ gilt dann auch für die<br />
Aktiven. Vor den Londoner Spielen<br />
übrigens hängte sich einer weit aus<br />
dem Fenster, der, als er noch NOK-<br />
Präsident und vorher Generalsekretär<br />
war, mit Abscheu und Empörung den<br />
Dopingverdacht im (bundes)deutschen<br />
Sport zurückgewiesen hatte.<br />
Walther Tröger antwortete im<br />
Deutschlandradio Kultur auf die<br />
Frage, ob er für die Sauberkeit der<br />
Athleten die Hand ins Feuer legen<br />
würde: „Wollen wir mal sagen, ich<br />
lege neun Finger ins Feuer.“<br />
Ist das die späte Erkenntnis, dass im<br />
deutschen Sport eben nicht alles Friede,<br />
Freude, Eierkuchen ist, man endlich handeln muss, um zu<br />
retten, was zu retten ist? „Meiner Meinung nach sollte die<br />
psychologische Betreuung des Athleten weniger dorthin<br />
tendieren, sie immer höher zu motivieren und zu immer<br />
höheren Leistungen zu treiben als vielmehr dem Athleten<br />
klar zu machen, dass das angestrebte Ziel – der Rekord, die<br />
Meisterschaft, die Goldmedaille – nur ein Teilziel im gesamten<br />
Lebensplan sein kann, und dass der sportliche Wettkampf,<br />
gemessen an seinem individuellen Dasein, keinen<br />
Ernstcharakter hat.“ Das sagte Professor Meinhard Volkmar<br />
1970 in einer ARD-Sendung zum Thema junge Hochleistungssportler.<br />
Darüber sollten vor allem ganz dringend die Funktionäre im<br />
(deutschen) Sport nachdenken und sprechblasenfrei mit den<br />
Betroffenen und Beteiligten darüber diskutieren. Denn der<br />
Sport frisst seine Kinder ...<br />
25
Über die Trainersituation in Deutschland<br />
Das Gesamtbild bleibt düster, einige helle Farbstriche können<br />
an der Misere bislang wenig ändern Von Andreas Müller<br />
Es mag eine Fußnote sein, doch sie tut dem deutschen<br />
Spitzensport weh. Mit Andreas Wels hat sich kürzlich<br />
einer der erfolgreichsten Wasserspringer der jüngeren<br />
Vergangenheit für den Beruf des Sportlehrers entschieden. Nach<br />
seinem Karriere-Ende im März 2011 galt der Magdeburger als<br />
hoffnungsvoller Nachwuchstrainer, doch nun ist klar: Der 38-<br />
Jährige, der vom Brett vier Mal EM-Gold, 2004 in Athen Olympiasilber<br />
und bei großen internationalen Ereignissen insgesamt<br />
dreizehn Medaillen gewann, wird seine Schützlinge nach vollendetem<br />
Lehramtsstudium als Pädagoge an einem Gymnasium<br />
ausbilden und nicht als Trainer am Beckenrand und im Schatten<br />
von 1- und 3-Meter-Brett tätig sein. Er habe es sich nicht leicht<br />
gemacht, gestand Andreas Wels. Doch gegenüber den Vorteilen<br />
eines anständig bezahlten Berufes mit klar strukturiertem<br />
26<br />
Wochenpensum und einem unbefristeten Vertrag sogar mit<br />
Beamtenstatus musste der organisierte Sport zwangsläufig den<br />
Kürzeren ziehen. Somit tauchte Wels, erst recht als junger Vater<br />
mit den daraus erwachsenden familiären Verpflichtungen, in<br />
eine komplett andere Berufswelt ein als die eines Trainers mit<br />
einem Kontrakt, der auf ein, zwei oder maximal vier Jahre<br />
begrenzt ist und dessen eher mageres Monatsgehalt oft genug<br />
auch noch von Leistungsprämien und damit vom Wohl und<br />
Wehe des Erfolges seiner Athleten abhängt.<br />
So sehr Christa Thiel, die Präsidentin des <strong>Deutsche</strong>n Schwimm-<br />
Verbandes (DSV), die Entscheidung des langjährigen Aktiven aus<br />
den eigenen Reihen rational nachvollziehen kann und billigen<br />
muss, der Ärger und etwas Verbitterung darüber ist ihr deutlich
anzumerken. Immerhin ist Christa Thiel zugleich die Vize-Präsidentin<br />
für Leistungssport im Präsidium des <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
Sportbundes (DOSB). Jede Entscheidung eines geeigneten<br />
Kandidaten gegen eine berufliche Laufbahn als Trainer im organisierten<br />
Sport muss für die Vize-Präsidentin wie ein kleiner<br />
Stich ins Herz sein. Wie viele es in den vergangenen Jahren<br />
gewesen sind, die von den gestandenen bis zu den jungen<br />
Trainern irgendwann den Handschuh warfen oder ins Ausland<br />
wechselten, ist nicht dokumentiert. Diese traurige Statistik<br />
existiert ebenso wenig wie die allermeisten der Informationen<br />
über die tatsächliche Situation der Trainer in diesem Land bisher<br />
nicht vollständig und systematisch erhoben wurden. Entsprechend<br />
gibt es nur die relativ groben Konturen eines Gesamtbildes.<br />
Ein Bild, das in seinen dunklen und düsteren Farben einem<br />
der Werke von Peter Paul Rubens ähnelt und das angesichts der<br />
schnelllebigen Entwicklungen im internationalen Hochleistungssport<br />
und der Bemühungen anderer Nationen durchaus als<br />
Furcht und Angst einflößend bezeichnet werden darf.<br />
„Die Unzufriedenheit bei der Trainerschaft ist insgesamt groß“,<br />
fasst Christa Thiel ihre Beobachtungen zusammen und beklagt,<br />
dass noch nicht einmal das Berufsbild des Trainers genauer<br />
definiert ist. Meyers Großes Taschenlexikon in 26 Bänden vermerkt<br />
unter dem Stichwort „Trainer“ eine Person, „die die für<br />
eine bestimmte Sportart erforderliche Technik und Taktik systematisch<br />
lehrt und verfeinert, die Wettkampfvorbereitung plant,<br />
steuert und kontrolliert sowie während des Wettkampfs die<br />
Betreuung übernimmt. In den Mannschaftssportarten ist der<br />
Trainer darüber hinaus für die Aufstellung der Mannschaft<br />
verantwortlich. Qualitätskriterien eines Trainers: sportartspezifische<br />
Kenntnisse und praktisches Können; sportwissenschaftliche<br />
Kenntnisse besonders in der Trainingslehre sowie in Sportpsychologie,<br />
-pädagogik und Biomechanik.“<br />
Die Wirklichkeit übertrifft diese Beschreibung bei weitem. Die<br />
Rolle des Trainers im gesamten Trainer- und Beraterteam, bei<br />
der Trainingssteuerung sowie seine Stellung als sozial kompetenter<br />
Wissensvermittler, der beispielsweise zum lebenslangen<br />
Lernen verdammt ist, geht inzwischen weit über das lexikalische<br />
Statement hinaus. Verlangt wird heutzutage im Spitzensport<br />
sozusagen ein Fabelwesen in Menschengestalt, werden all die<br />
verschiedenen fachlichen, intellektuellen, pädagogischen, kommunikativen<br />
und charakterlichen Anforderungen addiert. Allein<br />
was die Wissens- und Kompetenz-Entwicklung von Trainern<br />
anlangt, werden pädagogische Maßstäbe von höchstem Niveau<br />
angelegt. Neben profundem Fachwissen muss der moderne<br />
Trainer als geschickter und versierter Moderator auftreten, um<br />
das Gespräch mit dem Athleten und darüber hinaus mit allen<br />
zu pflegen, die ihn – vom Manager bis zu den Eltern und Großeltern<br />
– im leistungssportlichen Alltag umschwirren. Auch sollte<br />
der zeitgemäße Trainer ausreichend Abstraktionsvermögen<br />
besitzen, um Erfahrungen und Methoden im Trainingsprozess zu<br />
reflektieren, weiterzuentwickeln und zu optimieren. Und idealer<br />
Weise sollten Trainer zudem in der Lage sein, ihre Ansprache je<br />
nach Altersgruppe und Leistungsstärke ihrer Schützlinge indivi-<br />
duell abzustimmen, zu modifizieren und passgenau aufzufächern.<br />
Wer von Trainern redet, meint ein Profil, das in jedem Fall<br />
weit über das eines diplomierten Sportlehrers hinausgeht.<br />
Besonders fatal: Wechsel zur internationalen Konkurrenz<br />
So unbedingt der theoretische Aspekt des Berufsbildes zur<br />
Diskussion beim „Cluster Trainer“ dazu gehört, bewegen derzeit<br />
die ganz praktischen Fragen weitaus mehr als Begrifflichkeiten,<br />
Definitionen und philologische Einlassungen. Beispielsweise<br />
steht sehr weit oben auf Christa Thiels Agenda, die Abwanderung<br />
von Trainern ins Ausland zu stoppen. Weil solche Verluste<br />
„gleich doppelt und dreifach zu Buche schlagen“, wie die Vize-<br />
Präsidentin berichtet. Nicht nur, dass dem deutschen Sport auf<br />
diese Weise dringend benötigte Fachkräfte verloren gehen. Zu<br />
allem Überfluss kommt hinzu, dass diese Spezialisten anschließend<br />
die internationale Konkurrenz stärken – und zwar nicht<br />
nur als Person, sondern infolge eines regelrechten Wissenstransfers,<br />
vergleichbar mit dem Weggang wichtiger Manager, die<br />
beim direkten Mitwettbewerber anheuern und den neuen<br />
Arbeitgeber so ganz nebenbei –oder in der Hauptsache –<br />
genauestens über die Verhältnisse bei der Konkurrenz unterrichten.<br />
Bernhard Schwank, der Leistungssport-Direktor beim DOSB,<br />
spricht von regelrechten „Abwerbungsversuchen“. „Sie nehmen<br />
immer mehr zu. Der Wettbewerb wird härter, der Druck wird<br />
größer.“ Erlebnisse von Augenzeugen bei den Sommerspielen<br />
2012 in London bestätigten diesen Eindruck. „Noch nie zuvor<br />
bei <strong>Olympische</strong>n Spielen habe ich so viele deutsche Trainer im<br />
Trainingsanzug von anderen Nationen gesehen“, erinnert sich<br />
ein Mitglied aus der deutschen Delegation an seine ganz persönlichen<br />
olympischen Beobachtungen. Harry Bähr, der Leiter<br />
des Olympiastützpunktes (OSP) in Berlin, weiß bestens um die<br />
große Sorge: „Bei Ausschreibungen für Trainerstellen wird es<br />
immer schwerer, geeignete Kandidaten zu finden, und den<br />
geeigneten Kandidaten können wir am Ende des Bewerbungsgespräches<br />
oft kein angemessenes Gehalt anbieten." Auf die<br />
Spitze getrieben, ließe sich formulieren: Wenn der deutsche<br />
Sport nicht aufpasst, bleiben nur Diejenigen, die woanders<br />
nichts gefunden haben oder aus persönlich-familiären Gründen<br />
nicht abkömmlich sind …<br />
Gerade verließ mit Herbert Czingon nach rund 35 Jahren den<br />
<strong>Deutsche</strong>n Leichtathletik-Verband (DLV) in Richtung Schweiz.<br />
Längst hat die Epidemie auch gut ausgebildete Berufsanfänger<br />
erfasst. Jüngstes Beispiel: Ein junger Fechttrainer, der von nun<br />
an im Zwergstaat Singapur auf der Planche steht und sein<br />
berufliches Glück zu finden hofft. Doch den Fokus nur auf jene<br />
Trainer zu richten, die Deutschland den Rücken kehren, das<br />
wäre in etwa so, als ob man nur die Berggipfel betrachten<br />
würde, ohne das ganze Gebirge wahrzunehmen. Auch Christa<br />
Thiel weiß um diese Komplexität und darum, dass es der deutsche<br />
Sport in seiner aktuellen Verfassung den Rufern und<br />
Werbern jenseits der Grenze nur allzu leicht macht. Keineswegs<br />
dürfe der Blick nur auf die Spitzen- und Top-Trainer reduziert<br />
werden, auch wenn Verluste gerade in dieser Region am<br />
schmerzlichsten seien. Der Gesamtauftrag sei genereller Natur<br />
27
und nicht auf ein einziges Segment in der Trainer-Hierarchie zu<br />
beschränken, so Christa Thiel. Es gelte, Mängel bei den Trainern<br />
sowohl quantitativ als auch qualitativ von oben nach unten<br />
sowie in umgekehrter Richtung insgesamt zu beheben. „Was<br />
wir unbedingt brauchen, ist eine funktionierende Gesamtstruktur.<br />
Nur so sind wir in der Zukunft gut aufgestellt“, betont die<br />
Anwältin aus Wiesbaden.<br />
Zu den vordergründigsten und dringendsten Aufgaben zähle,<br />
die Bezahlung im Trainerberuf durchweg und auf allen Stufen<br />
zu verbessern. Allein damit sei es jedoch keineswegs getan.<br />
Daneben gelte es, etwa die Ausbildung an der Kölner Trainerakademie<br />
(TA) in einen Bachelor-Studiengang münden zu<br />
lassen. Ein Aspekt, der Dieter Kespohl in große Sorge versetzt.<br />
„Es besteht die reale Gefahr, dass diese Akademie irgendwann<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Sporthochschule einverleibt wird. Das wäre ein<br />
großer Rückschritt und eine falsche Weichenstellung“, mahnt<br />
der 75-Jährige, der von 2000 bis 2008 den Vorsitz des Trägervereins<br />
der TA inne hatte. Die rein sportwissenschaftliche Ausbildung<br />
von Trainern „wäre fatal“. Es müsse auf dem Weg zum<br />
Trainer mit Bachelor-Abschluss unbedingt beim derzeitigen<br />
Profil und bei der berufsbegleitenden Ausbildung mit starkem<br />
Praxisbezug zu den einzelnen Sportarten und Disziplinen bleiben.<br />
„Die Trainer-Akademie ist als Unikat für die Trainerausbildung<br />
unersetzlich“, unterstreicht Dieter Kespohl. „Das haben wir<br />
gegenüber dem DOSB und gegenüber Präsident Thomas Bach<br />
schon wiederholt sehr deutlich gemacht.“<br />
Unterbezahlung als vorherrschendes und typisches<br />
Berufsmerkmal<br />
Für Thomas Bach seinerseits ist „die Trainersituation auf allen<br />
Ebenen unbefriedigend“, wie er auf der jüngsten Vollversammlung<br />
des Dachverbandes konstatierte. Wobei das Attribut „unbefriedigend“<br />
für die Gewinnung von Trainern ebenso gelte wie<br />
für die Aus- und Fortbildung bis hin zur Bezahlung. Damit ist in<br />
etwa die Gesamt-Palette skizziert, die es zu bewältigen gilt.<br />
Wobei erschwerend hinzukommt, dass mit der Strukturreform<br />
im deutschen Sport nach den Sommerspielen 1996 in Atlanta<br />
das Trainergeflecht noch undurchsichtiger wurde. Waren die<br />
Bundestrainer bis dato beim damaligen <strong>Deutsche</strong>n Sportbund<br />
angestellt, figurieren seither die einzelnen Spitzenverbände<br />
eigenständig als Arbeitgeber für ihr gesamtes Trainerpersonal.<br />
28<br />
Der Vorteil: Dienst- und Fachaufsicht liegt nunmehr bei den<br />
Verbänden in einer Hand. Der Nachteil der Neuordnung Mitte<br />
der 90er Jahre: Es gibt nun allein in den olympischen Sportarten<br />
28 Spitzenverbände als Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass<br />
diese Fachverbände allesamt in Landesverbände untergliedert<br />
sind und im Zusammenspiel mit weiteren Komponenten wie<br />
Vereinen, Landessportbünden, Ländern, Olympiastützpunkten,<br />
Leistungszentren, Trägervereinen, privaten oder gesellschaftlichen<br />
Stiftungen und Zuwendungen des Bundes zur Finanzierung<br />
und Beschäftigung von Trainern ein regelrechtes Knäuel<br />
entstand - mit entsprechend undurchsichtigen arbeitsrechtlichen<br />
Konsequenzen und den verschiedensten Zu- und Unterordnungen<br />
im beruflichen Alltag. So gibt es etwa die so<br />
genannten mischfinanzierten Trainer wieder, die aus unterschiedlichen<br />
Quellen gespeist werden. Zumindest für alle 19<br />
Olympiastützpunkte ist einheitlich, dass die OSP-Trainer in der<br />
Fachaufsicht dem jeweiligen Spitzenverband unterstellt sind. In<br />
Berlin gilt diese Regelung darüber hinaus ebenso für die Landestrainer<br />
und für einen Teil der Lehrertrainer an den „Eliteschulen<br />
des Sports“. Damit wird in der Hauptstadt – im Unterschied<br />
zu anderen Bundesländern – die fachliche Führung für<br />
sämtliche Trainer eines Bundesstützpunktes aus einer Hand<br />
sichergestellt. Die Dienstaufsicht indes wird auch bei diesem<br />
Modell von verschiedenen Dienstherren ausgeübt - also von<br />
OSP, Landessportbund oder der Schule.<br />
So kompliziert und komplex sich das Trainer-Gefüge mit seinen<br />
unterschiedlichen Mosaiksteinen von außen darstellt, ein Problem<br />
ist für das Gesamtsystem dennoch deutlich auszumachen<br />
und bedarf am dringendsten der Abhilfe: Die geringe Bezahlung<br />
der Trainer. Inzwischen hat der DOSB mit dem Bundesministerium<br />
des Innern (BMI) zwar eine Ausdehnung der zuschussfähigen<br />
Maximalgehälter vereinbart. Diese Dimensionen – pro Jahr<br />
94.000 Euro für Cheftrainer, 85.000 Euro für Disziplin- und<br />
Funktionstrainer, 77.000 Euro für Nachwuchstrainer und 65.000<br />
Euro für Stützpunkttrainer – haben mit der Realität aber nicht<br />
viel zu tun. Diese Summen gleichen angesichts von Jahresgehältern<br />
zum Beispiel bei OSP-Trainern, die zwischen zirka 32.000<br />
Euro und 42.000 Euro liegen, eher einem schönen Wunschtraum.<br />
Ungeachtet der Tatsache, dass genaue bundesweite<br />
Statistiken über die Entlohnung von Trainern auf den unterschiedlichen<br />
Ebenen zwischen Baden-Württemberg und Meck-
lenburg-Vorpommern nicht vorliegen, scheint die Unterbezahlung<br />
der große gemeinsame Nenner und das gemeinsame<br />
sprich: typische Merkmal für die Trainer im bundesdeutschen<br />
Sportsystem zu sein. Während sich ein Sportlehrer wie Andreas<br />
Wels am Gymnasium über ein Anfangsgehalt von mehr als<br />
3.100 Euro freuen darf, scheinen solche Dimensionen bei den<br />
Trainern im organisierten Sport eher schon die Spitze abzubilden.<br />
„Es ist inakzeptabel, wenn Trainer von Weltklasse-Athleten<br />
und olympischen Medaillengewinnern mit zum Teil 3.500 Euro<br />
Brutto im Monat nach Hause gehen“, beklagte Thomas Bach.<br />
Herbert Czingon sprach in der FAZ von Bruttogehältern, die bei<br />
2.000 Euro und darunter liegen. In aller Regel könne man davon<br />
ausgehen, “dass ein Lehrer an der Schule besser verdient als ein<br />
Trainer, obwohl die Ausbildung vergleichbar ist und die Verantwortung<br />
nicht geringer“.<br />
Versucht man ungefähr die Mitte zu finden, so dürfte sich der<br />
monatliche Verdienst bestenfalls in Dimensionen zwischen<br />
2.000 und 3.000 Euro bewegen – das ist in etwa so viel wie die<br />
Punkteprämie eines Profi-Fußballers für ein, zwei remis über die<br />
Bühne gebrachte Bundesligaspiele. Von solch insgesamt unbefriedigenden<br />
Monatsgehältern für die allermeisten der schätzungsweise<br />
etwas mehr als 3.800 hauptamtlichen Trainer und<br />
Honorar-Trainer auf Bundes- und Landesebene (Details siehe im<br />
Infokasten) geht man jedenfalls beim „Berufsverband der Trainer<br />
im deutschen Sport“ (bvtds) aus, der im Herbst vorigen<br />
Jahres in Köln aus der Taufe gehoben wurde und sich als Verein<br />
noch in Gründung befindet. „Von dieser Berufsgruppe hängt die<br />
Existenz und das Niveau des künftigen Spitzensports in<br />
Deutschland ab. Für eine bessere Bezahlung, längere Vertragslaufzeiten<br />
und eine nachhaltige soziale Absicherung einzutreten,<br />
das ist unser Hauptanliegen. Der erste Schritt dahin ist, so<br />
viele Trainer wie möglich unter ein Dach zu bekommen“, berichtet<br />
Gründungsmitglied und Pressesprecher Thorsten Ribbecke.<br />
Seine erste Bilanz: „Mit dieser Organisation haben wir wohl in<br />
ein Wespennest gestochen. Seit Gründung des Vereins werden<br />
wir mit Anfragen überrannt. So, wie es jetzt ist, kann es jedenfalls<br />
nicht weitergehen.“<br />
Endlich eine eigene Berufsorganisation<br />
Der 39-Jährige kann ein Lied von den Bedingungen an der Basis<br />
singen. In den vergangenen zehn Jahren habe er acht Verträge<br />
unterschrieben, um beim Verein Bayer Dormagen als Leichtathletik-Trainer<br />
in den Disziplinen Sprint, Sprung und Stabhochsprung<br />
zu arbeiten. Das bedeutet Vertragslaufzeiten von einem Jahr und<br />
bestenfalls zwei Jahren, wobei sich das Verhältnis von der direkten<br />
Arbeit mit den Sportlern zur Vor- und Nachbereitung am<br />
Computer und anderen Aufgaben wie der Mithilfe bei der Organisation<br />
von Sportfesten zunehmend verschob – zu Ungunsten<br />
der Kernarbeit des Trainers. „Die eigentliche Arbeit ist ja wirklich<br />
traumhaft. Es macht Riesenspaß, mit jungen Sportlern fokussiert<br />
auf ein Ziel hin zu arbeiten – nur nicht unter diesen Bedingungen.<br />
Hinzu kam, dass ich meine Familie nicht hätte ernähren<br />
können“, so lautet Thorsten Ribbeckes persönliches Resümee. In<br />
der Konsequenz hängte der Absolvent der <strong>Deutsche</strong>n Sporthochschule<br />
in Köln, der sich anschließend nebenan an der Trainer-<br />
Akademie zum Diplom-Trainer ausbilden ließ, den geliebten Beruf<br />
an den Nagel. Er konnte sich dies leisten, weil seine Frau in den<br />
elterlichen Betrieb einstieg. Das Ergebnis für den Sport ist niederschmetternd.<br />
Wieder ging ein guter Mann von der Fahne.<br />
Der Aderlass soll ein Ende nehmen. Gut ausgebildete und<br />
engagierte junge Leute sollen in der Sportlandschaft eine<br />
berufliche Zukunft und ein anständiges, angemessenes Auskommen<br />
finden. Dafür will die neue Berufsorganisation mit<br />
ihren derzeit rund 40 Mitgliedern eintreten. „Wir repräsentieren<br />
nicht den kommerziellen Bereich, sondern die Trainer im olympischen<br />
Sport und von ihnen vor allem die hauptberuflich<br />
Tätigen“ unterstreicht Thorsten Ribbecke. Daneben gelte es,<br />
organisatorisch professioneller zu werden. Eine eigene Website<br />
– www.bvtds.de - wurde bereits frei geschaltet.<br />
Ohne Trainer keine Medaillen!<br />
Mit dem neuen Berufsverband hat der Wunsch nach einer<br />
gemeinsamen, starken Interessenvertretung einen wichtigen<br />
Impuls erhalten. Bisher galt der gewerkschaftliche Zusammenschluss<br />
bei dieser Berufsgruppe als unbekannte Größe. Unter<br />
anderem vermutlich deshalb, weil die wie natürlich zum Leistungssport<br />
gehörende Konkurrenz bislang bei den Trainern<br />
stärker ausgeprägt war als der solidarische Gedanke. Die frische<br />
Brise dürfte insbesondere der Dachverband zu spüren bekommen,<br />
dessen Präsidium kürzlich beschloss, im Laufe des Frühjahrs<br />
ein spezielles Experten-Gremium für die Themen der<br />
Trainer zu konstituieren. Obwohl der DOSB im bundesweiten<br />
29
großen Organigramm vom Nachwuchstrainer im Verein bis zum<br />
Cheftrainer für einen Fachverband nicht als Arbeitgeber figuriert,<br />
hat sich die Zentrale des Themas mit der „Trainer-Offensive“<br />
ausdrücklich und öffentlich angenommen. Ein halbes Jahr<br />
vor dem Zusammenschluss von <strong>Deutsche</strong>m Sportbund (DSB)<br />
und Nationalem <strong>Olympische</strong>m Komitee (NOK) zum DOSB am<br />
29.November 2005 vom Bundesvorstand Leistungssport aus der<br />
Taufe gehoben, geriet mit der so genannten Offensive jenes<br />
Personal verstärkt in den Blick, ohne das die Athleten im deutschen<br />
Leistungssportbetrieb buchstäblich hilflos wären. Ohne<br />
Trainer keine Medaillen!, so lautete das Motto beim Startschuss.<br />
„Unter dieser Prämisse ist es erforderlich, die gesellschaftliche<br />
Anerkennung des Trainerberufs deutlich zu erhöhen…Außerdem<br />
müssen die finanziellen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für den Trainerberuf verbessert werden. Schließlich ist<br />
die Traineraus- und -fortbildung zu optimieren, um vorhandene<br />
Wissensbestände zeitnah in die Trainingspraxis zu transferieren“,<br />
so lautet das vollmundige Credo, das vom neuen Dachverband<br />
nach dessen Gründung im Mai 2006 übernommen und spezifiziert<br />
wurde: Unter dem Stichwort „Das ist zu tun“ heißt es auf<br />
der Website: die stringente Vertretung der Traineroffensive<br />
durch den DOSB in all ihren Bereichen, die Prämierung der/des<br />
„DOSB-Trainerin/Trainers des Jahres“, die schrittweise Anpassung<br />
der Trainervergütung, die Einführung und Finanzierung eines<br />
Prämiensystems für die nächsten <strong>Olympische</strong>n Sommer- und<br />
Winterspiele, die Verbesserung der Stellung der Trainerakademie<br />
Köln des DOSB als die Ausbildungsstätte für Trainerinnen und<br />
Trainer im Spitzen- und Nachwuchsbereich.<br />
Unerfüllte Erwartungen und ein „rotes Tuch“<br />
Angesichts der oben genannten To-do-Liste sollte man meinen,<br />
die Kampagne werde von den Trainern lautstark begrüßt. Doch<br />
eher das Gegenteil scheint der Fall, wie Äußerungen von Betroffenen<br />
nahe legen. Unter der schönen Überschrift sind bei den<br />
Trainern große Erwartungen geweckt, aber nach mehr als sechs<br />
Jahren bis heute nicht erfüllt worden. Leichtathletik-Trainer<br />
Czingon nennt die Offensive „Wortgeklingel“, Rudertrainer Ralf<br />
Holtmeyer spricht von einem „semantisch aufgeladenen Begriff“.<br />
Wolfgang Killing, seit 2006 Leiter der DLV-Trainerschule in<br />
Mainz, bekräftigt die Ablehnung in der jüngsten <strong>Ausgabe</strong> der<br />
Zeitschrift „Leistungssport“: Einen spürbaren Ruck für diesen<br />
außerordentlich wichtigen Personenkreis im Sport habe es mit<br />
der „Trainer-Offensive“ bislang nicht gegeben, wird bilanziert.<br />
„Manche Indizien belegen sogar das Gegenteil.“<br />
Beispielsweise hätten sich die Versorgungsleistungen für die<br />
Trainer verschlechtert, seitdem die Fachverbände und nicht<br />
mehr der Dachverband als Arbeitgeber fungieren; beispielsweise<br />
seien die Einstiegsgehälter der heutigen Trainer auf Landesverbands-<br />
und OSP-Ebene niedrig und lägen laut Killing teilweise<br />
„nahe am Existenzminimum“. “Für viele Trainer ist diese Offensive<br />
eher ein rotes Tuch. Was da geschieht, verdient das Wort<br />
Offensive nicht“, sagt Harry Bähr. Zwar seien in seinem Beritt<br />
gerade die Verträge für alle der rund zwei Dutzend OSP-Trainer<br />
für eine weitere Olympiade bis 2016 verlängert worden. Aber<br />
30<br />
den BMI-Anteil an den Personalkosten habe der DOSB für den<br />
Standort Berlin gekürzt. Ausgleich dafür erhofft sich der OSP-<br />
Chef nun vom Land, falls es sich stärker an der Ko-Finanzierung<br />
beteiligt. Man sei darüber „im Gespräch“, sagt Bähr und er mag<br />
die neuesten Erfahrungen keineswegs als Aufbruchsignal für<br />
seine Angestellten interpretieren. „Wie man bei uns gut sehen<br />
kann, wird es im Gegenteil eher schlechter als besser.“<br />
An der DOSB-Spitze sind die Wahrnehmungen diametral entgegengesetzt.<br />
Stolz verkündet Leistungssport-Direktor Bernhard<br />
Schwank, die Gehälter für Trainer seien im vergangenen Olympia-Zyklus<br />
um 7,5 Prozent angehoben worden und bei den<br />
OSP-Trainern habe sich der Anteil des Bundes erhöht. Jährlich<br />
seien in den vergangenen fünf Jahren vom Bund 4,5 Millionen<br />
Euro mehr für Personalkosten bei den Trainern geflossen. Damit<br />
konnten an den Olympiastützpunkten und bei den Verbänden<br />
rund einhundert zusätzliche Trainerstellen geschaffen werden.<br />
Zudem gebe es seit den Winterspielen von 2010 ein Leistungsprämien-System<br />
für Trainer. Den Spitzenverbänden komme<br />
dabei der Part zu, die Vorschläge für die Verteilung der Prämien<br />
zu machen. Das Geld soll nämlich nicht nur Chef- oder Bundestrainern<br />
zugute kommen, sondern möglichst vielen Coaches, die<br />
einen olympischen Medaillengewinner auf dem Weg zu diesen<br />
Meriten begleitet haben. Nach Vancouver wurden dafür insgesamt<br />
661.500 Euro ausgeschüttet, nach den Sommerspielen<br />
2012 in London insgesamt 995.000 Euro. Rund 10.000 Euro<br />
erhält der seit 2006 alljährlich ausgezeichnete „Trainer des<br />
Jahres“, und rund 350.000 Euro flossen seit 2008 gezielt in die<br />
Fort- und Weiterbildung der Trainer.<br />
„Es hängt eben alles am Geld“<br />
Wenn die „Trainer-Offensive“ allerdings durchschlagenden<br />
Erfolg zeitigen soll, dann müsse Wolfgang Killing zufolge vor<br />
Infos zum Thema Trainer<br />
- Nach dem 12. Sportbericht der Bundesregierung für die<br />
Jahre 2006 bis 2009 arbeiteten im deutschen Spitzensport<br />
in diesem Zeitraum auf Bundesebene mehr als 700 Trainerinnen<br />
und Trainer in verschiedenen Anstellungsformen:<br />
240 Bundestrainer, 360 Honorar-Bundestrainer und 130<br />
mischfinanzierte Trainer an den Olympiastützpunkten. Diese<br />
Zahl hatte sich bis 2012 um weitere 54 hauptamtliche und<br />
40 mischfinanzierte Bundestrainer sowie zusätzliche Honorarbundestrainer<br />
auf insgesamt über 800 Stellen erhöht.<br />
- Auf Landesebene sind in den 16 Bundesländern derzeit<br />
etwas mehr als 3.000 Trainer (1.260 hauptamtlich und<br />
knapp 1.800 ehrenamtlich tätig) beschäftigt. Dafür steht<br />
ein Jahresetat von insgesamt ca. 30,5 Millionen Euro zur<br />
Verfügung, der aus Zuwendungen der Landessportbünde<br />
(ca. 65 Prozent), der Olympiastützpunkte (ca. 19 Prozent
allem die Rolle des DOSB im deutschen Sport hinterfragt<br />
werden. „Ist er Anwalt seiner Fachverbände und seiner Trainer?<br />
Oder ist er eine intermediäre, vermittelnde Instanz zwischen<br />
seinen Mitgliedern und der öffentlichen Hand?“ Oder anders:<br />
Will der Dachverband die Interessen der Trainer kämpferisch<br />
vertreten und energisch einfordern oder will er der Politik<br />
seine Wünsche weiterhin eher säuselnd darbringen? In welchem<br />
Ton auch immer, der Redebedarf zwischen dem organisierten<br />
Sport, dem BMI als wichtigstem staatlichen Förderer<br />
des Spitzensports sowie den Parlamenten ist enorm. „Denn die<br />
Nöte der Trainer sind weiterhin groß. Es hängt eben alles am<br />
Geld“, bekennt Bernhard Schwank aus der Frankfurter DOSB-<br />
Zentrale.<br />
Um dem Aderlass zu wehren und für den bevorstehenden<br />
Generationswechsel gewappnet zu sein, brauche es weitere<br />
finanzielle Zuwendungen für „personelle Anpassungen und<br />
finanzielle Absicherungen“. Es gelte, sowohl die Zahl der Trainer<br />
zu erhöhen und die „Personalstruktur zu ergänzen“ als auch<br />
„die Gehaltsstruktur weiter zu verbessern“. Wie groß der Bedarf<br />
an Pekuniärem ist, solle sich anschließend konkret aus den<br />
momentan laufenden Gesprächen mit den Spitzen der Verbände<br />
über die neuen Ziel- und Fördervereinbarungen bis zu den<br />
Spielen 2016 in Rio ableiten. Allein nach den ersten Verhandlungsrunden<br />
mit acht Verbänden habe sich herauskristallisiert,<br />
dass etwa 25 Trainerstellen zusätzlich gewünscht werden.<br />
Harry Bähr indes warnt eindringlich davor, das Personal zu<br />
vermehren, dabei die Qualität aufs Spiel zu setzen und so<br />
weitere Abwanderungen von fähigen Trainern zu riskieren. Das<br />
Hauptaugenmerk müsse zunächst einmal auf die Qualitätssicherung<br />
gelegt werden. „Was nützt es denn, wenn zusätzliche<br />
Trainerstellen geschaffen werden, aber die bestehenden weiterhin<br />
unterfinanziert sind und schlecht bezahlt werden? Dann<br />
und der Sport- bzw. Kultusministerien (ca. 16 Prozent)<br />
gedeckt wird.<br />
Bezogen auf Bundes- und Landesebene gehen Experten davon<br />
aus, dass mindestens 30 Prozent der vorhandenen Stellen auf<br />
Grund des altersbedingten Ausscheidens der bisherigen Stelleninhaber<br />
in den kommenden Jahren neu zu besetzen sind. In<br />
manchen Sportarten ist dieser Anteil noch höher.<br />
Auch auf Vereinsebene werden naturgemäß Trainerinnen und<br />
Trainer – oft ehren- und nebenamtlich – eingesetzt. Derzeit<br />
beschäftigen ca. 40 Prozent aller Sportvereine bezahlte Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter. Insgesamt geht man hier von<br />
240.000 bezahlten Stellen (zusammen mit Honorarkräften)<br />
aus. Das entspricht 36.000 vollzeitäquivalenten Stellen. Damit<br />
entspricht der arbeitsmarktpolitische Stellenwert der Sportvereine<br />
etwa dem kommerzieller Fitness-Studios. Etwa 35 Prozent<br />
der Vereine engagieren sich stark bzw. sehr stark im Bereich<br />
leistungssportlicher Talentförderung.<br />
kommen zu den schlecht bezahlten nur noch weitere schlecht<br />
bezahlte Trainer hinzu. Die Frustration ist schon jetzt groß<br />
genug.“<br />
Sonderregelung der Bundeswehr als Perspektive für Ex-<br />
Athleten<br />
Für ein kleines Grüppchen von insgesamt 50 Trainern indes<br />
dürfte die Welt in Ordnung sein. Es sind jene, die wie Boris<br />
Henry (Leichtathletik), Felix Michel (Kanuslalom), Mark Kirchner<br />
und Ricco Groß (Biathlon) oder wie André Lange, Christoph<br />
Langen (Bobsport), Georg Hackl (Rennrodeln), Ronny Ackermann<br />
(Nordische Kombination), René Sommerfeldt (Skilanglauf)<br />
oder René Lohse (Eiskunstlauf) bei der Bundeswehr angestellt<br />
sind. Für dieses Kontingent, in der Hauptsache zur „Anschluss-<br />
Verwendung“ für ehemalige Bundeswehr-Sportler gedacht,<br />
wurde vor drei Jahren eigens eine grundsätzliche Sonderregelung<br />
geschaffen. „Seitdem ist es möglich, dass man neben der<br />
Trainerlaufbahn als Soldat auf Zeit auch jenseits des 30.oder<br />
35.Lebensjahres noch in die Laufbahn eines Berufssoldaten<br />
wechseln darf. Das war vorher unmöglich, und das ist eine<br />
einmalige Ausnahme nur für ehemalige Spitzensportler“, schildert<br />
Andreas Hahn, der zuständige Spitzensportreferent vom<br />
Kommando Streitkräftebasis, die Sonderregelung. Infrage kommen<br />
für eine solche unbefristete Stelle mit maximaler und von<br />
vielen Berufskollegen sicher beneideter sozialer Absicherung nur<br />
ehemalige Aktive, die ein Diplom von der Trainer-Akademie<br />
mitbringen und von ihrem jeweiligen Spitzenverband für eine<br />
berufliche Zukunft im Segment „Bundesaufgaben“ betraut<br />
werden. Mit Ausnahme der Fußballer, Golfspieler und Sportarten<br />
wie Rugby, Eishockey oder Tennis kommen bisher nahezu<br />
alle olympischen Verbände in den Genuss dieses sehr speziellen<br />
Trainer-Pools mit Bundeswehr-Status.<br />
„Die Voraussetzung ist eine dauerhafte Perspektive als Bundestrainer.<br />
Wir wollen ja mit diesem Konzept eine möglichst große<br />
Wirkung erreichen“, sagt Andreas Hahn und schlägt damit den<br />
Bogen zur professionellen Vorarbeit bei den Fachverbänden.<br />
„Eine solche Stelle zu beantragen, setzt perspektivische Personalplanung<br />
voraus. Wir wollen ja keinen von diesen Trainern<br />
vorzeitig irgendwohin in die Truppe versetzen, weil er keine<br />
Bundesaufgaben mehr zu erfüllen hat.“ Wenngleich der natürliche<br />
Wunsch von Seiten des Sports verständlich sei, die Zahl<br />
dieser bestens abgesicherten und gut dotierten Stellen vielleicht<br />
noch ein wenig auszudehnen, werde es bei dieser Obergrenze<br />
von 50 bleiben. So sei es mit dem DOSB vereinbart, zumal diese<br />
Trainerplanstellen zum Gesamtkontingent der Bundeswehr-<br />
Sportförderung mit maximal 744 Förderplätzen gehören. Das<br />
heißt konkret: Jeder Verband, der einen Trainer bei der Bundeswehr<br />
unterbringen will, muss dafür im Gegenzug auf einen<br />
Platz für einen Athleten in einer der Sportfördergruppen der<br />
Bundeswehr verzichten. „Für uns ist diese Sonderregelung eine<br />
Superlösung“, freut sich Bernhard Schwank über die Möglichkeit,<br />
die vornehmlich erfolgreichen Sportlern den Weg zum<br />
Umstieg ebnet. Von Bedingungen wie bei der Bundeswehr<br />
können die meisten der anderen Trainer nur träumen.<br />
31
Sie nennen es Sport<br />
E<br />
in Mensch lässt sich von einem Ballon in eine Höhe<br />
von 39 Kilometern tragen und springt im freien Fall<br />
zurück auf die Erde. Bei seinem Fall durchbricht er die<br />
Schallmauer und nicht zuletzt deshalb wird seine Handlung<br />
als etwas Einmaliges gedeutet. Nahezu die gesamte<br />
Welt ist bei diesem Spektakel dabei. Mit einer Zahl, die sich<br />
durch viele Nullen ausweist, könnte die genaue Zahl der<br />
Menschen benannt werden, die im Internet, in einem<br />
Spezialkanal des Sponsors oder vor nahezu allen sonstigen<br />
Bildschirmen dieser Welt das spektakuläre Ereignis verfolgt<br />
haben. Es gibt wohl keine Tageszeitung, in der nicht darüber<br />
berichtet worden wäre. Interessant ist dabei allerdings,<br />
dass über dieses Ereignis meist an mehreren Stellen gleichzeitig<br />
in den Zeitungen berichtet wurde.<br />
Auf der Titelseite hatte das Spektakel Platz, weil es ein<br />
Spektakel war. Im Feuilleton setzten sich Philosophen,<br />
Soziologen und andere Wissenschaftler mit dem Phänomen<br />
des risikoreichen Sprunges auseinander. Im Wirt-<br />
schaftsteil wurde die Marketingbedeutung des Ereignisses<br />
herausgestellt und die Marke erläutert, um die es bei<br />
diesem Ereignis im Grunde genommen gegangen ist.<br />
Schließlich wurde im Sportteil über das Event berichtet. In<br />
Tabellen und Grafiken wurde die besondere Leistung<br />
herausgestellt und erläutert. Der Verband der Fallschirm-<br />
32<br />
springer gratulierte seinem angeblichen oder tatsächlichen<br />
Mitglied, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass<br />
der Springer von Beruf Hubschrauberpilot ist. Und nicht<br />
zuletzt soll nun der angebliche neue Held zum UNESCO-<br />
Botschafter ernannt werden, somit also Vorbild für die<br />
Jugend sein. Die als außergewöhnliche sportliche Leistung<br />
bezeichnete Handlung wurde dabei in der Sprache des<br />
Sports beschrieben. Jahrelanges Training, Überwindung<br />
von Rekorden, das Erreichen von neuen Weltrekorden, die<br />
körperliche und physische Leistung des Athleten, sie alle<br />
wurden in einer Bewunderung dargestellt, wie sie so<br />
typisch ist für die Sprache des Sports. Auffällig allerdings<br />
war dabei, dass, weder im Feuilleton noch im Sportteil,<br />
weder im Hörfunk noch im Fernsehen, die Frage nach dem<br />
Sinn dieser Handlung gestellt wurde, wobei doch diese<br />
Frage auf vielfältige Weise gestellt werden kann. Sind für<br />
den Menschen solche Handlungen überhaupt erlaubt?<br />
Was wird durch solche Handlungen zur Darstellung<br />
gebracht? Kann ein derartiger Sprung wirklich als Sport<br />
gedeutet werden? Hat diese Handlung einen Vorbildcharakter?<br />
Bei dem Sprung aus 39 Kilometern Höhe hat ein<br />
Mensch ohne Zweifel sein Leben zur Disposition<br />
gestellt. Es bestand ein tödliches Risiko, das von<br />
dem Betroffenen freiwillig eingegangen wurde,<br />
wobei sich Freiwilligkeit oft auch dadurch auszeichnet,<br />
dass man selbst ein Getriebener ist und<br />
materielle und ideelle Motive bei solchen Handlungen<br />
wohl nur schwer auseinander zu halten<br />
sind. Die hier aufgeworfenen Fragen hätten ihre<br />
theoretische und spekulative Qualität dann<br />
sofort verloren, wenn der Absprung tödlich<br />
ausgegangen wäre. Dieselben Autoren, die in<br />
ihrer Berichterstattung die Tat des Einzelmenschen<br />
verherrlicht haben, hätten mit dem gleichen<br />
Impetus dessen Tat in Frage gestellt. Theologische<br />
Erörterungen, philosophisch-ethische<br />
Diskurse bis hin zu Forderungen an die Politik<br />
wären die Folge gewesen. Einhellig wäre der<br />
Sprung verurteilt worden, wobei es vielsagend<br />
ist, dass sich unter ökonomischen Gesichtspunkten<br />
und unter dem Aspekt des Marketings bei<br />
einem tödlichen Ausgang so gut wie nichts<br />
verändert hätte. Das Live-Ereignis hatte seinen<br />
besonderen Sinn immer auch darin gehabt, dass<br />
es tödlich ausgehen kann. Die tödliche Gefahr,<br />
das Risiko macht den eigentlichen Spannungswert<br />
dieses Events aus und so ist für den Unternehmer, der<br />
der Welt eine Brause verkauft, die niemand benötigt, und<br />
die auf diese Weise zu einem Verkaufserfolg gelangt, der<br />
seinesgleichen sucht, die Frage des Ausgangs nur sekundär.<br />
Da die handelnde Person unmittelbar nach dem Sprung<br />
das Ende der Karriere bekannt gab, hätte ein tödlicher
Ausgang zum gleichen Werbewert geführt, wie das von<br />
uns allen erwünschte Überleben des riskanten Springers.<br />
Damit wird allerdings klar, dass es keinen Sinn macht, bei<br />
dieser fragwürdigen Handlung von einer Handlung des<br />
Sports zu sprechen. Schon gar nicht kann diese Handlung<br />
als Wettkampfsport bezeichnet werden, und mit dem<br />
olympischen Sport hat sie nichts gemein. Für den olympischen<br />
Sport ist es nicht nur konstitutiv, dass für die olympischen<br />
Sportarten die Regeln schriftlich niedergelegt sind,<br />
nach denen sie zu spielen oder zu betreiben sind. Konstitutiv<br />
sind auch verbindliche Werte, wobei die Werte der<br />
Unversehrtheit und der Würde des Menschen höchste<br />
Priorität haben. Genau diese Werte werden jedoch mit<br />
dem spektakulären Sprung in Frage gestellt. Im Sinne eines<br />
Spektakels wird mit ihnen gespielt, was sich ethisch und<br />
moralisch von selbst verbietet. Dem Menschen sind durchaus<br />
Grenzen gesetzt. Diese zu beachten macht für uns<br />
nach wie vor sehr viel Sinn.<br />
Helmut Digel<br />
Der Unterschied heißt Schormann<br />
"<br />
hne Olympia könnte der Moderne Fünfkampf nicht<br />
O überleben. Schicken Sie ihn nicht in das <strong>Olympische</strong><br />
Museum.“ Klaus Schormann hat diesen flammenden Appell<br />
2002 in Mexiko-Stadt an die IOC-Vollversammlung gerichtet.<br />
Und siehe da, der Moderne Fünfkampf überlebte, und<br />
das nun mit Bestimmtheit bis zu den Sommerspielen 2020.<br />
Denn der Pädagoge aus Darmstadt hat nun auch den<br />
jüngsten Überlebenskampf seiner Sportart mit Bravour<br />
bestanden. Und wieder hatte er sich mit Pathos gewappnet.<br />
„Wenn man uns aus Olympia entfernt, dann zerstört<br />
man das Vermächtnis von Pierre de Coubertin.“ Für den<br />
Präsidenten des Internationalen Verbandes für Modernen<br />
Fünfkampf (UIPM) wäre es ein Sakrileg gewesen, hätte die<br />
IOC-Exekutive ausgerechnet im Jahr des 150. Geburtstags<br />
von Baron de Coubertin jene Sportart selektiert, die der<br />
französische Neubegründer <strong>Olympische</strong>r Spiele als Inbegriff<br />
des Olympismus bezeichnet hatte.<br />
Am Erstaunlichsten ist, dass mit Ringen nun eine Sportart<br />
zur Disposition steht, die ihre Wurzeln bereits in der olympischen<br />
Antike geschlagen hat und viel weiter verbreitet<br />
ist als der Moderne Fünfkampf. Doch den Unterschied<br />
macht Schormann aus. Der rührige Hesse hat seinen<br />
Sport, den er seit 1984 national und seit 1993 international<br />
anführt, so modernisiert, dass der alte Moderne Fünfkampf<br />
kaum wiederzuerkennen ist. Aus dem Fünf-Tage-<br />
Wettbewerb aus Fechten, Schwimmen, Reiten, Schießen<br />
und Laufen ist seit den <strong>Olympische</strong>n Spielen 1984 in Los<br />
KOMMENTARE<br />
Angeles ein Vier-Tage-Event geworden. Seit 1996 in Atlanta<br />
sind die Wettkämpfe gar auf einen Tag konzentriert. Bei<br />
den Spielen im vergangenen Jahr in London hat Schormann<br />
Laufen und Schießen nach Biathlon-Vorbild zu einer<br />
Disziplin verschmolzen, geschossen wurde erstmals aus<br />
Laser-Pistolen. Und gerade noch rechtzeitig vor der Entscheidung<br />
der IOC-Exekutive hatte Schormann in der<br />
ungewöhnlichen Form eines „Offenen Briefes“ nicht ganz<br />
unbescheiden eine „revolutionäre Innovation“ angekündigt.<br />
Sie kam in den Zahlen 5, 5, 1, 1 daher: fünf Diziplinen in<br />
fünf Stunden mit einem Ticket für einen Sitzplatz. So soll<br />
es geschehen 2016 in Rio de Janeiro in einem Fußball-<br />
Stadion, das dann kostengünstig für einen Tag in ein<br />
„Pentathlon-Stadion“ verwandelt werden soll. Verglichen<br />
damit wirkt Ringen wie eine Sportart im Tiefschlaf.<br />
Der vergleichsweise wenig verbreitete Moderne Fünfkampf<br />
hat das Glück, nicht nur einen innovativen, sondern auch<br />
einen ausgezeichneten Lobbyisten als Anführer zu haben.<br />
Als einen seiner Stellvertreter im Weltverband holte sich<br />
Schormann das spanische IOC-Mitglied Juan Antonio<br />
Samaranch jr., dessen Präsidenten-Vater den Modernen<br />
Fünfkampf wie Nachfolger Jacques Rogge später auch auf<br />
die Abschussliste gesetzt hatte. Insgesamt 21 Exekutivkomitee-Mitglieder<br />
sorgen für globalen Einfluss. Der grie-<br />
33
chische Ex-König Konstantin, noch Ehrenmitglied des IOC,<br />
firmiert offiziell als „Patron“ und Prinz Albert II. von<br />
Monaco als Ehrenpräsident. Nicht zufällig hat Schormann<br />
sein internationales Hauptquartier im dortigen Steuerparadies<br />
aufgeschlagen. Um die Kosten muss er sich nun<br />
auch auf längere Sicht nicht sorgen. Die London-Spiele<br />
werfen für seinen Verband eine IOC-Rendite von knapp 13<br />
Millionen Dollar ab, und die Zahltage sind bis nach den<br />
Spielen 2020 nun auch gesichert. Schormanns olympisches<br />
Glück wäre vollkommen, wenn er doch noch in den<br />
IOC-Olymp aufsteigen könnte. Doch das wird dem 66-<br />
Jährigen, der als einziger <strong>Deutsche</strong>r einem der 28 olympischen<br />
Sommersport-Verbände vorsteht, weiter verwehrt<br />
bleiben.<br />
Günter Deister<br />
Rhetorik ohne Fundament<br />
W<br />
o ist sie geblieben, die angekündigte Generalrevision?<br />
Wo ist es zu hören, das große Aufbruchsignal<br />
im und für den deutschen Spitzensport? Bei der jüngsten<br />
Vollversammlung des DOSB dominierte der Festakt zum<br />
100. Geburtstag des <strong>Deutsche</strong>n Sportabzeichens. Versteckt<br />
auf der Website des Dachverbandes, existiert inzwischen<br />
immerhin der Torso einer olympischen Analyse inklusive<br />
manch zahmer Handlungsempfehlung. Ob Präsident Thomas<br />
Bach ein solch eher halbgares Stückwerk meinte, als<br />
er im vorigen Jahr ankündigte, nach den Spielen von<br />
34<br />
London das Leistungssportsystem<br />
mit Mann und Maus gründlich auf<br />
den Prüfstand zu stellen?<br />
Vielleicht erfüllt sich diese Prophezeiung,<br />
sobald jetzt im Frühjahr<br />
zwischen DOSB und seinen 28 olympischen<br />
Spitzenverbänden die<br />
nächsten Ziel- respektive Förder-<br />
Vereinbarungen für die Phase bis zu<br />
den Sommerspielen 2016 in Rio<br />
unterschrieben sein werden. In dem<br />
neuen Vertragswerk sollte dann<br />
offen und bündig zutage treten,<br />
wohin die Reise geht und wie das<br />
Gepäck beschaffen sein wird.<br />
Erstaunlich immerhin, dass der<br />
große Stratege schon vor der großen<br />
Zusammenschau und Vorlage eines<br />
Strategiepapiers pekuniäre Forderungen<br />
laut werden ließ. Das Bundesministerium<br />
des Innern solle den Leistungssport-Etat für die<br />
nächsten vier Jahre um insgesamt 25 Millionen Euro aufstocken,<br />
damit Deutschland in drei Jahren die Bilanz am<br />
Zuckerhut nicht gründlich versalzen wird. Diese Summe, so<br />
Bach, , von dem spätestens im Juni erwartet wird, dass er<br />
seine Bewerbung um das Amt des IOC-Präsidenten offiziell<br />
kundtut, seien das Minimum, damit „Team Germany“<br />
sommers im internationalen Ranking unter den Top Ten<br />
zumindest noch einen Mittelplatz zu behaupten vermag.<br />
Verglichen mit 135 Millionen Euro und 540 Millionen Euro,<br />
die allein in diesem Jahr bzw. in den kommenden Jahren<br />
bis 2016 vom BMI fließen, ist das pekuniäre Verlangen in<br />
der Tat nicht vermessen. Der gewünschte Zuwachs beläuft<br />
sich auf nicht einmal fünf Prozent. So relativ niedlich die<br />
Summe ist, dürfte sie schon bald über ihre numerische<br />
Größe hinauswachsen und zur Goldprobe für die Bundesrepublik<br />
und ihr Verhältnis zum Hochleistungssport mutieren.<br />
Wird das Geld bewilligt, wäre das ein unzweideutiges<br />
Bekenntnis der Bundespolitik. Wird das Geld in dieser<br />
Dimension verwehrt, so wäre das eine ebenfalls eindeutige<br />
bundespolitische Positionierung - nach den Worten von<br />
DOSB-Leistungssport-Direktor Bernhard Schwank mit<br />
„einschneidenden und dramatischen Folgen für den deutschen<br />
Spitzensport“.<br />
Wohin sich die Waage neigt, ist vorerst offen. In einer<br />
ersten ministeriellen Reaktion hieß es eher schroff, der<br />
Sport solle besser optimieren und auf Effizienz setzen statt<br />
nach mehr Penunze zu rufen. Die prompte Abwehrreaktion
aus dem Hause Friedrich kann nicht<br />
überraschen. Schließlich hat der organisierte<br />
Sport noch nicht einmal en Detail<br />
aufgelistet, wofür der erweiterte finanzielle<br />
Spielraum genutzt werden soll. Gut<br />
fünf Millionen Euro würden das Institut<br />
für Angewandte Trainingswissenschaft<br />
(IAT) in Leipzig und die Forschungsstelle<br />
zur Entwicklung von Sportgeräten (FES)<br />
in Berlin künftig gern mehr haben, so<br />
steht es in deren Zukunftskonzept. Wohin<br />
die anderen knapp 20 Millionen Euro<br />
fließen sollen? Die präzise Antwort blieb<br />
der Dachverband bislang schuldig.<br />
Der DOSB ist ohne abschließendes und<br />
schlüssiges Zukunfts-Konzept zunächst<br />
einmal vorgeprescht. Dies erinnert an die<br />
Vorgehensweise bei der Trainer-Offensive.<br />
Sie wurde Ende 2005 losgetreten, ohne<br />
dem Ansinnen eine präzise Analyse und<br />
eine überzeugende Konzeption vorzuschalten.<br />
Wie viele Trainer sind wo und in welchen sozialen<br />
Verhältnissen hierzulande im Leistungssport-System<br />
tätig? Bis heute sind keine aktuellen Erhebungen bekannt,<br />
die Struktur, soziale Lage, Alterspyramide und Einkommensverhältnisse<br />
sämtlicher Trainer auf den verschiedenen<br />
Ebenen exakt verifizieren.<br />
Damit fehlt die entscheidende Grundlage, um und den<br />
tatsächlichen Handlungsbedarf für jedermann verständlich<br />
und nachvollziehbar darzustellen. Runde Summen in den<br />
Raum zu stellen, das mag für den Augenblick schön klingen,<br />
forsch und offensiv wirken. Über den kurzen rhetorischen<br />
Moment hinaus sind Regierungen und Parlamente in<br />
Bund und Ländern als Geldgeber nur mit belastbarem<br />
Tatsachenmaterial zu überzeugen. Das gilt für Trainer und<br />
deren finanzielle Ausstattung genauso wie für den Sportbetrieb<br />
insgesamt.<br />
Andreas Müller<br />
In Absurdistan<br />
Z<br />
u viele Kinder und Jugendliche sind zu dick, zu faul,<br />
von der Bewegungs-Unlust infiziert, weil Fernsehen<br />
und Computerspiele weniger anstrengendes Freizeit-<br />
Vergnügen versprechen. Nimmt man dann noch die ebenso<br />
weit verbreiteten wie fehlgesteuerten Ernährungsvorlieben<br />
und den leichtfertigen Tablettenkonsum hinzu, dann ergibt<br />
sich eine volksgesundheitliche Gemengelage von höchster<br />
Brisanz.<br />
KOMMENTARE<br />
Wissenschaftliche Untersuchungen, Umfragen, fachspezifische<br />
Erhebungen und Langzeitstudien bestätigen mit ihren<br />
Ergebnissen in hektischer Folge die Dramatik der Situation.<br />
Dass Kindergarten und Schule mit den unzureichenden<br />
Möglichkeiten der Gegensteuerung auf Dauer überfordert<br />
sind, predigt die Wissenschaft ohnehin schon seit Jahren.<br />
Und dann fehlen zur Bewegungs-Animation gerade in<br />
Städten und Ballungszentren auch noch Spiel- und Sportplätze,<br />
Freiflächen oder Anlagen für unkompliziertes sportliches<br />
Miteinander.<br />
Genügend Gründe also für eine Abwärtsspirale der körperlichen<br />
Untätigkeit. Dazu kommt, man mag es kaum glauben,<br />
auch immer noch ein Problembereich, der längst<br />
bewältigt und durch Gerichtsbeschlüsse im Sinne des<br />
gesunden Menschenverstands abgehakt schien. Neuerdings<br />
drohen durch die sich ausweitende Wohnbebauung in<br />
Großstädten - Beispiel Berlin - wieder Konflikte durch die<br />
Betriebsamkeit auf bestehenden Sportanlagen. Wo Menschen<br />
wohnen wird die Nachbarschaft zum fröhlichen<br />
sportlichen Treiben zunehmend als Lärmbelästigung empfunden.<br />
Man klagt Ruhe ein, die nicht nur gesundheitspolitisch<br />
mehr als trügerisch ist.<br />
Eine <strong>Gesellschaft</strong> also, die das Inferno von Flug-, Verkehrsund<br />
Industrielärm als Selbstverständlichkeit betrachtet, die<br />
sich in ihrem Unterhaltungs-Bedürfnis geradezu pausenlos<br />
zudröhnen lässt von den elektronischen Errungenschaften<br />
der Freizeit -Industrie, will die Geräuschkulisse sporttreibender<br />
Menschen nicht ertragen. Bleibt als Gesamtfazit<br />
der Achterbahnfahrt durch die Bewegungslandschaft: Das<br />
alles kann nur in Absurdistan sein.<br />
Harald Pieper<br />
35
Mit dem Sport zurück ins Leben<br />
Die unglaubliche Franziska Liebhardt-Story<br />
Von Michael Gernandt<br />
F<br />
ranziska Liebhardt (30) kann sich noch genau an jede<br />
einzelne Phase des Niedergangs ihrer Gesundheit<br />
erinnern, an dessen Ende eine entsetzliche Gewissheit<br />
stand: akute Lebensgefahr. Bereits belastet von einer systemischen<br />
Autoimmunerkrankung diagnostizierten Ärzte 2006<br />
eine vermutlich schon länger existierende Leberfibrose. Bis<br />
2007, sagt sie heute, habe sie gleichwohl „noch ein relativ<br />
normales Leben“ führen können. Aber dann 2008: die Leidenszeit<br />
ist nicht mehr anzuhalten, ihre Rhythmen werden<br />
von Mal zu Mal kürzer. Den körperlichen Zerfall schildert sie<br />
so: „Ich brauchte 24 Stunden pro Tag Sauerstoff, konnte erst<br />
nicht mehr Treppensteigen, dann nicht mehr in der Ebene<br />
gehen, dann gar nicht mehr gehen, dann nicht mehr stehen,<br />
sitzen, nicht mehr essen, nicht mehr sprechen. Die letzten<br />
Wochen lag ich auf der Intensivstation, maschinelle Beatmung<br />
– Lebensgefahr.“<br />
Im „hochdringlichen Status“ gelistet erhält die Würzburgerin<br />
nach nur drei Monaten Wartezeit eine Spenderlunge. Die<br />
Transplantation im April 2009: Sie gelingt. Nach drei Wochen:<br />
erstes Rehatraining auf dem Fahrradergometer. Nach sechs<br />
Monaten: Start zu einem leistungsorientierten Leichtathletiktraining.<br />
Im Sommer 2010: Franziska Liebhardt erringt bei den<br />
Europa-Spielen der Transplantierten in Dublin drei goldene<br />
Medaillen in der Leichtathletik. Wieder ein Jahr weiter im<br />
Kalender empfängt sie die Mail eines der sie behandelnden<br />
Ärzte. Sie liest: „Die allerherzlichsten Glückwünsche zu dieser<br />
herausragenden Leistung. Ein toller Erfolg als Leistungssportlerin,<br />
ein unfassbares Ergebnis für eine Lungentransplantierte<br />
und gleichzeitig Hoffnung für all jene, die noch vor der<br />
Operation stehen, auf das, was möglich ist. Keep on going!“<br />
Ausgelöst hatten die Eloge des Mediziners, die sie noch heute<br />
stolz macht, drei Goldmedaillen über 100 Meter, im Weitsprung<br />
und im Kugelstoßen bei den World Transplant Games<br />
in Göteborg: Franziska Liebhardt war Weltmeisterin geworden<br />
– ein Erfolg, der ein Triumph über den Tod ist.<br />
Dass die Nachricht vom Dreifach-Gold für eine deutsche<br />
Leichtathletin nicht hinaus gegangen ist in die weite Welt des<br />
Sports, nicht in bewegten Bildern die Tagesschau schmückte,<br />
damit hat es eine besondere Bewandtnis. Handelt es sich<br />
doch um eine wirklich bizarre Geschichte: dazu angetan, die<br />
36<br />
Kompliziertheit des Behindertensports zu beschreiben. Franziska<br />
Liebhardt, Kinderphysiotherapeutin in der Ambulanz für<br />
entwicklungsauffälige Kinder am Würzburger Sozialpädiatrischen<br />
Zentrum und vor der Lungenerkrankung Volleyballerin<br />
in der Bayernliga, ist Mitglied in zwei nationalen Verbänden<br />
für behinderte Sportler, dem Verein TransDia und dem <strong>Deutsche</strong>n<br />
Behinderten-Sportverband (DBS). Während man den<br />
DBS als allgemein bekannt einstufen kann, vor allem weil nur<br />
über ihn der Weg zu den sehr populär gewordenen Paralympics<br />
führt, mangelt es TransDia an öffentlicher Aufmerksamkeit.<br />
1982 als <strong>Deutsche</strong>r Sportverein für Nierentransplantierte<br />
(DSN) gegründet und 15 Jahre später mit dem Ziel, auch<br />
Nicht-Nierenpatienten zum Beitritt zu bewegen, umbenannt<br />
in <strong>Deutsche</strong> Sportvereinigung für Organtransplantierte<br />
(DSVO), wurde der Name 2005 noch mal korrigiert: TransDia.<br />
In diesem Kürzel finden sich nun auch die Dialysepatienten<br />
wieder. Die Transformationen belegen die Mühsal der Suche<br />
nach einem gängigen Etikett.<br />
Der nahe liegende Versuch von TransDia, unter dem Dach des<br />
DBS unterzustehen und so der Anonymität zu entkommen,<br />
scheiterte. Ein Beitritt kam bisher nicht zustande. Dass der<br />
DBS der anderen Organisation die kalte Schulter zeigt, vermutet<br />
Franziska Liebhardt, könnte daran liegen, dass „Trans-<br />
Dia andere Ziele verfolgt als der Behindertensportverband“.<br />
„Da ich jetzt den direkten Vergleich habe, sehe ich, dass es bei<br />
TransDia nicht primär um Leistung geht. Sondern darum, das<br />
Thema Organspende positiv in die Öffentlichkeit zu tragen<br />
und die Organspender zu Bewegung und Sport zu motivieren,<br />
um eine möglichst lange Organgesundheit bei den Leuten zu<br />
erreichen.“ Ergänzend heißt es bei TransDia: „Nicht zuletzt<br />
durch unsere eigenen positiven Erfahrungen wollen wir die<br />
Akteure im Gesundheitswesen dazu bewegen, regelmäßige<br />
körperliche Aktivität sowohl für Dialysepatienten wie auch<br />
Transplantierte in ihre Betreuungskonzepte zu integrieren.“<br />
TransDia bietet an: Sportseminare, Trainingswochenenden,<br />
Reha-Sportfeste, die Radtour „Pro Organspende“.<br />
Zeiten und Weiten, sagt Liebhardt, spielen bei TransDia keine<br />
Rolle, entsprechend niedrig sei das Leistungsniveau im Verhältnis<br />
zu den Wettbewerben der Körperbehinderten. Dort<br />
werde man mehr gefordert. „Trainingsangebote und das
Drumherum sind wesentlich professioneller organisiert.“<br />
Liebhardt erkannte: „Beim DBS geht es um Spitzensport, nicht<br />
um Werbung für eine gute Sache.“ Sie dagegen sucht Erfüllung,<br />
„die über den normalen sportlichen Erfolg hinaus geht.<br />
Es macht mich glücklich, sportlich aktiv sein zu können, weil<br />
es Zeiten gab, wo ich daran nicht mehr glauben wollte“. Sie<br />
ist überzeugt, dass der Sport ihre Reha beschleunigt hat:<br />
„Insgesamt sechs Wochen nach der OP war ich wieder zu<br />
Hause, wesentlich früher als die meisten anderen unter<br />
diesen Umständen.“<br />
Wichtig ist allein die Möglichkeit einer Teilnahme am sportlichen<br />
Wettkampf, sagte sie. „Erfüllung würde ich wohl auch<br />
empfinden, wenn ich Zehnte oder Zwölfte meiner Disziplin<br />
wäre, eine Medaille ist nur das I-Tüpfelchen.“ Bei Veranstaltungen<br />
der eher sozial- denn leistungsorientierten TransDia<br />
werde man, so ihr Eindruck, im Erfolgsfall „zwar bewundert,<br />
aber manchmal auch belächelt“. Das stört Franziska Liebhardt.<br />
Sie will mit ihrem Sport, der ihr den Weg zurück ins Leben<br />
ebnete, ernst genommen werden. Deshalb kämpfte sie darum,<br />
auch bei den Körperbehinderten starten zu dürfen. „Hier habe<br />
ich dieses Gefühl nicht.“<br />
Dafür stößt sie dort auf ein Handicap: Der DBS lässt Transplantierte<br />
nicht als Transplantierte starten, er führt keine Klasse für<br />
Sportler mit Organdefekten, sondern steckt Liebhardt in die<br />
Gruppe der „allgemein Behinderten“, zu der die Klasse der<br />
Cerebralparetiker mit geringfügiger Beeinträchtigung gehört,<br />
geheimnisvoll TF 38 genannt. Die Würzburgerin ist wegen<br />
neurologischer Probleme, die während ihrer Grunderkrankung<br />
(Autoimmunerkrankung) zu einer leichten Halbseitenlähmung<br />
führten, startberechtigt in TF 38. Wie verschroben die Klassifizierung<br />
im Behindertensport ist (bei TransDia wird nur nach<br />
Alter, nicht nach Spenderorganen<br />
unterschieden), lässt<br />
sich gut mit einer Frage wie<br />
dieser belegen: Könnte das<br />
DBS-Mitglied Liebhardt, die<br />
im Besitz eines Schwerbehindertenausweises<br />
mit einem<br />
GdB (Grad der Behinderung)<br />
von 100 Prozent ist, bei den<br />
Paralympics starten? Nein,<br />
kann sie nicht, ihre DBS-<br />
Klasse „allgemein Behinderte“<br />
existiert international nicht.<br />
Schade eigentlich, Liebhardt<br />
traut sich nämlich zu, die<br />
Qualifikationsnormen für die<br />
Paralympics zu erfüllen: „Sie<br />
liegen in einem für mich<br />
theoretisch durchaus erreichbaren<br />
Bereich. Aber dafür<br />
müsste ich bis zu den nächsten<br />
Paralympics fit und voll<br />
trainingsfähig bleiben. Wären sie schon diesen Sommer, hätte<br />
ich schon eine Qualifikationschance.“<br />
Im Sommer finden allerdings „nur“ wieder die World Transplant<br />
Games (WTG) statt, diesmal im südafrikanischen Durban.<br />
Dort hat Liebhardt drei Titel zu verteidigen. Diese Aufgabe<br />
ist ihr einige Anstrengungen wert, finanziell - TransDia<br />
nimmt den Sportlern nicht alle Südafrikakosten ab – und<br />
sportlich. Mit Staunen und Respekt registriert man, welche<br />
Trainingsbelastungen die zweimal transplantierte Würzburger<br />
Sportlerin auf sich nimmt (Liebhardt wurde 2012 eine Niere<br />
ihres Vaters übertragen /Anm.d.Autors) – neben den beruflichen<br />
Anforderungen und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als<br />
Rettungshundeführerin beim Roten Kreuz: im Winter dreimal<br />
wöchentlich disziplinspezifisches Üben mit Trainer nach den<br />
Plänen des Münchner Sportmediziners Prof. Martin Halle<br />
(„Ohne ihn wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt stehe“, sagt<br />
Liebhardt), vier bis fünf Einheiten im Sommer, zusätzlich<br />
sechsmal pro Woche Ausdauer und dreimal Krafttraining, „mit<br />
Trainingspartnern, die alle gesund sind“. Um die Fitness zu<br />
erlangen, die sie vor den Transplantationen mit wesentlich<br />
Weniger hätte erreichen können, sei der Aufwand auch<br />
wegen der Einnahme von Medikamenten nun höher.<br />
„Mein physischer Zustand“, sagt die Schwerbeschädigte, „ist<br />
entsprechend gut – der psychisch-emotionale ebenfalls.“<br />
Letzteren Bereich ihrer Befindlichkeit zu interpretieren, scheut<br />
sich Franziska Liebhardt nicht: „Ich bin mir bewusst, dass ich<br />
nicht ewig leben kann, aber ich erlebe diese Wirklichkeit nicht<br />
als Bedrohung. Ich lebe mein Leben heute und von Tag zu<br />
Tag, mache keine langfristigen Pläne und komme so gut klar,<br />
ohne mir täglich Gedanken machen zu müssen, was vielleicht<br />
morgen ist.“<br />
37
Familiensport – Ein soziales Kraftfeld in<br />
J<br />
ede soziale Gruppe ist von der Struktur der <strong>Gesellschaft</strong><br />
und deren jeweiligem Wandel geprägt, der in dieser<br />
<strong>Gesellschaft</strong> stattfindet. So hat auch die Familie in<br />
unserer Zeit Spuren des gesellschaftlichen Wandels über sich<br />
ergehen lassen müssen, die zu neuen Formen des familiären<br />
Zusammenseins geführt haben bis hin zur kleinsten Einheit von<br />
Alleinerziehenden mit ein oder mehreren Kindern. Hinzu treten<br />
Familien von Migranten mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen<br />
von Familienstrukturen und Wertorientierungen, die in<br />
anderen Kulturkreisen als der unseren ihre Wurzel haben.<br />
Die moderne Kleinfamilie des Industrie- und Verwaltungszeitalters<br />
hat gegenüber der Großfamilie früherer Agrargesellschaften<br />
eine Reihe von Funktionen verloren, einige geändert<br />
und neue hinzugewonnen. Es macht keinen Sinn, vergangenen<br />
Strukturen nachzuweinen, es geht darum, neue Entwicklungen<br />
und Formen zu sehen und sich entsprechend auf<br />
deren Anforderungen einzustellen. Die Familie in heutiger<br />
Zeit hat sich von einer zusammen arbeitenden, zusammen<br />
produzierenden und zusammen verbrauchenden Wirtschaftsgemeinschaft<br />
zu einer vornehmlich konsumierenden Lebensgemeinschaft<br />
gewandelt. Vielfach sind beide Elternteile<br />
beruflich tätig und sichern gemeinsam so die finanzielle Basis<br />
der Familie ab. Diesen Tätigkeiten von Vater und Mutter geht<br />
das Kriterium des gemeinsamen Tuns ab, welches die Aktivitäten<br />
der Agrargesellschaft kennzeichnete. Zu dieser Familiengrundlage<br />
tritt leider eine Situation hinzu, die von Arbeitslosigkeit<br />
und/oder Geringverdienstmöglichkeit geprägt ist,<br />
welche zu erheblichen Belastungen des Zusammenlebens<br />
einzelner Familien führen können.<br />
Die familiäre Lebensgemeinschaft hat sich gelockert, seit<br />
Ausbildung, Freizeitgestaltung und erwerbsmäßige Arbeit aus<br />
38<br />
der Familie herausgenommen und in die Öffentlichkeit verlagert<br />
wurden. Ein Elternteil arbeitet dort, vielfach mit langen<br />
Anreisewegen, der andere Elternteil – wenn er eine Erwerbsarbeit<br />
hat – ist an anderer Stelle tätig, die Tochter geht auf<br />
ein Gymnasium, das ganztägig betrieben wird, der Sohn in<br />
die dritte Klasse einer Grundschule und wird dort mittags von<br />
einer Halbtagsmutter abgeholt.<br />
Die Zunahme der Angebote von Schulen zur Betreuung im<br />
Ganztag verstärkt die Zergliederung der Familie, hat zusätzlich<br />
Auswirkung auf die erzieherische Aufgabe der Familie.<br />
Die Zunahme der Zahl der Kindertageseinrichtungen für die<br />
Jüngsten und das aus der Lebenssituation entstehende verstärkte<br />
Interesse daran erhöht die Verlagerung der Lebensbildung<br />
und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder auf Einrichtungen<br />
außerhalb der Familie.<br />
Selbst zum Feierabend läuft die Familie vielfach auseinander:<br />
Vater ist Übungsleiter einer Tischtennisgruppe, Mutter<br />
geht zum Aerobic-Kurs, die Tochter hat Fußballtraining und<br />
der Sohn wird vom Verein zum Schwimmunterricht<br />
gebracht und dort wieder abgeholt. Das ist nicht konstruiert,<br />
sondern erlebte Realität, die eine Gefahr für die Familie<br />
bedeutet.<br />
Der Zusammenhalt der Familie ist durch die starke Außenorientierung<br />
bedroht. Eltern beginnen, ihre Kinder nicht mehr zu<br />
verstehen, Kinder verlieren den inneren, den mentalen wie<br />
emotionalen Kontakt zur Familie. In manchen Familien haben<br />
die Belastungs- und Konfliktfähigkeit Grenzen erreicht, die<br />
das Maß des Ertragbaren zu übersteigen drohen oder bereits<br />
überstiegen haben.
Verein und <strong>Gesellschaft</strong> Von Friedhelm Kreiß<br />
Wie können Kinder heute das „Altern“ als Prozess erleben und<br />
damit ein Verständnis für ältere Menschen entwickeln, wenn<br />
die Großeltern in der Familie nur noch „besuchsweise“ vorhanden<br />
sind? Es sei denn, diese übernehmen vertretungsweise<br />
für die Eltern die Betreuung der Kinder.<br />
Als Gegenreaktion auf all diese Entwicklungen sind in der<br />
letzten Zeit verstärkt eine gefühlsmäßige Verbundenheit und<br />
der Wunsch nach Intimität und Vertrautheit in der Familie zu<br />
beobachten. Vielleicht ist das eine Reaktion auf die vielfach<br />
unpersönliche Kühle der außerfamiliären Welt und darauf,<br />
dass das Problem des Auseinanerdriftens der Familie bewusst<br />
geworden ist. „Familie“ beginnt offensichtlich wieder ein<br />
Thema für Familien zu werden.<br />
Auf einmal scheint der Blick sich wieder zu richten auf die<br />
besonderen Aufgaben der Familie: Aufbau einer sozio-kulturellen<br />
Persönlichkeit, Befriedigung des persönlichen Bedürfnisses<br />
nach Vertrautheit, nach enger menschlicher Gefühlsbindung<br />
und nach einer auf gegenseitigem Vertrauen beruhenden<br />
Solidarität.<br />
Familie bildet die Grundlage zum Aufbau des Menschen als<br />
soziale Persönlichkeit. Diese elementare Erziehung bezieht<br />
sich unmittelbar auf das Verhalten, auf den Umgang miteinander<br />
und auf die Fähigkeit zu kommunizieren, zu sprechen,<br />
aber auch zuhören zu können. Familie bildet die<br />
Grundlagen eines Bildungsverständnisses und entwickelt<br />
Grundlagen eines Werteverständnisses- und Werteverhaltens.<br />
Um all dieses zu realisieren, braucht die Familie Zeiträume<br />
und zeitliche Festlegungen der Gemeinsamkeit.<br />
Familien müssen feste Zeitfenster für ihre Gemeinsamkeiten<br />
einrichten.<br />
Neben all diesen Entwicklungen gibt es in unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />
das Phänomen des Anwachsens der Zahl Alleinerziehender,<br />
Lebensgemeinschaften oder Lebenssituationen, in<br />
denen Kindern die Erfahrung „Familie“ versagt bleibt. Eine<br />
Beobachtung: Herbstferienzeit in einem Robinson-Club. Auf<br />
einmal nimmt die Zahl der urlaubenden Väter mit Kindern<br />
drastisch zu. Das sind die Phänomene der Scheidungsfolgen –<br />
nun dürfen die Väter eine Woche mit ihren Kindern zusammen<br />
sein. Familie??<br />
Es ist lohnenswert, darüber nachzudenken, in welcher Form<br />
Angebote entwickelt und unterbreitet werden können, in<br />
denen derartige Lebensgemeinschaften in größeren Gruppen,<br />
in „Familien“, integriert werden. Hier kann der Sport seine<br />
Möglichkeiten einbringen, indem Sportvereine z. B. Familiensportgruppen<br />
bilden.<br />
Was ist überhaupt Familiensport?<br />
Familiensport realisiert sich in kleinen Gruppen, umfasst in<br />
der Regel alle Mitglieder der Familie. Er findet in den Zeitbereichen<br />
statt, die für alle Familienmitglieder zeitgleich zur<br />
Verfügung stehen; d.h. im Besonderen am Feierabend, am<br />
Wochenende, im Urlaub oder in gesonderten von der Familie<br />
geplanten Zeitfenstern.<br />
Familiensport heißt sportliche Aktivität informeller Kleingruppen<br />
familienähnlicher Struktur oder der Familie selber.<br />
Familiensport ist geschlechterübergreifend und richtet sich an<br />
verschiedene Altersstufen zu gemeinsamer Aktivität.<br />
39
Die Grundidee des Familiensports heißt: Alle Beteiligten sind<br />
gleichzeitig, gemeinsam und miteinander sportlich aktiv.<br />
Familiensport findet nicht statt, wenn die ganze Familie zur<br />
Sportanlage fährt, jedes Familienmitglied zu seiner Sportgruppe<br />
geht und man sich danach zur gemeinsamen Heimfahrt<br />
wieder trifft. Natürlich macht auch eine derartige<br />
Situation Sinn, aber ist eben nicht Familiensport im engeren<br />
Verständnis.<br />
Warum eigentlich das Bemühen um<br />
den Familiensport ?<br />
1. Vorteile einer bereits bestehenden Kleingruppe<br />
Für viele Menschen steht zwischen dem Wunsch nach sportlicher<br />
Bewegung und der Erfüllung dieses Wunsches die Hemmung,<br />
sich in fremder Umgebung und ungewohnter Gruppe<br />
bewegen zu müssen. Sport mit und in der Familie nimmt<br />
diese Anfangsscheu, da schon ein vertrauter sozialer Bereich<br />
gegeben ist, auf den der Einzelne sich beziehen kann. So wird<br />
Familiensport vielfach der erste Schritt zur Erfüllung des<br />
Wunsches nach eigener sportlicher Betätigung. Das mag u.a.<br />
ein Grund dafür sein, dass Sportvereine, die sich von vornherein<br />
als echte Familiensportvereine strukturiert haben, nur<br />
selten über Mitgliedermangel klagen.<br />
2. „Inoffizieller“ Rahmen<br />
Familiensport hat als strukturelles Element einen für alle<br />
gewohnten und somit inoffiziellen Rahmen. Seine Vorzüge<br />
liegen in der Unmittelbarkeit, den spontanen Aktionsmöglichkeiten,<br />
der Unverbindlichkeit, der Selbsttätigkeit und der<br />
Eigeninitiative der Akteure.<br />
3. Gemeinsame Freizeitgestaltung der ganzen Familie<br />
Sinnvolle Freizeitgestaltung, gemeinsame sportliche Interessen<br />
können die einzelnen Familienmitglieder beim Sport<br />
40<br />
zusammenführen, deren Wege im Arbeits- und Ausbildungsbereich<br />
im Ablauf des Tages und der Woche auseinander<br />
führen.<br />
4. Kommunikative Funktion des Sports<br />
Sport und gemeinsames Sporttreiben schaffen Gesprächsbereitschaft<br />
und geben Anstöße zum Gespräch. Das gemeinsame<br />
Erlebnis sportlichen Tuns führt zu einem „inneren“ Austausch<br />
der Beteiligten, also der Familienmitglieder, im<br />
Gespräch, sei es auch zunächst einmal nur über das gemeinsame<br />
Sporterleben. Das aber ist häufig der Ansatz zu einer<br />
weiter führenden Kommunikation, deren Voraussetzung<br />
Vertrauen ist. Auf einmal sitzen Vater und Sohn nach der<br />
gemeinsamen Ausfahrt im Ruderboot nebeneinander auf dem<br />
Bootssteg, die Beine baumeln im Wasser, und beide sind in<br />
ein Gespräch vertieft. Haben Sie schon einmal beobachtet,<br />
welches Unterhaltungsbestreben in der Familie entsteht,<br />
wenn diese nach ihrer Abfahrt im Schnee in der Hütte an der<br />
Liftstation zusammen sitzt? Da geht es dann auf einmal nicht<br />
mehr nur um Skilaufen.<br />
5. Wecken des Verständnisses für den Anderen<br />
Das gemeinsame Erlebnis körperlicher Anstrengung oder des<br />
fröhlichen Spiels miteinander hilft, Verständnis zu entwickeln<br />
für die Eigenarten, die besondere Lebenssituation und die<br />
Eigenarten des anderen Geschlechts oder der Personen einer<br />
anderen Altersgruppe. Der Körper des älteren Menschen ist<br />
nicht „hässlich“, er ist nur verbrauchter als der des jungen<br />
Menschen. Und auf einmal ist in der Beobachtung des Jüngeren<br />
die Leistung des Älteren nicht mehr „schlecht“, sondern in<br />
der Wahrnehmung Jüngerer sogar gut, da nun Relationen<br />
hergestellt werden können zwischen den körperlichen Möglichkeiten<br />
und der tatsächlich erbrachten Leistung.<br />
Das tiefgreifende Erlebnis eines siebenjährigen Mädchens,<br />
spätgeborenes Kind eines 62jährigen Vaters will ich hier<br />
wiedergeben. Ich durfte es als Übungsleiter einer Familiensportgruppe<br />
vor Jahren beobachten: Anlässlich eines Familiensportlehrgangs<br />
wird ein Waldlauf, verbunden mit Beobach-
tungsaufgaben, durchgeführt, den der erwähnte Vater durch<br />
kluge Kraft- und Zeiteinteilung gut durchzustehen weiß. Am<br />
Ziel wird er von seiner Tochter, die vor ihm eingetroffen ist,<br />
umarmt und empfangen mit den Worten: “Vati, Vati! Du bist<br />
ja gar nicht so schlecht, wie ich immer gedacht habe!“ –<br />
Vater und Tochter gingen schweigend Hand in Hand zur<br />
Unterkunft.<br />
6. Erlebnisfähigkeit<br />
Bei sportlichen Betätigungen wird der Übende immer wieder<br />
getragen von tiefen Erlebenssituationen, die weit über das<br />
Erleben des Alltags hinausgehen. Die Erfahrung des Grenzbereichs<br />
einer Leistungsfähigkeit vertieft das Verhältnis des<br />
Einzelnen zu sich selber und zu seiner Tätigkeit. Das Gleiten<br />
im unberührten Tiefschnee, die Ausfahrt im Rudereiner am<br />
frühen Morgen bei ruhigem Wasser und absoluter Stille in<br />
der Natur. Derartige affektive Erfahrenswerte werden auch<br />
im sozialen Bereich vermittelt: Das Erlebnis, Mitglied einer<br />
Gruppe zu sein – also der Familie - , akzeptiert zu werden,<br />
nicht allein zu sein, einer Gemeinschaft anzugehören – das<br />
sind Erlebnissituationen, die weit in die unbewusste Gefühlswelt<br />
hineinreichen, das sind Situationen, die der Sport<br />
ermöglicht.<br />
Ich hatte einen Vater, der begeisterter Bergsteiger war und<br />
mich schon in frühen Jahren auf den Berg mitnahm.<br />
Gemeinsam haben wir mehrfach Grenzbereiche erfahren –<br />
das hat unsere Gemeinsamkeit verankert und vertieft. Ich<br />
kann mich an Situationen erinnern, bei denen ich wirklich<br />
Angst gehabt habe und gleichzeitig verspürte, dass sich mein<br />
Vater Sorgen machte. Wir haben danach lange gesprochen<br />
miteinander, unten am Einstieg zur Route.<br />
7. Leitbildfunktion der Erwachsenen<br />
Nur wenige Eltern und Erwachsene haben eine Vorstellung<br />
davon, wie viel Einfluss sie durch ihr Verhalten auf die Entwicklung<br />
der Kinder haben. Viele Verhaltensweisen und<br />
Einstellungen von Kindern und Jugendlichen sind geprägt<br />
durch eine bewusste oder auch unbewusste Übernahme<br />
entsprechender Vorbilder der Eltern und Erwachsenen. Wenn<br />
es denn ernst sein soll mit der Einordnung des Sports als eine<br />
selbstverständliche Lebensform, so gehört auch die Erziehung<br />
zum Sport, zu einer sportlichen Lebensweise zu den elementaren<br />
Erziehungsaufgaben der Familie.<br />
Eine sportliche Lebensführung der Eltern führt in aller Regel<br />
bei den Kindern zu einer ausgewogenen Einstellung zum<br />
Sport und zu einer Motivation zu eigener körperlicher Bewegung.<br />
In vielen Familien haben die Kinder ihre Eltern noch nie<br />
in sportlicher Aktion gesehen.<br />
Wie kann man da mit einer sportlichen, bewegungsorientierten<br />
Einstellung der Kinder rechnen? Die so wesentliche Leitbildfunktion<br />
der Eltern und Erwachsenen als Erziehungselement<br />
in nahezu allen Lebensbereichen für die Entwicklung<br />
der Kinder wird allzu häufig unterschätzt.<br />
8. „Verführungs“funktion der Kinder und Jugendlichen<br />
In nicht wenigen Vereinen trifft die Feststellung zu, dass<br />
sportliche Kinder ihre Eltern zu neuer sportlicher Aktivität<br />
motiviert haben. Manche Anmeldung eines Erwachsenen in<br />
einem Sportverein ist Folge einer Sohn- oder Tochtermitgliedschaft.<br />
Da brachte ein Elternteil den Nachwuchs zur<br />
Übungsstunde und bekam Lust darauf, selber etwas für sich<br />
zu tun, als nur darauf zu warten, dass die Übungsstunde der<br />
Kinder vorüber war. „Angebote für wartende Eltern“ – ein<br />
Einstieg zu einer neuen Sportkarriere. Die Kinder machen<br />
Sport in ihrer Gruppe, während die Eltern zeitgleich an einem<br />
Vereinskurs teilnehmen. Vielfach ist auf einer solchen Basis<br />
die Bereitschaft zur Übernahme von Führungsfunktionen im<br />
Verein gewachsen. So kann die „Vorbildfunktion“ der Kinder<br />
und Jugendlichen zu einer Reaktivierung der Erwachsenen<br />
führen. Der Verein muss eine solche Chance sehen und nutzen.<br />
9. Zusammensein der Familie<br />
Gemeinsame Erlebnisse und die Wahrnehmung gemeinsamer<br />
Interessen schaffen eine Basis zum engeren Zusammenhalt<br />
41
von Gruppen, da hier ein für alle Teile der Gruppe gleich<br />
gültiges und verbindendes Erlebnisfeld besteht. Ein solch<br />
verbindendes Element ist für eine Familie unserer <strong>Gesellschaft</strong><br />
umso wichtiger, da im Alltag die einzelnen Glieder der Familie<br />
nach außen orientiert sind durch Beruf, Schule u.s.w. So stellt<br />
die Ausweitung der Ganztagsbetreuung in den Schulen<br />
durchaus auch ein Problem für den Familienzusammenhalt<br />
dar. Familien benötigen und suchen mehr und mehr gemeinsame<br />
Erlebnisse.<br />
10. Erlebnis der Gemeinschaft<br />
Im Sport führt das Erlebnis der Gruppe immer wieder zu einer<br />
besonderen Erfahrung des sozialen Miteinanders. Sport der<br />
Familie ermöglicht die Erfahrung der Grundformen des sozialen<br />
Miteinanders wie Liebe, Rücksicht, Verstehen, Hilfe, Opfer,<br />
Mitleid und auch Führung. Aber auch die Erfahrung des<br />
Selbstwerts der eigenen und der anderer Personen spielt eine<br />
Rolle, ohne die auf Dauer keine <strong>Gesellschaft</strong> bestehen kann.<br />
Sicherlich sind neben dem Sport auch andere gesellschaftliche<br />
Bereiche geeignet, derartige Erfahrungen zu vermitteln,<br />
aber die Erfahrenswahrscheinlichkeit ist im Sport größer. Im<br />
Sport sind die Erlebenssituationen vielfältig, sie wechseln<br />
häufig, stellen sich für den Einzelnen erlebnisintensiv und<br />
variantenreich dar.<br />
Was hat der Verein vom Familiensport?<br />
– Warum „Familienfreundlicher<br />
Sportverein“?<br />
Im Vordergrund steht nicht die Frage, welchen Nutzen der<br />
Sportverein aus einem Angebot „Familiensport“ ziehen kann.<br />
Entscheidend ist die Feststellung, dass der Sport und seine<br />
Vereine sich auf ein Feld begeben, das für unsere <strong>Gesellschaft</strong><br />
eminent wichtig ist und als Bestandteil der gesamten Familienpolitik<br />
gesehen werden muss. Es ist zu hoffen, dass die<br />
42<br />
Politik ihren Blick auf den Sport auch unter einem derartigen<br />
Blickwinkel richtet.<br />
Familiensport ist zunächst Sport im privaten Bereich. Der<br />
„Sportraum“ ist zuerst der natürliche Lebensraum der Familie.<br />
Das beginnt im eigenen Garten, auf Freiflächen im Park, am<br />
Urlaubsort bis hin zu öffentlichen Schwimmbädern oder<br />
öffentlichen Sportflächen, die z.T. nach Zahlung eines Beitrages<br />
oder auch ohne diesen genutzt werden können, wie<br />
Tennisplätze, Squash-Anlagen, Kletteranlagen, Golfplätze,<br />
Bouleplätze, einfache Ballspielanlagen und ähnliche Einrichtungen.<br />
Familiensport benötigt zunächst keine genormte<br />
Sportstätte, es kann gleich losgehen.<br />
Familiensport ist in seinem Ursprung zunächst ein unorganisierter,<br />
spontaner Aktionsbereich der Familie. Die Aufgabe<br />
besteht darin, Familien zu diesen Gemeinsamkeiten zu führen.<br />
Natürlich hat aber auch ein „Familienfreundlicher Sportverein“<br />
Vorteile durch Angebote in diesem Bereich. Dabei geht es<br />
nicht nur um Mitgliederzuwächse. Familiensportangebote von<br />
Vereinen sind Angebote und Hilfen an Familien und solche<br />
Sportinteressierte, die den Kontakt zu Familien suchen. Derartige<br />
Angebote von Vereinen können eine Hilfe sein für<br />
Lebensgemeinschaften, die das Erleben von Familie suchen.<br />
Familiensportangebote in Vereinen aktivieren Mitglieder.<br />
Zugleich bringen Vereine über ihre Übungsleiter die Kompetenz<br />
ein, die sportliches Tun zu den Effekten führt, die Familiensport<br />
ausmachen können.<br />
Einen besonderen Vorteil haben die Sportvereine, die über<br />
eine eigene Sportstätte mit Vereinshaus verfügen, z.B.<br />
Ruder- oder Kanuvereine, Schwimmvereine, Tennis- oder<br />
Golfclubs, Reitbetriebe und Reitvereine. Hier ist immer<br />
wieder zu beobachten, dass Familien sich dort nach Feierabend<br />
treffen, gemeinsam ein wenig Sport treiben, danach<br />
zusammen das Abendbrot einnehmen, miteinander reden –<br />
der Sportverein als Familientreffpunkt. Sport ist eigentlich<br />
vom Ursprung her „familienfreundlich“, man muss es nur<br />
bewusst machen.
Ein Unternehmen der dpa-Gruppe<br />
Rom 1960 - Armin Hary gewinnt Gold im Sprint über 100m<br />
Momente für die Ewigkeit.<br />
Unser historisches Archiv und aktuelle Bilder dokumentieren die<br />
Geschichte der <strong>Olympische</strong>n Spiele von 1896 bis heute.<br />
Telefon +49 69 2716 -34770, sales@picture-alliance.com, www.picture-alliance.com
Der Sport vor Ort braucht Räume und Personal<br />
… und entwickelt mit Phantasie und Fleiß<br />
Wertmarken für das Vereinsprofil<br />
Von Karl Hoffmann<br />
Eine ehemalige Schlecker-Filiale wandelt der Förderverein<br />
für Rehabilitation Frielingen (FV) in eine neue<br />
Trainingsstätte um. Der FV organisiert Rehabilitationssport,<br />
Jugend- und Seniorensport. Gütesiegel und Zertifikate<br />
haben der <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> Sportbund (DOSB), der<br />
<strong>Deutsche</strong> Turner-Bund (DTB) und der LandesSportBund Niedersachsen<br />
ausgestellt. Der 1999 gegründete FV Frielingen<br />
erweitert seine Aktivitäten mit Augenmaß, indem er Gelegenheiten<br />
ergreift, zusätzliche Bewegungsräume und -zeiten<br />
schafft sowie qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
44<br />
1. deutsche Sportgrundschule in Freiburg<br />
bedarfsgerecht einsetzt. Seit 2010 - zum Beispiel - nutzt er<br />
die günstig gelegene Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt<br />
(AWO), um Funktionstraining für Erwachsene und Schülersport<br />
durchzuführen.<br />
Die Freiburger Turnerschaft von 1844 (FT) weiht das neue<br />
Gebäude für die erste deutsche Sportgrundschule in eigener<br />
freier Trägerschaft ein. 2007 startete das Projekt mit einer<br />
ersten Klasse in Containern. Jetzt stehen 1.000 qm für 80<br />
Schülerinnen und Schüler in vier Klassen zur Verfügung. So
hat das sportpädagogische Konzept von Lernen und Bewegen<br />
in positiver Verbindung nun auch ein sichtbares Zuhause.<br />
Rudolf Bosch, Schulpräsident des Freiburger Regierungspräsidiums,<br />
spricht anlässlich der Eröffnung von einem „Leuchtturmprojekt“.<br />
Die Entscheidung des FV Frielingen zur Umwandlung<br />
der Schlecker-Geschäftsräume in eine moderne zusätzliche<br />
Sportstätte verdient sicher ebenfalls ein ganz besonderes<br />
Prädikat. Solche Objekte sind hinsichtlich Raum, Inhalt und<br />
Programm beispielgebend. Für gesellschaftliche Entwicklungen<br />
und spezielle neue Zielgruppen offen zu sein, bleiben Herausforderungen<br />
in Denk- und Handlungsprozessen.<br />
Die Bereitschaft dafür zeichnet sich als durchgängiges Markenzeichen<br />
vor Ort ab. Denn die richtigen Räume für altersgerechten<br />
Sport und gesellschaftliches Durcheinander vom<br />
Säugling bis zum Hochbetagten sind unverzichtbar. Deshalb<br />
handeln Vorstände im Einvernehmen mit möglichst vielen<br />
Mitgliedern, um bereits vorhandene Sportgelegenheiten<br />
rechtzeitig in ihrer Substanz zu erhalten oder klug zu erweitern.<br />
Die Fähigkeit zu Kompromissen und die Akzeptanz von<br />
Auflagen gehören dazu.<br />
Pferdegerecht und mit finanzieller Unterstützung des städtischen<br />
Sport- und Bäderbetriebes renoviert der Reitsportverein<br />
Essen eine Stallgasse in seiner historischen Reitanlage.<br />
Der Denkmalschutz für den Innenausbau muss berücksichtigt<br />
werden. Zwei neue Pferdeboxen werden gebaut, zwei im<br />
Originalzustand erhalten. Im Bauhausstil ist die reiterliche<br />
Anlage 1925 entstanden.<br />
Auch die DJK Teutonia Schalke-Nord, ein Verein des Sportverbandes<br />
<strong>Deutsche</strong> Jugendkraft,<br />
spielt mit Vorgaben des<br />
Denkmalschutzes in der<br />
Gelsenkirchener „Glückaufkampfbahn“.<br />
In den 20er<br />
Jahren gebaut, wird sie 2006<br />
für die Fußballweltmeisterschaft<br />
restauriert. Heute<br />
trainieren und spielen dort<br />
die Teutonen als Platzherren<br />
mit Mannschaften von Minis<br />
bis A-Jugend, Mädchen- und<br />
Jungenteams. Eine Veränderung<br />
der Kampfbahn steht<br />
außer Frage. Eine neue<br />
Würstchenbude wird erst<br />
genehmigt, nachdem sie mit<br />
Rollen versehen ist.<br />
Das Vereins- und Tennisheim<br />
des Sportvereins<br />
Greußenheim 1946 (SV)<br />
wird energetisch saniert.<br />
Der zeitgleich errichtete Anbau nimmt die sanitären Einrichtungen<br />
für den Trainings- und Wettkampfbetrieb auf.<br />
121 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind unermüdlich<br />
im Einsatz. Die Kommune verlängert den Pachtvertrag<br />
mit dem SV um weitere 25 Jahre bis 2034. „Alles ist möglich,<br />
wenn man es nur gemeinsam anpackt“, sagt Silke<br />
Westphal, die Vereinsvorsitzende.<br />
Der Verein für Leibesübungen Lichtenrade 1894 (VfL), Berlin,<br />
übernimmt ein nicht mehr genutztes Seniorenwohnheim. Das<br />
Gebäude stammt aus der Gründerzeit (etwa 1870 bis 1890).<br />
Mitglieder des VfL und des Schulsportvereins Lichtenrade<br />
(SSV) bauen es aufwändig und mit großer Eigenleistung zu<br />
einer Begegnungsstätte für Vereinsmitglieder und die Öffentlichkeit<br />
um.<br />
Clubhäuser werden so zu Zentralen für Kontakte und Kommunikation<br />
im eigenen Umfeld und für die Region. Fragen<br />
von Führung und Verwaltung, von Organisation und Sportpraxis<br />
werden bei Aus- und Fortbildungen oder bei gesellschaftlich<br />
wichtigen Vorhaben besprochen. Gute Voraussetzungen<br />
beim Raumbedarf - drinnen wie draußen -, bei technischer<br />
Ausstattung und Verpflegung, durch eingespielte<br />
Mitarbeiter kommen dazu. Synergieeffekte bei Personaleinsatz<br />
und Programm liegen auf der Hand.<br />
Der Bayerische Landes-Sportverband führt 70 haupt- und<br />
ehrenamtliche Vereinsvertreter aus Vereinen mit mindestens<br />
1.500 Mitgliedern zusammen. Sie nehmen sich Zeit für ein<br />
ganzes Wochenende und behandeln Themen wie Bundesfreiwilligendienst,<br />
Fitness-Studios, Kindersportschulen,<br />
Liegenschaften, Sport in der Ganztagsschule, Möglichkeiten<br />
45
von Kooperationen. Gastgeber ist der Turnverein 1848<br />
Erlangen.<br />
Die Sportabzeichenreferenten des Sportkreises Schwäbisch<br />
Hall werden im Sportheim des Turn- und Sportvereins Ilshofen<br />
geschult und auf die neuen Bedingungen zum Erwerb des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Sportabzeichens ab <strong>2013</strong> vorbereitet. Im Vereinsheim<br />
des Turn- und Sportvereins Barskamp (TuS) moderiert<br />
der Kreissportbund Lüneburg ein Seminar zur Gewinnung von<br />
Mitarbeitern. TuS-Vorstandmitglieder und Funktionsträger<br />
benachbarter Vereine nehmen daran teil.<br />
Das Sportheim der DJK Oberschwarzach ist Tagungsort für<br />
120 Korbball spielende Vereine im Bezirk Unterfranken des<br />
Bayerischen Turnspiel-Verbandes. Die Änderungen der<br />
Landesspielordnung und die Präzisierungen in den Spielregeln<br />
werden erläutert. Kritisch wird angemerkt, dass 30<br />
Vereine an den Spielrunden teilnehmen, ohne Schiedsrichter<br />
zu stellen. Mehr qualifizierte Kräfte nach den Regeln des<br />
jeweiligen Fachverbandes zu gewinnen, bleibt eine Daueraufgabe.<br />
Zum 5. Mal bietet der Tanzsportclub Schwarz-Gold Aschaffenburg<br />
in seinem Clubheim den richtigen Rahmen für das<br />
Camp des Hessischen Tanzsportverbandes. Top-Trainer unterrichten<br />
Paare in Einzel- und Gruppenstunden. In Lehrstunden<br />
nutzen Wertungsrichter die Chance, ihre Lizenzen zu verlängern.<br />
Zur regelmäßig angebotenen Unterweisung in Erster Hilfe und<br />
Reanimation treffen sich Herzsportler und ihre Partner im<br />
Vereinsheim des Turnerbundes Bad Cannstatt (TBC) gemeinsam<br />
mit denen der Sport- und Kulturgemeinschaft Stuttgart<br />
46<br />
Max-Eyth-See 1898. Zwei Ärzte und zwei Sanitäter-Ausbilder<br />
erklären die Notfallrettungskette, leiten die Teilnehmer bei<br />
Übungen an und korrigieren fehlerhafte Handgriffe. „Sicherheit<br />
und den Mut, im Ernstfall etwas zu tun, gibt es nur, wenn<br />
man immer wieder übt“, stellt Wilfried Krause, der TBC-Abteilungsleiter<br />
Gesundheitssport, heraus. Und verspricht: „Deshalb<br />
wollen wir dieses Angebot jährlich wiederholen.“<br />
Wer das Zusammensein bei Sport und Geselligkeit ermöglicht<br />
und die Zukunft als Gast- und Ideengeber mit gestaltet, setzt<br />
Wertmarken für das Vereinsprofil. Dabei spielt Vereinsbesitz<br />
offensichtlich eine ganz besondere Rolle. Denn trotz aller<br />
Belastungen ermöglicht er eigene und freie Entscheidungen.<br />
Die Sportarten und die sportartübergreifenden Maßnahmen<br />
sind die Voraussetzungen für ein attraktives Vereinsleben,<br />
auch als Angebot für neue Bevölkerungs- und Altersgruppen.<br />
Der Turn- und Sportverein Osterholz Tenever Bremen ist<br />
Bauherr für eine Mehrgenerationenhalle. Vor wenigen<br />
Wochen wurde der Grundstein gelegt, vor kurzem Richtfest<br />
mit Beendigung der ersten Bauphase gefeiert. Im Frühjahr<br />
<strong>2013</strong> ist alles unter Dach und Fach.<br />
Die Schützengilde Delitzsch erstellt 1991 eine moderne<br />
Schießsportanlage, erweitert sie wettkampfgerecht und<br />
berichtet über einen 100-m-Stand mit vier Schießbahnen. Er<br />
steht in Kürze zur Verfügung. Alles ist von Anfang an so<br />
geplant, dass der Sächsische Schützenbund dort seine Kreisund<br />
Bezirksmeisterschaften durchführen kann.<br />
Der Karateverein Kanazewa Mönchengladbach eröffnet sein<br />
erstes eigenes Dojo: 120 qm Mattenfläche, eine Spiegelwand,<br />
viel Tageslicht, separate Umkleidekabinen und Sanitärräume<br />
sowie ein großes Außengelände.<br />
Der Sportverein<br />
Unterneukirchen 1963 (SV)<br />
besitzt jetzt ein neues Sportund<br />
Fitnessheim, das allen<br />
Bürgern der Gemeinde offen<br />
steht. Die herausragende<br />
ehrenamtliche Leistung wird<br />
mit 15.000 Helferstunden der<br />
SV-Mitglieder nachgewiesen.<br />
Vorstände sind auf die<br />
Zustimmung ihrer Mitglieder<br />
angewiesen. Das gilt für<br />
das Tagesgeschäft und für<br />
das Nicht-Alltägliche.<br />
Gelungene Bauprojekte sind<br />
vorzeigbar. Sie erhöhen das<br />
Maß an Zugehörigkeit.<br />
Damit und darin kann sich<br />
Vereinsleben noch besser<br />
entwickeln.
Lose in jeder<br />
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Die Rentenlotterie.<br />
Die GlücksSpirale<br />
fördert den Sport.<br />
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Hotline der BZgA: 0800 1 372 700 (kostenlos und anonym).
Was macht eigentlich ...?<br />
Uli Eicke<br />
Von Christoph Fischer<br />
Die Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe ist ein segensreicher<br />
Verein. Ohne sie wäre der deutsche Spitzensport<br />
undenkbar. Diese Stiftung hat vor einiger Zeit ein<br />
viel beachtetes Buch herausgegeben. Darin geht es um<br />
Vorbilder aus dem<br />
Sport. Eines dieser<br />
Vorbilder ist Uli<br />
Eicke – 1984 in Los<br />
Angeles Olympiasieger<br />
im Einer-Canadier.<br />
Uli Eicke war<br />
mit Leib und Seele<br />
Spitzensportler. Der<br />
deutsche Olympia-<br />
Boykott in Moskau<br />
brachte ihn 1980<br />
um eine Medaille,<br />
Eicke verlor die<br />
Motivation und<br />
studierte. 1983<br />
kehrte der gebürtige<br />
Wuppertaler mit<br />
Rang fünf bei der<br />
Weltmeisterschaft<br />
in die Weltklasse<br />
zurück. Ein Jahr<br />
später holte er in<br />
Los Angeles olympisches<br />
Gold. 1985<br />
wurde er zum<br />
dritten Mal Vize-<br />
Weltmeister und<br />
beendete seine<br />
Karriere.<br />
Heute arbeitet der<br />
studierte Diplom-<br />
48<br />
Sportlehrer als Heilpraktiker in Düsseldorf. „Ich liebe den<br />
Sport, aber gesund ist er nicht unbedingt“, sagt Uli Eicke.<br />
Heilpraktiker Eicke ist Schmerztherapeut. Medikamente<br />
braucht er nicht, er setzt seine Hände ein.<br />
Was als Erklärung<br />
dafür dienen kann,<br />
dass in seiner Praxis<br />
an der Benrodestraße<br />
im Düsseldorfer<br />
Stadtteil Benrath<br />
gelegentlich Schreie<br />
zu hören sind. „Ich<br />
drücke auf bestimmte<br />
Bereiche der<br />
Muskulatur. Ist der<br />
Muskel intakt,<br />
lachen die Leute.<br />
Wenn man die Stelle<br />
bei einem verkürzten<br />
Muskel richtig trifft,<br />
tut das aber tierisch<br />
weh. “Das Jammern<br />
ist aber nur von<br />
kurzer Dauer. „Nach<br />
einer Minute ist die<br />
Spannung raus aus<br />
dem Muskel, und der<br />
Schmerz ist weg.<br />
Das ist die eine<br />
Therapie. Man kann<br />
auch in diese Muskeln<br />
spritzen, etwa<br />
ein leichtes<br />
Schmerzmittel. Die<br />
manuelle Technik ist<br />
aber ungefährlicher.“
Uli Eicke mag es ungefährlich. Und er ist überzeugt von<br />
seiner Methode. Patienten, die erfolglos an den Bandscheiben<br />
operiert worden sind, kommen zu ihm. Und viele,<br />
denen eine solche Operation droht. Zuletzt kamen Patienten<br />
zu ihm, die seit Jahren und Jahrzehnten unter Schmerzen<br />
leiden, von Arzt zu Arzt gerannt sind, keiner konnte<br />
ihnen helfen. Bis Eicke nur mit der Arbeit seiner Hände<br />
endlich wieder ein Lächeln in die Gesichter der Patienten<br />
„zauberte“.<br />
Von 1987 bis 1995 leitete Eicke den Olympiastützpunkt<br />
Köln-Bonn-Leverkusen, war bis 2008 im Schuldienst und ist<br />
seit 2006 als Heilpraktiker tätig. Er arbeitet nach den<br />
Grundsätzen der Biokinematik des Freiburgers Walter Packi.<br />
Uli Eicke arbeitet intensiv mit Orthopäden zusammen,<br />
denen es nicht nur um die Knochen, sondern auch um die<br />
Muskeln geht. „Das sind leider längst nicht alle“, sagt er.<br />
„Operationen sind immer schmerzhafte Eingriffe. Dabei<br />
liegt das Problem häufig nur in der verkürzten Muskulatur.<br />
Das Problem bei Rückenschmerzen sind nicht zu schwache<br />
Muskeln im Rücken. Das Problem sind die Muskeln vorn –<br />
Bauch, Hüftbeuger, tiefe Beckenmuskulatur. Wenn dort<br />
Verkürzungen auftreten, schmerzt es hinten. Und das passiert<br />
bei all diesem täglichen Wahnsinn. Viel am Schreibtisch<br />
sitzen, viel Auto fahren, viel in den Bildschirm starren“,<br />
sagte Eicke der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.<br />
Rückenschmerzen sind eine Befindlichkeit der Zeit. Uli Eicke<br />
behandelt seine Patienten und zeigt ihnen, wie sie trainieren<br />
können, um ihre Muskeln wieder zu verlängern. Bei ihm<br />
erlernen Patienten Übungen, die sie unabhängig vom Therapeuten<br />
machen.<br />
Ins Kanu steigt der Olympiasieger heute nicht mehr.<br />
Schmerzen hatte der Düsseldorfer in seiner aktiven Zeit<br />
natürlich auch, aber die richtigen Schmerzen kamen erst<br />
nach dem Ende der Karriere. Die machten aus dem Pädagogen<br />
einen Heilpraktiker. Als dann noch ein Tinnitus dazukam,<br />
musste er den Lehrer-Job an den Nagel hängen.<br />
Bekämpft hat er die Ohrgeräusche nicht mit Medikamenten,<br />
sondern mit intensivem Training der Halsmuskulatur.<br />
Mit Erfolg. Das überzeugte Eicke endgültig, auf dem richtigen<br />
Weg zu sein.<br />
Wenn man den ehemaligen Spitzensportler nach seinen<br />
Freizeitbeschäftigungen fragt, sagt er gern „rennen und<br />
sprinten“. Jedenfalls laufen. Aber nicht so, wie es viele<br />
Trainer ihren Zöglingen beibringen: nach vorn gebeugt,<br />
immer kurz vor dem Fallen. „Absoluter Quatsch“, meint<br />
Eicke. „Sprinten, wie ich es mir vorstelle, ist Sprinten wie<br />
Usain Bolt. Seine Armbewegungen sind Ausgleichsbewegungen,<br />
Bolt beugt sich nicht nach vorn, er ist stabil auf<br />
den Beinen und dürfte weniger Schmerzen haben. Ich<br />
versuche zu laufen wie er, wenn auch nicht ganz so<br />
schnell.“ Eicke lacht.<br />
Überhaupt Laufen. Für viele ein Problem. Und leider eines<br />
mit Auswirkungen. Weil viele die Tatsache vergessen, dass<br />
unsere Schuhe unsere Fußmuskulatur quälen. „Bei uns<br />
verkürzt sich die Fußmuskulatur, sie leistet nichts mehr.<br />
Irgendwann wird sie verschwinden“, erklärt Eicke. Dabei<br />
sind die Menschen dazu gemacht, barfuß zu laufen. „Mit<br />
den richtigen Übungen kann man die Fußmuskulatur<br />
zurückholen“, sagt Eicke.<br />
Das ist ein Anfang. Ein vielversprechender. Weil es nicht nur<br />
um die Füße geht. Uli Eicke betont: „Weil der Zustand der<br />
Muskulatur Auswirkungen auf die inneren Organe hat.<br />
Wenn der linke Brustmuskel verkürzt ist, stellt sich ein<br />
Gefühl der Enge ein. Mancher, der einen Herzinfarkt<br />
befürchtet, braucht nur das richtige Training der Brustmuskulatur.“<br />
Da ist einer in seinem Element. Da lebt einer eine Überzeugung.<br />
Die Erfahrungen, die Eicke dabei gesammelt hat,<br />
waren nicht immer nur ausschließlich positiv. Dem olympischen<br />
Höhenflug folgten Abstürze und neue Orientierungen.<br />
Als er den Olympiastützpunkt in Köln in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft zur <strong>Deutsche</strong>n Sporthochschule Köln leitete,<br />
kämpfte er gegen Doping. Wie kaum ein Zweiter. Weil er<br />
wusste, was im deutschen Spitzensport, Realität West,<br />
Sache war und ist.<br />
Es war ein vergeblicher Kampf. Und irgendwann resignierte<br />
Uli Eicke. Wandte sich vom olympischen Spitzensport ab,<br />
der Pädagogik zu. Und irgendwann war Eicke dann Heilpraktiker.<br />
Er nennt den Weg konsequent. Und wenn man<br />
ihm gegenüber sitzt, kann man das nachvollziehen. Uli<br />
Eicke hat seine Mitte gefunden. <strong>Olympische</strong>s Gold machte<br />
ihn zu einem Idol. Sein Lebensweg macht ihn zum Vorbild.<br />
49
Der größte Gestalter<br />
des deutschen Sports:<br />
Willi Daume zum<br />
100. Geburtstag<br />
Von Steffen Haffner<br />
50<br />
Portrait in Öl von Hans Borchert<br />
" Wo Daume hintrat, wuchs<br />
Gras.“ Dieses originelle Lob<br />
Willi Weyers deutet nur an,<br />
mit welch schöpferischer Kraft Willi<br />
Daume ausgestattet war. Am 24. Mai<br />
vor hundert Jahren wurde der größte<br />
Gestalter des deutschen Sports geboren.<br />
Thomas Bach mag den bekennenden<br />
Westfalen, der seinen Geburtsort in<br />
Hückeswagen im Rheinland als Marotte<br />
des Schicksals bezeichnete, an Effizienz<br />
und internationalem Einfluss übertreffen.<br />
Was die Kreativität und die Vielseitigkeit<br />
angeht, wird der Fecht-Olympiasieger<br />
seinen Förderer selbst dann nicht<br />
in den Schatten stellen, wenn er IOC-<br />
Präsident wird. Das hat auch mit den<br />
verschiedenen Zeitumständen und<br />
unterschiedlichen Mentalitäten zu tun.<br />
Daume, der als Freund und Kenner der<br />
schönen Künste weit über die Funktionärswelt<br />
hinausblickte, war ein Visionär<br />
der großen Entwürfe. Dies bewies er<br />
besonders deutlich mit den <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen von München 1972. Sie<br />
waren seine Hervorbringung. Weit<br />
weniger als Bach strebte er Ämter<br />
gezielt an. Sie fielen ihm einfach zu.<br />
Dabei wusste er durchaus Macht als ein<br />
Mittel zur Einflussnahme und Umsetzung<br />
seiner Vorstellungen zu schätzen.<br />
Den Aufstieg an die Spitze hatte dem<br />
kleinen, ein wenig eckig wirkenden<br />
Mann kaum jemand zugetraut. Er lud<br />
zeitlebens dazu ein, ihn zu unterschätzen.<br />
So war ihm nicht anzusehen, dass<br />
er einst im Scherensprung die Höhe von<br />
1,83 Meter, elf Zentimeter über seiner<br />
Körpergröße, meisterte, was bis ins<br />
späte 20. Jahrhundert Rekord seines<br />
Vereins Eintracht Dortmund blieb. Und<br />
dieses explosive Leistungsvermögen<br />
zeichnete ihn auf vielen Feldern aus: im<br />
Sport nicht zuletzt als Handballtorwart,<br />
der für die <strong>Olympische</strong>n Spiele von<br />
Berlin 1936 zum Basketball-Kader<br />
abkommandiert wurde, oder als Tennis-<br />
Enthusiast.<br />
Das vornehm zurückhaltende Auftreten<br />
von „Eisen-Daume“, der seit 1938 die<br />
vom Vater ererbte Eisengießerei in<br />
Dortmund führte, täuschte über seine<br />
Härte hinweg, mit der er seine Ziele
durchsetzte. „Däumling“ wurde der 37-jährige Präsident des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Handball-Bundes ein wenig abschätzig genannt,<br />
als der Kompromisskandidat in der Pattsituation zwischen<br />
dem machtvollen <strong>Deutsche</strong>n Fußball-Bund und dem starken<br />
<strong>Deutsche</strong>n Turner-Bund 1950 in Hannover zum ersten Präsidenten<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Sportbundes (DSB) gewählt wurde.<br />
Davon war bald nicht mehr die Rede. Denn Daume formte<br />
den DSB konsequent zu einer bedeutenden gesellschaftlichen<br />
Kraft. Als großes Verdienst wird ihm angerechnet, dass er,<br />
nicht zuletzt unter dem Einfluss von Prälat Ludwig Wolker,<br />
die Spaltung des Sports in der Zeit vor 1933 in bürgerlichen,<br />
konfessionellen und Arbeitersport überwand und nach dem<br />
Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL)<br />
eine erste gemeinsame freiheitlich-demokratische Organisation<br />
schuf.<br />
Dies setzte auch bei Daume einen Wandel der Überzeugung<br />
voraus. Denn während des Dritten Reichs hatte er den Sport<br />
noch als Beitrag zur militärischen Ertüchtigung propagiert. In<br />
einem Entnazifizierungs-Verfahren wurde das NSDAP-Mitglied<br />
(seit 1937) als „unbelastet“ eingestuft. Nach seiner<br />
eigenen Darstellung sei er auch kurze Zeit für den SD, den<br />
Geheimdienst der SS, tätig gewesen, um einem drohenden<br />
Fronteinsatz in Stalingrad zu entgehen. Seine Berichte seien<br />
so „blödsinnig“ und inhaltsleer gewesen, dass der SD das<br />
Interesse an seiner Mitarbeit verloren habe. Als Unternehmer<br />
hatte er ökonomisch davon profitiert, dass er in seiner Eisenfabrik<br />
als Rüstungsbetrieb auch Zwangsarbeiter beschäftigte.<br />
Guido von Mengden schrieb als erster DSB-Geschäftsführer<br />
und späterer Generalsekretär seinem Präsidenten brillante<br />
Reden und war der geistige Vater von Aktionen wie dem<br />
Zweiten Weg und Programmen für einen besseren Schulsport.<br />
Das Engagement des früheren Generalreferenten von Reichssportführer<br />
Hans von Tschammer und Osten und Stabsleiters<br />
des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen<br />
(NSRL) stellte freilich eine politisch-moralische Belastung dar.<br />
Laut Kennern der Szene soll der Dürener sich ebenso zum<br />
Demokraten gewandelt haben wie sein Nachfolger, der verdienstvolle<br />
langjährige DSB-Generalsekretär Karlheinz Gieseler,<br />
der als Neunzehnjähriger Untersturmführer der Waffen-<br />
SS war.<br />
Mit seinem Einzug in das Internationale <strong>Olympische</strong> Komitee<br />
(IOC), dem er bis 1991 angehörte und zu dessen Vizepräsidenten<br />
er aufstieg, begann 1956 die olympische Karriere<br />
Daumes. 1961 rückte er als Nachfolger Karl Ritter von Halts<br />
an die Spitze des NOK, das er 31 Jahre lang führte. Besonders<br />
der Kampf mit den Politprofis der DDR um die Modalitäten<br />
der gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft forderte ihm bis<br />
zu den Sommerspielen von Tokio 1964 einen hohen Einsatz<br />
ab. 1965 gestand das IOC auf seiner Session in Madrid der<br />
DDR ein eigenes Olympiateam zu. Es gehörte zum Wesen<br />
Willi Daumes, dass er aus der Tragik Funken der Hoffnung<br />
schlug. Damals zündete seine Idee, die <strong>Olympische</strong>n Spiele in<br />
Ämter und Ehrungen<br />
Willi Daume<br />
24. Mai 1913 geboren in Hückeswagen<br />
1928: Besucht gemeinsam mit seinem Vater die <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele in Amsterdam<br />
1936: Mitglied im Basketball-Kader der Spiele von Berlin<br />
1949: Bei der Gründung des Nationalen <strong>Olympische</strong>n<br />
Komitees für Deutschland zum Schatzmeister gewählt<br />
1949 bis 1955: Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Handball-<br />
Bundes (DHB), danach Ehrenpräsident<br />
1950 bis 1970: Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Sportbundes<br />
(DSB), danach Ehrenpräsident<br />
1956 bis 1991: Mitglied des Internationalen <strong>Olympische</strong>n<br />
Komitees, danach Ehrenmitglied<br />
1961 bis 1992: Präsident des NOK, danach Ehrenmitglied<br />
1966 bis 1972: Präsident des Organisationskomitees der<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele von München 1972<br />
1972 bis 1976: Vizepräsident des IOC<br />
1973: Ehrendoktor der <strong>Deutsche</strong>n Sporthochschule Köln<br />
1978 bis 1991: Vorsitzender der Zulassungskommission<br />
des IOC<br />
1979 bis 1988: Präsident der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong><br />
1980: Gescheitert beim Versuch, entgegen dem einhelligen<br />
Votum des Bundestages eine Mannschaft der Bundesrepublik<br />
zu den <strong>Olympische</strong>n Spielen nach Moskau zu<br />
entsenden<br />
1980: Bei der Wahl zum IOC-Präsidenten in Moskau Juan<br />
Antonio Samaranch deutlich unterlegen<br />
1981: Organisator des <strong>Olympische</strong>n Kongresses in Baden-<br />
Baden<br />
1981: zum Präsidenten der Erich-Kästner-<strong>Gesellschaft</strong><br />
berufen<br />
1986: Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern<br />
und Schulterband, der höchsten Stufe des Verdienstordens<br />
in der Bundesrepublik<br />
1988 bis 1991: Vorsitzender der Stiftung <strong>Deutsche</strong> Sporthilfe<br />
1988: zum Präsidenten des Internationalen Komitees für<br />
Fair Play berufen<br />
1988: Ehrenprofessur der Medizinischen Fakultät der<br />
Universität Freiburg<br />
1992: Verleihung des <strong>Olympische</strong>n Ordens in Gold, der<br />
höchsten Auszeichnung des IOC<br />
2006: posthume Aufnahme in die Hall of Fame des<br />
deutschen Sports (haf.)<br />
51
die Bundesrepublik zu holen. Im Frühjahr 1966 wählte das<br />
IOC München gegen die Mitbewerber Detroit, Madrid und<br />
Montreal zum Austragungsort der Sommerspiele 1972. Daume<br />
erzählte gern, wie unkompliziert solch eine Bewerbung<br />
Fragen an Willi Daume<br />
Ihre Lieblingsbeschäftigung?<br />
Nachdenken oder mit einem Ball spielen<br />
Wer oder was hätten Sie sein mögen?<br />
Arzt<br />
Ihr Traum vom Glück?<br />
Habe keinen<br />
Ihr Lieblingsvogel?<br />
Die Möwe Jonathan<br />
Ihre gegenwärtige Verfassung?<br />
Illusionslos<br />
Ihr Motto?<br />
„Alles im Leben ist Spaß“ (Falstaff bei Shakespeare)<br />
Aus dem Fragebogen des F.A.Z.-Magazins vom<br />
29. Juni 1984<br />
damals vonstatten ging: „Da haben wir uns vier Wochen<br />
vorher überhaupt erst entschlossen. Und dann sind Hans-<br />
Jochen Vogel (der damalige Münchner Oberbürgermeister)<br />
und ich da hingefahren. Da waren wir also gewählt. Und im<br />
Löwenbräu in Rom wurde gefeiert. Da war eine Politikerdelegation<br />
von der CDU. Dabei Krone, ein Liebling von Adenauer.<br />
Und da sagt der zu mir: ‚Ich find’ das ja ganz schön, daß die<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele nach München kommen. Aber sagen Sie<br />
mal, sind Sie extra deswegen nach Rom gekommen?’“<br />
Als Organisationschef setzte der „Olympier“, wie er alsbald<br />
respektvoll genannt wurde, seine volle Energie für dieses<br />
gewaltige Projekt ein und gab 1970 notgedrungen das Amt<br />
des DSB-Präsidenten ab. Bis zum Tag des Terroranschlags<br />
wurden es heitere Spiele, die Athleten und Zuschauer in<br />
harmonischer Feierstimmung erfassten. Daume hatte für das<br />
Design seinen Freund Otl Aicher von der berühmten Ulmer<br />
Hochschule für Gestaltung gewonnen, der zu leichten Farben,<br />
einem zarten Blau, einem luftigen Grün, einem eleganten<br />
Silber griff und mit den olympischen Piktogrammen ein bis<br />
52<br />
auf den heutigen Tag gängiges graphisches Esperanto schuf.<br />
Über der neu geschaffenen Olympialandschaft im zuvor<br />
desolaten Münchner Norden schwebte die Zeltdacharchitektur<br />
Günter Behnischs. Das Ensemble entsprang der Vision<br />
Daumes als Kunstkenner, Freund der Musik und Literatur, die<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele der Welt als Gesamtkunstwerk zu präsentieren.<br />
Ein Konzept, in der sich die Weite seines Denkens mit<br />
seinem Perfektionsdrang und der Liebe zum Detail verband.<br />
Das Attentat auf die israelische Mannschaft zerstörte den<br />
olympischen Frieden und damit Daumes idealistische Absicht,<br />
der Welt das Bild von einem neuen, besseren Deutschland zu<br />
zeigen. Nicht zuletzt der Hauptverantwortliche für die Spiele<br />
musste nun mit dem Vorwurf und seinem Zweifel leben, ob er<br />
nicht fahrlässig mit der Sicherheit der Gäste umgegangen<br />
war. Die moralische Bürde lastete schwer auf ihm, dass ausgerechnet<br />
jüdische Menschen auf deutschem Boden durch<br />
Gewalt ihr Leben verloren. Und das im Herzen eines bis dahin<br />
entspannten Friedensfestes.<br />
Die Ambivalenz des Schicksals blieb Willi Daumes Wegbegleiter.<br />
1980 wäre er gerne als Nachfolger von Lord Killanin<br />
IOC-Präsident geworden. Doch nur fünf Stimmen entfielen<br />
auf ihn, während Juan Antonio Samaranch mit überwältigender<br />
Mehrheit gewählt wurde. In den Augen des <strong>Deutsche</strong>n<br />
war sein (wohl auch sonst nicht zu vermeidender)<br />
Misserfolg die Quittung für den Olympiaboykott der Moskauer<br />
Spiele, für den sich sein NOK auf politischen Druck<br />
hin entschieden hatte – gegen den verzweifelten Kampf<br />
seines Präsidenten.<br />
„Doch Resignation ist kein Standpunkt“, sagte Daume in solch<br />
dunklen Stunden. Ein Jahr nach dem Tief von Moskau folgte<br />
das Hoch des <strong>Olympische</strong>n Kongresses von Baden-Baden, wo<br />
sich die gespaltene Sportwelt wieder vereinte, als hätte es<br />
den Boykott nicht gegeben. Der charismatische Vater der<br />
Münchner Spiele hatte dieses bedeutendste Forum der <strong>Olympische</strong>n<br />
Bewegung mit dem Geist und dem Design von 1972<br />
inspiriert. Es war seine Idee, den Athleten, an der Spitze<br />
Fecht-Olympiasieger Thomas Bach, seinem Nachfolger im IOC<br />
und Nachfahren beim <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n Sportbund,<br />
und Sebastian Coe, dem zweifachen Goldmedaillen-Gewinner<br />
auf den Mittelstrecken, zuletzt Cheforganisator der Spiele von<br />
London, erstmals Rederecht einzuräumen. Da wehte ein<br />
frischer, jugendlicher Wind durch die Konferenzräume. Aus<br />
dieser Initiative entstand die Athletenkommission des IOC, die<br />
längst zu einer Routineveranstaltung geworden ist.<br />
Baden-Baden 1981 markierte nicht zuletzt die Öffnung der<br />
<strong>Olympische</strong>n Spiele für Berufssportler. Auch hier lebte Daume<br />
im Zwiespalt. Denn er sah die Gefahr der totalen Kommerzialisierung,<br />
die Samaranch betrieb, besorgte aber als Vorsitzender<br />
der IOC-Zulassungskommission mit der Öffnung der<br />
Spiele für Berufssportler das Geschäft des Spaniers. Andererseits<br />
war auch seiner Meinung nach die brüchige Bastion des<br />
verlogenen Amateursports nicht länger zu halten. Der dop-
pelbödige Spitzensport taucht sein Verhältnis zur Dopingproblematik<br />
ins Zwielicht. Daume war einer der ersten Offiziellen,<br />
der vehement vor den Gefahren des Anabolika-Dopings<br />
warnte. Andererseits hielt er gegen ausdrücklichen Rat von<br />
Manfred von<br />
Richthofen als<br />
Vorsitzendem der<br />
Anti-Doping-<br />
Kommission des<br />
DSB an Professor<br />
Joseph Keul als<br />
Olympia-Arzt fest.<br />
Dabei deutete<br />
schon damals<br />
Vieles darauf hin,<br />
dass der Freiburger<br />
Mediziner<br />
Sportlern unzulässige<br />
Hilfsmittel<br />
verabreichte. Was<br />
wusste Daume?<br />
Diese Frage wird<br />
erst durch eine<br />
ungebremste<br />
Aufarbeitung der<br />
westdeutschen<br />
Dopingvergangenheit<br />
zu beantworten<br />
sein.<br />
Solche Zweifel<br />
wurden nur intern<br />
an einer alle<br />
überragenden<br />
Persönlichkeit<br />
geäußert. Daume<br />
wurde als der<br />
Vielgestaltige<br />
wahrgenommen,<br />
der überall dort<br />
einsprang, wo Not<br />
am Mann war: ob<br />
als Präsident der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<strong>Gesellschaft</strong><br />
oder als<br />
Vorsitzender der<br />
Sporthilfe, die er<br />
einst begründet<br />
und deren Motor<br />
Josef Neckermann<br />
er „erfunden“ hatte. Unter seinem Rundumeinsatz für den<br />
Sport litt die Familie mit seiner Frau Rosemarie, Tochter<br />
Doreen und Sohn Kay sowie das Unternehmen, für das er<br />
1993 Vergleich anmelden musste. Die Folge: Aus der einsti-<br />
gen finanziellen Unabhängigkeit wurde Armut, die nur durch<br />
wohltätige Hilfen gelindert wurde. Als er zu spät und widerwillig<br />
von seinen Ämtern ließ, wirkte der Krawattenmann<br />
und Ferrari-Fahrer von einst verbittert und einsam. Am 20.<br />
Willi Daume in der Hall of Fame von Hans Borchert<br />
Mai 1996, kurz vor seinem 83. Geburtstag, erlag Willi Daume<br />
in München einem Krebsleiden. Die Ernte seines unermüdlichen<br />
Schaffens war da längst eingefahren. Von ihr wird der<br />
deutsche Sport noch lange zehren.<br />
53
D<br />
Faszination Bewegung – Sportzeichnungen von Edith Hultzsch<br />
as <strong>Deutsche</strong> Sport & Olympia Museum erinnerte mit einer<br />
Ausstellung an die 2006 verstorbene Künstlerin Edith<br />
Hultzsch, die sich über Jahrzehnte hinweg mit dem Thema<br />
Sport und Bewegung auseinander gesetzt hat.<br />
Fasziniert von der Dynamik des Sports hat sich die Künstlerin<br />
Edith Hultzsch über viele Jahre produktiv mit dem Thema<br />
Bewegung auseinandergesetzt. Die begabte Zeichnerin und<br />
Malerin schuf – nicht zuletzt unter dem Eindruck der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele 1972 – zahlreiche Arbeiten zum Thema Sport<br />
und Bewegung. Im Olympiajahr erschien auch ihr Kunstband<br />
„Sport und Kunst“, in dem 22 Sportarten zeichnerisch dargestellt<br />
sind.<br />
Edith Hultzsch interessiert sich für den ästhetischen Aspekt<br />
sportlicher Bewegung. Von ihr ist der Ausspruch überliefert:<br />
54<br />
„Ich verstehe nichts von Sport. Ich mache es rein optisch, von<br />
der Schönheit der Bewegung her.“ Ihre exakte Darstellung<br />
von Bewegungsabläufen zeigt aber, wie intensiv sich Hultzsch<br />
mit ihrem Gegenstand auseinander gesetzt hat und dass sie<br />
auf künstlerischem Gebiet eine ganze Menge von Sport<br />
verstanden hat!<br />
Bemerkenswert ist vor allem die Arbeitsweise der Künstlerin,<br />
die nicht in der Abgeschiedenheit eines Ateliers, sondern<br />
mitten drin im Sportgeschehen gemalt und gezeichnet hat.<br />
So sind die Pinselzeichnungen, Ölgemälde und Gouachen auf<br />
Papier, in denen Hultzsch sportliche Bewegungen im Bild<br />
festhält, zumeist spontan und unmittelbar am Rande von<br />
Wettkämpfen an Rennbahnen, in Turnhallen und Stadien<br />
entstanden. Mit sicherem Strich erfasst Hultzsch jede noch so<br />
schnelle Aktion: die Schnellkraft des Pfeils beim Bogenschie-
ßen, die archaische Kraft eines Boxschlags oder die Eleganz<br />
gekreuzter Klingen im Fechtsport. Dabei gelingt es ihr, den<br />
typischen Bewegungsablauf einer Sportart auf das Wesentliche<br />
zu reduzieren.<br />
Auch vier Jahrzehnte nach den Spielen von München haben<br />
die mitunter kalligraphisch anmutenden Werke nichts von<br />
ihrer Ausstrahlung verloren. Grund genug für eine Hommage<br />
an die Künstlerin Edith Hultzsch, deren Sportzeichnungen bis<br />
zum 3. Februar <strong>2013</strong> im <strong>Deutsche</strong>n Sport & Olympia Museum<br />
zu sehen waren und jetzt im Hauptgebäude der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sporthochschule Köln zu besichtigen sind.<br />
Edith Hultzsch (1908 – 2006)<br />
Die 1908 in Berlin geborene Edith Hultzsch studierte in ihrer<br />
Heimatstadt Malerei an der Hochschule für Bildende Künste<br />
bei den Malern Prof. Orlik und Prof. Meid. Seit 1952 lebte sie<br />
in Düsseldorf; seit 1995 in Erkrath-Hochdahl bei Düsseldorf.<br />
Als Dozentin für figürliches Zeichnen gab sie ihre Erfahrun-<br />
GALERIE<br />
gen an der Werkschule<br />
Düsseldorf an Schülerinnen<br />
und Schüler weiter.<br />
Das große Thema von Edith<br />
Hultzsch ist die Darstellung<br />
von Bewegung in Sport, Tanz<br />
und im Stierkampf. In der<br />
unmittelbaren Umsetzung<br />
körperlicher Aktion am<br />
Rande sportlicher Wettkämpfe<br />
entstehen faszinierende Arbeiten, die in vielen Einzelausstellungen<br />
in Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal,<br />
Holland, Belgien, Österreich und Argentinien gezeigt wurden.<br />
Ab 1967 begann eine Ausstellungsfolge „Taureaux“ mit Start<br />
in Bonn-Bad Godesberg, die bis 1972 in 25 Städten gastierte.<br />
Die Kunstwerke von Edith Hultzsch sind im Besitz der Bundesregierung,<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen, der Städte<br />
Berlin, Stuttgart, Düsseldorf und in Privatbesitz.<br />
55
Bewegungspatenschaften<br />
Das Projekt „Bewegungspatenschaften“ war<br />
ein voller Erfolg in 2012. Die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> konnte mit ihren<br />
zahlreichen Unterstützern wie der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Kreditbank AG, KNS The Gym, Sports<br />
and Dance Academy und vielen weiteren<br />
56<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
KOMPAKT<br />
Aktuelles aus der Bundesgeschäftsstelle<br />
regionalen Partner das Thema Bewegung in<br />
die Schulen und Schulklasse bringen. Mehr<br />
als 10.000 Bewegungsstunden konnten<br />
durch das Projekt für die vielen Schülerinnen<br />
und Schüler geschaffen werden.<br />
Bundesweit wurden mit der Ausschreibung<br />
des Projektes „Bewegungspatenschaften“<br />
Schulklassen zur Bewerbung aufgerufen.<br />
Unter den Gewinnern fanden sich Schulklassen:<br />
- denen die finanzielle Möglichkeit für<br />
sportliche Angebote fehlen,<br />
- deren SchülerInnen aus sozial schwachen<br />
Familien stammen,<br />
- deren SchülerInnen aus sozialen Brennpunkten<br />
stammen,<br />
- die einen hohen Migrantenanteil aufweisen,<br />
- deren SchülerInnen sich in der Freizeit<br />
nicht bewegen,<br />
- deren Schule keine Sporthalle zur Verfügung<br />
steht.<br />
Bundesweit haben sich ca. 100 Schulen für<br />
das Projekt „Bewegungspatenschaften“<br />
beworben. Das Spektrum der teilnehmenden<br />
Schulen reichte über Grundschulen bis zu<br />
Haupt- und Realschulen sowie Förderschulen<br />
und Gymnasien. Die Bewegungsangebote<br />
beinhalteten Fußballcamps, Skikursen,<br />
Tanzkursen, Erlebnisparcours u.v.m.<br />
Allein mit unserem Partner KNS The Gym,<br />
Sports and Dance Academy in München<br />
konnten wir mit unserem Projekt mehr als<br />
7.000 SchülerInnen erreichen. Die positive<br />
Resonanz der LehrerInnen und SchülerInnen<br />
wie auch der Projektpartner lässt uns zu der<br />
Überzeugung gelangen, das Projekt auf<br />
jeden Fall in <strong>2013</strong> fortzusetzen.. DOG-<br />
Präsident Harald Denecken zeigt sich<br />
begeistert von der Wirkung des bundesweiten<br />
Projekts: „Mit dem Projekt „Bewegungspatenschaften“<br />
haben wir es als <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> geschafft, das<br />
wichtige Thema Bewegung in die teilnehmenden<br />
Schulen zu bringen. Wir danken<br />
allen Projektpartnern und Schulen für die<br />
tolle Zusammenarbeit:“<br />
Jung, sportlich Fair<br />
Im Rahmen der Ausschreibung „Jung,<br />
sportlich, Fair“, gestiftet von DOG-Förderer<br />
Karl-Heinz-Frenzen, erreichten die weiblichen<br />
Nachwuchswasserballerinnen der<br />
Freien Schwimmer Duisburg 1920 e.V. den<br />
dritten Platz. Die Nachwuchsmannschaft,<br />
die mit Ihrer erfolgreichen und zielstrebigen<br />
Arbeit bereits viele sportliche Erfolge vorzu-
Viel Freude über den 3. Platz bei „Jung, sportlich, Fair“<br />
weisen hat, setzt auch in der Vermittlung<br />
olympischer Werte Akzente. Gemeinsame<br />
Wochenenden, Trainingslager und seit<br />
kurzem die enge Zusammenarbeit<br />
mit einem Mentaltrainer<br />
sollen den Mannschaftsgeist<br />
und das faire Spiel, sowohl<br />
innerhalb der eigenen Mannschaft<br />
wie auch gegenüber<br />
anderen Mannschaften, fördern.<br />
Diese Wertevermittlung wird<br />
bereits in den jüngsten Altersklassen<br />
(ab 7 Jahren) umgesetzt.<br />
Wir gratulieren auf diesem Weg<br />
den Nachwuchswasserballerinnen<br />
der Freien Schwimmer<br />
Duisburg 1920 e.V. sehr herzlich<br />
zum Gewinn des 3. Platzes bei<br />
„Jung, sportlich, Fair“ und<br />
wünschen Ihnen weiterhin viel<br />
Erfolg bei der Fortsetzung dieser hervorragenden<br />
Jugendarbeit.<br />
Baden-Baden<br />
Gala des BBS<br />
Am 28 November 2012 veranstaltete der<br />
Badische Behinderten- und Rehabilitationssportverband<br />
im Europapark Rust eine<br />
Sportlergala. Da der BBS Mitglied der<br />
Zweigstelle Baden-Baden/Südbaden, ist, war<br />
auch die <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
bei diesem besonderen Abend vertreten. Im<br />
Rahmen dieser Gala wurden wie in den<br />
Vorjahren die BBS-Sportler des Jahres<br />
ausgezeichnet. Im Rahmen einer Publikumswahl<br />
via Internet wurden diese gewählt. Bei<br />
den Damen siegte Juliane Wolf (Tischtennis),<br />
gefolgt von der Nachwuchshoffnung Ski<br />
Alpin Anna-Lena Forster und der Fechterin<br />
Simone Briese-Baetke. Die BBS-<br />
Sportlerin des Jahres Juliane<br />
Wolf erhielt einen von der DOG<br />
Baden-Baden/Südbaden gestifteten<br />
Scheck in Höhe von 600<br />
Euro.<br />
Bei den Herren setzte sich<br />
erwartungsgemäß der dreifache<br />
Medaillengewinner der Paralympics<br />
in London Tobias Graf<br />
(Radsport) durch. Zweiter und<br />
Dritter wurden die Skilanglaufund<br />
Biathlon-Asse Martin Fleig<br />
und Willi Brem. Der Titel „Mannschaft<br />
des Jahres“ ging wie<br />
bereits 2010 an die harten Jungs<br />
von „The Rebels Karlsruhe“, die auch in den<br />
vergangenen zwei Jahren die Rollstuhlrugby-Szene<br />
in Deutschland und Europa domi-<br />
BBS-Präsident Dr. Erwin Grom, "Patin" Christina Obergföll,<br />
BBS-Sportlerin des Jahres Juliane Wolf, Arnulf<br />
Meffle und Harald Denecken<br />
nierten. Zweiter wurden die Sitzballerinnen<br />
der SG Karlsruhe-Bühl, gefolgt vom erfolgreichen<br />
Faustballteam der BSG Offenburg.<br />
Eine stimmungsvolle<br />
Ehrung der Besten<br />
Es ist dann mal wieder ein ebenso spannender<br />
wie stimmungsvoller Abend geworden.<br />
Die Sportredaktion des Badischen Tagblatts<br />
hatte am 15. Februar ins Alte E-Werk zu<br />
Baden-Baden geladen. Dort mit Preisen und<br />
Pokalen zu ehren, galt es einmal mehr die<br />
regionalen Sportler des Jahres 2012. Die<br />
Curlerin Nicole Muskatewitz, der Triathlet<br />
Christian Müller sowie die Bundesligavolleyball<br />
des TV Bühl machten diesmal das<br />
Rennen bei der sogenannten Jury-Wahl.<br />
Den Leserpreis wiederum erhielten Handball-Torjäger<br />
Simon Bornhäuser, seine<br />
Mannschaft, der TV Sandweider, sowie die<br />
Hochspringerin Anne Klebsch von der TG<br />
Ötigheim.<br />
Eröffnet wurde der Abend mit begrüßenden<br />
Worten von BT-Chefredakteur Markus<br />
Langer und Hubert Edelmann, Vorstandsmitglied<br />
der Volksbank Baden-Baden/Ra-<br />
Armin Zeitvogel und Frank Ketterer<br />
statt, dem BT-Partner bei der alljährlichen<br />
Sportlerwahl. Den ersten Preis des Abends<br />
wiederum vergab Frank Ketterer, der Leiter<br />
der BT-Sportredaktion. Er zeichnete Armin<br />
Zeitvogel für dessen Verdienste rund um die<br />
bundesweite Hilfsaktion „Handballer für<br />
Handballer“ zugunsten des an Leukämie<br />
erkrankten Handball-Weltmeisters von 1978<br />
(Arnulf Meffle, Anm. d. Red.) mit dem<br />
Ehrenpreis der BT-Sportredaktion aus.<br />
Zeitvogel habe sich in beispielhafter Art und<br />
Weise für eine gute Sache eingesetzt. „Er<br />
hat sich gekümmert“, stellte Ketterer in<br />
seiner Laudatio fest. (…)<br />
Badisches Tagblatt<br />
Berlin<br />
DOG-Jahresabschluss 2012 mit<br />
zwei besonderen Ehrungen<br />
Im stilvollen Ambiente des Berlin Capital<br />
Clubs ehrte der Landesverband Berlin der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> am 17.<br />
Dezember 2012 zwei seiner Mitglieder für<br />
ihre besonderen Verdienste. Für seine 60jährige<br />
Mitgliedschaft in der DOG wurde der<br />
Golf- und Land-Club Berlin-Wannsee<br />
(GLCBW) geehrt. Er ist der älteste Golfclub<br />
in Deutschland, gegründet im Jahr 1895<br />
von britischen und amerikanischen Diplomaten.<br />
Gleichzeitig wurde das Berliner Wohnungsunternehmen<br />
degewo für seinen besonderen<br />
Einsatz – die materielle und finanzielle<br />
57
Unterstützung unseres Projektes „Kinder<br />
bewegen“ – mit der Plakette für Besondere<br />
Leistungen im Sport und der <strong>Olympische</strong>n<br />
Idee ausgezeichnet. Die degewo ist mit über<br />
72.000 verwalteten Wohnungen und rund<br />
1.000 Mitarbeitern das führende Wohnungsunternehmen<br />
in Berlin.<br />
Bei der Übergabe der Ehrenurkunden an Dr.<br />
Frank-Peter Muschiol (Präsident des GLCBW)<br />
und Frank Bielka (Vorstand der degewo)<br />
stellte der Ehrenpräsident des Landesverbandes<br />
Berlin der DOG, Hans-Jürgen<br />
Bartsch, die besonderen Verdienste heraus,<br />
die sich beide Institutionen bei der Förderung<br />
der <strong>Olympische</strong>n Idee erworben haben.<br />
So wurde der GLCBW nicht nur wegen<br />
seiner treuen Mitgliedschaft in der DOG<br />
geehrt. Der Club, der aufgrund seiner<br />
besonderen Förderung von Kindern und<br />
Jugendlichen, vom <strong>Deutsche</strong>n Golf Verband<br />
wiederholt mit dem Bundespreis „Zukunft<br />
Jugend“ für die beste Nachwuchsarbeit und<br />
vom DOSB und der<br />
Commerzbank mit<br />
dem „Grünen Band“<br />
für besondere<br />
Leistungen im<br />
Jugendsport ausgezeichnet<br />
wurde,<br />
zeigt deutlich, wie<br />
wichtig es ist, der<br />
Jugend die Freude<br />
am Sport und an<br />
der eigenen Leistung<br />
zu vermitteln.<br />
Mit der degewo<br />
verbindet die<br />
Berliner DOG eine<br />
enge Partnerschaft<br />
bei der Umsetzung des Kindergartenprojekts<br />
„Kinder bewegen“. Dank dieser sehr intensiven<br />
und konstruktiven Zusammenarbeit<br />
Matthias Bartsch (Schatzmeister DOG Berlin), Frank Bielka<br />
(Vorstand degewo), Dr. Frank-Peter Muschiol (Präsident<br />
des GLCBW), Hans-Jürgen Bartsch (Ehrenpräsident DOG<br />
Berlin), Dieter Krickow (Präsidiumsmitglied DOG Berlin)<br />
58<br />
können rund 240 Kinder der Kitas Ackerstraße,<br />
Omas Garten, Rosa Marzipan und<br />
Kinderparadies in Berlin-Wedding seit<br />
Herbst 2010 regelmäßig Sport treiben.<br />
Dieses Angebot stößt sowohl bei den<br />
Kindern als auch bei den Eltern und Erziehern<br />
auf große Begeisterung. Für die tatkräftige<br />
Unterstützung dieses Projekts gilt<br />
der degewo ein großer Dank.<br />
Dass mit dem Abschluss der Ehrungen ein<br />
weiteres persönliches Mitglied für die DOG<br />
geworben wurde, darf man schon als<br />
Ehrensache feststellen.<br />
Dieter Krickow/Alexander Dorner<br />
Rotary-Club Berlin-Zitadelle<br />
unterstützt DOG-Partner-Kita<br />
Schöne Bescherung vor dem Weihnachtsfest:<br />
Über neue Sportgeräte wie Trampoline,<br />
Kletterbretter oder Hula-Hoop-Reifen konn-<br />
ten sich die Kids der Kindertagesstätte „Omas<br />
Garten“ im Wedding freuen. Die Kita ist<br />
Partner im Projekt „Kinder bewegen“ der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
Berlin. Die Neuanschaffungen<br />
wurden ermöglicht durch<br />
eine großzügige Spende des<br />
Rotary-Clubs Berlin-Zitadelle.<br />
Dessen Vorsitzender Dr. Gunnar<br />
Berghöfer (rechts im Bild) und<br />
Schatzmeister Harald Kussin<br />
(links) übergaben die Sportgeräte<br />
kurz vor Weihnachten an Kita-<br />
Leiterin Magdalena Heinisch<br />
(Dritte von links), die Erzieherinnen<br />
und Kinder.<br />
Alexander Dorner<br />
Cottbus<br />
Sportgala der Stadt Cottbus<br />
Traditionell und besonders nach dem<br />
erfolgreichen Olympiajahr für viele Cottbuser<br />
Sportlerinnen und Sportler, galt es am<br />
18. Januar <strong>2013</strong> in den Räumen der Sparkasse<br />
Spree-Neiße für die DOG Ortsgruppe<br />
Cottbus Danke zu sagen und die hervorragenden<br />
Leistungen zu würdigen.<br />
In den Räumen der Sparkasse Spree-Neiße<br />
wurden gleich drei erfolgreiche Trainer mit<br />
der Plakette für besondere Leistungen im<br />
Sport und der <strong>Olympische</strong>n Idee der DOG<br />
ausgezeichnet. Alle drei Ausgezeichneten<br />
waren einst selbst Spitzenathleten und<br />
arbeiten heute mit viel Engagement, Ausdauer<br />
und Herzblut am OSP Brandenburg<br />
im Bereich Cottbus.<br />
Eyk Pokorny ist seit 2007 Trainer u.a. von<br />
Maximilian Levy, Eric Balzer, Erik Engler,<br />
Philipp Thiele. Seit dieser Zeit errangen die<br />
von ihm trainierten Sportler bei den verschiedensten<br />
internationalen Top-Events 26<br />
Medaillen, hier ragen natürlich die 3 olympischen<br />
Medaillen von Maximilian Levy<br />
(2008 Bronze sowie 2012 Silber und Bronze)<br />
heraus.<br />
Ralf Paulo kümmert sich mit großer Leidenschaft<br />
in Cottbus um die Rollstuhlbasketballer,<br />
Sitzvolleyballer und Leichtathleten und<br />
hat wesentlich dazu beigetragen, dass diese<br />
Sportarten und einzelnen Disziplinen in<br />
leistungssportliche Strukturen verankert<br />
werden konnten. Höhepunkte als Trainer<br />
waren der Gewinn der paralympischen<br />
Silbermedaillen von Rayk Hauke in Sydney<br />
2000 und von Frances Herrmann 2008 in<br />
Peking im Diskus.<br />
Karsten Oelsch kam im Jahr 2005 als<br />
Nachfolger von Bernd Heide als Cheftrainer<br />
nach Cottbus. In seiner bisherigen Trainertätigkeit<br />
ragen die beiden Vizeweltmeistertitel<br />
von Philipp Boy heraus. Er sieht sich<br />
mit seiner Arbeit als Bestandteil des Teams.<br />
Dieser Teamgedanke ist die Stärke von<br />
Karsten, der als „Cheftrainer“ den Trainerstab<br />
des Bundesstützpunktes Turnen/Trampolin<br />
führt und den bisherigen erfolgreichen<br />
Weg mit seinem Trainerteam fortsetzen<br />
möchte.<br />
Oft sind es aber die „stillen Stars im Hintergrund“,<br />
die Spitzenleistungen, den Zusammenhalt<br />
im Verein und die sportliche
Vielfalt in einer Stadt erst möglich machen.<br />
So wurden an diesem Abend auch verdienstvolle<br />
Mitglieder und Förderer der<br />
<strong>Olympische</strong>n Idee mit der Goldenen Ehrennadel<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
gewürdigt.<br />
Iris Nerretig, ist nicht nur eine engagierte<br />
Lehrerin, sondern auch ehrenamtliche<br />
Trainerin beim SV Energie Cottbus e.V.<br />
Abteilung Volleyball. Eine Trainerin mit Leib<br />
und Seele. Hauptberuflich ist sie seit vielen<br />
Jahren an der Lausitzer Sportschule als<br />
Volleyball-Lehrertrainerin beschäftigt. Sie ist<br />
seit Beginn der Etablierung des Frauenvolleyballs<br />
an dieser „Elite Schule des Sports“<br />
dabei. Ihr Herz und Ihre Leidenschaft<br />
gehören besonders der Nachwuchsarbeit -<br />
ehrenamtlich trainiert und sucht sie Talente<br />
an den Cottbuser Grundschulen. Darüber<br />
hinaus pflegt sie seit vielen Jahren die<br />
Beziehungen zu den Volleyballerinnen in<br />
Zielona Gora. Sie organisiert Trainingslager,<br />
Wettkämpfe und Fortbildungen. Wie kaum<br />
Peter Przesdzing ist sichtlich gerührt nach<br />
der Auszeichnung mit der Goldenen Ehrennadel<br />
der DOG<br />
eine andere Lehrerin engagiert sich sie für<br />
die <strong>Olympische</strong> Sportart Volleyball und seine<br />
Verbreitung.<br />
Heinz Bundesmann, der langjährige Vorsitzende<br />
des ESV Lok Cottbus e.V., ist untrennbar<br />
mit seinem Verein und dessen Erfolgen<br />
verbunden. Er ist ein Macher. Ob als Verantwortlicher<br />
für die Vereinsanlage in Goyatz<br />
oder die Belange der einzelnen Abteilungen.<br />
Er fühlt sich nicht nur verantwortlich,<br />
sondern löst die Aufgaben. Viele Sportveranstaltungen<br />
hat er in seiner Verantwortung<br />
durchgeführt. Besonders setzt er sich für<br />
Kinder und Eltern aus sozial schwachen<br />
Verhältnissen ein, dass auch sie die Möglichkeit<br />
des Sporttreibens und des Urlaubes mit<br />
touristischen Aktivitäten am Schwielochsee<br />
bekommen. Vorbildlich ist sein Wirken im<br />
Sinne des olympischen Gedankens bei der<br />
Nachwuchsarbeit seit mehr als 40 Jahren.<br />
Darüber hinaus wurden der ehrenamtliche<br />
Kampfrichter im Turnen, Olaf Neumann,<br />
sowie der dienstälteste ehrenamtliche<br />
Tennisfunktionär in Brandenburg, Sportfreund<br />
Werner Ludwig, ausgezeichnet.<br />
Standing Ovations und den längsten<br />
Applaus erhielt der ausgezeichnete und<br />
einstige Werkleiter des Sportstättenbetriebes<br />
Peter Przesdzing. Der ehemalige<br />
Hammerwerfer hat sich über 35 Jahre<br />
über das Gewöhnliche für den Sport in<br />
der Stadt Cottbus eingesetzt. Tag und<br />
Nacht hat er auftretende Probleme im<br />
Sinne des Sports gelöst. Unzählige Sportveranstaltungen<br />
im Sportzentrum, dem<br />
Stadion der Freundschaft oder in der<br />
Stadt Cottbus wären ohne seinen selbstlosen<br />
Einsatz in der Anzahl und Qualität<br />
nicht möglich gewesen. Die gesamte<br />
Cottbuser Sportfamilie verneigte und<br />
bedankte sich bei ihm für sein Engagement<br />
und seine große Hilfs- und Einsatzbereitschaft.<br />
Przesdzing ist aktives Mitglied<br />
der DOG-Stadtgruppe.<br />
Tobias Schick<br />
Darmstadt<br />
Vielfältiges und umfangreiches<br />
Jahresprogramm<br />
Die Podiumsdiskussion im Herbst „Fair Play<br />
– ein Thema für Darmstadt“ brachte Vieles<br />
ins Rollen. Die Aussagen der beteiligten<br />
Oberstufenschülern, dass „Fair Play“ bereits<br />
im frühen Lebensalter eingeübt werden<br />
sollte, veranlasste die DOG Darmstadt für<br />
die ortsansässigen Grundschulen einen Fair<br />
Play Wettbewerb ins Leben zu rufen. Unterstützende<br />
Maßnahmen werden in einer Fair<br />
Play Werkstatt entwickelt.<br />
Wissend um die Bedeutung von Bewegung<br />
in unserer Zeit wurde ebenfalls ein breitensportlicher<br />
Wettbewerb ausgeschrieben.<br />
Inspiriert wurden die Darmstädter dabei von<br />
der DOG Odenwald. Mit diesem Wettbewerb<br />
sollen Grundschulen, die sportlich aktiv sind,<br />
belohnt werden und andere Grundschulen<br />
einen Anreiz erhalten, sich auf einen sportlichen<br />
Weg zu begeben.<br />
Am 1. März ist eine Wanderung für die<br />
Mitglieder und Freunde der DOG Darmstadt<br />
geplant. Ein Abendessen mit einem Vortrag<br />
des Sicherheitsbeauftragten des SV Darmstadt<br />
98 schließt sich daran an.<br />
Im Juni erfolgt die Ehrung der südhessischen<br />
Coubertin-Preisträger. Diese Veranstaltung<br />
wird in enger Zusammenarbeit mit dem Circus<br />
Waldoni und der ehemaligen hessischen<br />
Kultusministerin Karin Wolff durchgeführt.<br />
Schon zur Tradition geworden ist die Teilnahme<br />
und Präsentation der DOG beim<br />
alljährlichen Sport- und Spielfest der Stadt<br />
Darmstadt.<br />
Bei der im Oktober stattfindenden Podiumsdiskussion<br />
wird die derzeitige Fußballfanproblematik<br />
aufgegriffen. Titel der Veranstaltung:<br />
„Fair Play auf und neben den<br />
Darmstädter Fußballplätzen“<br />
Norbert Lamp<br />
Hamburg<br />
DOG Hamburg Siegel<br />
Der Landesverband Hamburg hat zum<br />
Jahresende erneut sein DOG Hamburg<br />
Siegel ausgegeben. Diese Auszeichnung<br />
verleiht der Hamburger Vorstand jeweils im<br />
olympischen Jahr an Instuitionen, die sich<br />
um die <strong>Olympische</strong> Idee in der Metropolregion<br />
verdient gemacht haben. Die Vereine<br />
können sich alle zwei Jahre für jeweils eine<br />
Olympiade für das Siegel bewerben. 2012<br />
wurden der Phönix Sport Hamburg e.V. und<br />
die TopSportVereine Metropolregion Hamburg<br />
e.V. für ihr Engagement ausgezeichnet.<br />
Phönix Sport Hamburg e.V. wurde vor knapp<br />
zwei Jahren von Menschen mit geistiger<br />
Behinderung und deren Eltern gegründet.<br />
Der Verein versteht es auf einmalige Weise<br />
durch Selbsthilfe geistig Behinderten einen<br />
sportlichen Anlauf- und Mittelpunkt zu<br />
stellen, der diesen Menschen durch die<br />
olympischen Werte ein überzeugendes<br />
Selbstwertgefühl vermittelt und somit für<br />
deren Eingliederung sorgt.<br />
TopSportVereine Metropoloregion Hamburg<br />
e.V. ist der Zusammenschluss der 25 größten<br />
Sportvereine Hamburgs. Dieser Zusammenschluss<br />
wiederum veranstaltet über die<br />
normalen sportlichen Vereinsangebote<br />
hinaus, jährlich in der Region ein Sichtungssportfest,<br />
die Kinder-Olympiade für Kinder<br />
zwischen 5 und 10 Jahren. In verschiedenen<br />
Wettbewerben wird Geschicklichkeit, Koor-<br />
59
dinationsfähigkeit<br />
und Ausdauer<br />
gefördert. Auch hier<br />
sieht der Hamburger<br />
Vorstand eine ideale<br />
olympische Wertevermittlung,<br />
die<br />
dazu führt, dass<br />
sich Kinder intensiver<br />
mit sportlichen<br />
Angeboten auseinandersetzen.<br />
Thomas Metelmann,<br />
1. Vorsitzender des<br />
Landesverbandes Hamburg, meint dazu:<br />
„Hier versuchen wir die Theorie mit der<br />
Praxis zielgerichtet in Verbindung zu bringen,<br />
in dem wir den olympischen Wertebestand<br />
als Siegel sichtbar in die Vereine der<br />
Stadt bringen!“<br />
Kiel<br />
DOG lädt zum Lunch<br />
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem<br />
Rekord-Prinzip im modernen Leistungssport<br />
stand im Mittelpunkt des Olympia-Lunches<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
Kiel am Mittwoch, 13. Februar, um 12.30<br />
Uhr im Restaurant „Ratskeller“ im Rathaus.<br />
Professor Dr. Claus Tiedemann hat seine<br />
Gedanken zum Thema erläutert und zur<br />
Diskussion gestellt.<br />
Professor Dr. Claus Tiedemann ist seit 1963<br />
Mitglied der DOG und gehörte von 1969 bis<br />
1973 dem Präsidium der <strong>Gesellschaft</strong> an. Er<br />
war seit 1969 am Institut für Leibesübungen<br />
an der Universität Hamburg tätig und<br />
machte sich darüber hinaus als erfolgreicher<br />
Regattasegler einen Namen. Wissenschaftlich<br />
hat sich Professor Tiedemann vor allem<br />
mit sporthistorischen und -philosophischen<br />
Fragen beschäftigt.<br />
Kreis Düren<br />
Jung, sportlich, Fair<br />
Im Rahmen der Ausschreibung „Jung,<br />
sportlich, Fair“ hat der Geschäftsführer der<br />
DOG Kreis Düren Alfred Bergrath dem<br />
Boxring Düren 55 e.V. eine Urkunde für den<br />
2. Platz sowie einen Scheck über 300 Euro<br />
überreicht.<br />
60<br />
Alfred Bergrath (links) und die Preisträger vom Boxring Düren 1955 e.V.<br />
Der Boxring Düren 1955 e.V. ist eine Amateur-Boxverein,<br />
dessen zentrales Augenmerk<br />
die Jugendarbeit und die Förderung von<br />
Nachwuchstalenten ist. Jenseits des sportlichen<br />
Trainings sind das Fair Play, der Teamgeist<br />
und die Integration von Migranten<br />
wichtiger Bestandteil der täglichen Vereinsarbeit.<br />
Auf Grund dieser wichtigen Vereinsarbeit<br />
wurde der Boxring Düren 1955 e.V.<br />
zum Botschafter der Stadt<br />
Düren ernannt. Der Bürgermeister<br />
der Stadt Düren Paul Larue<br />
verkündet dies stets mit einem<br />
gewissen Stolz.<br />
Auch abseits des Trainings in der<br />
Sporthalle setzt der Zweitplazierte<br />
von „Jung, sportlich, FAIR“<br />
Akzente. Der Boxring Düren<br />
1955 e.V. betreut ebenso drei bis<br />
vier Jugendliche, die Sozialstunden<br />
abzuleisten haben. Viele<br />
Institutionen vertrauen dem<br />
Verein ihre Schützlinge an.<br />
Die Arbeit des Vereins ist vor<br />
diesem Hintergrund aller Ehren<br />
wert und daher mit dem zweiten<br />
Platz der Ausschreibung „Jung, sportlich,<br />
FAIR“ ausgezeichnet worden. Wir gratulieren<br />
dem Boxring Düren 1955 e.V. sehr herzlich.<br />
Odenwaldkreis<br />
Förderaktion der<br />
DOG Odenwald<br />
Die Zweigstelle Odenwald der DOG und der<br />
Sportförderkreis Olympia Odenwald vergaben<br />
am 21. Februar im Rahmen einer<br />
Feierstunde in der Sparkassen-Hauptstelle in<br />
Erbach an insgesamt 41 junge Sportlerinnen<br />
und Sportler die Förderbeiträge der zum 18.<br />
Mal in Folge im Jahr 2012 durchgeführten<br />
Spendenaktion<br />
„Junge Könner<br />
brauchen Gönner“.<br />
Mit dieser Zahl von<br />
jungen Athleten, die<br />
mit einem Förderbetrag<br />
bedacht wurden,<br />
erreichte die<br />
DOG eine neue<br />
Rekordmarke<br />
gegenüber 38 im<br />
Vorjahr. Damit ist<br />
die DOG aber an die<br />
Grenze des Machbaren<br />
angelangt, wie<br />
der DOG-Vorsitzende Johann Weyrich<br />
bekennen musste. Die Feier wurde von<br />
Karina Schuller mit der Klarinette musikalisch<br />
umrahmt.<br />
Ausgewählt wurden Sportlerinnen und<br />
Sportler zwischen 12 und 22 Jahren, die im<br />
Odenwaldkreis wohnen und Erfolge ab der<br />
Hessenmeisterschaft erreicht haben. Die<br />
Eine Gruppe von jungen Sportlerinnen und Sportlern, die<br />
bei der jüngsten Förderaktion der Zweigstelle Odenwald<br />
ausgezeichnet wurden. Links der Vorsitzende Johann<br />
Weyrich und rechts Vorstandsmitglied Willi Hartmann<br />
erfreulich hohe Zahl von erfolgreichen<br />
Nachwuchssportlerinnen und Sportler zeige,<br />
dass der Sport im Odenwaldkreis neben der<br />
Breitenarbeit auch erfolgreich in der Spitze<br />
ist, meinte Weyrich.<br />
Möglich sei diese Aktion nur durch Sponsoren.<br />
So hätten 15 Geschäfte und Betriebe,<br />
17 Privatpersonen, Städte und Gemeinden,<br />
der Odenwaldkreis, die HSE-Stiftung und die<br />
Sparkasse insgesamt 5.830 Euro gespendet,<br />
die DOG habe aus eigenen Mitteln noch 620<br />
Euro draufgelegt, so dass mit 6.450 Euro<br />
auch die höchste Summe in der 18jährigen<br />
Fördergeschichte zusammengekommen sei.<br />
Die Erfolge des Sportnachwuchses habe<br />
man Zeitungsberichten entnommen, aber<br />
auch Meldungen von Vereinen erhalten, gab
DOG-Vorstandsmitglied Willi Hartmann<br />
bekannt. Es seien auf die Anschreiben der<br />
DOG 50 Rückantworten eingegangen, davon<br />
seien 41 ausgewählt worden. Die Auswahl<br />
sei ihm wahrlich nicht leicht gefallen. Für<br />
Diejenigen, die eine Absage erhalten hätten,<br />
gebe es als Trostpflaster Präsente. Der<br />
ausgewählte Sportnachwuchs kommt aus<br />
13 Kommunen des Kreises und hat Erfolge<br />
in 13 Sportarten aufzuweisen.<br />
Die Idee für diese Aktion, die im Jahr 1994<br />
gestartet wurde, kam vom damaligen<br />
Vorsitzenden und jetzigen Ehrenvorsitzenden<br />
Ein Blick in den vollbesetzten Konferenzsaal der Sparkasse<br />
in Erbach bei der Vergabe der Fördergelder für die Aktion<br />
„Junge Könner brauchen Gönner“<br />
der DOG Odenwald, Hubert Hey. „Wir wollten<br />
die Leistungen des Sportnachwuchses<br />
herausstellen und damit Mut zur Leistung<br />
machen“, so Hey bei seinem Statement.<br />
Lob und Anerkennung für die DOG-Aktion<br />
zollten der erste Kreisbeigeordnete Oliver<br />
Grobeis, der Sportkreisvorsitzende Klaus-<br />
Dieter Neumann, Manfred Heiss für den<br />
Vorstand der HSE-Stiftung und im Namen<br />
der anwesenden Bürgermeister, Erbachs<br />
Rathauschef Harald Buschmann. Für die<br />
Sparkasse sprach Frank Weichel, der auch<br />
als Finanzfachmann im geschäftsführenden<br />
Vorstand der DOG mitarbeitet.<br />
Hartmann und Weyrich vergaben dann die<br />
Geldpreise an den Sportnachwuchs. Per<br />
PowerPoint-Präsentation gab DOG-Geschäftsführerin<br />
Christina Schuller den<br />
Anwesenden im Konferenzsaal des Geldinstitutes<br />
die Gelegenheit, die Erfolge des<br />
ausgezeichneten Sportnachwuchses nachzuvollziehen.<br />
Dass die Eltern ihren Teil zum<br />
Erfolg ihrer Kinder durch Fahrten zu Trainingsstätten<br />
und Wettkämpfen beitragen,<br />
wurde ebenfalls deutlich. Ein Trainingsauf-<br />
wand von bis zu 15 Stunden pro Woche ist<br />
keine Seltenheit.<br />
Das Stipendium der HSE-Stiftung ging an<br />
Jonas Rutsch (TV Dorf-Erbach), der im<br />
Mountainbike und auch im Straßenfahren<br />
beachtliche Erfolge verzeichnete, unter<br />
anderem einen <strong>Deutsche</strong>n Meistertitel und<br />
zwei zweite Plätze bei den <strong>Deutsche</strong>n<br />
Meisterschaften in verschiedenen Disziplinen.<br />
Die weiteren Namen des Sportnachwuchses:<br />
Jan Gronewold (Ju-Jutsu), Eugen Khitro (Ju-<br />
Jutsu), Georg Keßler (Ju-Jutsu),<br />
Jochen Keßler (Ju-Jutsu), Tanika<br />
Rundel (Ju-Jutsu), Sophia<br />
Schmelzer (Ju-Jutsu), Lisa<br />
Ludolph (Judo, alle JC Erbach),<br />
Daniel Seibold (Ringen, KSV<br />
Wersau), Dawid Wolny (Ringen),<br />
Adrian Wolny (Ringen, beide<br />
Michelstadt/TSV Gailbach), Finn-<br />
Laurenz Klinger (Mountainbike),<br />
Lucille Rutsch<br />
(Mountainbike/Straßenfahren,<br />
beide SV Rai-Breitenbach), Lutz<br />
Staake (Mountainbike/Wasser-<br />
ball, SV Rai-Breitenbach),<br />
Leonhard Blumhoff (Speedskating/Leichtathletik),<br />
Birk Blumhoff(Speedskating/Leichtathletik,<br />
beide RSG Michelstadt/ TSG<br />
Bad König), Victoria Sammet<br />
(Speedskating, RSG Michelstadt), Marlene<br />
Pfeifer (Rasenkraftsport, TV Fränkisch-<br />
Crumbach), Sergen Steinbauer (Karate,<br />
Hesseneck/Budokai Eberbach), Nawapon<br />
Huka (Karate),<br />
Marco Gröschl<br />
(Karate), Julian<br />
Thierolf (Karate, alle<br />
SV Umsu Karate<br />
Höchst), Jülide Sevic<br />
(Karate, Shotokan<br />
Karate Bad König),<br />
Tim Heymann<br />
(Karate, Samurai<br />
Odenwald), Lisa<br />
Schubart (Sommerbiathlon),<br />
Eileen<br />
Schönherr (Sommerbiathlon,<br />
beide<br />
SV Hüttenthal),<br />
Patrick Sattler<br />
(Motorrad-Trial), André Sattler (Motorrad-<br />
Trial, beide Reichelsheim/MSV Hammelbach,<br />
Nikolas Renner (Sportschießen), David<br />
Koenders (Sportschießen, beide SV Hüttenthal),<br />
Michael Fischer (Sportschießen, SV<br />
Rai-Breitenbach), Felix Hammann (Bogen-<br />
schießen), Ariane Struick (Bogenschießen),<br />
Lorena Müller (Bogenschießen, alle TV<br />
Michelstadt), Maximilan Schröder (Boxen,<br />
Kampfkunst Michelstadt), Kimberly Klingelhöfer<br />
(Boxen), Thomas Ens (Boxen, beide<br />
TSV-BV Erbach), Jonas Uster (Orientierungslauf,<br />
LGO/TSG Bad König), Kris Jost (Handball,<br />
Fränkisch-Crumbach/TV Groß-Wallstadt),<br />
Florian Bowitz (Stepptanz, Ballettschule<br />
Krings), René Leißler (Rasenkraftsport,<br />
TV Fränkisch-Crumbach).<br />
Gerd Waßner<br />
Odenwald-Tauber<br />
Ehrung der Zweigstelle<br />
Mit dem Ziel vorbildlich faires Verhalten<br />
anzuerkennen und beispielhaft darzustellen,<br />
verbunden mit dem Aufruf Fairness überall<br />
zu pflegen, hatte die DOG-Zweigstelle<br />
Odenwald-Tauber heuer bereits zum zwölften<br />
Mal unter dem Slogan „Fair geht vor!“<br />
einen Fairness-Preis ausgeschrieben. Sie will<br />
damit ein deutliches Zeichen setzen gegen<br />
Unfairness und Intoleranz. Weitere große<br />
Anliegen der DOG-Zweigstelle sind die<br />
Anerkennung herausragender sportlicher<br />
Leistungen sowie besonderen Engagements<br />
im Ehrenamt und verstärkte Einbindung des<br />
Sportes in den Schulbetrieb.<br />
Zur Übergabe der Auszeichnungen 2012<br />
hatte die Zweigstelle Odenwald-Tauber<br />
nach Tauberbischofsheim ins Turmzimmer<br />
der Volksbank Main-Tauber eingeladen.<br />
Dazu hieß die Vorsitzende Elisabeth Krug die<br />
zu Ehrenden sowie DOG-Mitglieder und<br />
Gäste herzlich willkommen. Grüße entbot<br />
sie insbesondere dem Hausherrn und<br />
Gastgeber, den Bürgermeistern und last but<br />
not least dem Gründungs- und Ehrenvorsit-<br />
61
zenden Rudi Arnold. Kurz schilderte sie Ziele<br />
und Visionen der DOG, verwies auf die völlig<br />
ehrenamtlich organisierte Zweigstelle und<br />
deren Arbeit im Neckar-Odenwald-Kreis und<br />
im Main-Tauber-Kreis bzw. den drei Sportkreisen<br />
dieser Region: Buchen, Mosbach<br />
und Tauberbischofsheim. Sie verband damit<br />
die Erwartung, dass die Auszuzeichnenden<br />
als Vorbilder gesehen werden und in der<br />
Region viele Nachahmer finden. Zu einem<br />
so besonderen Abend entbot auch Volksbank-Vorstand<br />
Robert Haas herzliche Grüße<br />
und stellte fest, dass bei den Volksbanken<br />
das DOG-Leitmotiv „Leistung macht Spaß!“<br />
auch sehr gut zum System passe. Ein<br />
Willkommen in Tauberbischofsheim entbot<br />
auch Bürgermeister-Stellvertreter Baumann,<br />
der dem Engagement der DOG Lob und<br />
Anerkennung zollte. Er schloss seine Ausführungen<br />
mit Glückwünschen an alle<br />
Auszuzeichnenden.<br />
Elisabeth Krug gab einen kurzen Rückblick<br />
auf das Jahr 2012 für die DOG im Allgemeinen<br />
mit Höhepunkten wie Fußball-EM und<br />
<strong>Olympische</strong>n Spielen und speziell für die<br />
Zweigstelle auf den 2. Integrativen Sporttag<br />
in Lauda, der mit über 800 teilnehmenden<br />
Schülern, knapp 200 Volunteers und zahlreichen<br />
Ehrengästen durchaus einen Hauch<br />
von olympischem Geist und Flair verspüren<br />
ließ und ganz im Sinne der Initiatoren das<br />
Miteinander von Jugendlichen mit und<br />
ohne Behinderung förderte – es ging nicht<br />
um das ICH sondern das WIR, nicht um den<br />
Sieg sondern die Gemeinsamkeit. Sie verwies<br />
auf das rege Sportgeschehen in der<br />
Region und zollte Dank den ungezählten<br />
Ehrenamtlichen, den unverzichtbaren stillen<br />
Helfern. Dann nahte der mit Spannung<br />
erwartete Moment, die Vergabe der Auszeichnungen.<br />
Die DOG-Plakette für besondere Leistungen<br />
im Sinne der olympischen Idee wurde dem<br />
TSV Marbach zuerkannt, dessen für eine<br />
300-Seelen-Gemeinde außergewöhnlichen<br />
Verdienste im Bereich Schießsport Laudator<br />
M. Geidl darlegte. Der DOG-Schulpreis<br />
wurde zweimal vergeben. Einmal an die<br />
Kaufmännische Berufsschule Bad Mergentheim,<br />
deren sportlicher Schwimm-Erlebnistag<br />
gemeinsam mit Behinderten zu einem<br />
außerordentlichen Ereignis wurde, wie<br />
Laudator H. Hummel darzustellen wusste.<br />
Die zweite Schul-Plakette erhielt das Burghardt-Gymnasium<br />
in Buchen. Laudatorin<br />
Weniger stellte das überdurchschnittliche<br />
Sportangebot des BGB vor, einer Schule mit<br />
Sport-Profil. Sie verwies auf den Stellenwert<br />
der Sportförderung am BGB aus der Er-<br />
62<br />
kenntnis, welch großen Einfluss Sport auf<br />
die Entwicklung gerade bei Jugendlichen<br />
habe.<br />
Auch die Fair Play-Plakette konnte zweimal<br />
vergeben werden. Eine gab es für Heinke<br />
Breunig aus Sulzbach. K. Schüler dokumentierte<br />
das vorbildliche und faire Verhalten<br />
der Schülerin. Bei den badischen Jugendmeisterschaften<br />
war sie im Kugelstoßen auf<br />
einen Medaillenplatz gesetzt worden, klärte<br />
jedoch auf Befragen ehrlich und fair den<br />
Irrtum auf – zu ihrem eigenen Nachteil. Die<br />
Fairness-Plakette ist ganz sicher ein sehr<br />
guter Ausgleich zu dem „Verlust“. Die zweite<br />
Fairness-Plakette ging an das Ehepaar<br />
Berberich aus Uiffingen. Sie haben über<br />
einen Zeitraum von 27 Jahren Ute Hörner<br />
aus Weikersheim, Teilnehmerin an den<br />
Paralympics 1992 in Barcelona, Familienanschluss<br />
geboten und ihr dadurch die regelmäßige<br />
Teilnahme an Sportunterricht und<br />
Training ermöglicht. Eine bemerkenswerte<br />
Hilfe, betonte M. Götzelmann. Den Geehrten<br />
galten Glückwünsche und neben der Plakette<br />
mit Urkunde und einem Geldpräsent der<br />
Volksbank honorierte reichlich Beifall Leistungen<br />
und faires sportliches Verhalten.<br />
In ihrem Schlusswort beglückwünschte<br />
Elisabeth Krug alle Geehrten zu ihrem<br />
beispielhaften Verhalten im Sinne der<br />
olympischen Ideale, dankte der Volksbank<br />
und allen Helfern und beschloss damit eine<br />
rundum gelungene Ehrungsveranstaltung.<br />
Anschließend war dann reichlich Raum für<br />
Diskussionen und Einzelgespräche bei einem<br />
kleinen Umtrunk mit Stärkung am Finger-<br />
Food-Buffet.<br />
Walter Jaufmann<br />
Pfalz<br />
100.Geburtstag von Georg<br />
von Opel<br />
Am 18. Mai 2012 wäre Georg von Opel 100<br />
Jahre alt geworden. Ein feierlicher Anlass<br />
für seinen engsten Familienkreis sich im<br />
Restaurant der Opel-Villen in Rüsselsheim<br />
zu treffen - dort wo einst sein ihm sehr<br />
verbundener Onkel Fritz wohnte. Im historischen<br />
Opel Omnibus ging die Fahrt zum<br />
<strong>Deutsche</strong>n Schützenbund nach Wiesbaden,<br />
dessen Präsident er war, zum Opel-Zoo<br />
nach Kronberg, den er schuf und zum<br />
Flörsheimer Ruderclub, deren Bootshaus er<br />
baute und wo die von ihm gegründete<br />
Renngemeinschaft die Boote liegen hatte.<br />
Je 4 Flörsheimer und 4 Rüsselsheimer saßen<br />
im Achter. Empfangen wurde die Familie<br />
vom Flörsheimer Adam Munk und vom<br />
Rüsselsheimer Wilfried Seipp. Mit ihnen<br />
gewann Georg an die 100 Rennen, 6 <strong>Deutsche</strong><br />
Meisterschaften, Regatten in Gent und<br />
Ostende, einen Dreiländerkampf in Wien<br />
und konnten hinter den Amerikanern in<br />
Henley 2. werden.<br />
Die Familie von Opel –<br />
noch immer sportlich und<br />
abenteuerlustig!<br />
Im Jubiläumsjahr 2012, der Firmengründer<br />
Adam Opel wäre am 9. Mai 175 Jahre alt<br />
geworden und die Firma Opel feiert ihr<br />
150jähriges Bestehen, erinnert ein direktes<br />
Familienmitglied an die Sportlichkeit seiner<br />
Vorfahren. Sonja von Opel, die 36jährige<br />
Tochter von Heinz von Opel († 2006) und<br />
damit Urur-Enkelin von Adam Opel, wird<br />
auf den Spuren ihres Urgroßonkels Fritz von<br />
Opel den Radrennklassiker Basel-Kleve<br />
aufleben lassen.<br />
Carlo von Opel überreicht seiner Nichte<br />
Sonja von Opel eine Ehrengabe zum<br />
Andenken an ihre 4-Tagesfahrt von Basel<br />
nach Kleve<br />
1894 gewann Fritz Opel das 630 km lange<br />
Rennen entlang des Rheins spektakulär in<br />
weniger als 28 Stunden. Die berühmte<br />
Langstreckenfahrt wurde zum letzten Mal<br />
im Jahr 1934 als Rennen ausgetragen und<br />
die Firma Opel rüstete damals mehrere<br />
Mannschaften mit den legendären ZR3-<br />
Rennrädern aus. Vom 18.bis 21. Mai 2012<br />
fuhr Sonja von Opel die Strecke in vier<br />
Etappen. Die erste Etappe führte sie von<br />
Basel nach Baden-Baden und am nächsten<br />
Tag ging es weiter nach Rüsselsheim, wo
anlässlich des Firmenjubiläums verschiedene<br />
Festivitäten stattfanden. Der Radfahrer-<br />
Verein 1888 Rüsselsheim e.V. begleitete die<br />
Ausdauersportlerin ab Bickenbach bis nach<br />
Rüsselsheim und ab der Mainbrücke fuhren<br />
sogar Hochräder und historische Opel-<br />
Rennräder das letzte Stück bis zum Flörsheimer<br />
Ruderverein mit.<br />
Am Etappenort Flörsheim waren weitere<br />
Familienmitglieder versammelt, um das<br />
Familien-Jubiläum zu feiern. Am 20. Mai<br />
führte die dritte und längste Etappe Sonja<br />
von Opel an ihrer Heimat vorbei dem Rhein<br />
immer folgend bis nach Köln und am<br />
Montagnachmittag erreichte sie das Ziel in<br />
Kleve. Die Tour wurde mit Fotos dokumentiert<br />
und GPS-Daten wurden für Interessierte<br />
aufgezeichnet und auf ihrer Homepage<br />
veröffentlicht (www.sonjavonopel.com).<br />
Aber in erster Linie wollte die Sportlerin, die<br />
unter anderem den Freiburg-Marathon in<br />
2.53.30 h gewonnen hat, ganz persönlich an<br />
die herausragende Leistung ihres Urgroßonkels<br />
erinnern. Nur mit einem Rucksack und<br />
Kartenmaterial ausgestattet, machte sich<br />
Sonja von Opel alleine auf den Weg und<br />
freute sich schon sehr auf anstrengende,<br />
emotionale und abenteuerliche Augenblicke.<br />
Eine echte Opel eben!<br />
Förderung im Feldhockey<br />
Bei der Jahreshaupttagung führte Heiner<br />
Dopp (Landestrainer Hockey Rheinland-<br />
Pfalz) aus, weshalb die Spielerinnen und<br />
Spieler im Feldhockey bei großen internationalen<br />
Wettbewerben erfolgreicher sind, als<br />
die übrigen Mannschaftsballsportarten. Das<br />
Ligasystem: In der Hockeybundesliga sind<br />
12 Mannschaften mit hoher Leistungsdichte.<br />
Im Vergleich zu anderen Ballsportarten<br />
gibt es im Hockey wenig ausländische<br />
Spieler weshalb die jungen Spieler keine<br />
Angst haben müssen, dass ihnen der Platz<br />
weggenommen wird.<br />
Sie spielen mit Begeisterung. Das Studium<br />
ist meist möglich neben dem Sport, da der<br />
Trainingsumfang in der Mannschaft bei<br />
guter Organisation dies zulässt. Es zeigt<br />
sich, dass eine Ausbildung neben dem Sport<br />
leistungs- und persönlichkeitsfördernd ist.<br />
Hinzu kommt eine gute Jugendarbeit aller<br />
Bundesligavereine sowie systematische<br />
Sichtungen ab U12, U14, U16. Vereinstrainer,<br />
Landestrainer und Bundestrainer<br />
arbeiten dabei Hand in Hand.<br />
Viele Monate vor den Spielen bzw. der WM<br />
trainieren die Spieler mit dem Kader in<br />
zentralen Maßnahmen zusammen. Sie<br />
müssen weniger als bei anderen Ballsportarten<br />
für Vereinsspiele freigestellt werden.<br />
Rems-Murr<br />
„Bewegungsförderung im<br />
Zeichen Olympias“<br />
Im kleinen Kreis wurde jetzt die Preisverleihung<br />
„Bewegungsförderung im Zeichen<br />
Olympias“ im Kindergarten-Wettbewerb im<br />
Rems-Murr-Kreis der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> vom Vorsitzenden der<br />
DOG Zweigstelle Rems-Murr Siegfried Riester<br />
durchgeführt. Der 2011 begonnene Wettbewerb<br />
wurde auch in diesem Jahr ausgeschrieben.<br />
Der eindeutig erste Platz ging an<br />
den Lehenbachkindergarten in Winterbach.<br />
In Anlehnung an das 2003 von der DOG<br />
initiierte Modellprojekt „Kinder bewegen“<br />
waren die Kindergärten im Rems-Murr-Kreis<br />
wieder aufgefordert, in wenigen Worten zu<br />
beschreiben, wie sie 2012 ihre Ideen im<br />
Kindergartenalltag umgesetzt haben, welche<br />
Veranstaltungen und Projekte durchgeführt<br />
wurden und was sich im Bewegungsangebot<br />
drinnen und draußen veränderte und ob<br />
sie mit Schule, Sportverein, Krankenkasse<br />
oder Eltern kooperierten.<br />
„Neben dem ersten Preis mit 500 Euro an<br />
den Lehenbachkindergarten in Winterbach<br />
gingen die weiteren vier Preise, jeweils<br />
mit 250 Euro dotiert, an das Kinderhaus<br />
Mozartweg Allmersbach im Tal, an den<br />
Kindergarten Hummelbühl in Sulzbach an<br />
der Murr, an das Kinderhaus Alte Schule<br />
in Kernen und an das Kinderhaus Am<br />
Sonnenhang in Weinstadt.<br />
Ehrung der Handball AG<br />
des Lessing-Gymnasiums<br />
Für den Erfolg im Wettbewerb „Jugend<br />
trainiert für Olympia“ hat Erich Hägele als<br />
Vizepräsident der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> gemeinsam mit Silke Olbrich<br />
(links) vom Sportkreis Rems-Murr die<br />
Handball AG des Lessing-Gymnasiums in<br />
Winnenden ausgezeichnet. Das Team von<br />
der DOG-Zweigstelle Rems-Murr hatte es<br />
bis zum Finale in Berlin geschafft. Lehrerin<br />
Marina Kleeh DOG, Senem Daricili, Mona Krauter, Jessica Weinmann (alle drei Winterbach),<br />
Siegfried Riester DOG, Ute Türk-Niederführ (Winterbach), Carmen Fuchs, Barbara Stocker<br />
(beide Sulzbach), Sabine Hübl (Weinstadt), Dagmar Sachs, Jennifer Hellmann (beide Allmersbach),<br />
Anja Steisslinger (Weinstadt), Eva-Irene Krämer (Kernen), Fritz Braun DOG und<br />
Gabi Sellner (Kernen)<br />
63
Stefanie Vater nahm die Urkunde und ein<br />
Geldgeschenk entgegen, lobte dabei das<br />
Engagement der Kollegen und der Schule<br />
sowie der Eltern. Silke Olbrich betonte bei<br />
der Übergabe in Winterbach, dass gerade<br />
die Werte des olympischen Gedanken in<br />
diesem Wettbewerb von ganz besonderer<br />
Bedeutung sind.<br />
Jürgen Klein<br />
Stuttgart<br />
Abendunterhaltung 2012<br />
im Zeichen der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele<br />
Hans Peter Haag, der erste Vorsitzende der<br />
Stuttgarter Stadtgruppe der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> strahlte: „Wir<br />
haben volles Haus“. Viele Freunde, Mitglieder<br />
v.l.n.r. Michael Uhden, Katharina Mähring<br />
und Holger Kühner<br />
und Gönner der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> waren zur „Gemütlichen<br />
Abendunterhaltung“ in die Merz-Schule<br />
gekommen und genossen sichtlich den<br />
bunten Mix aus kulinarischen, kulturellen<br />
und sportlichen Zutaten.<br />
Nach der offiziellen Begrüßung und dem<br />
exzellenten Buffet moderierte Michael<br />
Uhden, Vorsitzender des <strong>Olympische</strong>n<br />
Fördervereins und langjähriger Hörfunk-<br />
Moderator beim SWR gekonnt und interessant<br />
einen Rückblick auf die <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele 2012 in London. Erfahrungen und<br />
persönliche Eindrücke konnten die Teilnehmerin<br />
am <strong>Olympische</strong>n Jugendlager, Katharina<br />
Mähring sowie Holger Kühner, der<br />
Olympiaexperte der ARD, beitragen. Gespickt<br />
mit viel Sachkunde und Emotion<br />
erlebten die Gäste einen Blick in die Welt<br />
von Olympia, aber auch viel Informatives<br />
64<br />
über die Sportpolitik des IOC und den<br />
Hauptverantwortlichen in der Welt des<br />
Sports. Ein neuer Programmpunkt, der sehr<br />
gut ankam und sicher auch in Zukunft die<br />
„Gemütliche Abendunterhaltung“ bereichern<br />
wird.<br />
Nach diesen olympischen Einblicken sorgte<br />
der Stuttgarter Christof Altmann mit<br />
seinem urschwäbischen Programm „ebbes<br />
v.l.n.r. Hans Peter Haag, Harald Denecken<br />
und Dr. Volker Merz<br />
guads ond gnuag“ für einen weiteren<br />
Volltreffer. Weit über 100 Gäste erlebten<br />
den Liedermacher, Schauspieler, Autor,<br />
Musiker und Kabarettist in bester Spiellaune.<br />
Die kurzweilige, lustige aber auch<br />
hintergründige Darbietung war ein weiterer<br />
Höhepunkt des Abends.<br />
In seinem kurzen Bericht über die Arbeit der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> Stadtgruppe<br />
Stuttgart wagte Hans Peter Haag<br />
auch einen Ausblick auf das Programm in<br />
<strong>2013</strong>: „Wir setzen die Gesprächsrunden an<br />
den Eliteschulen des Sports fort, ebenso die<br />
erfolgreiche Kooperation zum Stuttgarter<br />
DOG-Lauf, den wir gemeinsam mit dem<br />
Leichtathletik-Club<br />
Degerloch durchführen.<br />
Auch die<br />
olympischen Begegnungen<br />
in Kooperation<br />
mit dem Verein<br />
Begegnungen sind<br />
Bestandteil des<br />
DOG-Programms<br />
und natürlich<br />
wiederum die<br />
Gemütliche Abendunterhaltung<br />
im<br />
Herbst nächsten<br />
Jahres.“<br />
Der Präsident der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong><br />
Harald Denecken ließ es sich nicht nehmen,<br />
wieder mal nach Stuttgart zu kommen. In<br />
seinen Bericht schloss er auch drei Ehrungen<br />
für langjährige Mitgliedschaft ein.<br />
Neben der Sportvereinigung Böblingen und<br />
Olympiasieger Hans Lutz, dem heutigen<br />
Präsident des Württembergischen Radsportverbandes,<br />
die für 40 bzw. 30 Jahre Verbundenheit<br />
mit der Arbeit der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> geehrt werden<br />
konnten, stand insbesondere die Würdigung<br />
von Dr. Volker Merz im Mittelpunkt. Am 22.<br />
September konnte Merz seinen 90. Geburtstag<br />
feiern, Grund genug ihn auch bei der<br />
Gemütlichen Abendunterhaltung nochmals<br />
besonders zu ehren. Denn gerade sein Name<br />
ist aufs Engste mit der Stadtgruppe Stuttgart<br />
verbunden. Für sein außerordentliches<br />
Engagement und seine jahrzehntelange<br />
Förderung der DOG erhielt Volker Merz mit<br />
der Ehrenplakette in Gold eine der höchsten<br />
Auszeichnungen, die die <strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong><br />
<strong>Gesellschaft</strong> vergeben kann.<br />
Sybille Hiller<br />
Wiesbaden<br />
Ehrungsfeier „Jugend<br />
trainiert für Olympia“<br />
Nachdem die Landeshauptstadt Wiesbaden<br />
den Festsaal des Wiesbadener Rathauses<br />
gebührenfrei zur Verfügung gestellt hatte,<br />
konnte die Stadtgruppe Wiesbaden der<br />
DOG mit der Ehrungsfeier der Wiesbadener<br />
Schulen für ihre Teilnahmen und Leistungen<br />
wieder an den traditionellen Ort und<br />
damit einem festlichen Rahmen zurückkehren.<br />
Schülerinnen und Schüler nach der Ehrungsfeier im Festsaal des<br />
Wiesbadener Rathauses
So waren für den 4. Februar <strong>2013</strong> zehn<br />
Schulen eingeladen, die sich bei den Stadt-,<br />
Regional-, Landes- und Bundesentscheiden<br />
im Schuljahr 2011/2012 besonders ausgezeichnet<br />
hatten. Für diese Schulen standen<br />
Pokale und Urkunden bereit. Den ersten<br />
Platz belegte erneut das sportbetonte<br />
Gymnasium, die Elly-Heuss-Schule, und<br />
erhielt dafür auch den großen<br />
DOG-Wanderpreis. Auf den<br />
Plätzen zwei und drei landeten<br />
das Gymnasium am Mosbacher<br />
Berg und die Gutenbergschule.<br />
Ebenfalls wurden die Schulmannschaften<br />
mit einem<br />
Geldpreis geehrt, die an den<br />
Bundesentscheiden teilgenommen<br />
und dort erfolgreich<br />
abgeschnitten haben. Es waren<br />
dies die Golfmannschaft WK III<br />
der Gutenbergschule mit einem<br />
2. Platz, die Volleyballmannschaft<br />
der Mädchen WK III der<br />
Elly-Heuss-Schule mit einem 6. Platz und<br />
die Fußballmannschaften WK IV der Elly-<br />
Heuss-Schule, wobei die Mädchen Platz 1<br />
und die Jungen Platz 8 erreicht haben.<br />
Mit der DOG-Leistungsplakette wurde<br />
Reinhard Rzytki ausgezeichnet, der als<br />
Schulleiter der Elly-Heuss-Schule in Pension<br />
gegangen ist und seit langen Jahren ein<br />
besonderer Förderer des Schulsports war. In<br />
einem kurzen Statement berichtete der<br />
Sportbeauftragte der Hochschule Rhein-<br />
Main, Partnerhochschule des Leistungssports,<br />
Klaus Lindemann über die sportlichen<br />
Möglichkeiten beim Hochschulstudium.<br />
Der Vorsitzende der Stadtgruppe<br />
Wiesbaden Hans-Jürgen Portmann betonte,<br />
dass diese Ehrungsfeier auch deswegen<br />
notwendig sei, damit dem Schulsport die<br />
notwendige Öffentlichkeit geboten wird, die<br />
in den Medien viel zu oft vermisst wird. Die<br />
musikalische Umrahmung gestaltete eine<br />
Trommlergruppe der Oranienschule.<br />
Mitmachveranstaltung des<br />
DOG-Bewegungskindergartens<br />
Von 2005 bis 2009 war die Geschwister-<br />
Stock-Kindertagesstätte die Wiesbadener<br />
Modelleinrichtung der Aktion „Kinder bewegen“<br />
der DOG. Seitdem wird jährlich unter<br />
Mitwirkung des Partnervereins, dem Wiesbadener<br />
Leichtathletikverein in den Sporthallen<br />
an der Wettiner Straße eine Mitmachveranstaltung<br />
für Kinder und Eltern durchgeführt,<br />
zu der noch drei weitere innerstädtische<br />
Kindertagesstätten eingeladen werden.<br />
In diesem Jahr fand die Veranstaltung am 2.<br />
Februar <strong>2013</strong> zum 8. Mal statt, und es<br />
fanden sich wieder rund 200 Kinder mit<br />
ihren Eltern ein, um die mit viel Liebe<br />
aufgebauten und unter Mithilfe der Schülerinnen<br />
und Schüler der Pädagogikklasse der<br />
Louise-Schröder-Schule betreuten Spielstationen<br />
zu nutzen. Nachdem der Sozialdezernent<br />
der Stadt Wiesbaden Axel Imhoff die<br />
Teilnehmer begrüßt hatte, herrschte wie<br />
üblich reges Leben in allen Sporthallenbereichen.<br />
Frau Lieselotte Schmitz-Meder, die Fachreferentin<br />
für Bewegungspädagogik des Amtes<br />
für Soziale Arbeit und Frau Monika Biberstein<br />
als Leiterin der Geschwister-Stock-<br />
Kindertagesstätte brachten zum Ausdruck,<br />
dass man zum 10-jährigen Bestehen dieser<br />
Mitmachveranstaltung über ein besonderes<br />
Programm nachdenke. Der Vorsitzende des<br />
DOG Stadtgruppe Wiesbaden bekräftigte,<br />
dass dabei auch die DOG unterstützend zur<br />
Verfügung steht.<br />
Zwickau<br />
Vorsitzwechsel in Zwickau<br />
und "<strong>Olympische</strong> Nachlese"<br />
Unter dem Motto "<strong>Olympische</strong> Nachlese"<br />
organisierte die Stadtgruppe Zwickau der<br />
DOG bereits traditionell nach <strong>Olympische</strong>n<br />
Spielen eine große Veranstaltung, für die die<br />
Sparkasse Zwickau ihren Veranstaltungssaal<br />
zur Verfügung stellte. Zu Beginn stand<br />
zunächst der langjährige Vorsitzende der<br />
Zwickauer Stadtgruppe Jürgen Croy im<br />
Mittelpunkt. Der bekannte frühere Auswahltorhüter<br />
der DDR und Olympiasieger im<br />
Fußball von 1976 stand der DOG-Stadtgruppe<br />
16 Jahre lang vor und hatte im Frühjahr,<br />
nach dem altersbedingten Ausscheiden aus<br />
dem Berufsleben, auch für dieses Ehrenamt<br />
nicht mehr kandidiert. Der neue Vorsitzende<br />
der Zwickauer Stadtgruppe, Werner Beuschel,<br />
würdigte die langjährige und engagierte<br />
ehrenamtliche Arbeit von Jürgen Croy<br />
und übergab als Dankeschön die kleine<br />
Skulptur "Der Optimist", auf deren Sockel ein<br />
Leitspruch von Jürgen Croy eingraviert<br />
wurde: "Auch der längste Marsch beginnt<br />
mit dem ersten Schritt (Laotse)".<br />
Croy bedankte sich seinerseits für die konstruktive<br />
Zusammenarbeit mit seinen Mitstreitern<br />
und versprach, weiterhin in der<br />
Stadtgruppe aktiv mitwirken zu wollen. Der<br />
neue Zwickauer DOG-Vorsitzende arbeitete<br />
früher in der Sportwissenschaft und ist<br />
inzwischen langjährig in der Behindertenarbeit<br />
tätig. Er begleitet im Sport mehrere<br />
ehrenamtliche Funktionen und ist nunmehr<br />
seit 25 Jahren Mitglied der DOG. Seit Grün-<br />
Bisheriger und neuer Vorsitzender der<br />
Zwickauer Stadtgruppe Jürgen Croy (links)<br />
und Dr. Werner Beuschel<br />
dung der Zwickauer Stadtgruppe 1991 war er<br />
gemeinsam mit Uwe Findeiß Stellvertretender<br />
Vorsitzender. Uwe Findeiß, der in Zwickau das<br />
Sport-, Sozial- und Schulverwaltungsamt<br />
leitet, ist nun alleiniger Stellvertreter.<br />
Im zweiten Teil der Veranstaltung standen<br />
Kinder und Erwachsene im Mittelpunkt, die<br />
sich im Vorfeld der Spiele von London an<br />
den Aktionen der Stadtgruppe beteiligt<br />
hatten. Aus den Händen der anwesenden<br />
Leistungssportler erhielten die Preisträger<br />
des Mal- und Zeichenwettbewerbes Urkunden<br />
und attraktive Preise. In drei Alterskategorien<br />
hatten sich 582 Schüler aus 15<br />
Schulen des Landkreises Zwickau beteiligt.<br />
An dem gemeinsam mit der Regionalzei-<br />
65
tung "Freie Presse" ausgeschriebenen<br />
"Olympia-Quiz" nahmen 220 Personen teil.<br />
Die 12 schwierigen Fragen beantworteten<br />
nur 42 Teilnehmer vollständig richtig. Die 10<br />
ausgelosten Preisträger erhielten einen<br />
Olympia-Bildband und unter den Anwesenden<br />
gab es nochmals einen glücklichen<br />
Gewinner eines Einkaufsgutscheines von<br />
150 Euro. Mit der dritten Aktion betrat die<br />
DOG Neuland. Gemeinsam mit der "Freien<br />
Presse" und dem Kreissportbund wurde eine<br />
"Olympia-Stafette" ausgerufen. Vereine und<br />
Abteilungen, die sonst nicht so häufig im<br />
Mittelpunkt des Interesses standen, sollten<br />
sich in einer Veranstaltung der Öffentlichkeit<br />
präsentieren. Insgesamt 25 Vereine<br />
hatten diese Gelegenheit genutzt und<br />
kamen somit zu einer ausführlichen Berichterstattung<br />
in der Tagespresse. Neben<br />
Teilnahmeurkunden gab es nach Losentscheid<br />
für drei Vereine Einkaufsgutscheine<br />
von 200 bis 400 Euro.<br />
Höhepunkt der Veranstaltung war eine<br />
Talkrunde mit Olympiateilnehmern, die vom<br />
Moderator Raik Bartnik von "Radio Zwickau"<br />
geleitet wurde. Als Auftakt liefen Amateur-<br />
Videoaufnahmen von London, wodurch ein<br />
Hauch der Atmosphäre der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele im Raum Einzug hielt. Mehrfach zu<br />
sehen war dort der Speerwerfer Tino Häber<br />
vom LAZ Leipzig, der als Olympia-Achter<br />
eine gute Leistung erbrachte. Tino Häber, der<br />
im nahegelegenen Trünzig aufwuchs, war in<br />
London der einzige Olympiateilnehmer, der<br />
aus einem Verein der Region hervorging. In<br />
66<br />
der Talkrunde verriet er, dass er sich <strong>2013</strong><br />
unbedingt für die WM in Moskau qualifizieren<br />
möchte. Der Bundestrainer im Kugelstoßen<br />
Sven Lang gab interessante Informationen<br />
über seinen Schützling David Storl, den<br />
er auch als Heimtrainer beim LAC Erdgas<br />
Chemnitz betreut. Der olympische Silbermedaillengewinner<br />
war eigentlich ebenfalls für<br />
die Talkrunde angesagt. Er absolviert jedoch<br />
derzeit eine Ausbildung an der Bundespolizeischule<br />
in Kienbaum und musste wegen<br />
einer Prüfung kurzfristig absagen. Als<br />
Teilnehmer der Paralympischen Spiele nahm<br />
Rostislav Pohlmann an der Talkrunde teil.<br />
Pohlmann wurde für Tschechien Zweiter im<br />
Diskuswurf und hob die einmalige Atmosphäre<br />
im Londoner Stadion der 80000<br />
hervor: „Es war ein verrücktes, aber sehr<br />
fachkundiges Publikum. Es gab Beifall für<br />
Talkrunde "<strong>Olympische</strong> Nachlese" von links: Rostislav Pohlmann, Uwe Findeiß, Sven Lang, Tino<br />
Häber, Martina Martin, Raik Bartnik<br />
alle. Fantastisch!". Rostislav Pohlmann spielt<br />
derzeit beim sehr erfolgreichen RSC Rollis<br />
Zwickau Rollstuhlbasketball und kämpft dort<br />
um die <strong>Deutsche</strong> Meisterschaft. Die Ressortleiterin<br />
Sport bei der "Freien Presse" Martina<br />
Martin weilte über die gesamte Dauer der<br />
Spiele in London und gab interessante<br />
Einblicke in die Arbeit einer Sportjournalistin.<br />
Die Talkrunde komplettierte Uwe Findeiß,<br />
der seine Sicht als Olympiatourist<br />
darlegte. Mit den Karten für das Endspiel im<br />
Beach-Volleyball landete er einen Volltreffer,<br />
als er den Olympiasieg von Julius Brink und<br />
Jonas Reckermann miterleben durfte. Eine<br />
tolle Veranstaltung, die sicher nach den<br />
Spielen von Sotschi eine Neuauflage erleben<br />
wird.<br />
Impressum<br />
<strong>Olympische</strong>s Feuer<br />
Die Zeitschrift der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
Herausgeberkollegium:<br />
Peter von Löbbecke (DOG)<br />
Prof. Dr. Helmut Digel<br />
Michael Gernandt<br />
Steffen Haffner<br />
Chefredakteur:<br />
Harald Pieper<br />
Redaktion:<br />
Jens Bünger-de Waal<br />
Redaktionsanschrift:<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Olympische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
z. H. Jens Bünger-de Waal<br />
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt<br />
Telefon: 0 69 / 6 95 01 60,<br />
Fax: 0 69 / 6 77 18 26<br />
E-Mail: OF@DOG-bewegt.de<br />
Internet: www.DOG-bewegt.de<br />
Harald Pieper<br />
Stieglitzstraße 2, 63263 Neu-Isenburg<br />
Telefon: 0 61 02 / 5 22 62<br />
E-Mail: Pieper@DOG-bewegt.de<br />
Herstellung, Vertrieb & Verlag:<br />
Peter Kühne Verlag<br />
Theodor-Heuss-Straße 11<br />
63303 Dreieich<br />
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Grafische Gestaltung: Werner Pettersch, Dreieich<br />
Schlussredaktion/Anzeigenleitung: Peter Kühne<br />
Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Olympische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> e. V.<br />
abgegolten.<br />
Druck: C. Adelmann GmbH<br />
Eschersheimer Landstraße 28<br />
60322 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 0 69 / 91 50 63 - 0<br />
Das <strong>Olympische</strong> Feuer ist ein Diskussionsforum.<br />
Mit Namen gezeichnete Artikel müssen nicht<br />
unbedingt der Meinung der Redaktion und der<br />
Herausgeber entsprechen.<br />
Titelgrafik: Eberhard Stroot<br />
Fotos, Illustrationen, Karikaturen:<br />
picture-alliance/dpa<br />
<strong>Deutsche</strong> Jugendkraft<br />
Freiburger Turnerschaft<br />
Jürgen Klein<br />
Eberhard Stroot<br />
Gerd Waßner
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