Von Günter Deister Quo vadis, IOC Gesucht wird ein starker Präsident mit überzeugenden Antworten, warum es auch künftig <strong>Olympische</strong> Spiele geben soll und mit welcher Sinnstiftung 8
Es gibt beim Sechskampf um die Führung des Internationalen <strong>Olympische</strong>n Komitees (IOC) die heile olympische Welt, und es gibt eine olympische Unterwelt. Die heile olympische Welt schreibt Entspannung bis zum Wahltag am 10. September in Buenos Aires vor. Dazu gehört die Neuheit eines jeweils 15-minütigen Vortrags vor der Sonder- Session am 4. Juli in Lausanne, bei der Kandidaten ohne Öffentlichkeit ihre wohl vorbereiteten Bewerbungstexte verlesen können. Anlass bietet die Präsentation von Istanbul, Madrid und Tokio als Bewerber um die <strong>Olympische</strong>n Spiele 2020. Der für die Präsidentenwahl extra noch einmal überarbeitete Ethik-Kode soll die Zahl der Reisen „begrenzen“, indem er zu Besuchen von Wählern „nicht ermutigt“. Öffentliche Versammlungen und Treffen zur Unterstützung sind verboten, ebenso werbende Internet-Auftritte. IOC-Mitglieder dürfen keinen Bewerber materiell unterstützen, sie dürfen nicht einmal weitersagen, wen sie wählen wollen. Der Kandidat darf keine Geschenke machen und auch keine Versprechungen. Insgesamt wünscht der Kodex eine Auseinandersetzung „in Gleichheit und gegenseitigem Respekt“. Jeder Kandidat könne, das immerhin, die „Art und Weise und die Methode“ selbst wählen, mit denen er für sich wirbt, doch um Gottes willen sollen „alle Exzesse“ vermieden werden, „zu denen Unterstützer sich in gutem Glauben hinreißen lassen könnten“. Es ist ein blumiger Katalog, den in der Vergangenheit wohl einzig Willi Daume eingehalten hätte. Der deutsche Olympier hatte 1980 bei der Präsidenten- Wahl in Moskau seine Kollegen noch bis zum Wahltag im Unklaren gelassen, ob er überhaupt anzutreten gedenke. Andererseits: Als damals der Sieger im „Haus der Gewerkschaften“ verkündet wurde, registrierte das im Souterrain der Adlatus von Juan Antonio Samaranch nur mit einem Lächeln. Schon eine halbe Stunde zuvor hatte er Einblick gewährt in eine mit vielen Kreuzchen versehene Liste der Olympier. Hinter ihnen verbarg sich die Gewissheit, dass der von Politik und dem damals im Sport mächtigen Adidas-Chef Horst Dassler massiv unterstützte Spanier bereits im ersten Wahlgang den Chefsessel des Weltsports erobern würde. Solche Listen wird es diesmal vermutlich in sechsfacher Ausfertigung geben, nur dass sie weniger Gewissheiten beinhalten werden. Unterhalb der Oberfläche ist längst ein Kampf ausgebrochen, den Wahlkampf zu nennen eine starke Untertreibung wäre. Eigentlich müsste es darum gehen, als Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge denjeni- Die Herausforderer von Thomas Bach Richard Carrion (60), Puerto Rico IOC-Eintritt 1990, von 2004 bis 2012 Mitglied der Exekutive, seit 2002 Vorsitzender der Finanzkommission. W ie wird man Mitglied im IOC und zu einem aussichtsreichen Präsidenten-Anwärter? Man muss eine Frau aus Barcelona geheiratet haben, und deren Familie muss eng befreundet gewesen sein mit der Familie der Frau des ehemaligen Präsidenten Juan Antonio Samaranch. Längst hat Richard Carrion als Chefverkäufer der TV-Rechte (außer Europa) im Ringe-Orden Karriere gemacht. Er hält sich zugute, die Reserven des IOC von 100 Millionen auf 900 Millionen Dollar gesteigert zu haben. Dabei wirkt sein Deal mit dem US-Giganten NBC über 4,38 Milliarden Dollar für die kommenden vier Spiele bis 2020 eindrucksvoller, als die Zahlen hergeben. Die Inflationsrate herausgerechnet, bedeutet der Abschluss Verlust gegenüber der letzten Periode 2009 bis 2012. Der Bankenchef, im März aufgestiegen in das Direktorium der Federal Reserve Bank in New York, hat das Selbstverständnis eines Supermanagers, der dem IOC zu größerer Stärke und Ansehen verhelfen will, höhere Einnahmen inbegriffen. In seinem an die IOC-Kollegen gerichteten Bewerbungsschreiben auf Hochglanzpapier lässt sich der Puertoricaner mit US-Pass zum ersten Mal überhaupt zu Fragen des Sports vernehmen. Carrion sagt: „Ich höre immer ein Banker, ein Banker – was soll ich sagen? Die IOC-Mitglieder werden für den stimmen, den sie für den Besten halten. Ich weiß mich in dieser Welt zu bewegen.“ Und das auch mit Hilfe eines Privatflugzeugs. 9