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Ausgabe 2/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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deutsche Meistertitel auf<br />

beiden Sprintstrecken und<br />

einen in der Staffel. Nebenbei<br />

sprang er 7,43 Meter<br />

weit. „Doch das war nichts<br />

für mich, untätig zuzusehen,<br />

was die Konkurrenten<br />

machen. Ich brauchte die<br />

Konfrontation Mann gegen<br />

Mann im Sprint. Ich wollte<br />

immer nur gewinnen. Die<br />

Zeiten interessierten mich<br />

nicht so sehr.“<br />

Als Siebzehnjähriger war er bei den ersten Wettkämpfen allen<br />

davon gelaufen und war Kreismeister geworden: „Barfuß, denn<br />

für Turnschuhe hatten wir kein Geld. Doch wollte ich auch<br />

Schuhe mit Nägeln haben, die ich bei Anderen gesehen hatte.<br />

Die gab es aber in der Nachkriegszeit nicht zu kaufen. Zum<br />

Glück entdeckte ich ein Paar Rennschuhe in einer Karlsruher<br />

Umtauschzentrale, wie die Second Hand-Läden damals hießen.<br />

Ich durfte in die Schuhe hinein schlüpfen. Sie passten wie<br />

angegossen. Als Tauschobjekt hatte ich das rauchblaue Verlobungskleid<br />

meiner Schwester geklaut. Als meine Schwester an<br />

Fronleichnam im Unterrock herumrannte und verzweifelt ihr<br />

Kleid suchte, musste ich Farbe bekennen. Da war Aufruhr im<br />

Haus. Ich habe gesagt: ‚Und wenn ihr mich tot schlagt, ich<br />

gebe die Rennschuhe nicht mehr her.’ Zur Wiedergutmachung<br />

habe ich ihr jedes Jahr zu Fronleichnam Geld für ein Kleid<br />

geschenkt.“ Bei Puma, dessen Generalvertreter für Baden-<br />

Württemberg er später wurde, hat er einen „Heinz-Fütterer-<br />

Rennschuh“ kreiert und dafür Lizenzgebühren bekommen.<br />

Ohne sein sportliches Talent hätte sich Fütterer wahrscheinlich<br />

als Fischer durchs Leben schlagen müssen wie sein Vater. „Von<br />

ihm habe ich die Seriosität gelernt, von meiner Mutter, die als<br />

legendäre Marktfrau die Fische verkaufte, habe ich den Biss.“<br />

Als Vierzehnjähriger begann er in Kiel eine Ausbildung zum<br />

Fischer. Das war eine harte Zeit. Nie vergessen wird er die<br />

strapaziöse Fahrt mit einem Kutter nach Island. „Als ich einmal<br />

das Netz nicht richtig einholte und die wertvolle Ladung von<br />

Heringen und Kabeljau ins Meer platschte, hat mir der Kapitän<br />

eine geschossen, dass ich fast über Bord gegangen wäre.“ Die<br />

Begleiterscheinungen der Fischerei waren wenig angenehm.<br />

„Ich konnte mich noch so gründlich waschen, immer roch ich<br />

nach Fisch. Und ich hatte ständig kalte Füße und bekam Rheuma.“<br />

Ein Glück, dass sein Entdecker und Trainer Professor<br />

Robert Suhr ihm einen Ausbildungsplatz beim Energieversorger<br />

Badenwerk verschaffte. Die Firma unterstützte seine sportliche<br />

Laufbahn und legte die Grundlage für seine spätere Existenz.<br />

Ganz kann Fütterer nicht vom Fischen lassen. Noch heute fährt<br />

er mit dem Ruderboot auf den Alt-Rhein und Rhein, wo die<br />

Familie seit mehr als hundert Jahren ein Fischwasser gepachtet<br />

hat, und fängt mit Netzen und Reusen Hechte, Karpfen und<br />

den schmackhaften Rhein-Zander für den Eigenbedarf und als<br />

Gabe für Bekannte. Doch auch der Erwerbssinn des gelernten<br />

Kaufmanns ist wach geblieben. An einem Baggersee „von der<br />

Größe des Titi-Sees“ hat er siebzig Segelboote liegen und<br />

unterhält in Karlsruhe einen Mini-Golfplatz. Das hilft, das<br />

Golfspielen zu finanzieren. „Das Handikap geht langsam nach<br />

oben, von 14 auf 20 in den letzten zehn Jahren. Meine Schläge<br />

sind zwanzig, dreißig Meter kürzer geworden. Das macht aber<br />

nichts. Ich bin ein begeisterter Golfer, aber kein Fanatiker.“ Auf<br />

eine andere Leidenschaft muss Fütterer, dem ein künstliches<br />

Knie- und Hüftgelenk verpasst wurden, verzichten. 23 Jahre<br />

lang hat der passionierte Skiläufer an der „Streif“ in Kitzbühel<br />

gewohnt, wo er sogar einen Zweit-Wohnsitz hatte. „Das Skifahren<br />

war mir nach den Operationen zu riskant. Und ich<br />

wollte nicht das Golfspielen gefährden. Denn daran hängt mein<br />

Herz.“ Im Keller tut er in seinem privaten Fitness-Studio zusätzlich<br />

Einiges für seine Gesundheit. Die wurde 1990 auf eine<br />

harte Probe gestellt, als ein Gehirntumor entfernt wurde, zum<br />

Glück ohne unangenehme Folgen.<br />

Gern denkt der Illinger an die erlebnisreichen Jahre als Aktiver<br />

zurück. „Wir hatten die schönere Zeit. Da drehte sich nicht alles<br />

ums Geld.“ Die strengen Amateurregeln gestanden den Athleten<br />

nur drei Dollar, damals zwölf Mark, Spesen pro Tag zu.<br />

„Wir nahmen das Auto und rechneten erster Klasse ab.“ Nur<br />

einmal ließ sich der junge Mann beim Kölner ASV-Sportfest<br />

einen Umschlag mit 500 Mark zustecken. Doping war für den<br />

Sprinter ein Fremdwort. „Als der Radprofi Hennes Junkermann<br />

mich einmal fragte: ‚Was feuerst du?’, habe ich ihn entgeistert<br />

angeguckt. Ich wusste gar nicht, was er meinte.“<br />

Dass Usain Bolt zu unlauteren Mitteln greift, kann er sich<br />

nicht vorstellen. „Der wird doch bei jedem Sportfest unter die<br />

Lupe genommen und würde mit Doping bestimmt nicht<br />

durchkommen.“ Andererseits gibt ihm zu denken, dass der<br />

Jamaikaner einmal im Jahr für sechs bis acht Wochen von der<br />

Bildfläche verschwindet. „Was er da macht, weiß man nicht.“<br />

Ihm ist aufgefallen, wie stark die Oberschenkel des schnellsten<br />

Mannes der Welt ausgebildet sind. „Bolt ist so überlegen, dass<br />

ihm keiner nahe kommt. Deshalb kann er auch so locker<br />

bleiben.“<br />

Heinz Fütterer kann heute mit dem Brustton der Überzeugung<br />

sagen: „Uns geht es gut.“ Die Wunde des schweren Schicksalsschlags,<br />

als er im Alter von 39 Jahren seine erste Frau verlor, ist<br />

vernarbt. Die Gemeinsamkeit mit seiner zweiten Frau, mit<br />

seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Enkelsohn steht für<br />

den Familienmenschen an erster Stelle, vor der Kameradschaft<br />

mit den Golffreunden und Weggefährten aus der Leichtathletik.<br />

Nie abgerissen ist seine Verbindung zum Karlsruher Sportclub,<br />

für den er als Athlet gestartet ist und dessen Ehrenrat er<br />

heute angehört. Und dass der KSC in die Zweite Liga aufgestiegen<br />

ist, ist für Heinz Fütterer eine ganz besondere Freude.<br />

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