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Ausgabe 2/2013 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Bergler mit seinem Zeichenblock unterwegs war, haben wir<br />

heute den multikulturellen Jetset.<br />

Wo früher in den Ställen die Kühe gemolken wurden, da<br />

werden heute die Touristen versorgt. Ulrich hat dies alles<br />

nicht aus seinen Spuren gebracht, auf die er wohl immer<br />

gerne zurückblickte. Inderbinen hat nie ein Auto und auch nie<br />

ein Fahrrad besessen und nie ein Glas Wein stehen lassen. Er<br />

erfreute sich an der Einsamkeit der Bergwelt, dem geselligen<br />

Beisammensein im Bergführerkollegenkreis auf den Hütten<br />

und an der Geborgenheit in seiner Familie.<br />

Wenn Inderbinen jemand führte, so hatte er auch dessen<br />

Leben am Seil, und am anderen Seilende war er selbst. Es kam<br />

auch schon vor, dass ein abrutschender Gast den Führer zu<br />

Fall brachte und dieser zu Grabe getragen werden musste.<br />

Wie oft mag er wohl erlebt haben, dass sein Seilpartner sein<br />

Können überschätzte, ihm im steilen Fels schwindelig, er gar<br />

von Panik erfasst wurde oder keine Kraft mehr zum Umgehen<br />

eines Lawinenhanges hatte. Wie oft mag Inderbinen wohl<br />

unter Felsüberhängen Schutz vor Gewitter und Hagel gesucht<br />

haben? Es galt auch, Gestürzte zu bergen und Lawinenopfer<br />

zu finden und immer wieder das erhabene Gefühl, mit einem<br />

Gast das Gipfelkreuz erreicht zu haben.<br />

Bereut hat Ulrich Inderbinen eigentlich nur, dass er im 92.<br />

Lebensjahr nicht nach Afrika reiste. Sicherlich hätte er den<br />

Kilimandscharo geschafft, aber den Widerstand seiner Familie<br />

mochte er nicht überwinden. Das Meer hat er nie gesehen.<br />

Das war wohl für Ihn keine Herausforderung. Doch mit 96<br />

Jahren erfüllte sich der gläubige Katholik einen besonderen<br />

Lebenswunsch: Er reiste nach Rom, um den Segen des Papstes<br />

zu empfangen.<br />

Als er einmal von einem neugierigen Journalisten gefragt<br />

wurde, ob er Angst vorm Sterben habe, sagte er: „Nicht<br />

wirklich, wenn ich mir die Todesanzeigen ansehe, sehe ich<br />

kaum jemanden in meinem Alter.“ Der König der Alpen, wie er<br />

genannt wurde, wollte immer mit langen, wohlüberlegten<br />

Schritten marschieren. Sein Weg führte ihn durch das ganze<br />

20. Jahrhundert. Erst im Frühjahr 2004 endeten seine Spuren<br />

– bei einem Kreuz.<br />

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