Wasseruhren und Stromzähler ab, was ihm treppauf, treppab zu zusätzlichen Trainingseinheiten verhalf. Der Trainer wiederum zeigte sich beeindruckt vom „unerhörten Fleiß, den Harbig im Training zeigte“ sowie von der „unheimlichen Energie hinsichtlich seiner Lebensführung, die er ganz den sportlichen Zielen unterordnete“, wie es in Gerschlers Publikation „Harbigs Aufstieg zum Weltrekord“ heißt. Alkohol, Kaffee, schwarzer Tee, Nikotin und scharfe Gewürze wurden von Harbig gemieden. Seine Frau Gerda, die ihrem Mann das Buch „Unvergessener Rudolf Harbig“ widmete, ging noch etwas mehr ins Detail: „Nur im November, während der Ruhepause, ging Rudi ausnahmsweise etwas später als sonst schlafen und trank auch mal ein Glas Wein.“ Allerdings habe sie „für die strenge Lebensführung meines Gefährten viel Verständnis“ aufbringen müssen. Beide hatten sich 1933 beim Fest eines Turnvereins in Dresden kennen gelernt, 1937 verlobt und 1941 das Ja-Wort gegeben. Manch fröhliche Stunde mit den Staffelkameraden Konsequent und zielstrebig als Sportler, war Rudolf Harbig dennoch kein Kind von Traurigkeit. Im Gegenteil. Seine EM- Staffelkameraden von Paris schilderten „ihren“ Schlussläufer als „freundlichen, lustigen und jederzeit zu einem Späßchen aufgelegten Kameraden“, wie der Berliner Erich Linnhoff (1914-2006) in einem Brief festgehalten hat. Der Gladbacher Hermann Blazejezak (1912-2008) schrieb von „manch fröhlicher Stunde“, die man gemeinsam verbracht habe. Harbig sei „immer froher Dinge, uneigennützig und hart gegen sich selbst“ gewesen. Dr. Manfred Bues aus Kaiserslautern (1913- 2012) hob unter anderem den „sonnigen Humor“ des Dresdners hervor und erinnerte an eine Begebenheit aus dem Jahre 1938, „als wir nach dem Länderkampf gegen Polen ins damalige Cranz oder Rauschen (heute Zelenogradsk bzw. Svetlogorsk / d.A.) fuhren. Rudi kaufte sich einen Spickaal und verzehrte ihn zum Entsetzen der dort bummelnden Kurgäste“. Die Zitate konnten wir der Korrespondenz entnehmen, die der Autor in den 90er Jahren mit den drei Athleten führte. Gröditz ein neues Zuhause gefunden hat, gehört zu der Generation, die ihre Väter nie kennenlernen konnte. Freunde waren es auch, die noch rechtzeitig vor den Bombenangriffen auf Dresden im Februar 1945 einige von Harbigs Preisen und Erinnerungsstücken in Sicherheit bringen konnten. Die Stoppuhr des Vaters zum Beispiel, die Olympia-Glocke aus Porzellan und die Figur eines Handballspielers, die er von der Stadt Dresden als Anerkennung bekommen hatte, stehen im Wohnzimmer der Tochter. Vor knapp zwei Jahren wurde sie nach Triptis in Thüringen eingeladen, wo im Museum ein gemaltes Farbporträt des Weltrekordläufers enthüllt wurde. Die Arbeitsgruppe Sportgeschichte der Leichtathletik-Abteilung des dortigen Sportvereins hatte herausgefunden, dass es sich wohl um das einzige existierende Gemälde des Sportlers handelt. Am schönsten sei, so Ulrike Harbig, dass ihr Vater darauf „mit einem freundlichen Lächeln“ zu sehen ist. Zu den Thüringern, die ihre Sportstätte nach Harbig benannt haben, pflegt Ulrike Harbig engen Kontakt, ebenso wie zur Rudolf-Harbig-Schule in Ribnitz-Damgarten. Deutschlandweit tragen Straßen, Stadien, Hallen und Schulen den Namen des Ausnahmeläufers. Es ist schon etwas befremdlich, dass sich ausgerechnet die Stadtväter seiner Heimatstadt Dresden in dieser Beziehung schwer tun. Eine Rudolf-Harbig-Straße (oder einen –Weg) gibt es – nur einige Beispiele in alphabetischer Reihenfolge – in Angermünde, Bad Oeynhausen, Celle, Detmold, Heilbronn, Köln, Laage, München, Münster, Reutlingen, Sindelfingen und Wunstorf. Im Straßenverzeichnis der sächsischen Landeshauptstadt sucht man sie vergebens. Wann, wenn nicht in diesem Jahr, gäbe es einen geeigneteren Anlass zu einer Namensgebung? Von ähnlichen Erlebnissen, von den Eigenschaften und Eigenheiten ihres Vaters konnte sich Ulrike Harbig nur erzählen lassen. Von ihrer Mutter, von Freunden der Familie. Die 70-Jährige, die 1966 der DDR den Rücken gekehrt hatte, sich in Augsburg eine Existenz als Lehrerin aufbaute und heute mit ihrem Lebensgefährten Holger Weinbrecht in Harbigs Tochter Ulrike vor dem Gemälde in Triptis 48
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