Dr. Helmuth Figdor - SFBB
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sagt: “Ich verstehe, dass sich die scheiden haben lassen, es gab ja nur den Krieg,<br />
aber warum um alles in der Welt ist er ausgezogen, er hätte zu mir ins Kinderzimmer<br />
ziehen können, ich hab so ein großes“ (allgemeines Gelächter). Aber das ist klar,<br />
wenn ich die Erfahrung der Sexualität noch nicht gemacht habe, wenn ich nicht weiß,<br />
was erotische Anziehung und Abstoßung bedeuten, wenn ich nicht weiß, dass es<br />
nicht möglich ist, mit einem Menschen, mit dem ich in einer erotischen begehrlichen<br />
Beziehung gelebt habe und diese Beziehung zu Ende geht, dass man mit diesem<br />
Menschen nicht mehr zusammenleben kann, dass das nicht geht, das sind alles Erlebnisse,<br />
emotionale Erlebnisse, die die Kinder nicht kennen. Liebe ist mal gerade<br />
das, was sie selber auch als Liebe kennen. Dann sagen noch die meisten Eltern diese<br />
fatale Erklärung, warum sie sich trennen, weil wir uns so viel gestritten haben. Erst<br />
einmal stimmt’s nicht. Also in jeder Beziehung streitet man sich. Wenn schon was<br />
dran stimmt, dann dass wir, wenn wir uns gestritten haben, nicht mehr versöhnen<br />
konnten. Und versöhnen kann man sich dann nicht, wenn man sich nicht mehr liebt.<br />
Also Streit ist natürlich kein Grund für eine Trennung. Und vor allem aber streiten alle<br />
psychisch gesunden Kinder mit ihren Eltern und wenn Streit dazu führt, dass man<br />
irgendwann einmal sich trennt, dann ist natürlich Streit eine fatale, eine ganz, ganz<br />
fatale Erklärung. So, jetzt habe ich glücklicherweise den Faden verloren (allgemeines<br />
Gelächter).<br />
Ah ja, ich weiß schon. Ich war bei dieser Nora, ja genau. Insofern versteht sie überhaupt<br />
nicht, warum der Vater weg ist. Also d.h., wenn Kinder eine solche Erfahrung<br />
machen, dann müssen wir auch akzeptieren, dass sie dem einen oder dem anderen<br />
Elternteil wirklich furchtbar böse sind. Sie sind ihnen wirklich furchtbar böse. Die haben<br />
ihnen etwas angetan, die haben ihnen eine Erfahrung, eine schmerzliche Kränkung<br />
angetan. Ein von einem Elternteil verlassenes Kind ist ein gekränktes und verletztes<br />
Kind. Ich habe oft die Beobachtung gemacht, dass es gerade, und das ist ein<br />
bissel eine tragische Geschichte, dass es gerade die psychisch besonders gesunden<br />
Kinder sind, die dann auch wirklich aggressiv reagieren. Ein Kind, das mitkriegt, wie<br />
die Eltern sich trennen und streiten und dass sich grämt, dass der Vater weg ist und<br />
unglücklich ist und traurig und ängstlich ist, und dann geht es schön zum Papa alle<br />
14 Tage und ist doch wunderbar und angepasst und macht, was der Papa will, und<br />
kommt zurück und ist bei der Mama angepasst und macht alles, was sie will. Das<br />
sind nicht unbedingt die psychisch gesündesten Kinder. Aber das sind die, die wir im<br />
psychosozialen Bereich und in der Familiengerichtsbarkeit im Zusammenhang mit<br />
Trennung und Scheidung als die Unproblematischen erleben. Diejenigen, die keine<br />
Probleme machen, haben, denen es gut geht oder wie auch immer, und dort wo die<br />
Funken sprühen, das sind die Problematischen. Aber ich würde meinen, in den allermeisten<br />
Trennungs- und Scheidungsfällen haben die Kinder wirklich Grund, auf