GB Juli Ag Sept 2013 - Chiesa Evangelica Luterana in Italia
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Buchvorstellung<br />
ganze Christenheit ausgerichtet und<br />
es hatte e<strong>in</strong>en absoluten Anspruch.<br />
Wichtige Teile des Buches befassen<br />
sich entsprechend mit der Fremdheit<br />
Luthers, die er für uns „moderne“<br />
Menschen haben muss. Schill<strong>in</strong>g versucht,<br />
diese durch die Darstellung<br />
Luthers <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em zeitgeschichtlichen<br />
Kontext von Zeitgenossen und Gegnern<br />
zu überw<strong>in</strong>den. Vieles, was uns<br />
an Luther heute zum<strong>in</strong>dest befremdlich<br />
ersche<strong>in</strong>en mag, se<strong>in</strong> Starrs<strong>in</strong>n<br />
z.B. oder se<strong>in</strong> Misstrauen auch gegenüber<br />
se<strong>in</strong>en engsten Vertrauten, se<strong>in</strong><br />
Verhalten <strong>in</strong> den Bauernkriegen, die<br />
oft radikale Ausdrucksweise oder<br />
auch se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung gegenüber Juden,<br />
wird verständlicher, wenn man<br />
bedenkt, zu welchem Auftrag er sich<br />
berufen sah: es g<strong>in</strong>g ihm letztendlich<br />
um die Verkündigung des Wortes<br />
Gottes und um die Rettung der gesamten<br />
Christenheit, und damit um<br />
e<strong>in</strong> Sendungsbewusstse<strong>in</strong>, das ke<strong>in</strong>en<br />
Platz für Dialog oder Kompromiss<br />
ließ. Wer sich ihm entgegenstellte,<br />
Papst, Kaiser, Bauer, wer auch immer,<br />
war letztendlich der Antichrist und<br />
musste vernichtet werden.<br />
Der Kern im Selbstverständnis Luthers,<br />
abseits aller Versuche der Vere<strong>in</strong>nahmung,<br />
ist also dieses Sendungsbewusstse<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>es Retters der<br />
Christenheit. Dar<strong>in</strong> liegt auch Luthers<br />
Scheitern, denn offensichtlich hat er<br />
se<strong>in</strong> Ziel nicht erreicht und dies war<br />
ihm selbst auch bewusst. Für uns heute<br />
bleibt aber e<strong>in</strong>e großartige Leistung,<br />
und zwar die Wiederentdeckung<br />
der existenziellen Religiosität:<br />
Mit Luther kehrte die Religion als<br />
Leitkraft <strong>in</strong> das private und öffentliche<br />
Leben zurück, der Glaube wurde<br />
wieder <strong>in</strong> die Welt getragen. Davon<br />
hat auch die katholische Kirche profitiert.<br />
Nicht von ungefähr zeigte He<strong>in</strong>z<br />
Schill<strong>in</strong>g auch für manchen unerwartete<br />
Parallelen zwischen Luther und<br />
dem (nun emeritierten) Papst Ratz<strong>in</strong>ger<br />
auf: Christusbezug, Marienverehrung,<br />
Evangelisation, Entweltlichung<br />
der Kirche.<br />
Dies also vor allem br<strong>in</strong>gt He<strong>in</strong>z<br />
Schill<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den 636 Seiten se<strong>in</strong>er Luther-Biographie<br />
nahe. Sie lesen sich<br />
recht flüssig und unterhaltsam.<br />
Manchmal würde man sich etwas<br />
mehr theologische H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen<br />
wünschen, was aber wohl<br />
über den Anspruch dieses Werkes,<br />
vor allem e<strong>in</strong>e historische Perspektive<br />
zu eröffnen, h<strong>in</strong>ausgegangen wäre.<br />
Bleibt zu hoffen, dass das anstehende<br />
Jubiläum die e<strong>in</strong>malige Gelegenheit,<br />
die Leistung Luthers zu würdigen, zu<br />
ergreifen weiß, und ihn und se<strong>in</strong><br />
Werk nicht auf dem Altar des Zeitgeistes<br />
opfert.<br />
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