Das Mädchen mit dem Teufelsgesicht
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Kapitel 6<br />
Sophie war auch sonst kein normales Kind. Als sie ein Jahr alt<br />
war, konnte sie schon ganze Sätze sprechen, und zwar kamen diese<br />
keineswegs als Geplapper über ihre Lippen, sondern gestochen<br />
scharf. Sie begann auch je<strong>dem</strong>, der gerade zuhörte, ein Loch in den<br />
Bauch zu fragen. Opfer dieser Fragestunden waren jeweils Anna und<br />
Max.<br />
»Was ist das für ein Käfer, wie heißt der Baum dort drüben,<br />
warum geht am Morgen die Sonne auf, wo wohnt der liebe Gott,<br />
woher kommen die kleinen Kinder, wieso habe ich einen so schiefen<br />
Mund und eine so große Nase.«<br />
Von etwas Geld, das er auf die Seite gelegt hatte, kaufte Max ein<br />
altes, gebrauchtes Radio und Sophie war nicht mehr davon<br />
wegzukriegen. Sie hörte alles, von Musik über die Nachrichten und<br />
Geschichten, die erzählt wurden, und prompt stellte sie wieder die<br />
entsprechenden Fragen dazu.<br />
Als sie eines Tages eine Zeitung fand, die Max <strong>mit</strong>gebracht hatte,<br />
stürmte sie so lange auf ihn ein, bis er ihr daraus vorlas. Aber Sophie<br />
hörte keineswegs nur zu, sondern behielt auch alles, was man ihr<br />
sagte, und zwar ohne Ausnahme, ob dies nun politische Texte,<br />
Todesanzeigen oder sonst was war. Als Max, nach einer halben<br />
Stunde lesen, einmal aufsah, begann Sophie alles, was sie in den<br />
letzten dreißig Minuten gehört hatte, Wort für Wort wiederzugeben,<br />
was Max in Erstaunen versetzte.<br />
»Du hast ein enormes Gedächtnis kleines Schwesterchen.«<br />
»<strong>Das</strong> ist doch kinderleicht«, meinte die Sophie und das<br />
wohlverstanden <strong>mit</strong> zwei Jahren.<br />
Schon bald begann sie Max zuzusehen, wie er Käse herstellte,<br />
und <strong>mit</strong> drei wusste sie alles über Käse, was es zu wissen gab und<br />
schämte sich nicht, weitere Fragen zu stellen. Zur gleichen Zeit fing<br />
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