Junge Spätaussiedler/-innen im Spannungsfeld zwischen ... - IDA
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1. Spätaussiedler/<strong>innen</strong>: Historische, politische und soziale D<strong>im</strong>ensionen 20<br />
Krieges wurde der Gebrauch der deutschen Sprache verboten, deutsche Schulen geschlossen<br />
und viele russlanddeutsche Siedler/<strong>innen</strong> enteignet.<br />
1.2.4 Die Sowjetzeit<br />
Die Gründung der Sowjetunion markierte zunächst eine Phase der politischen Verbesserung<br />
für die Russlanddeutschen. Bereits 1917 proklamierte Lenin die Gleichberechtigung<br />
aller Nationalitäten in der Sowjetunion, woraufhin die deutschen Siedlungen an<br />
der Wolga 1918 zunächst zum „Autonomen Gebiet der Wolgadeutschen“ erklärt wurden,<br />
und 1924 sogar den Status einer „Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der<br />
Wolgadeutschen“ erhielten. Die deutsche Sprache wurde rehabilitiert und als Amts-,<br />
Unterrichts- und Geschäftssprache eingesetzt, deutsche Zeitungen, Theater, Bibliotheken,<br />
Schulen und Hochschulen wurden (wieder-)gegründet. Die ‚goldenen zwanziger<br />
Jahre’ waren jedoch auch überschattet vom Bürgerkrieg, der der Oktoberrevolution<br />
folgte, sowie von der Hungersnot 1921/22. Während zu Beginn des ersten Weltkrieges<br />
noch 2,4 Mio. Russlanddeutsche in Russland lebten, verringerte sich ihre Zahl, bedingt<br />
durch Abwanderung, Bürgerkrieg und Hungersnöte, bis zum Jahr 1926 auf 1,2 Mio.<br />
(vgl. Boll 1993, 18).<br />
Als Stalin 1924 an die Macht kam, verschlechterte sich die Lage der Russlanddeutschen<br />
rapide. Geistliche wurden entlassen, Kirchen geschlossen und die Ausübung der Religion<br />
unter Strafe gestellt. 1928 begann die Zwangskollektivierung und Deportation der<br />
‚Kulaken’ (wohlhabende agrarische Mittelschicht), die die Deutschen, die besonders <strong>im</strong><br />
Schwarzmeergebiet häufig große Höfe betrieben, besonders hart traf. Ab diesem Zeitpunkt<br />
begannen reichsdeutsche Organisationen die Emigration Russlanddeutscher nach<br />
Deutschland zu unterstützen, obwohl sie der deutschen Regierung <strong>im</strong>mer noch nur<br />
mäßig willkommen waren.<br />
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wuchs der Druck auf<br />
die Russlanddeutschen, da ihre Loyalität zur Sowjetunion aufgrund der deutschen Propaganda,<br />
die die Auslandsdeutschen in ihre Zielgruppe einbezog, in Zweifel gezogen<br />
wurde. 1934 wurden alle Angehörigen deutscher Volksgruppen auf Listen erfasst; viele<br />
wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als ‚Volksfeinde’ der Spionage und<br />
Sabotage bezichtigt und zu Gefängnis oder Strafarbeitslager verurteilt. 1938 wurde die<br />
deutschsprachige Presse eingestellt und die deutsche Sprache an Schulen verboten.<br />
Die Repressionen gegenüber den Russlanddeutschen gipfelten in Stalins Reaktion auf<br />
den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion am 22. Juni 1941: Unter<br />
dem Vorwurf der Kollaboration mit den reichsdeutschen Nationalsozialisten mussten<br />
innerhalb kürzester Zeit alle Russlanddeutschen ihre He<strong>im</strong>at verlassen und wurden<br />
nach Sibirien und Zentralasien (vor allem Kasachstan) deportiert. Vieh, Häuser und