Junge Spätaussiedler/-innen im Spannungsfeld zwischen ... - IDA
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1. Spätaussiedler/<strong>innen</strong>: Historische, politische und soziale D<strong>im</strong>ensionen 28<br />
(Flüchtlinge, Aussiedler/<strong>innen</strong> und Arbeitsmigrant[inne]n) allgemein als ‚Ausländer’<br />
definiert und eine ablehnende Haltung diesen Gruppen gegenüber unterstützt und verstärkt<br />
wurde (vgl. Leiprecht 2001, 176).<br />
Auch wenn die oben angeführte Kritik an der Aussiedlerpolitik berechtigterweise bisher<br />
vernachlässigte oder tabuisierte Aspekte thematisiert, vermittelt sie ein sehr einseitiges<br />
Bild, 30 das den komplexen Begründungszusammenhängen der Aussiedlerpolitik nicht<br />
oder nur unzulänglich gerecht wird. Die kontroverse Debatte um Aussiedler/<strong>innen</strong><br />
macht eine differenzierte Betrachtungsweise nötig, die sowohl die unterschiedlichen<br />
politischen und ideologischen Interessen als auch Machtverhältnisse <strong>zwischen</strong> verschiedenen<br />
Staaten als Hintergrund für politische Entscheidungen in den Blick n<strong>im</strong>mt.<br />
Es geht dabei auch um die schwierige Frage nach Ausmaß und Dauer der Verantwortung<br />
eines Staates für seine Politik und für die Auswirkungen der Politik der Vergangenheit.<br />
1.3.3 Die soziale Situation von Aussiedler(inne)n<br />
Nachdem in der Annahme, dass die ‚deutsche Identität’ von Aussiedler(inne)n deren<br />
Integration merklich vereinfache, die „vermittelnde Kraft ethno-nationaler Bindewirkungen“<br />
(Bade & Oltmer 1999, 32) lange Zeit überschätzt wurde, zeigte sich in den<br />
letzten Jahren <strong>im</strong>mer deutlicher, dass diese Bevölkerungsgruppe mit ganz ähnlichen<br />
Problemen zu kämpfen hat wie andere Einwanderergruppen auch. Denn obwohl sie<br />
rechtlich gesehen Deutsche sind, kommen Aussiedler/<strong>innen</strong> „kulturell, mental, und<br />
sozial in eine echte Einwanderungssituation“ (ebd.).<br />
Die Schwierigkeiten resultieren nicht allein aus den seit Ende der 1980er Jahre erheblich<br />
gestiegenen Zuwanderungszahlen von Spätaussiedler(inne)n, sondern auch aus<br />
deren veränderter demografischer Zusammensetzung. Seit Beginn der 1990er Jahre<br />
kommen über 90% der Aussiedler/<strong>innen</strong> aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion,<br />
insbesondere aus Russland und Kasachstan. Sie bringen zunehmend geringere<br />
Deutschkenntnisse mit, vor allem Kinder und Jugendliche sprechen häufig überhaupt<br />
kein Deutsch. Dies liegt unter anderem auch daran, dass eine steigende Anzahl gemischt-ethnischer<br />
Familien einwandert, in denen nur ein Elternteil deutschstämmig ist<br />
und wo deshalb die deutsche Sprache kaum mehr eine Rolle spielte.<br />
Gleichzeitig mit der schwieriger werdenden Ausgangssituation von Aussiedler(inne)n<br />
werden die staatlichen Unterstützungsleistungen für die Eingliederung stark gekürzt,<br />
was die Integration deutlich erschwert (vgl. Dietz 1997, 58). Dies stellt ein großes<br />
Problem dar, da „infolge des staatlichen Rückzugs […] sowohl die faktischen Integrationsprobleme<br />
wie auch die ideellen Ausgrenzungserscheinungen in Form von interde-<br />
30 So schlussfolgert Otto: „Hätte es keinen Kalten Krieg gegeben, wäre auch die Aussiedler-Politik so […]<br />
nicht erfunden worden.“ (Otto 1990, 51). Damit reduziert er die Aussiedlerpolitik auf ein ideologisches Instrument,<br />
das sich gegen die kommunistischen Staaten richtet.