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Junge Spätaussiedler/-innen im Spannungsfeld zwischen ... - IDA

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Einleitung 4<br />

Einleitung<br />

Spätaussiedler/<strong>innen</strong> befinden sich, verglichen mit anderen Migrant(inn)en, in einer<br />

Sondersituation. Sie bekommen mit der Einreise in die Bundesrepublik die deutsche<br />

Staatsbürgerschaft, gelten als ‚ethnisch deutsch’, haben ein häufig durch jahrzehntelange<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungserfahrungen geprägtes Selbstverständnis als ‚Deutsche’ und<br />

werden in Statistiken gewöhnlich nicht getrennt von autochthonen Deutschen betrachtet.<br />

Gleichzeitig durchlaufen sie jedoch vergleichbare Migrationsprozesse und stoßen<br />

auf ähnliche Schwierigkeiten wie andere Eingewanderte (vgl. Bade & Oltmer 1999, 32).<br />

Auch <strong>im</strong> gesellschaftlichen Alltagsdiskurs werden sie weniger als Deutsche, sondern<br />

vielmehr als Einwanderer/<strong>innen</strong>, häufig als ‚Russ(inn)en’ 1 wahrgenommen – eine Zuschreibung,<br />

die in<strong>zwischen</strong> <strong>im</strong> Selbstbild junger Aussieder/<strong>innen</strong> vermehrt zu einem<br />

identitätsstiftenden Merkmal wird. In diesem <strong>Spannungsfeld</strong> <strong>zwischen</strong> Deutsch-Sein<br />

und Deutsch-Werden, <strong>zwischen</strong> der Minderheitserfahrung Deutsche in Russland/Kasachstan<br />

und der Minderheitserfahrung Russ(inn)en in Deutschland, <strong>zwischen</strong><br />

Zugehörigkeitswunsch und Abgrenzung – sowohl gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft<br />

als auch gegenüber anderen Migrantengruppen – müssen sich Aussiedler/<strong>innen</strong><br />

verorten. Der Prozess der Verortung wird begleitet und beeinflusst durch Erfahrungen<br />

in einer von unterschiedlichsten individuellen und strukturellen Rassismen<br />

durchzogenen Gesellschaft. Diese Rassismen gehen nicht spurlos an jungen Aussiedler(inne)n<br />

vorbei, sondern haben Einfluss auf ihre Selbst- und Fremdkonzeptionen, ihre<br />

Denk- und Handlungsmuster und führen zu neuen Zugehörigkeits- und Abgrenzungsprozessen,<br />

entweder entlang oder auch entgegengesetzt zu (aber <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit) gesellschaftlich organisierten rassistischen Diskursen.<br />

Seit Jahrzehnten kommen Menschen als Spätaussiedler/<strong>innen</strong> nach Deutschland. Erst<br />

in den letzten fünfzehn Jahren jedoch geraten sie mehr und mehr in den Fokus öffentlichen<br />

wie wissenschaftlichen Interesses. Die Diskussion wendet sich meist der Frage<br />

nach dem Erfolg oder Scheitern der Integration – häufig verstanden als Ass<strong>im</strong>ilation –<br />

zu. Die zahlreichen Medienberichte, in denen Aussiedler(inne)n eine erhöhte Gewaltbereitschaft<br />

zugeschrieben und von tätlichen Auseinandersetzungen <strong>zwischen</strong> dieser<br />

Gruppe und anderen, meist ethnisch, national oder kulturell definierten Gruppen berichtet<br />

wird, schaffen ein einseitiges Bild, das aus der Perspektive der deutschen Mehrheitsgesellschaft<br />

Spätaussiedler/<strong>innen</strong> zu einem Problemfeld erklärt. Da es zudem nur<br />

eine wenig umfangreiche wissenschaftlich fundierte Literatur zu dieser Referenzgruppe<br />

gibt, beruht das Alltagswissen eher auf – häufig einseitigen und stereotypisierenden –<br />

1<br />

Solche Nationalitätsbezeichnungen werde ich <strong>im</strong> Folgenden in einfache Anführungszeichen setzen, da diese<br />

Begriffe sich auf die Wahrnehmung best<strong>im</strong>mter Menschen als einer Nationalität zugehörig, nicht jedoch auf<br />

die tatsächliche Nationalität beziehen. Die damit angesprochenen Individuen verfügen häufig nicht über die<br />

genannte Nationalität, sondern haben einen andere Herkunft oder sind deutsche Staatsbürger/<strong>innen</strong>.

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