Junge Spätaussiedler/-innen im Spannungsfeld zwischen ... - IDA
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2. Theoretische Grundlagen der Auseinandersetzung mit Rassismus 44<br />
2.3 Rassismus – Eine Definition<br />
In der rassismustheoretischen Literatur wird bei den Versuchen einer Definition von<br />
Rassismus häufig von drei Komponenten ausgegangen: Erstens die soziale Konstruktion<br />
von Gruppen, zweitens die Bewertung dieser Gruppen und drittens die Definitionsmacht<br />
der konstruierenden Gruppe (vgl. beispielsweise DGB-Bildungswerk 2004, 198).<br />
Ich möchte diese Definition unter Rückgriff auf Miles (1989, 358 f.), Terkessidis (2004,<br />
98 ff.) und Kalpaka & Räthzel (1990, 12 ff.) um einen weiteren Aspekt ergänzen, indem<br />
ich die Definitionsmacht erweitere und unter dem Oberbegriff ‚Macht’ aufgliedere<br />
in Definitionsmacht und in Handlungsmacht, da mir dies als praktische Umsetzung und<br />
Durchführung rassistischer Denk- und Handlungsmuster sowohl auf subjektiver als<br />
auch auf gesellschaftlicher Ebene als ein entscheidender Punkt <strong>im</strong> Gefüge des Rassismus<br />
erscheint.<br />
Analytisch gliedere ich Rassismus in zwei grundlegende Systeme: Zum einen das System<br />
der Rassialisierung 45 /Kulturalisierung 46 , das sich auf die Ebene der Konstruktion<br />
bezieht, und zum anderen das System der Macht, in dem es um die auf einer ungleichen<br />
Verteilung von Macht beruhenden Durchsetzung der Konstruktion geht. 47 Damit<br />
beziehe ich mich auch auf Mecheril, der davon ausgeht, dass Rassismus sich zusammensetzt<br />
aus der „Erzeugung und Privilegierung des Eigenen und Erzeugung und Deprivilegierung<br />
des Anderen“ (Mecheril 2005, 467). Die Erzeugung des Eigenen und des<br />
Anderen findet sich <strong>im</strong> System der Rassialisierung/Kulturalisierung wieder, wohingegen<br />
der Bereich der (De-)Privilegierung <strong>im</strong> System der Durchsetzungsmacht abgebildet<br />
wird. Auch Terkessidis schlägt eine Gliederung von Rassismus in das Generieren von<br />
Wissen und in durch Dominanzverhältnisse best<strong>im</strong>mte soziale Ordnungen vor: „Ich<br />
möchte Rassismus als eine Verbindung von sozialer Praxis und gleichzeitiger Wissensbildung<br />
fassen.“ (Terkessidis 2004, 92).<br />
Mit dieser Aufteilung in ein System der Rassialisierung/Kulturalisierung und ein System<br />
der Macht lässt sich Rassismus eindeutig von anderen Diskr<strong>im</strong>inierungsformen abgrenzen:<br />
Alle Formen von Diskr<strong>im</strong>inierung (eben auch Rassismus) basieren auf einem System<br />
der Macht (also auf ungleichen Positionierungen von Gruppen und Individuen in<br />
45 Der Begriff ‚Rassialisierung’ bezieht sich, ebenso wie der später von mir verwandte Ausdruck ‚rassistische<br />
Konstruktion’, nicht nur auf Konstruktionen, die ausdrücklich als biologisch-naturalisierend gedachte ‚Rasse’<br />
bezeichnet werden bzw. darauf verweisen, sondern auch auf Konstruktionen, die <strong>im</strong> Begründungszusammenhang<br />
mit Kultur, Ethnie, Volk oder auch Nation stehen. Darauf werde ich in den Kapiteln 2.3.1.1<br />
Rassistische Konstruktion und 2.3.3 Biologischer und kulturalisierender Rassismus näher eingehen.<br />
46 Auch die Begriffe Ethnie, Volk und Nation gehören zu dem Komplex ‚Rassialisierung/Kulturalisierung’ und<br />
sollten mitgedacht werden. Ich habe mich aber für das Begriffspaar ‚Rassialisierung/Kulturalisierung’ entschieden,<br />
weil Argumentationen, die sich auf Ethnie, Volk oder Nation beziehen, diese letztlich <strong>im</strong>mer entweder<br />
als eine biologisch vererbte, naturalisierende ‚Rasse’gemeinschaft konstruieren, oder sie als sozialisatorisch<br />
weitervermittelte, auf Erziehung, Lebensweise, Normen und Werten beruhende homogenstatische<br />
Kulturgemeinschaft interpretieren (vgl. zu Ethnizität beispielsweise Leiprecht 2001, 42: „Ethnizität<br />
kann als biologische oder kulturelle ‚Rasse’ konstruiert werden“).<br />
47 Obwohl daraus eine zeitliche Abfolge erkennbar scheint (zunächst gibt es die Konstruktion, dann folgt<br />
deren Durchsetzung), so ist dies tatsächlich nicht unbedingt der Fall: Die Durchsetzung gewisser Praxen<br />
kann auch nachträglich durch best<strong>im</strong>mte Konstruktionen legit<strong>im</strong>iert werden (vgl. Terkessidis 2004, 72;<br />
Reemtsma 1998, 280).