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Junge Spätaussiedler/-innen im Spannungsfeld zwischen ... - IDA

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2. Theoretische Grundlagen der Auseinandersetzung mit Rassismus 38<br />

delt es sich um eine persönliche Einstellung oder ein persönliches Verhalten, also ein<br />

individuelles, von Einzelnen ausgehendes Phänomen. Damit unterstellt das Konzept der<br />

‚Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit’ ein individuelles Fehlverhalten, das bestraft oder<br />

therapiert werden kann, jedoch keine politischen Konsequenzen erfordert, denn das<br />

gesellschaftliche System bleibt völlig außen vor und wird nicht mit Rassismus in Verbindung<br />

gebracht (vgl. hierzu beispielsweise DGB-Bildungswerk Thüringen e.V. 2004,<br />

198; Osterkamp 1996, 88 ff.).<br />

Als Konsequenz des individualisierenden Konzeptes von ‚Feindlichkeit’ findet eine Konzentration<br />

auf die Situation der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung statt. Sozialpädagogische<br />

und therapeutische Eingriffe bezüglich der autochthonen Gesellschaft werden gefordert<br />

(und teilweise auch durchgesetzt), wohingegen die Situation der von Fremdenfeindlichkeit<br />

betroffenen Gruppen nicht zur Disposition steht – strukturelle Veränderungen<br />

zugunsten der Objekte von Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit werden nicht als Interventionsmöglichkeiten<br />

zur Bekämpfung eben jener Feindlichkeit gesehen. Der Ansatzpunkt<br />

für die Entstehung und Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit wird dem Gebiet<br />

der Kultur zugeschrieben, die Produktion des Fremden <strong>im</strong> Staatsbürgerrecht oder<br />

auf dem Arbeitsmarkt wird ignoriert (vgl. Terkessidis 2004, 70 f.). Dies entlastet neben<br />

dem System auch das mehrheitsgesellschaftliche Individuum, da Fremdenfeindlichkeit<br />

als Ausnahmeerscheinung gewertet werden kann, die von einzelnen verwirrten, ewiggestrigen<br />

oder unterprivilegierten Täter(inne)n ausgeht, nicht aber von mir, meinen<br />

(strukturellen) Privilegien und Selbstverständlichkeiten.<br />

Durch den individualisierenden Charakter von ‚Feindlichkeit’ wird die historische Kontinuität<br />

von Rassismus verschleiert. Die Bezüge der heutigen Rassismen beispielsweise<br />

zu Kolonialismus, Antisemitismus oder Nationalsozialismus werden zerschnitten, wenn<br />

Rassismus als individuelles fremdenfeindliches Fehlverhalten, das zusammenhanglos<br />

stattfindet, gedeutet wird.<br />

Aus der Sicht der Opfer erweist sich der Begriff der (individuellen) Feindlichkeit ebenfalls<br />

als problematisch, wie Ute Osterkamp (1996) aufzeigt:<br />

„Der Begriff der ‚Ausländerfeindlichkeit’ – einschließlich von Varianten wie ‚Fremdenfeindlichkeit’,<br />

‚Fremdenhaß’ etc. […] – ist in vielfacher Weise irreführend: Es ist […]<br />

weniger die individuelle Gemeinheit und Aggressivität einzelner, die Nichtdeutschen<br />

zu schaffen macht, als vielmehr ihre strukturelle Benachteiligung, die von der Mehrheit<br />

der Einhe<strong>im</strong>ischen widerstandslos akzeptiert wird; ‚Ausländerfeindlichkeit’ beruht<br />

auf dem von fast allen Einhe<strong>im</strong>ischen geteilten Konsens, daß die Interessen der<br />

Deutschen Vorrang gegenüber denen der ‚Fremden’ haben müßten. Die allgemeine<br />

Entrechtung der hier lebenden Nichtdeutschen ist in dieser Sichtweise die wesentliche<br />

Voraussetzung, die sie als Aggressionsobjekte besonders geeignet erscheinen<br />

läßt und zugleich ihre Gegenwehr massiv behindert.“ (Osterkamp 1996, 97 f.)<br />

Es geht dementsprechend – besonders bei struktureller Diskr<strong>im</strong>inierung – weniger um<br />

eine spezifische, persönliche Feindlichkeit. Oftmals werden Diskr<strong>im</strong>inierungen und Privilegierungen<br />

als völlig selbstverständlich wahrgenommen und kommen vollkommen<br />

ohne persönliche Aggressionen der beteiligten Individuen aus. Hierarchische Ungleichheit<br />

wird als ‚normal’ empfunden und die strukturelle rassistische Diskr<strong>im</strong>inierung, die

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