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Linux-Magazin In Zockerhänden (Vorschau)

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<strong>In</strong>frastruktur“ geraten haben, hält sich<br />

das Amt ebenfalls bedeckt und antwortet<br />

lakonisch „momentan keine“. Direkt um<br />

eine Stellungnahme gebeten, zeigt sich<br />

das AA dem <strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> zunächst kooperativ,<br />

doch bis zum Redaktionsschluss<br />

traf trotz Nachfragen keine Antwort mehr<br />

ein. Der Eindruck entsteht, dass hier Verantwortliche<br />

etwas verschleiern oder aussitzen<br />

wollen.<br />

Fehler gemacht<br />

Abseits der für <strong>Linux</strong> misslichen Personalsituation<br />

muss der Beobachter jedoch<br />

auch konstatieren, dass die frühere IT-<br />

Leitung im AA über Jahre einige Fehler<br />

in Sachen <strong>Linux</strong>, Open Source und Migration<br />

gemacht hat, vor allem in der<br />

Unterstützung ihrer Desktop-Benutzer.<br />

<strong>In</strong>sidern zufolge sollen defaultmäßig installierte,<br />

veraltete Open-Office-Versionen<br />

ein wichtiger Grund für <strong>In</strong>kompatibilitäten<br />

gewesen sein. Ein weiterer Fall sei<br />

die verwendete Groupware: Da nutzt<br />

das Auswärtige Amt keine etablierte<br />

Open-Source-Software, sondern die eher<br />

exotische, proprietäre Webgroupware<br />

X-Manage (Abbildung 3, [8]). Die läuft<br />

zwar auf <strong>Linux</strong>, soll jedoch so manches<br />

Problem mit Dokumenten in E-Mails verursacht<br />

haben.<br />

Beide Probleme ließen sich jedoch ohne<br />

großen Aufwand lösen, meinen <strong>In</strong>sider,<br />

doch dazu habe es am Training und an<br />

der Motivation der Mitarbeiter durch die<br />

IT-Leitung gefehlt. Die hohen <strong>In</strong>vestitionskosten,<br />

die die Antworten der Behörden<br />

nennen, können sie nicht nachvollziehen.<br />

Im Kasten „Stimmen zum Umstieg“<br />

hat das <strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> Berater,<br />

Verbandsvertreter und Politiker um ihre<br />

Meinung gefragt, und das Urteil fällt sehr<br />

eindeutig aus.<br />

„Standardsoftware“<br />

Bei den <strong>Linux</strong>-Migrationen ab 2003<br />

standen Kosten, Sicherheit und offene<br />

Standards als Ziele ganz oben auf der<br />

Liste. Bei der Rückwärtsrolle werden die<br />

Kosten nicht transparent, von offenen<br />

Standards ist gar nicht mehr die Rede,<br />

im Gegenteil: <strong>In</strong> den Schreiben setzen die<br />

Verantwortlichen proprietäre Software<br />

mit „Standardsoftware“ gleich, was nicht<br />

nur Open-Source-Evangelisten die Haare<br />

zu Berge stehen lässt. Man darf gespannt<br />

sein, wie sich das Thema Sicherheit entwickelt,<br />

wenn erst wieder Windows auf<br />

den AA-Clients in aller Welt läuft. Die<br />

Trojaner warten schon, in fernen Ländern<br />

genauso wie in Berlin.<br />

n<br />

<strong>In</strong>fos<br />

[1] Webseite des Auswärtigen Amts:<br />

[http://www. auswaertiges-amt.de/DE/<br />

Startseite_node. html]<br />

[2] Fred Andresen, Ulrich Wolf, „Tux inside“:<br />

<strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> 05/ 03, S. 72<br />

[3] Jan Kleinert, „Diplomatische Wende“,<br />

<strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> 01/ 06, S. 80<br />

[4] Jan Rähm, „Migrationshintergrund“,<br />

<strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> 04/ 08, S. 98<br />

[5] Hausmitteilung des Auswärtigen Amts<br />

zum neuerlichen Umstieg: [http://www.<br />

netzpolitik. org/ wp-upload/AAmt-Gro%C3<br />

%9F-Mitarbeiterinformation.pdf]<br />

[6] Kleine Anfrage der SPD im Blog vom Bundestagsabgeordneten<br />

Oliver Kaczmarek:<br />

[http://www. oliver-kaczmarek.de/<br />

wp-content/ uploads/1704567.pdf]<br />

[7] Die Antwort der Bundesregierung:<br />

[http://www. oliver-kaczmarek.de/<br />

wp-content/ uploads/KA-17_4567.pdf]<br />

[8] Groupware X-Manage: [http://x-dot.de]<br />

Auswärtiges Amt 05/2011<br />

Titelthema<br />

www.linux-magazin.de<br />

45<br />

„Seit Jahren ist bekannt, dass Windows extrem<br />

anfällig gegen Viren und leicht zu hacken ist.<br />

Botnetze mit bis zu 12 Millionen PCs belegen<br />

das. Im Auswärtigen Amt wollte man sich vor<br />

mehreren Jahren gegen Angriffe von Außen<br />

durch den Einsatz von Open Source schützen<br />

und hat konsequent alle Closed-Source-Software<br />

in IT-Sicherheits-relevanten Bereichen<br />

durch freie Alternativen ersetzt.<br />

Weil das IT-Management des AA zu wenig Aufmerksamkeit<br />

auf die Benutzerfreundlichkeit<br />

der <strong>Linux</strong>-basierten Desktops gelegt hat und<br />

aus Zeit- und Kostengründen die Ausbildung der<br />

Nutzer minimierte, ist deren Unmut gewachsen.<br />

Der neue IT-Leiter hat deshalb beschlossen,<br />

<strong>Linux</strong> rauszuwerfen und durch Windows XP zu<br />

ersetzen.<br />

Alternativen, die eine Verwendung von Thin-<br />

Client-Windows-Systemen auf Basis eines Open-<br />

Source-Basisbetriebssystems vorsehen, oder<br />

die Verwendung von Standard-<strong>Linux</strong>-Desktops<br />

wie Ubuntu zieht anscheinend niemand in Betracht.<br />

Wenn keiner mehr einschreitet, dann<br />

wird das AA zunächst Windows XP und im zweiten<br />

Schritt Windows 7 und Office 2010 einführen.<br />

Als letzter strategischer Schritt drohen<br />

Outlook und Microsoft Exchange. Das wird mit<br />

sehr teueren Lizenzgebühren einhergehen.<br />

Die Konsequenz ist klar: Mittel- und langfristig<br />

drohen hohe Kosten für den Steuerzahler und<br />

die Gefahr, dass die Symbiose von Politik mit<br />

dem weltweiten Monopolisten für Desktop-Betriebssysteme<br />

eine Situation schafft, in der die<br />

Manipulation der PCs in sämtlichen Ministerien<br />

der BRD durch Botnetze, Viren und Backdoors<br />

statistisch gesehen nur eine Frage der Zeit ist.<br />

Stimmen aus der Politik<br />

Malte Spitz, Mitglied des<br />

Bundesvorstands der Grünen:<br />

„Der Ausstieg des<br />

Auswärtigen Amtes ist das<br />

falsche Signal in einer<br />

wichtigen Zeit.<br />

Die zunehmende Digitalisierung<br />

unseres Lebens und vor allem der Verwaltungen<br />

und öffentlichen <strong>In</strong>stitutionen darf<br />

nicht zu einer Rolle rückwärts führen, was das<br />

Ziel der Stärkung freier und offener Software<br />

angeht. Alte Abhängigkeiten werden wieder<br />

aufgebaut, neue Kosten entstehen und <strong>In</strong>novationen<br />

werden hintangestellt, all dies sind<br />

die Folgen dieser Entscheidung. Die Debatte<br />

um FOSS in den öffentlichen <strong>In</strong>stitutionen muss<br />

wieder auf die Tagesordnung der politischen<br />

Auseinandersetzung zurück.“<br />

Oliver Kaczmarek, MdB der<br />

SPD, hat für seine Fraktion<br />

bei der Bundesregierung<br />

nachgehakt:<br />

„Die Antwort der Bundesregierung<br />

ist für mich<br />

enttäuschend. Nicht nur,<br />

dass sie den Umstieg auf proprietäre Software<br />

bestätigt, die Umstellung wird auch nicht mit<br />

konkreten Zahlen zu den Kosten erläutert. Dass<br />

die Bundesregierung weiterhin freie Software in<br />

manchen Bereichen einsetzen will, halte ich für<br />

fadenscheinig. Quelloffene Browser sind gut,<br />

eine direkte Kosteneinsparung gibt es aber im<br />

Gegensatz zu den Betriebssystemen auf allen<br />

Arbeitsplatzrechnern nicht. Außerdem halte ich<br />

die von der Bundesregierung getätigte Gleichsetzung,<br />

dass es sich bei Standardsoftware ausschließlich<br />

um proprietäre Software handelt,<br />

für bedenklich.<br />

Ich werde weiterhin bei der Bundesregierung<br />

nachhaken. Die von Rot-Grün vor zehn Jahren<br />

eingeleitete IT-Strategie, in den Ministerien vermehrt<br />

freie Software zu nutzen, war und bleibt<br />

richtig. Dies ist nicht nur der kostengünstigste<br />

Weg, sondern auch der Wettbewerb um die<br />

Gunst der Nutzer wird dadurch gestärkt und<br />

der hiesige Mittelstand somit unterstützt.“

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