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Titelthema<br />
www.linux-magazin.de Was macht 05/2011<br />
52<br />
Abbildung 4: Völlig freiwillig verließ Bob Young das<br />
Unternehmen Red Hat.<br />
und spezialisierte sich auf Software-Entwicklung<br />
und Dienstleistungen.<br />
Im August 2002 verließ Augustin die<br />
Firma und betätigte sich zunächst als<br />
Kapitalgeber beim <strong>In</strong>vestor Azure Capital<br />
Partners. Seit 2005 ist er Chief Executive<br />
Officer beim kommerziellen Open-<br />
Source-Anbieter Sugar CRM und übernimmt<br />
Führungsaufgaben bei der <strong>Linux</strong><br />
Foundation. Sein früheres Unternehmen<br />
VA Software änderte 2007 seinen Namen<br />
in Sourceforge <strong>In</strong>corporated und schließlich<br />
im Jahr 2009 in Geeknet [6]. Aber<br />
das ist wieder eine andere Geschichte.<br />
93 Millionen verbrannt<br />
Eine weitere Distribution der ersten<br />
Stunde und gleichzeitig Millionengrab<br />
der Dotcom-Ära ist Turbolinux [7], entstanden<br />
auf der Codebasis von Red Hat.<br />
Schon im Jahr 1992 gründeten Jeff „Cliff“<br />
Miller und seine Frau Iris das Unternehmen<br />
in Kalifornien, zunächst unter dem<br />
Abbildung 5: Larry Augustin gründete 1993 VA <strong>Linux</strong><br />
und ist nun bei Sugar CRM.<br />
Namen Pacific-Hi-Tech als Hersteller verschiedener<br />
Distributions-CDs, darunter<br />
auch Red Hat. Cliff Miller berichtet über<br />
die Anfänge: „1993 begannen wir <strong>Linux</strong>-<br />
CDs zu produzieren, 1997 schließlich<br />
fokussierten wir uns auf unsere eigene<br />
Distribution Turbolinux.“<br />
Mit ihrer <strong>Linux</strong>-Variante zielten die Millers<br />
auf den asiatischen Markt, wo Turbolinux<br />
sehr erfolgreich wurde – und<br />
als Distribution bis heute ist (Abbildung<br />
1). Stolz berichtet Cliff Miller: „Im Zeitraum<br />
von rund sieben Jahren hatten Iris<br />
und ich Turbolinux zu einem profitablen<br />
Unternehmen gemacht, und es lief ohne<br />
jedes <strong>In</strong>vestment von außen.“<br />
1999 bekam die Firma den Namen der<br />
Distribution und <strong>In</strong>vestoren setzten ihr<br />
Geld auf Turbolinux, darunter IBM, HP,<br />
Compaq, Dell und viele andere. Bis zum<br />
Jahr 2000 flossen 93 Millionen US-Dollar<br />
in die Firmenkasse, schnell entstanden<br />
zu dieser Zeit auch zahlreiche Niederlassungen<br />
in Europa. Auf dem deutschen<br />
Markt bekannter wurde Turbolinux durch<br />
die Allianz mit Suse <strong>Linux</strong>, Conectiva<br />
und SCO, die im Jahr 2002 unter dem<br />
Namen United <strong>Linux</strong> den Versuch einer<br />
gemeinsamen Distribution starteten [8].<br />
Es hat Spaß gemacht,<br />
Underdog zu sein<br />
<strong>Linux</strong>-Urgestein Jon „Maddog“ Hall erinnert<br />
sich, dass Iris Miller als Firmenchefin<br />
in Asien für Furore sorgte, musste<br />
sich die Männer-dominierte Gesellschaft<br />
doch an eine weibliche Führungskraft<br />
gewöhnen. „So zierlich und klein Iris ist,<br />
verschaffte sie sich durch ihr energisches<br />
Auftreten doch überall schnell Respekt“,<br />
erzählt Hall. Wieder einmal kam mit den<br />
<strong>In</strong>vestoren Unruhe in das Unternehmen.<br />
„Nachdem das <strong>In</strong>vestment-Geld kam,<br />
änderten sich die Machtstrukturen im<br />
Management und es kam schlechte Stimmung<br />
auf“, so Miller.<br />
Das Gründerpaar zog Konsequenzen und<br />
verkauften im Jahr 2000 einen Großteil<br />
seiner Anteile: „Statt uns in Politik und<br />
Negatives zu verwickeln, gingen Iris und<br />
ich und gründeten ein neues Software-<br />
Unternehmen.“ Die neue Firma hieß<br />
Mountain View Data, unterhielt Niederlassungen<br />
in den USA, Japan und China<br />
und war spezialisiert auf Datenspeicherung<br />
und Synchronisierung.<br />
Miller schildert bitter die weitere Geschichte<br />
von Turbolinux: „Das so genannte<br />
professionelle Management, das<br />
die <strong>In</strong>vestoren eingesetzt hatten, schaffte<br />
es, die mehr als 95 Millionen US-Dollar<br />
innerhalb von weniger als zwei Jahren<br />
professionell zu verbrennen, ohne die<br />
Verkaufszahlen wesentlich zu steigern.“<br />
Es habe seinerzeit auch ein Übernahmeangebot<br />
von Red Hat in dreistelliger<br />
Millionenhöhe vorgelegen, aber das „professionelle<br />
Management“ habe den Deal<br />
torpediert, berichtet Miller. Mountain<br />
View Data selbst wurde im Jahr 2007<br />
vom Virtualisierungsanbieter 3Leaf-Systems<br />
aufgekauft und musste im März<br />
2010 <strong>In</strong>solvenz anmelden.<br />
Iris Miller hat sich inzwischen zur Ruhe<br />
gesetzt und lebt heute in Peking, Cliff<br />
Miller hielt es nicht lange zu Hause:<br />
„Ich bin wohl ein Workaholic“, so der<br />
Unternehmer. Aktuell ist Cliff Miller im<br />
Management des <strong>In</strong>stant-on-Desktop-Unternehmens<br />
Splashtop. Im Mai 2010 ernannte<br />
die <strong>Linux</strong> Foundation den Asienerfahrenen<br />
Cliff Miller zum „Director of<br />
China Operations“.<br />
An die alten Zeiten erinnert er sich gern:<br />
„Es hat Spaß gemacht, der Underdog zu<br />
sein, weitab vom Mainstream“, und er<br />
steuert noch eine Anekdote bei, als große<br />
Unternehmen das <strong>Linux</strong>-Geschäft entdeckten:<br />
„<strong>In</strong> einem Meeting 1999 mit IBM<br />
kamen fünf Manager in unsere Büros in<br />
Kalifornien, extra im T-Shirt. Sie alle fühlten<br />
sich offensichtlich reichlich unwohl,<br />
nicht in ihrem Element. Wir bei Turbolinux<br />
hatten unsere Anzüge und Krawatten<br />
extra für das Treffen vom Staub befreit<br />
und fühlten uns ebenso unwohl. Das war<br />
ein klasse Eisbrecher.“ (uba) n<br />
<strong>In</strong>fos<br />
[1] Open Source <strong>In</strong>itiative:<br />
[http://www. opensource.org]<br />
[2] Exact Target:<br />
[http://www.exacttarget.com/ ]<br />
[3] Mandrake <strong>Linux</strong>:<br />
[http://www. mandriva.com]<br />
[4] Ulteo: [http://www.ulteo.com]<br />
[5] Lulu: [http:// www.lulu.com]<br />
[6] Geeknet: [http://geek.net]<br />
[7] Turbolinux: [http://www.turbolinux.com]<br />
[8] <strong>Linux</strong>-<strong>Magazin</strong> 12/2002,<br />
[http://www.linux-magazin.de/Heft-Abo/<br />
Ausgaben/2002/12/World-Wide-<strong>Linux</strong>]