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Mediendienst 4 - CARITAS - Schweiz

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Bald 20 Jahre nach dem Genozid<br />

Ruanda: Das Recht auf Wissen und Gerechtigkeit<br />

In Ruanda hat auch nach 20 Jahren keine echte Aufarbeitung des Genozids stattgefunden. Die<br />

Regierung setzt auf eine einseitige Darstellung der Vergangenheit und kriminalisiert jene, die<br />

diese Version hinterfragen. Das verhindert eine Versöhnung, die langfristig das Fundament für<br />

einen echten Frieden ist. Caritas <strong>Schweiz</strong> leistet einen Beitrag dazu, jene Kräfte im Land zu fördern,<br />

die sich für ein friedliches Zusammenleben der ruandischen Bevölkerung einsetzen.<br />

Der Leistungsnachweis der ruandischen Regierung unter Präsident Paul Kagame trägt die Züge eines<br />

Janusgesichts, mit der beeindruckenden Rehabilitation der Infrastruktur eines völlig zerstörten Staates<br />

auf der einen und der Repression und absoluten Kontrolle seiner Bevölkerung auf der anderen Seite.<br />

Insbesondere durch die einseitige Darstellung der Vergangenheit und damit einhergehend einseitigen<br />

Ausrichtung der Justiz im Zusammenhang mit dem Genozid von 1994 steht Ruandas Fortschritt auf<br />

brüchigem Fundament.<br />

Das verbotene Wissen<br />

Die jüngste ruandische Geschichte ist ein heikles Terrain. In ihrer offiziellen Version werden die<br />

Truppen der Ruandischen Patriotischen Front (RPF), die die heutige Regierung bilden, als Befreier<br />

und Retter dargestellt. Es war ihnen 1994 gelungen dem Genozid der Hutu- gegen die Tutsi-<br />

Bevölkerung Einhalt zu gebieten und somit das Land nach einem vierjährigen Bürgerkrieg von der<br />

Vorherrschaft einer Hutu-Elite zu befreien. Die Vertreter einer inoffiziellen Version dieser Geschichte<br />

sind dagegen überzeugt davon, dass es im Verlaufe der genannten Prozesse zu grösseren Massakern<br />

von Seiten der RPF an Hutu-Zivilisten gekommen sei, und fordern Aufklärung und Rechenschaft. Die<br />

Bestätigung dieses Verdachts würde auch bedeuten, dass die Grenze zwischen Tätern und Opfern, das<br />

heisst zwischen Hutu und Tutsi, bei weitem nicht so scharf ist, wie die mehrheitlich aus Tutsi bestehende<br />

Regierung behauptet. Diese hat bis heute allen entsprechenden Untersuchungsbestrebungen von<br />

Seiten internationaler Justiz erfolgreichen Widerstand geleistet. Inzwischen hat sie jegliche Hinterfragung<br />

der offiziellen Geschichte zum Delikt erklärt, das mit bis zu lebenslänglicher Haft geahndet werden<br />

kann. Prominente Opfer dieser Politik sind die <strong>Schweiz</strong>erin Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin<br />

des Internationalen Strafgerichts für Ruanda, die 2003 ihren Posten abtreten musste, oder die<br />

ruandische Oppositionspolitikerin Victoire Ingabire, die 2012 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde.<br />

Neben Einschüchterung praktiziert die ruandische Regierung noch weitere Strategien, um der Geschichte<br />

Herr zu werden und damit Kritik an ihrer Legitimität zum Verstummen zu bringen: das Verwischen<br />

der Vergangenheit unter anderem durch die Umbenennung von Orts- und Strassennamen, der<br />

Appell an das schlechte Gewissen der internationalen Gemeinschaft angesichts ihres Versagens während<br />

des Genozids. Ausserdem verhindert die einseitige Geschichtsinterpretation die Entwicklung<br />

eines Geschichtskurrikulums, und damit die kritische historische Reflektion unter den jüngeren Generationen.<br />

Somit ist es sicherer, opportuner, oder schlicht unumgänglich zu schweigen.<br />

Caritas <strong>Schweiz</strong>, <strong>Mediendienst</strong> 15, 31. Oktober 2013

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