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Interview mit Oliver Kreuzer „Bis zum Schluss offener Schlagabtausch um die Europapokalplätze“ Interview Ingo Thiel · Foto Witters Oliver Kreuzer hat die Nachfolge von Frank Arnesen beim <strong>HSV</strong> als Sportchef übernommen. Ingo Thiel hat ihn im Trainingslager im Zillertal getroffen und das Gespräch geführt. Herr Kreuzer, vor zweieinhalb Jahren waren Sie schon mal Sportchefkandidat beim <strong>HSV</strong>. Warum haben Sie damals von sich aus abgesagt, obwohl Sie beim Assessmentcenter der mit Abstand Beste gewesen sein sollen? Diese Beurteilung kannte ich ja nicht und ich hatte damals einfach den Eindruck, nur als Alibikandidat dienen zu sollen. Denn der damalige Aufsichtsrat hatte mir signalisiert, dass die Ex-Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus unbedingt Roman Grill als Sportchef wollten. Als Gegenkandidat ohne realistische Chance wäre ich nur Mittel zum Zweck gewesen und dafür war i ch mir zu schade. Ich wollte aber schon damals unbedingt zum <strong>HSV</strong>, denn wenn du so eine Chance bekommst, bei einem der Topklubs der B undesliga zu arbeiten, dann musst du sie nutzen. Umso mehr freue ich mich jetzt endlich hier arbeiten zu können. Sie sollen auch dieses Mal wieder eine Spitzenpräsentation gehalten haben. Was haben Sie dem Aufsichtsrat gesagt? Zunächst habe ich mich und meine Arbeitsweise charakterisiert – ich bin Teamplayer, kommunikativ und lege großen Wert auf Austausch und Transparenz. Und dann hatte ich mich natürlich mit dem Kader beschäftigt und die für mich offensichtlichen Schwachstellen ausgemacht: die Abwehrzentrale, die Offensive, die mit 42 Toren unter den Top -Ten- Mannschaften die zweitschwächste war und die fehlende Balance im Kader, mit zu vielen Mittelfeldspielern, aber z. B. keinen richtigen Back ups für die defensiven Außenbahnen. Wenn sich Dennis Diekmeier oder Marcell Jansen verletzt hätten, hätte es auf diesen Positionen keine echten Alternativen gegeben. Ich habe meine Lösungsansätze vorgestellt, mit der Maßgabe, sich zunächst auf die Innenverteidigung zu fokussieren und mit Djorou ist uns eine Verpflichtung gelungen, deren Spielstärke und Leistungsvermögen uns viel Freude machen wird. Mit Westermann, Djorou, Sobiech und Tah sind wir in der Innenverteidigung jetzt gut aufgestellt. Mit Hakan Calanoglu und Kerem Demirbay haben wir im Mittelfeld zwei Riesentalente, jetzt fehlt uns nur noch ein großer Stürmer, der die Bälle festmachen und die Außenbahnen mit einbeziehen kann – dann haben wir schon viel geschafft. Sie sollen den Kader verkleinern und Gehälter sparen – wie schwierig ist es Spieler abzugeben, die beim <strong>HSV</strong> nicht gebraucht werden oder sich nicht durchsetzen konnten? Jeder Spieler hat seine eigene Story und es bringt ihm nichts ein weiteres Jahr nur auf der Tribüne zu sitzen. Ich habe mit allen Kandidaten gesprochen und kann ganz klar sagen, das sind gute Jungs, da ist kein Stinkstiefel bei. Man kann keinem Spieler böse sein, dass er einen gut dotierten Vertrag, der ihm vom alten Vorstand angeboten worden ist, unterschrieben hat und das Geld auch kassiert. Das Problem ist, dass die Vereine, die diese Gehälter zahlen könnten, die Spieler nicht wollen. Und die Vereine, denen diese Spieler helfen könnten, können die Gehälter nicht bezahlen. Da muss man kreativ sein, wir müssen auf ein bisschen was verzichten, der Spieler muss seinen Anteil dazu tun, dann geht das schon. Man muss intelligente, individuelle Pakete schnüren: sollte sich zum Beispiel jemand bei einem anderen Klub toll entwickeln, muss der <strong>HSV</strong> natürlich auch davon profitieren – wir haben nichts zu verschenken. Und wie schwierig ist es, mit begrenztem Budget Wunschspieler zu verpflichten? Der <strong>HSV</strong> ist nach wie vor ein attraktiver Verein: wir zahlen im Bundesligaschnitt immer noch vergleichsweise gute Gehälter, haben ein tolles Umfeld, eine großartige Stadt und ein riesiges Fanpotenzial. Wir konzentrieren uns auf gewisse Spielerprofile, die zu uns passen und die Mannschaft weiter bringen. Was wollen Sie im Nachwuchsbereich ändern? Ich glaube, dass Michael Schröder und Dieter Gudel schon viel Struktur reingebracht haben. Es geht mir darum, die besten Trainer im Nachwuchsbereich zu haben, es muss nach dem Leistungsprinzip gehen und nicht darum, ob jemand mal für den <strong>HSV</strong> gespielt hat. Wobei ich zu den einzelnen Trainern noch nicht viel sagen kann. Jugendarbeit heißt für mich technische und taktische Ausbildung, kein starres 4-3-3-System wie bei Ajax, sondern verschiedene Systeme kennenzulernen und umsetzen zu können. Die Freiheit zu lernen und ausprobieren zu können, wie verhalte ich mich taktisch in dieser Spielsituation und nicht schablonenhaft nach Vorgabe. Wobei ich natürlich Grundvorgaben mache, welche die Trainer dann umsetzen. Ich habe das Scouting etwas verändert, es noch direkter gemacht und tausche mich regelmäßig mit unseren Scouts aus. Wir wissen, auf welchen Positionen wir etwas verändern möchten, welche Spielertypen wir wollen und haben bestimmte Leute im Kopf. Wir wissen, wann Verträge auslaufen und bemühen uns frühzeitig um die entsprechenden Spieler. Wie wollen Sie die Mannschaft weiterentwickeln und wo sehen Sie den <strong>HSV</strong> in drei Jahren? In dieser Saison gibt es sicher lich bis ganz zum Schluss einen offenen Schlagabtausch um die Europapokalplätze. Für mich ist wichtig, dass wir uns spielerisch weiterentwickeln, Automatismen schneller greifen und die Leistung konstanter wird. Ob wir dann am Ende 4., 6.oder 8. werden, hängt von vielen Faktoren ab, die nicht vorhersehbar sind. Wir haben ein eingespieltes Gerüst und mit Djorou und einem neuen Stürmer werden wir noch stabiler werden. Und wir werden die Mannschaft in den nächsten Jahren punktuell verstärken, damit wir in der Lage sind, dauerhaft unter die Top 4 zu kommen, da gehört der <strong>HSV</strong> mit seinen Möglichkeiten hin. Ausgabe 74 29