Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...
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Kongreßberichte 919<br />
würden mehr als 60 Prozent der Frauen die Lebensweise als Hausfrau begrüßen. Der<br />
Bericht von Khadiga Safwat über »Die Neue Rechte, Arabische Frauen <strong>und</strong> Umverteilung<br />
...« konzentrierte sich darauf, daß Umverteilung durch wirtschaftliche<br />
Gerechtigkeit nicht ausreicht, um politische <strong>und</strong> kulturelle Demokratie <strong>für</strong> Frauen<br />
zu sichern, weil die politisierte islamische Kultur z.B. in Saudi-Arabien Chancengleichheit<br />
gezielt verhindert.<br />
In den Niederlanden wird die Eskalation rassistischer Gewalt in Deutschland mit<br />
wachsender Sorge beobachtet. Auch in Großbritannien nehmen Rassismus <strong>und</strong><br />
Gewalt zu; in der Organisation »Frauen gegen F<strong>und</strong>amentalismus« arbeiten<br />
schwarze <strong>und</strong> weiße Frauen zusammen, um MigrantInnen zu unterstützen, die sich<br />
in einer »freien« Gesellschaft als Zielscheibe von Gewalt fühlen. Besonders bedenklich<br />
ist der Versuch rechts extremer <strong>und</strong> nationalistischer Gruppierungen, ihr Image<br />
als »bully boys« (Skinheads) mit weiblichen Gallionsfiguren zu schmücken <strong>und</strong><br />
dadurch ihrer »Politik« einen Anstrich von Respektabilität zu verleihen, so z.B. in<br />
Italien, Belgien, Frankreich <strong>und</strong> den Niederlanden. In der Arbeitsgruppe »Festung<br />
Europa« wurde der Begriff »europäische Identität« diskutiert: tatsächlich umfasse er<br />
nur die Einheit des Westens. Frauen würden in diesem System kraß benachteiligt.<br />
Die European Women's Lobby mit 100 Millionen Mitgliedern bemüht sich zur Zeit<br />
um die Einbeziehung der ethnischen Dimension in Reformbewegungen wie die<br />
Charta 88.<br />
Helma Lutz (Niederlande) problematisierte in ihrer Arbeitsgruppe »Ethnizität,<br />
Identität <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>/Gender« die Verwendung des vereinheitlichenden Begriffs<br />
»wir Frauen«. Das neue Denken sollte netzformig die Verschiedenheiten im Blick<br />
haben. Maya Korac (Serbien) konzentrierte sich auf die Effekte einer nationalistischen<br />
Pluralisierung; die Frage der ethnischen Identität dominiere dabei alle anderen<br />
Konflikte. Indijana Harper (Bosnien) beschrieb, wie eben jene europäische Kultur,<br />
die einst Teil des »ethnisch gewobenen bosnischen Wandteppichs« gewesen sei, sie<br />
jetzt als Muslimin verstoße. Daß der zunehmende religiöse F<strong>und</strong>amentalismus<br />
besonders von Frauen begrüßt wird, begründete sie damit, daß das säkulare Leben<br />
von ihnen jetzt als Verrat, der in Terror <strong>und</strong> Gewalt führe, angesehen werde. MOfa<br />
Antfc (Slowenien) informierte über die Anstrengungen <strong>und</strong> Erfolge von Frauenpolitik,<br />
wie z.B. die Gründung der »Kommission Frauenpolitik«, die Einbeziehung<br />
des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung. Alle Frauen aus den Kriegsgebieten<br />
betonten, daß ihre Länder dringend auf Unterstützung angewiesen sind.<br />
Ein weiteres Problem ist die Ausblutung <strong>und</strong> der Verlust der Einheit in der Frauenbewegung;<br />
die Aktiven in den feministischen wie in den feministisch-sozialistischen<br />
Bewegungen sind weniger geworden. Die Diskussion um die Umbenennung des<br />
Forums machte zudem die Unterschiede zwischen den Frauen aus ehemals realsozialistischen<br />
Ländern <strong>und</strong> aus dem westlichen Kapitalismus sehr deutlich. Die<br />
gelebte Realität <strong>und</strong> die Zunahme von Bündnissen zwischen kommunistischen <strong>und</strong><br />
nationalistischen Organisationen (vor allem in Russland) hat <strong>für</strong> die ersteren den<br />
Begriff »sozialistisch« entleert <strong>und</strong> diskreditiert. Nach einer langen Debatte wurde<br />
als Kompromiß das Wort »sozialistisch« durch »links« ersetzt.<br />
Die nächste Konferenz des Forums wird 1993 in den Niederlanden zum Thema<br />
»Rassismus <strong>und</strong> Nationalismus« stattfinden.<br />
Andy Godfrey (Hamburg)<br />
DAS ARGUMENT 19611992 ©