Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...
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862 Ruth Seifert<br />
Männlichkeit befindet sich ebenfalls das, was in der Literatur »untergeordnete<br />
Männlichkeiten« genannt wird, in erster Linie Homosexuelle <strong>und</strong> ethnische Minderheiten,<br />
die in der Anordnung der <strong>Geschlecht</strong>er in der Regel näher an das<br />
Weibliche herangerückt (<strong>und</strong> damit minderwertiger kodiert) werden. Trotz der<br />
Tatsache höchst männlicher Privilegierung <strong>und</strong> nach Klassen <strong>und</strong> Schichtten<br />
sehr unterschiedlicher Nutznießung am <strong>Geschlecht</strong>erkonstrukt (die es vermutlich<br />
verbieten, Männer, ebenso wie Frauen, als Kollektiv zu betrachten), haben<br />
alle Männer am kulturellen Konstrukt »Männlichkeit« <strong>und</strong> dem Machtvorteil,<br />
der damit gegenüber Frauen verb<strong>und</strong>en ist, teil.<br />
Um die <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz gesellschaftlich konstruieren zu können, sind<br />
Produktionsorte <strong>und</strong> das, was DeLauretis »Gender-Technologien« genannt hat,<br />
vonnöten. Sie versteht darunter in Anlehnung an Foucault »eine komplexe politische<br />
Technologie«, die angewandt werden muß, weil Gender eben »keine Eigenschaft<br />
von Körpern ist oder etwas, was in Menschen originär vorhanden wäre,<br />
sondern ein Zusammenspiel von Effekten, die in Körpern, Verhaltensweisen <strong>und</strong><br />
gesellschaftlichen Beziehungen produziert werden« (DeLauretis 1987, 3). Instrumente,<br />
mit denen untersucht werden kann, mit Hilfe welcher Technologien Gender<br />
in die Körper hineinkonstruiert wird, finden sich auf den verschiedensten<br />
Ebenen. Dazu gehören die Psychoanalyse <strong>für</strong> eine Analyse des Familienbereiches,<br />
sozialisationstheoretische Ansätze hinsichtlich der <strong>Geschlecht</strong>ersozialisation<br />
in Schule <strong>und</strong> Familie, aber auch Analysen der westlichen Kunst <strong>und</strong> der<br />
Medien mit ihrer Darstellung von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit, die als Identifikationsangebote<br />
dienen. Auf Gr<strong>und</strong> der historischen <strong>und</strong> geographischen Vielfaltigkeit<br />
dieser Bedeutungszuschreibungen liegt es nahe, von Männlichkeiten<br />
<strong>und</strong> Weiblichkeiten im Plural zu sprechen.<br />
Ein Ort, an dem die Konstruktion von Männlichkeiten beobachtet werden<br />
kann, ist das Militär. Es ist eine männliche <strong>Institut</strong>ion, schon allein im quantitativen<br />
Sinn. Darüber hinaus sind die Werte <strong>und</strong> Verhaltensnormen im Militär<br />
männliche. Das wiederum heißt, daß sie in Beziehung stehen müssen zu den<br />
Männlichkeitsvorstellungen der Gesamtgesellschaft. Um einem möglichen Mißverständnis<br />
vorzubeugen: Wenn das Militär als ein Ort der Konstruktion von<br />
Gender betrachtet wird, so heißt das nicht, daß es nur dieses ist. Gender darf<br />
nicht - wie dies beispielsweise der Marxismus mit dem Klassenbegriff erfolglos<br />
versuchte - als Universalkategorie angesehen werden, aus der alles in letzter<br />
Instanz herleitbar wäre. Zu einer Gesamterklärung von Militär gehören zweifellos<br />
viele Aspekte - soziologische, sozialhistorische oder ökonomische. Ein<br />
wesentlicher Aspekt scheint aber in der Tat die Verortung des Militärs im System<br />
der <strong>Geschlecht</strong>erverhältnisse zu sein. D.h., eine Funktion des Militärs ist es, die<br />
soziale Kategorie Gender zu differenzieren <strong>und</strong> zur Definition dessen beizutragen,<br />
was »Männer« im Gegensatz zu »Frauen« sind bzw. zu sein haben. Die Art<br />
<strong>und</strong> Weise, wie Männlichkeiten im militärischen Kontext konstruiert werden,<br />
soll anhand von vier Thesen zur Diskussion gestellt werden.<br />
DAS ARGUMENT 1%/1992 ©