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Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...

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921<br />

Besprechungen<br />

Philosophie<br />

Kapferer, Norbert: Das Feindbild der marxistisch-leninistischen Philosophie in<br />

der DDR 1945-1988. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990<br />

(471 S., Ln., 75,- DM)<br />

Wilharm, Heiner: Denken <strong>für</strong> eine geschlossene Welt. Philosophie in der DDR.<br />

Junius-Verlag, Hamburg 1990 (272 S., br., 29,80 DM)<br />

Kapferer schloß seine Studie im Juni 1989 ab; Wilharm bezieht noch die Veränderungen<br />

in der DDR bis Anfang 1990 ein. Beide Autoren repräsentieren unterschiedliche<br />

Muster b<strong>und</strong>esdeutschen Umgangs mit einer noch existenten DDR. Kapferer<br />

legt eine fast ausschließlich referierende, auf gründliche Recherchen gestützte Analyse<br />

von Texten vor. Die Parteiphilosophie der DDR definierte sich danach durch<br />

einen - maßgeblich von Georg Lukacs inaugurierten - Kampfbegriff von »bürgerlicher<br />

Philosophie«, d.h. durch Ab- <strong>und</strong> Ausgrenzung. Er verfolgt die Modifizierungen<br />

dieses »Feindbildes«, konzentriert sich auf den »Hauptfeind des Marxismus­<br />

Leninismus« (2), die Traditionslinie Romantik - Lebensphilosophie-Existentialismus,<br />

<strong>und</strong> vertritt die Auffassung, daß das Feindbild der »Kaderphilosophie« (3) zwar<br />

»um die Mitte der achtziger Jahre Risse« (323) bekommen habe, mit Unterstützung<br />

der Sowjetphilosophie aber perpetuiert worden sei (326). Wilharm versucht dagegen,<br />

zunächst systematisch den Zusammenhang philosophischer Gr<strong>und</strong>aussagen<br />

der DDR-Philosophie zu entwickeln, endet dabei in ziemlicher Konfusion <strong>und</strong> läßt<br />

dem einen recht oberflächlichen historischen Überblick folgen.<br />

Leitfaden ist <strong>für</strong> beide Autoren der enge Zusammenhang von Politik <strong>und</strong> Philosophie<br />

in der DDR, den sie im wesentlichen als Instrumentalisierung der Philosophie<br />

durch die SED beschreiben. Beide konstatieren in den achtziger Jahren Veränderungen,<br />

die nach Kapferer »Ausdruck einer sich im Umbruch befindenden philosophischen<br />

Öffentlichkeit« (328) gewesen sein könnten. Für verfehlt hält er es allerdings,<br />

»dies mit der Reformbewegung in der Sowjetunion in Verbindung zu bringen«<br />

(ebd.). Nach Wilharm hat sich die Stellung der Philosophie in der DDR schon früher<br />

relativiert. Sie repräsentiere »die wissenschaftsimmanenten Tendenzen zur Anerkennung<br />

des methodischen Pluralismus <strong>und</strong> zur verstärkten Arbeitsteilung« <strong>und</strong> nehme<br />

als materialistische Philosophie die »Ehrenstellung einer Metatheorie« (254) ein,<br />

ohne die Möglichkeit oder das Recht zur Bevorm<strong>und</strong>ung. Philosophie als Weltanschauung<br />

konkurrierte so mit »Philosophie als Wissenschaft« (ebd.).<br />

Kapferer scheint nicht wahrhaben zu wollen, daß mit dem »Feindbild« gar nicht<br />

die »bürgerliche Philosophie« bekämpft, sondern die DDR-Philosophie intern diszipliniert<br />

wurde. Nicht zuletzt hatte die Staats ideologie des Marxismus-Leninismus<br />

ständig die sprengenden Potentiale der Klassiker, auf die sie sich berief, zu neutralisieren<br />

<strong>und</strong> den westlichen Marxismus rigoros auszuschließen (wie es ja auch, neben<br />

vielen anderen, diese Zeitschrift zu spüren bekam). Gewollt oder ungewollt arbeiten<br />

beide Studien damit wieder jenem Typus des Gedankenpolizisten in die Hände, der<br />

nach der Wende als »Exorzist« unter Philosophen Dresdens auftrat (vgl. Otto Köhler<br />

in Die Zeit, 15.3.91) oder die Kapferer-Studie wegen ihres »<strong>für</strong> 'Abwicklung' sehr<br />

brauchbaren Namensregisters« weiterempfehlen konnte (S. Blasche in der FAZ v.<br />

20.3.91). Als das neue »Feindbild«, das funktionalisiert wird, um marxistisches<br />

Denken von Staats wegen zu verfolgen, dient die »Kaderphilosophie«.<br />

Um dieses »Feindbild« eines nach 1989 unumschränkt herrschenden Denkens zu<br />

DAS ARGUMENT 19611992 ©

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