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Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...

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914 Kongreßberichte<br />

Im versammelten Kreis <strong>und</strong> mehr noch unter den Zuhörern waren die meisten der<br />

Auffassung, daß Zukunftsentwürfe nach wie vor nötig sind, aber offen <strong>und</strong> korrigibel<br />

sein müssen. In welchem Sinn man solche Entwürfe »Sozialismus« nennen kann,<br />

war strittig. Auch wenn die Kapitalanalyse von Marx als heuristisches Instrument<br />

von niemandem in Frage gestellt wurde, so wußte doch auch niemand eine Praxis <strong>für</strong><br />

diese Kritik. Zwischen den stahl- <strong>und</strong> kunststeinglänzenden Fassaden der Banken<br />

Luxemburgs gewiß eine angemessene Aporie - hätte das Publikum sie zwischen den<br />

Industrieruinen Schottlands mit gleicher Gelassenheit aufgenommen?<br />

Die Beiträge <strong>und</strong> Diskussionen blieben, wie Lehners selbst kritisch notierte, mit<br />

wenigen Ausnahmen europazentrisch. Wichtig war, daß ein Kreis zusammenkam,<br />

der überwiegend auf der Historizität des Kapitalismus beharrt <strong>und</strong> es nötig findet,<br />

über ihn hinauszugelangen. Kein Ende der Utopien also, aber nie wieder eine, die<br />

sich im wissenschaftlichen Alleinbesitz der Zukünfte wähnt. Die Beiträge werden<br />

publiziert.<br />

Hans-Heinrich Nolte (Hannover)<br />

Bloch? Ernst-Bloch-Tagung 1992<br />

Veranstaltet von der Ernst-Bloch-Gesellschaft Ludwigshafen <strong>und</strong> dem Seminar <strong>für</strong><br />

Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Tübingen, 2. bis 4. Oktober 1992<br />

Der Versuch, Blochs politische Irrtümer zum Anlaß zu nehmen, um eine theoretische<br />

Tradition in Mißkredit zu bringen, ist derzeit ein beliebtes Geschäft konservativer<br />

Ideologen. Doch auch die Implosion des Staatssozialismus <strong>und</strong> die seit den<br />

achtziger Jahren anhaltende »neue Unübersichtlichkeit« in gesellschaftstheoretischen<br />

Fragen verlangen die Überprüfung der Relevanz Blochseher Kategorien. Beides<br />

sollte auf der diesjährigen Tagung der Ernst-Bloch-Gesellschaft geleistet werden.<br />

Marx sei <strong>für</strong> Bloch immer nur eine bequeme Berufungsinstanz gewesen; er<br />

komme auch bequem ohne ihn aus, verkündete Gastgeber Gerd Ueding zur Eröffnung.<br />

Tagungspräsident Burghart Schmidt: »Die politischen Fehlentscheidungen<br />

entwerten nicht das literarische <strong>und</strong> philosophische Werk«. Als ginge es darum,<br />

einen ins Gerede gekommenen Heiligen reinzuwaschen, versuchte der Erlanger Philosophieprofessor<br />

Manfred Riedei, Bloch aus dem Kontext des Historischen Materialismus<br />

zu lösen. Seine Option <strong>für</strong> Wilsons Amerika <strong>und</strong> gegen den Preußischen<br />

Militarismus während des Ersten Weltkriegs diente als Folie <strong>für</strong> die abenteuerliche<br />

These, mit der Parteinahme <strong>für</strong> die Oktoberrevolution habe Bloch sich um »seine<br />

ursprüngliche Einsicht in den Sinn der Utopie« gebracht.<br />

Der Tübinger Philosoph Helmut Fahrenbach schlug vier Aspekte zur Rekonstruktion<br />

einer sozialistischen Theorie vor: 1. die mindestens vorläufige Suspendierung<br />

des Konnex von Sozialismus <strong>und</strong> Marxismus, 2. eine kritische Sichtung der Theoriegeschichte<br />

mit Blick auf das Verhältnis zum Realsozialismus, 3. die Destruktion des<br />

wissenschaftlichen Sozialismus zugunsten einer differenzierten Theorie <strong>und</strong> 4. auf<br />

politisch-praktischer Ebene die Bestimmung des konstitutiven Verhältnisses von<br />

Sozialismus <strong>und</strong> Demokratie. Blochs Berücksichtigung frühsozialistischer <strong>und</strong> anarchistischer<br />

Traditionen <strong>und</strong> seine utopische Metaphysik der Weltveränderung<br />

sprenge den wissenschaftlichen Sozialismusbegriff (Kältestrom) <strong>und</strong> mache ihn in<br />

politisch-praktischer Hinsicht interessant. Die Stellungnahmen zu den stalinistischen<br />

Schauprozessen seien mit seiner Philosophie des Sozialismus allerdings<br />

schwerlich in Einklang zu bringen, sagte Fahrenbach. Dem unkritischen Rückgriff<br />

auf Marx zuzuschreiben sei es zwar, daß Bloch <strong>für</strong> die empirische Analyse der ökonomischen<br />

<strong>und</strong> sozialen Bedingungen der Gegenwart nicht viel anzubieten habe.<br />

Aktuell geblieben sei dagegen seine Bestimmung der anthropologischen <strong>und</strong> ontologischen<br />

Bedingungen zukunftsorientierter Praxis <strong>und</strong> die normativ-utopische<br />

DAS ARGUMENT 196/1992 ©

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