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Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...

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824 Editorial<br />

daß Zusammenhanglosigkeit angenommen werden muß. Die Humanisierung<br />

funktionaler Systeme kann in einem solchen Kontext keine Perspektive mehr<br />

sein. In der »individualisierte(n) Gesellschaft der Unselbständigen« (Baudrillard)<br />

wächst die Fremdbestimmung ins Totale.<br />

Der soziologischen Tradition, Synthesen zu bilden, entgegengesetzt wird<br />

postmodern die Differenz zum Strukturprinzip. Innerhalb feministischer Debatten<br />

wird z.B. der Begriff Patriarchat als gemeinsamer Bezugspunkt <strong>für</strong> fragwürdig<br />

gehalten, da die Spaltungen/Differenzen zwischen Frauen so groß seien,<br />

daß ein allen Gemeinsames nicht auszumachen sei (z.B. Micheie Barrett). Die<br />

theoretische Resonanz auf den Postmodernismus in den kritischen Sozialwissenschaften<br />

nimmt zu; so wird der Wechsel von einem organisierten zu einem desorganisierten<br />

Kapitalismus unterstellt (z.B. Claus Offe). Die sozialen Zerreißungen<br />

seien nicht mehr zentral durch Begriffe wie Klasse strukturiert, also in der<br />

Sphäre der Produktion anzusiedeln, sondern sowohl fragmentarisch als auch<br />

dezentralisiert neben der Produktion in der Konsumtion zu finden. In diesen<br />

Kontext gehört auch die Debatte über die verschiedenen Begriffe von Arbeit, die<br />

sich auf die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitskraft stützt <strong>und</strong> auf deren<br />

ebenfalls flexiblen Gebrauch durch das Kapital (vgl. hier besonders die Zeitschrift<br />

Marxism Today, die diese Diskussion unter dem Titel »New Times«<br />

geführt hat).<br />

Sozialistisch-feministische Theorien <strong>und</strong> solche der Postmoderne sind nicht<br />

einfach ins Verhältnis zu setzen; letztere bewegen sich überwiegend auf dem Feld<br />

der Repräsentation, erstere beharren auf der gesellschaftlichen Organisation von<br />

»etwas« (<strong>Geschlecht</strong>, Rasse, Klasse), das repräsentiert wird. Fragen der ökonomischen<br />

Regulierung <strong>und</strong> der konkreten Machtverhältnisse (die auch als Herrschaftsverhältnisse<br />

realisiert werden) sind in postmodernen Ansätzen ausgeklammert;<br />

die Analysen bewegen sich überwiegend im kulturellen Feld.<br />

Den Heftschwerpunkt wollen wir als Beitrag einer anderen Diskussionsweise<br />

verstehen; er soll einige Möglichkeiten vorführen, von modernen <strong>und</strong> postmodernen<br />

Theorieansätzen zu lernen. Besonders in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

wird die Diskussion heftig als Ausschließungsverhältnis diskutiert (positiv herausgehoben<br />

werden muß dabei die Zeitschrift kultuRRevolution). Dies ist wohl<br />

auch der politischen Lage geschuldet: in einem Land, wo das Wort Befreiung<br />

<strong>und</strong> Gesellschaftsveränderung mit Staatssozialismus gleichgesetzt wird, ist die<br />

notwendige Muße in Differenzhektik gekippt. Die Gleichheit/Ähnlichkeit der<br />

wissenschaftlichen Fragen, die Bemühungen um die Besetzung der offenen<br />

Felder sind ein anderer Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die UnHihigkeit, einander zuzuhören. Die<br />

Situation ist im angelsächsischen Raum anders. Feministische Sozialistinnen diskutieren<br />

ruhig die Anforderungen aus der Postmoderne. Fragen der Anschlußfahigkeit<br />

theoretischer Einsichten stehen eher im Brennpunkt als ihr Gegeneinander.<br />

In den USA, in Kanada <strong>und</strong> Großbritannien wird z.B. die Diskussion<br />

um die <strong>Subjekt</strong>konstruktion netzförmig von verschiedenen Standpunkten bearbeitet:<br />

mit der Dekonstruktion des Begriffs <strong>Geschlecht</strong> geht seine Erweiterung<br />

um schwarze Frauen einher (z.B. »Learning from the outsider within«, Patricia<br />

Hill Collins); auch ist der Rekurs auf die Notwendigkeit einer Frauenbewegung<br />

häufig zu finden (z.B. »Situated Knowledges«, Donna Haraway). Insofern werden<br />

DAS ARGUMENT 196/1992 ©

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