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Begriffskarrieren: Subjekt und Geschlecht - Berliner Institut für ...

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898 J1Jlker Külow<br />

Rjasanov in der Organisationsdiskussion der russischen Revolutionäre von Paris<br />

aus zwischen den verschiedenen Gruppierungen zu vermitteln. In seiner 1902<br />

veröffentlichten Broschüre »Zwei Wahrheiten« skizzierte er die Entwicklungslinien<br />

der revolutionären Bewegung Rußlands von den Narodniki zum Marxismus<br />

<strong>und</strong> vertrat im Gegensatz zu Lenin die Auffassung, daß politisches Klassenbewußtsein<br />

nicht in die Arbeiterklasse hineingetragen, sondern nur in langen<br />

Massenkämpfen von ihr selbst hervorgebracht werden kann. Über seinen damaligen<br />

politischen Standort berichtet Rjasanov an Kautsky in einem <strong>und</strong>atierten,<br />

wahrscheinlich 1909 verfaßten Brief:<br />

"Und doch war ich nicht gegen die Menschewiki. Umgekehrt ich bin in den Jahren 1901-1905<br />

- vor der Revolution - einer der 'Massenstreikler', weil prinzipieller Gegner des Terrorismus<br />

<strong>und</strong> des vorbereiteten bewaffneten Aufstands sowie aller Kampforganisationen.« (Internationaal<br />

Instituut voor Sociale Geschiedenis. Nachlaß Kautsky D XIX 254)<br />

Schon vor der Revolution von 1905 genoß Rjasanov in der russischen <strong>und</strong> zunehmend<br />

auch in der internationalen Sozialdemokratie den Ruf eines vorzüglichen<br />

Kenners des literarischen Erbes von Marx <strong>und</strong> Engels. Seine Bekanntschaft mit<br />

den Führern der deutschen <strong>und</strong> österreichischen Sozialdemokratie trug dazu bei,<br />

der russischen Bewegung den Zugang zu theoretischen Organen wie Die Neue<br />

Zeit <strong>und</strong> Der Kampf zu erleichtern. Im Revolutionsjahr 1905 debütierte Rjasanov<br />

mit einem längeren Aufsatz in der Neuen Zeit zur Aufhebung der Leibeigenschaft<br />

in Rußland. Noch im Herbst des gleichen Jahres kehrte Rjasanov nach<br />

Rußland zurück <strong>und</strong> beteiligte sich am Aufbau der Gewerkschaften in St. Petersburg.<br />

Daneben gehörte er der sozialdemokratischen Duma-Fraktion an.<br />

Nach der Niederschlagung der Revolution emigrierte Rjasanov erneut <strong>und</strong><br />

widmete sich von nun an seinem eigentlichen Lebenswerk, dem Studium <strong>und</strong> der<br />

Herausgabe des literarischen Nachlasses von Marx <strong>und</strong> Engels. »Er konnte«,<br />

charakterisierte der libertäre Schweizer Sozialist <strong>und</strong> Arzt Fritz Brupbacher mit<br />

einem ironischen Anflug Rjasanovs Forscherdrang, »wegen eines Kommas in<br />

einem Manuskript von Marx vierter Klasse <strong>und</strong> im ungeheizten Eisenbahnwagen<br />

mitten in der Nacht von Wien nach London reisen.« (Brupbacher 1973, 183f.)<br />

Im ersten Jahrzehnt seiner Forschungstätigkeit, in der er bis zu seinem Lebensende<br />

von seiner Frau Anna unterstützt wurde, widmete sich Rjasanov den Rußland-Analysen<br />

von Marx <strong>und</strong> Engels, ihren vornehmlich <strong>für</strong> die New-York Tribune<br />

verfaßten Studien <strong>und</strong> Artikeln zur internationalen Politik in den fünfziger Jahren<br />

sowie ihrem Wirken in der I. Internationale. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der zeitgenössischen<br />

Massenstreikdebatte <strong>und</strong> der mit ihr einhergehenden Diskussion<br />

über das Verhältnis von spontaner Arbeiterbewegung <strong>und</strong> Arbeiterpartei, von<br />

Gewerkschaft <strong>und</strong> Sozialdemokratie, wollte Rjasanov vor allem Marx' Position<br />

zur Gewerkschaftsfrage rekonstruieren. Mit einem Stipendium der Wiener<br />

Anton-Menger-Stiftung wollte er ab 1909 ein sogenanntes »Urk<strong>und</strong>enbuch der<br />

Internationale« sowie einen dazugehörigen Einleitungsband zur Geschichte der<br />

Internationalen Arbeiter-Assoziation herausgeben. Trotz der Nichtveröffentlichung<br />

auf Gr<strong>und</strong> der Wirren des Ersten Weltkrieges leistete auch diese Arbeit<br />

einen wichtigen Beitrag da<strong>für</strong>, daß Rjasanov bei der späteren Gründung des<br />

Marx-Engels-<strong>Institut</strong>s im Jahre 1921 über ein ausgereiftes theoretisch-methodologisches<br />

Konzept zur Erschließung des literarischen Erbes von Marx <strong>und</strong><br />

DAS ARGUMENT 19611992 ©

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