04.03.2014 Aufrufe

Theorie und Praxis Theorie und Praxis - Inwo

Theorie und Praxis Theorie und Praxis - Inwo

Theorie und Praxis Theorie und Praxis - Inwo

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bunte <strong>Praxis</strong><br />

Porto Alegre<br />

Porto Alegre –<br />

Stadt der zukunftsfähigen Ideen<br />

Porto Alegre ist zu einem Mekka für GlobalisierungskritikerInnen geworden. 2003 findet<br />

dort zum 3. Mal das Weltsozialforum statt. Auch vorher schon kamen von hier zukunftsweisende<br />

Impulse, z.B. der "Beteiligungshaushalt", ein direktdemokratisches Modell. Weniger<br />

bekannt ist, dass Porto Alegre einst Schauplatz eines Geldexperiments war.<br />

Durch den aus Frankreich stammenden, aber in Brasilien<br />

tätigen Geschäftsmann Georges Rosier gelangten<br />

im Sommer 1958 Informationen über die "Freie Gemeinde<br />

von Lignières-en-Berry" nach Porto Alegre.<br />

Porto Alegre ist die Hauptstadt des B<strong>und</strong>esstaates Rio<br />

Grande do Sul im Süden Brasiliens. Die Stadt verdoppelte<br />

ihre Einwohnerzahl allein in den fünfziger Jahren von<br />

300.000 auf 600.000.<br />

In Anbetracht der schweren Krise, in der sich die brasilianische<br />

Wirtschaft befand, fasste Rosier den Entschluss,<br />

ebenfalls eine wirtschaftliche Selbsthilfe-Aktion<br />

ins Leben zu rufen. Daraufhin entstand im Oktober die<br />

"Orecopa" (Organizacao Economica Portoalegrense).<br />

Der Plan, umlaufgesicherte Kaufgutscheine - so genannte<br />

'cautelas de compra' - auszugeben, fand nicht nur die<br />

Unterstützung von weiteren Geschäftsleuten, sondern<br />

auch von Politikern, der städtischen Handelskammer<br />

<strong>und</strong> sogar des Finanzministers von Rio Grande do Sul.<br />

Rosier machte auch den Versuch, die Staatsbank von<br />

Rio Grande do Sul dazu zu bewegen, die cautelas de<br />

compra neben den offiziellen brasilianischen Cruzeiros<br />

auszugeben. Nach drei Monaten signalisierte die Staatsbank:<br />

"Wir sind bereit, die cautelas de compra auszugeben<br />

... Aber ... wir brauchen die Genehmigung der<br />

Sumoc, der für alle Geldfragen <strong>und</strong> Bankangelegenheiten<br />

in Brasilien zuständigen Behörde."<br />

Von dieser Aufsichtsbehörde für das brasilianische<br />

Geld- <strong>und</strong> Kreditwesen hat die "Orecopa" jedoch keine<br />

Nachricht erhalten. Da die Werbung für die geplante<br />

"salaires + 10% Aktion" in den Massenmedien schon<br />

angelaufen war, wollten Rosier <strong>und</strong> der übrige Vorstand<br />

der "Orecopa" ihren Beginn nicht mehr hinauszögern.<br />

Im November 1959 begannen sie mit der Ausgabe der<br />

cautelas de compra, nachdem es ihnen gelungen war,<br />

mit der Zweigstelle Sao Joao der Staatsbank von Rio<br />

Grande do Sul einen Vertrag über die Zusammenarbeit<br />

bei Umtausch <strong>und</strong> Einlösung der cautelas de compra abzuschließen.<br />

Da die cautelas de compra in Porto Alegre natürlich<br />

nicht das allein gültige Zahlungsmittel <strong>und</strong> die Mitgliedsunternehmen<br />

der "Orecopa" auf vielfältige Weise mit der<br />

übrigen Wirtschaft verzahnt waren, war es nicht möglich,<br />

einen unabhängigen <strong>und</strong> in sich geschlossenen<br />

Kreislauf der cautelas de compra entstehen zu lassen. In<br />

ihrem Umlauf stellten sich Engpässe ein, besonders im<br />

Lebensmittelhandel. Um diesen Schwierigkeiten entgegenzutreten,<br />

eröffnete Rosier im Juni 1960 im Norden<br />

von Porte Alegre einen großen Supermarkt "Rancho<br />

Orecopa", in dem alle Einkäufe vom Großhandel <strong>und</strong><br />

Verkäufe an die<br />

K<strong>und</strong>en mit cautelas<br />

de compra abgewickelt<br />

werden<br />

sollten. Über den<br />

weiteren Fortgang<br />

dieses Experimentes<br />

liegen allerdings<br />

keine Informationen<br />

vor.<br />

Auszug aus: Werner<br />

Onken: Modellversuche<br />

mit sozialpflichtigem<br />

Boden<br />

<strong>und</strong> Geld. Lütjenburg: Fachverlag für Sozialökonomie<br />

1997. ISBN 3-87998-440-9.<br />

Weitere Literaturtipps:<br />

- Rudolf Spier: Une solution – ein Ausweg. 2., verbesserte<br />

<strong>und</strong> erweiterte Auflage 1961.<br />

- Carsten Herzberg: Wie partizipative Demokratie zu politisch-administrativen<br />

Verbesserungen führen kann:<br />

der Bürgerhaushalt von Porto Alegre. Münster – Hamburg<br />

– London: LIT Verlag 2001. 168 Seiten, 15,90<br />

Euro.<br />

- Vom Süden lernen – Porto Alegres Beteiligungshaushalt<br />

wird zum Modell für direkte Demokratie. DGB Bildungswerk/Misereor<br />

2002. 3,- Euro.<br />

Der Bürgermeister von<br />

Porto Alegre, José Aloisio<br />

Filho, zusammen mit<br />

Glenio Amaral (Schatzmeister<br />

der ORECOPA)<br />

<strong>und</strong> Georges Rosier<br />

17<br />

evolution • Nr.13 November 2002

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!