Theorie und Praxis Theorie und Praxis - Inwo
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Bunte <strong>Praxis</strong><br />
Barter<br />
18<br />
BARTER – das Geschäft<br />
der Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft<br />
Der von Freiwirtschaftlern gegründete Barterclub WIR ist in der Schweiz seit Jahrzehnten eine vom Mittelstand<br />
allgemein anerkannte Institution. In Deutschland spielt Barter (Tausch) noch keine vergleichbare Rolle.<br />
Nach intensivem Studium der Barter-<strong>Praxis</strong> in den USA hat es sich Ingrid Revering zur Aufgabe gemacht, die<br />
Chancen <strong>und</strong> Vorteile des Barterhandels in Deutschland populär zu machen.<br />
Ingrid Revering, 42<br />
Jahre, Bartervertriebsrepräsentantin<br />
Ostbayern &<br />
Mediatorin<br />
Wir befinden uns erneut auf der Talfahrt einer Rezession<br />
in die Depression mit nicht absehbarem Ende der Talsohle,<br />
möglicherweise dramatischer als vor 70 Jahren,<br />
weil wir weltweit in einer bisher noch nie dagewesenen<br />
Kompressionsmaschine mit vier Kolben sitzen, laut Bernard<br />
Lietaer, ehemaligem belgischem Zentralbankier<br />
<strong>und</strong> Autor mehrerer Bücher, u.a. "Das Geld der Zukunft".<br />
Wir überaltern in rasendem Tempo, wir vermehren uns<br />
ebenso rasch, wir haben nicht mehr genügend bezahlte<br />
Arbeit, täglich sterben 150 Arten aus (Zitat Franz Alt)<br />
<strong>und</strong> unser zinsbehaftetes Geldsystem hat ausgedient. Es<br />
stellt keine Lösungen mehr bereit für übersättigte Märkte<br />
<strong>und</strong> nachhaltiges Wirtschaften (weil Investitionen in<br />
Nachhaltigkeit nicht genügend Rendite abwerfen), was<br />
jedoch dringend erforderlich ist, soll unser w<strong>und</strong>erbarer<br />
Planet Erde erhalten bleiben.<br />
Multinationale Großkonzerne übernehmen mehr <strong>und</strong><br />
mehr den kreativen, lebenserhaltenden Mittelstand, weil<br />
der Wachstumszwang durch den Zins- <strong>und</strong> Zinseszinseffekt<br />
die Wirtschaft zu einem selbstzerstörerischen Verfahren<br />
zwingt.<br />
Kredite bei den Banken können nicht mehr getilgt werden,<br />
weil sich das Geld durch die zinsbedingte Falschverteilung<br />
immer gerade woanders befindet als dort, wo<br />
es benötigt wird, <strong>und</strong> darüber hinaus stehen Kredite, vor<br />
allem seit Basel II, für kleine <strong>und</strong> mittlere Unternehmen<br />
nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. Pleitewellen<br />
überrollen Deutschland<br />
im Gleichmarsch mit dem<br />
gesamten Westen. Der Rest der<br />
Welt spielt bei diesem Monopoly<br />
schon lange keine Rolle<br />
mehr. Machen Sie sich nichts<br />
vor, die Politiker werden uns<br />
nicht retten, weil sie es gar<br />
nicht können, denn die Wurzel<br />
allen Übels liegt im Zinssystem,<br />
welches durch seinen exponentiellen<br />
Wachstumszwang uns<br />
alle miteinander ins Aus drängt,<br />
einzelne Menschen wie ganze<br />
Staaten.<br />
In Ländern wie Argentinien kann man gerade im Moment<br />
sehr gut beobachten, was geschieht, wenn dem<br />
Volk das Geld entzogen wird bzw. das herkömmliche<br />
Geld seinen Wert verliert: Spontan entstehen Tauschmärkte<br />
gigantischen Ausmaßes. Und sie funktionieren.<br />
In anderen Ländern oder sozialen Brennpunkten auf der<br />
Erde werden so genannte Komplementärwährungssysteme,<br />
also die gewöhnliche Wirtschaftspraxis ergänzende<br />
zweite Wirtschaftskreisläufe, als Konstanten bewusst hinzugezogen,<br />
unterstützt von Banken <strong>und</strong>/oder Staaten, zur<br />
Minimierung oder auch zum Ausstieg aus der Schuldenfalle<br />
des Kreditvergabesystems. Diese Komplementärwährungssysteme<br />
haben u.a. gemeinsam, dass sie zinsfrei<br />
sind. Es sind heutzutage i. d. R. internetgestützte<br />
Leistungsverrechnungs- <strong>und</strong> verbuchungssysteme, so<br />
auch u.a. die so genannten Barter-Netzwerke.<br />
Was hat dies alles nun mit dem Mittelstand zu tun, den<br />
ich hier gerne ansprechen möchte? Multinationale Konzerne<br />
tun neben dem oben bereits Erwähnten auch noch<br />
etwas anderes, letztlich, um auf allen Ebenen am Gewinn<br />
beteiligt zu sein. Die meisten Unternehmen mit Größenordnungen<br />
von etwa Mercedes Benz, Nokia, etc. haben<br />
zusätzlich zu ihren normalen Vertriebssystemen hauseigene<br />
Barter-Abteilungen. Etwa 20% des gesamten Welthandels<br />
werden gebartert, vornehmlich mit Ländern mit<br />
geringem Cash-flow, aber hochinteressanten Waren.<br />
Es handelt sich hierbei um so genannte bilaterale Kompensationsgeschäfte<br />
oder auch Corporate Barter Tradings,<br />
d.h., Getreide der Firma XY wird getauscht gegen<br />
Öl der Firma XZ, ohne Verwendung von herkömmlichem<br />
Geld oder zumindestens bezogen auf Teilgeschäfte. Würden<br />
sie diese Möglichkeit nicht einsetzen, sähe es noch<br />
weitaus dramatischer aus auf dem Weltmarkt. Dennoch,<br />
die Ziele <strong>und</strong> Motivationen, die dahinter stehen, lassen<br />
Zweifel aufkommen an der Ethik dieses Geschäfts auf<br />
multinationaler Ebene. Es dient wohl in den seltensten<br />
Fällen dem Wohlstand der gesamten Menschheit <strong>und</strong> der<br />
Erde, sondern eher der Gewinnmaximierung einiger Weniger.<br />
Zugleich ist jedoch das Bartergeschäft, anders genutzt,<br />
eines der besten, preisgünstigsten <strong>und</strong> effektivsten Möglichkeiten,<br />
den gestauten Markt wieder ins Fließen zu<br />
bringen. Überwiegend regional <strong>und</strong> professionell eingesetzt<br />
von klein- <strong>und</strong> mittelständischen Betrieben, die<br />
sich zu einem Netzwerk von Lieferanten zusammenschließen,<br />
die sich gegenseitig direkt mit ihrem jeweiligen<br />
Leistungsangebot "bezahlen", ermöglicht es diesen<br />
sukzessive, höhere Gewinne zu erzielen, ihre Liquidität<br />
zu schonen, mehr Spielraum für Kreativität zu haben,<br />
ihre Mitarbeiter nicht freisetzen zu müssen, erhöhte Sicherheit<br />
zu genießen, unabhängiger vom Würgegriff des<br />
Kreditwesens zu werden, sprich einfach freier zu sein.<br />
Manchen bleibt es so erspart, Insolvenz anmelden zu<br />
müssen.<br />
evolution • Nr.13 November 2002