Theorie und Praxis Theorie und Praxis - Inwo
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Veranstaltungsbericht<br />
SffO-Tagung<br />
Der Bildungsgutschein – ein Schritt zu<br />
pädagogischer Freiheit <strong>und</strong> Vielfalt?<br />
Nachdem das Bildungsthema seit Ende der 70er Jahre in einen Dornröschenschlaf versunken<br />
war, rüttelte die Pisa-Studie die Verantwortlichen <strong>und</strong> auch die Öffentlichkeit wieder wach.<br />
Dass Deutschland inzwischen in die dritte Bildungsliga abgestiegen ist, diese Erkenntnis<br />
wirkt seitdem wie ein Schock. Ursachenforschung für dieses Bildungsdesaster ist angesagt.<br />
Bernd Hercksen berichtet über einen tiefgreifenden Lösungsansatz.<br />
22<br />
Die deutsche Kultusministerkonferenz<br />
arbeitet<br />
bereits an der<br />
Einführung gesamtdeutscher<br />
Bildungsstandards.<br />
Ob das der<br />
Freiheit im Bildungswesen<br />
dient?!<br />
Dem Seminar für freiheitliche Ordnung ging es in dieser<br />
Tagung vom 5. – 6. Oktober 2002 nicht um die Wiederholung<br />
der üblichen Rezepte wie "Mehr Gesamtschulen"<br />
oder "B<strong>und</strong>eseinheitliche Prüfungen". Statt mit staatlichen<br />
<strong>und</strong> zentralistischen Verwaltungsakten soll die<br />
Bildungskrise durch die Einführung von Bildungsgutscheinen<br />
gelöst werden, die mehr Wettbewerb <strong>und</strong><br />
Selbstbestimmung der Bildungsträger <strong>und</strong> damit eine<br />
bessere Bildung ermöglichen.<br />
Am Beginn standen zwei Referate, um erst einmal die<br />
Voraussetzungen für eine solche tiefgreifende Bildungsreform<br />
zu klären. Eckhard Behrens, ein Vorstandsmitglied<br />
des Seminars, der lange Jahre in der Heidelberger<br />
Universitätsverwaltung tätig war, gab zunächst einen<br />
Überblick über die gegenwärtige ordnungspolitische Reformdiskussion.<br />
Eckhard Behrens: Das Bildungswesen<br />
im ordnungspolitischen Umbruch.<br />
Seine These:<br />
Nur ein konsequenter<br />
Rückzug des<br />
Staates aus<br />
der Bildung<br />
führt zu<br />
internationaler<br />
Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Dabei<br />
braucht es<br />
eine Vielzahl<br />
von Schritten,<br />
um den<br />
schwierigen Übergang von einer staatlich gelenkten <strong>und</strong><br />
verwalteten Bildung zu einem freiheitlichen Bildungswesen<br />
zu bewältigen. Die Voraussetzungen dazu sind in den<br />
drei Bereichen Kindergärten – Schulen – Unis sehr verschieden.<br />
Im Kindergartenbereich ist der Staat kaum präsent, Träger<br />
sind meistens die Kommunen oder freie Träger, die<br />
dem pädagogischen Personal einen großen Spielraum<br />
geben.<br />
Das Schulsystem wird dagegen vom Staat dominiert, nur<br />
5% aller Schüler besuchen Privatschulen. In den staatlichen<br />
Schulen bestimmt das Kultusministerium des jeweiligen<br />
B<strong>und</strong>eslandes zentralistisch die Inhalte bzw.<br />
den Lehrplan, es ist auch der Dienstherr der als Landesbeamte<br />
angestellten Lehrer. Die Kommunen sind nur für<br />
äußere Angelegenheiten zuständig.<br />
Ganz anders ist wiederum die Situation des Universitätsbereichs.<br />
Die Selbstverwaltung der Hochschule war nie<br />
umstritten, sie hat aber ihre Grenzen: Jede Uni muss<br />
ihre Mittel vom B<strong>und</strong>esland beantragen <strong>und</strong> kann über<br />
diese nicht frei verfügen. Der Referent forderte einen<br />
Globalhaushalt für die Unis, den diese selbst verwalten<br />
können sollten, wie dies beispielsweise jetzt schon in<br />
Baden-Württemberg der Fall ist. Eine weitere Beschränkung<br />
der Autonomie der Hochschule liegt in der Bezahlung<br />
des Hochschulpersonals durch das B<strong>und</strong>esland.<br />
Jobst von Heynitz: Parallelen <strong>und</strong> Polaritäten<br />
zwischen wirtschaftlichem<br />
<strong>und</strong> kulturellem Wettbewerb<br />
Wettbewerb ist im Wirtschaftsleben allgegenwärtig,<br />
immer geht es um den Erfolg im Vergleich zur Konkurrenz.<br />
Aufgabe der Ordnungspolitik ist es, für fairen Wettbewerb<br />
zu sorgen <strong>und</strong> unlautere Methoden zu verhindern.<br />
In der Wirtschaft ist die eigene Leistung für den<br />
Produzenten wertlos, er produziert in einem arbeitsteiligen<br />
System für den K<strong>und</strong>en. Im Vordergr<strong>und</strong> des Interesses<br />
steht daher stets die Gegenleistung, die er von ihm<br />
für seine Leistung bekommt. Die Kosten der Produktion<br />
müssen durch den Verkaufspreis gedeckt werden, sonst<br />
gerät der Betrieb in den Konkurs.<br />
Der Wettbewerb in der Kultur ist nicht der gleiche wie in<br />
der Wirtschaft. Künstlern, Wissenschaftlern <strong>und</strong> Lehrern<br />
geht es primär um die Sache selbst, sie haben im Gegensatz<br />
zu Produzenten in der Wirtschaft ein großes Interesse<br />
an ihrem Produkt, weil sie sich mit ihm identifizieren.<br />
Die Nachfrage hat im Kulturbereich nicht den Ausschließlichkeitscharakter<br />
wie in der Wirtschaft. Entgelte<br />
sind zwar nicht ausgeschlossen, es gibt aber auch öffentliche<br />
<strong>und</strong> private Spenden <strong>und</strong> Subventionen. Daher sind<br />
in der Kultur nicht kostendeckende Preise möglich.<br />
Wegen dieser Unterschiede wird eine Ökonomisierung<br />
<strong>und</strong> Kommerzialisierung der Kultur – die Übertragung<br />
der Maßstäbe der Wirtschaft auf die Kultur – von den<br />
meisten Menschen abgelehnt. Entscheidend für die Kulturentwicklung<br />
ist die Spendenbereitschaft der Bevölkerung,<br />
wobei eine gerechte Einkommensverteilung durch<br />
eine Geldreform Voraussetzung ist. Ohne eine solche<br />
muss auch der Staat mit Subventionen die Kultur fördern,<br />
darf aber ihre Inhalte nicht bestimmen – Freiheit<br />
sei ein Wesensmerkmal der Kultur.<br />
evolution • Nr.13 November 2002