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Bildungsmonitor 3 - Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

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<strong>Bildungsmonitor</strong> <strong>Jugendsozialarbeit</strong> Nr. 3<br />

2.12 Bildung / Schulen / Rechtsextremismus<br />

Bildungsexperten und Sozialwissenschaftler sehen mit Sorge gravierende Defizite des<br />

Staates im präventiven Kampf gegen Rechtsextremismus und mahnen strukturelle Reformen<br />

an. Sie kritisieren eine mangelnde Thematisierung des aktuellen Rechtsextremismus<br />

und Rassismus sowie auch der Menschenrechte an deutschen Schulen.<br />

Zudem vermissen sie eine verlässliche Finanzierung von Initiativen gegen Rechts. Dem<br />

Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Thomas Krüger, zufolge,<br />

muss man systematisch wichtige Projekte der Prävention identifizieren und sie nachhaltig<br />

finanzieren. Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Bildung<br />

(AfB), Eva-Maria Stange, fordert, dass die Kultusministerkonferenz das Thema auf die<br />

Tagesordnung setzt. Die Minister müssten überprüfen, ob in den einzelnen Ländern die<br />

Lehrer ausreichend darauf vorbereitet seien, sich mit Schülern über Rechtsextremismus<br />

auseinandersetzen. Kurz nach Aufdeckung der Zwickauer Neonazi-Zelle hatte bereits der<br />

Deutsche Philologenverband gefordert, die Schulen müssten sich intensiver mit aktuellem<br />

neonazistischem Gedankengut befassen.<br />

Dem Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke von der Hochschule für Wirtschaft und<br />

Recht in Berlin zufolge ist die Bildung an Schulen sehr stark fixiert auf das Thema Drittes<br />

Reich und Nationalsozialismus. Dagegen kämen Kompetenzen im Umgang mit dem<br />

Fremden und der multikulturellen Gesellschaft zu kurz. Man könne aus der Beschäftigung<br />

mit der NS-Zeit nicht unmittelbar Verhaltensfolgen für die Gegenwart ableiten, jedenfalls<br />

nicht für Kinder und Jugendliche, deshalb sei es wichtig, praktische Verhaltensformen in<br />

multikulturellen Trainings einzuüben.<br />

Laut Eva-Maria Stange sind die Lehrer in ihrer Ausbildung zu wenig mit dem Thema<br />

Rechtsextremismus befasst, wenn sie nicht unmittelbar Gemeinschaftskunde unterrichten.<br />

„Aber auch andere Lehrer sind damit konfrontiert. Wenn Schüler Hakenkreuze auf<br />

die Tische schmieren, dann findet das ja nicht im Gemeinschaftskundeunterricht statt.“<br />

Stange plädiert für schulinterne Fortbildungen, in der die Lehrkräfte zumindest Grundkenntnisse<br />

erhalten, zum Beispiel über rechtsextremistische Symbole, Organisationsstrukturen<br />

oder die Frage, was rechtlich relevant ist. Sie fordert zudem mehr Schulsozialarbeiter.<br />

Diese seien „Seismografen“, denn sie arbeiteten vernetzt mit anderen Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe zusammen und könnten erkennen, wo rechte Jugendgruppen außerhalb<br />

der Schule entstünden und dies an die Schulen zurückmelden.<br />

Eltern und Lehrer oft hilflos<br />

Auch nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Jaschke sind die meist auf ihr Fach<br />

konzentrierten Lehrer in Sachen Rechtsextremismus unzureichend ausgebildet. Es sei<br />

allgemein bekannt, dass es die Schulhof-CDs der NPD und rechtsextreme Agitatoren im<br />

Umfeld von Schulen und Berufsschulen gibt. Zugleich bestehe aber eine große Hilflosigkeit<br />

der Eltern und Lehrer gegenüber den notwendigen Gegenmaßnahmen. Auch die<br />

Bundeszentrale für politische Bildung sieht hier Handlungsbedarf. Sie unterstützt deshalb<br />

das Projekt „Online-Beratung gegen Rechtsextremismus“ als Anlaufstelle für Lehrer und<br />

Eltern.<br />

Dem Soziologen Albert Scherr (PH Freiburg) zufolge hat sich die Zuständigkeit für die<br />

Problematik in den vergangenen 20 Jahren weitgehend in den außerschulischen Bereich<br />

verschoben. Ihm zufolge ist es einerseits ein Vorteil, dass sich ein breites Spektrum spezifischer<br />

Initiativen gebildet hat und viel entstanden ist an Handlungsmethoden, Arbeitsmaterial,<br />

Konzepten. Die Kehrseite der Entwicklung sei aber, dass der gesamte Kernbereich<br />

von Schule sich weitgehend aus der Verantwortung für die Bearbeitung des Problems<br />

gezogen habe.<br />

Die Schulen müssten dazu verpflichtet werden, in ihren Kernbereich mehr Menschenrechts-<br />

und antirassistische Bildung einzubauen und dies nicht an einzelne Projekte wie<br />

„Schule ohne Rassismus“ oder den außerschulischen Bereich zu delegieren. „Die Menschenrechte<br />

sind das normative Fundament, von dem man aus eine klare Gegenposition<br />

gegen Rechtsextremismus beziehen kann“, betont Scherr. Doch eine Wissensvermittlung<br />

über Menschenrechte sei in der Lehrerausbildung nicht vorgesehen. Scherr sieht deshalb<br />

die Kultusminister gefordert.<br />

Da die Schule der Ort, durch den alle Schüler hindurch müssen, wäre sie für Stange auch<br />

der Ort, an dem man sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen muss.<br />

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