Ausgabe als PDF downloaden - Jusos München
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P O S I T I O N E N<br />
Die Ablehnung des Verfassungsvertrages<br />
bei den Referenden in Frankreich<br />
mit 54,9 % und in den<br />
Niederlanden mit 61,3 % ist auf<br />
sehr unterschiedliche Gründe<br />
zurückzuführen. Zum einen haben<br />
vor allem in Frankreich innenpolitische<br />
Gründe eine starke Rolle bei<br />
der Wahlentscheidung gespielt: So<br />
meinte ein Großteil der Nein-Wähler,<br />
dass der Verfassungsvertrag die<br />
Arbeitslosigkeit in Frankreich<br />
verstärken würde. Zudem wollten sie<br />
damit zum Ausdruck bringen, dass<br />
sie mit ihrer derzeitigen Situation<br />
absolut unzufrieden sind. Es gab<br />
sogar einen nicht unbeträchtlichen<br />
Teil an Wählern, die dagegen<br />
stimmten, weil sie davon ausgingen,<br />
dass der Vertrag noch einmal neu<br />
verhandelt würde, schließlich<br />
fanden viele Franzosen den Vertrag<br />
zu liberal ausgerichtet. Etwas anders<br />
sieht es in den Niederlanden aus.<br />
Ein Großteil der Niederländer war<br />
beunruhigt darüber, dass die<br />
Niederlande ihre Identität verlieren<br />
könnten und die Integration<br />
Europas zu schnell voranschreite.<br />
Weiterhin waren viele der Auffassung,<br />
dass die EU weniger Einfluss<br />
auf bürgernahe Entscheidungen<br />
haben sollte und dass die EU<br />
wesentlich demokratischer werden<br />
müsse. Themen wie der Türkeibeitritt,<br />
der Euro oder die Unzufriedenheit<br />
mit der niederländischen Regierung<br />
spielten entgegen weit verbreiteter<br />
Meinung bei der Entscheidung<br />
keine ausschlaggebende Rolle.<br />
Im Vorfeld der Wahlen fand eine<br />
unglaubliche Mobilisierungsaktion<br />
sowohl der Befürworter <strong>als</strong> auch der<br />
Gegner statt. Täglich lieferten sich<br />
beide Seiten verbale Schlachten in<br />
den Medien und auf den Straßen.<br />
Hier konnten wir vor allem<br />
beobachten, dass Gegner im<br />
Rahmen ihrer Wählermobilisierung<br />
mit den Ängsten der Bevölkerung<br />
angesichts der sich dramatisch<br />
verändernden wirtschaftlichen und<br />
sozialen Situation im Europa der<br />
alten Mitgliedstaaten spielten.<br />
Dabei bekennen wir uns in der<br />
Verfassung eindeutig zur sozialen<br />
Marktwirtschaft und zur Stärkung<br />
der sozialen Gerechtigkeit und des<br />
sozialen Schutzes.<br />
Es hat sich im Rahmen der Debatten<br />
gezeigt, dass es offenbar ein<br />
Fehler war, den Verfassungsvertrag<br />
derartig umfangreich zu gestalten<br />
und dann noch unter dem Begriff<br />
Europäische Verfassung darüber<br />
abstimmen zu lassen. Schließlich<br />
hat sich auch gezeigt, dass sich interessierte<br />
Bürger und Bürgerinnen<br />
vom Umfang des Vertrags erschlagen<br />
fühlten, was man bei einem<br />
Werk von nahezu 500 Artikeln auch<br />
nicht wirklich verübeln kann.<br />
Während sich die wesentlichen<br />
Artikel des Deutschen Grundgesetzes<br />
im Verhältnis relativ leicht<br />
erschließen lassen, ist dies beim<br />
Verfassungsvertrag fast<br />
unmöglich.<br />
Gerade deshalb fällt es Kritikern<br />
des Europäischen Integrationsprozesses<br />
verhältnismäßig leicht,<br />
sich einzelne Passagen des Vertrages,<br />
insbesondere des dritten<br />
Teils, rauszusuchen und außerhalb<br />
jeglichen Zusammenhangs<br />
darzustellen. Einer ihrer wesentlichen<br />
Kritikpunkte ist das<br />
angebliche Demokratiedefizit des<br />
Verfassungsvertrags. An dieser<br />
Diskussion hat sich gezeigt, dass<br />
die Kritik an den bisherigen Strukturen<br />
der Europäischen Union<br />
und die Diskussion über den<br />
Verfassungsvertrag vermischt<br />
werden. Denn der Verfassungsvertrag<br />
stärkt die Mitentscheidungsrechte<br />
des Europäischen<br />
Parlaments, er ermöglicht das<br />
Europäische Plebiszit und er gibt<br />
den nationalen Parlamenten ein<br />
eigenes Klagerecht vor dem<br />
Europäischen Gerichtshof. Doch<br />
die Vermittlung der reinen Fakten<br />
des Vertrags hat sich im Rahmen<br />
einer emotionalen Diskussion, die<br />
von Zukunftsängsten geprägt<br />
wird, <strong>als</strong> nicht ausreichend erwie-