Argumente 3 11 Marx heute.pdf - Jusos
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dung von Gewalt (Gewaltmonopol) und<br />
sichert auf diese Weise ein friedliches Zusammenleben.<br />
Dieser Grundgedanke prägt<br />
- trotz zahlreicher Weiterentwicklunge<br />
und Einschränkungen - im Kern bis <strong>heute</strong><br />
das juristische Verständnis vom Staat -<br />
welches nur eines von Verschiedenen sein<br />
kann. Das ist zunächst verständlich, weil in<br />
unserer Gesellschaft tatsächlich ein breiter<br />
Konsens darüber herrscht, dass private Gewalt<br />
grundsätzlich verboten sein soll und<br />
nur der Staat Zwangsmittel einsetzen darf.<br />
Doch diese Definition bleibt trotz eines<br />
richtigen Ansatzes zu verkürzt. Erstens<br />
gibt es begründete Zweifel an der Vorstellung<br />
eines Naturzustands der Gewalt.<br />
Neuere anthropologische und psychologische<br />
Forschungen weisen darauf hin, dass<br />
der sog. „Naturzustand“ eher von Kooperation<br />
und Zusammenhalt geprägt ist, während<br />
Gewalt immer nur die Folge von Ausgrenzung<br />
und Isolation ist. 2 Das macht<br />
deutlich, dass der Blick auf staatliche Institutionen<br />
gelenkt werden muss, die Gewalt<br />
und Ausgrenzung (re)produzieren. Das<br />
führt zweitens dazu, dass die normativ unterstellte<br />
„Friedlichkeit“ des Staates hinterfragt<br />
werden muss. Drittens unterstellt die<br />
Rechtfertigung des Staates über das Gewaltmonopol<br />
eine prinzipielle Gleichheit<br />
der Menschen. Tatsächlich unterscheiden<br />
sich die Menschen aber gravierend voneinander<br />
durch die materiellen Voraussetzungen,<br />
die ihnen zur Verfügung stehen. Zwischen<br />
den Menschen bestehen erhebliche<br />
Machtunterschiede. Der Staat verhindert<br />
durch das Gewaltmonopol möglicherweise<br />
- im Grundsatz - die private Anwendung<br />
von Gewalt, ändert aber nichts an Macht-,<br />
Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen.<br />
Dies spricht insofern nicht gegen das<br />
„Gewaltmonopol“ im Sinne eines empirischen<br />
Definitionsmerkmals, wohl aber dagegen,<br />
allein aufgrund des Gewaltmonopols<br />
dem Staat positive Eigenschaften zuzuschreiben.<br />
Materielle Betrachtung des Staates<br />
Was hat das alles mit marxistischer Staatstheorie<br />
zu tun? Es zeigt, warum es notwendig<br />
ist, den Staat kritisch zu hinterfragen.<br />
Wenn allein die Existenz des Gewaltmonopols<br />
den Staat rechtfertigen kann, dann<br />
sind polizeiliche Eingriffsbefugnisse, Gefängnisse<br />
und staatliche Überwachung aus<br />
sich selbst heraus gerechtfertigt. Ist es aber<br />
wirklich so, dass der Staat per se „gut“ ist?<br />
Genau dies hinterfragt marxistische<br />
Staatstheorie.<br />
Karl <strong>Marx</strong> hat selbst keine zusammenhängende<br />
Staatstheorie entwickelt. Bei der<br />
Analyse der kapitalistischen Produktionsweise<br />
hat er aber auch immer wieder Bezug<br />
auf den Staat genommen, aus dem die<br />
Grundzüge <strong>Marx</strong>’ Verständnisses des Staates<br />
gefolgert werden können. <strong>Marx</strong> interpretiert<br />
dabei ausdrücklich nur den kapitalistischen<br />
Staat, der durch die<br />
kapitalistische Produktionsweise geprägt<br />
ist. Vor der Industrialisierung war im Staat<br />
durch das sog. „Lehnswesen“ die politische<br />
und ökonomische Macht nicht getrennt.<br />
Über Lehen und „Frondienste“ 3 wurden<br />
sowohl die landwirtschaftliche Produktion<br />
als auch die politische Macht vermittelt.<br />
Mit dem Beginn der kapitalistischen Produktionsweise<br />
änderte sich dies grundlegend.<br />
4<br />
2 Vgl. Hierzu Bauer, Schmerzgrenze - Vom Ursprung<br />
alltäglicher und globaler Gewalt<br />
3 Persönliche Dienstleistungen von Bauern für ihre<br />
Grundherren (http://de.wikipedia.org/wiki/Frondienste).<br />
4 Hirsch, Materialistische Staatstheorie, 2005,<br />
S. 18 f.<br />
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