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Curry bleibt Curry / Nunc est bibendum Wer spricht heute noch ... - KV

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TITELTHEMA<br />

Brandmüller: „Angesichts einer um sich greifenden<br />

blinden Zukunftsorientierung“, die den Blick auf die<br />

Vergangenheit versperrt, „scheint der Augenblick<br />

gekommen, die Kräfte zu einer neuerlichen kulturellen<br />

Rettungstat zu sammeln“. Er erläuterte weiter,<br />

daß das Päpstliche Komitee zu diesem Zweck die Initiative<br />

Ad Fontes gegründet habe. Gemeinsam mit<br />

anderen Einrichtungen, darunter das „Zentrum für<br />

europäische Integrationsforschung“ der Universität<br />

Bonn, wolle man einen Prozeß der Rückbesinnung<br />

auf die Bedeutung der klassischen Sprachen einleiten.<br />

Ohne Kenntnis von Lateinisch und Griechisch<br />

gelange seriöse theologische, historische und gemein-geisteswissenschaftliche<br />

Forschung an ihre<br />

Grenzen. „Eine Situation, in der solide Kenntnisse<br />

der klassischen Sprachen auf einen ... engen Kreis<br />

beschränkt sein würden, wie das bei ... Sanskrit ...<br />

der Fall ist, würde das Ende aller europäisch geprägten<br />

Bildung und Kultur bedeuten.“ Der Würzburger<br />

Journalist Guido Horst brachte das Problem kulturpolitisch<br />

auf den Punkt: „... wer die Oberhoheit darüber<br />

erringt, was [durch die Alten Sprachen] an historischem<br />

Wissen zu bewahren und wie es zu interpretieren<br />

ist, g<strong>est</strong>altet damit Gegenwart und Zukunft“<br />

(Die Tagespost v. 22.4. 2004).<br />

Wir wollen an dieser Stelle ein konkretes Unternehmen<br />

vorstellen, das dem neu aufkeimenden Bedürfnis<br />

nach Latinität einen weiten Schritt entgegen<br />

kommt. 1992 erschien in der Libreria Editoria Vaticana<br />

ein italienisch-neulateinisches Wörterbuch. Die<br />

italienischen Stichwörter wurden in den folgenden<br />

Jahren ins Deutsche übersetzt und deutsch neu<br />

alphabetisiert. Diese deutsche Ausgabe erschien<br />

1998: „Neues Latein-Lexikon]Lexicon recentis Iatinitatis“,<br />

Bonn: Edition Lempertz. Das Wörterbuch enthält<br />

auf 435 Seiten etwa 15000 Lemmata. Bei 15000<br />

Stichwörtern kann man annehmen, daß vielleicht<br />

14800 lateinische Neuschöpfungen, erarbeitet von<br />

Experten, sprachlich unanfechtbar sind. Es seien<br />

deshalb hier nur wenige Anmerkungen gemacht.<br />

Notwendig, nützlich oder nachvollziehbar sind Ausdrücke<br />

wie instrumentum computatorium (Computer),<br />

promuntuarium Canaveralense (Cape Canaveral)<br />

bzw. pactum arma atomica non propagandi (Atomwaffensperrvertrag)<br />

[warum aber nicht non proliferandi?].<br />

Nicht nachvollziehbar ist summus marescalcus<br />

(Feldmarschall), wenn Generalfeldmarschall<br />

summus militiae magister sein soll. Umständlichst<br />

erscheint für „Eindüsenflugzeug“ (einstrahliger Jet)<br />

aeronavis uno machinamento motorio inversa vi propulsa.<br />

Doppelt problematisch: ein Dominion sei eine<br />

Britannici imperii possessio. Erstens gibt es das<br />

Britische Empire seit 1926 nicht mehr, und zweitens<br />

sind Dominions eben kein britischer Besitz. Ähnlich<br />

problematisch: ars tractandi metalla für Hüttenkunde.<br />

Man kann den Ausdruck auch als Schmiedehandwerk<br />

missverstehen, weil metallum nicht nur<br />

für Erz in der Hüttenverarbeitung steht sondern auch<br />

für Metall im umfassenden Sinn. Agricola nannte<br />

seine Bücher „De re metallica“ schon 1556 so und<br />

meinte damit das gesamte Gebiet von Erzbergbau<br />

und Hüttenkunde. Warum nicht weiter so?<br />

Manches mag für die italienische Originalausgabe<br />

einleuchtend gewesen sein, ist in der deutschen<br />

Fassung aber überflüssig (z.B. fernetum für Fernet).<br />

Mit einem Augenzwinkern sollte man für Pizza<br />

placenta compressa hinnehmen. <strong>Wer</strong> schließlich<br />

jemanden, der für und von Lateinisch keinerlei<br />

Verständnis hat, einen Dummkopf schelten will,<br />

bekommt dafür gleich elf Versionen angeboten.<br />

Dummschwätzer (homines iactantes) sollte man die<br />

Bearbeiter dieses Wörterbuchs allerdings nicht<br />

nennen – auch wenn der Tamilismus „<strong>Curry</strong>“ für sie<br />

eine unverdauliche Soße ist. <strong>Curry</strong> <strong>bleibt</strong> bei ihnen<br />

curry – undeklinierbar. Da ist man auch mit seinem<br />

Neulatein am Ende.<br />

06 AM

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