Curry bleibt Curry / Nunc est bibendum Wer spricht heute noch ... - KV
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HOCHSCHULE<br />
Essay: Hans Pohl<br />
Jungakademiker<br />
und Gesellschaft<br />
Die Kosten des<br />
Studentenlebens werden<br />
in der Bundesrepublik<br />
weitgehend vom<br />
Steuerzahler getragen,<br />
das heißt von der Gesellschaft,<br />
der arbeitenden<br />
Bevölkerung, denn die<br />
Zahl der Stipendiaten<br />
nimmt permanent zu.<br />
Sprechstunde. Ein Erstsem<strong>est</strong>er kommt zur Studienberatung<br />
in die Sprechstunde des Professors. Der<br />
fragt den Kommilitonen, was er für ihn tun könne.<br />
Der Kommilitone: „Ich möchte eine Studienberatung“.<br />
Professor: „Was wollen Sie studieren?“ Student:<br />
„Um das zu entscheiden, bin ich hier.“ Professor:<br />
„Welche Berufsabsichten haben Sie, was möchten<br />
Sie werden?“ Student: „Das weiß ich nicht. Deshalb<br />
benötige ich eine Studienberatung.“ Professor:<br />
„Es tut mir leid, aber wenn Sie nicht wissen, welchen<br />
Beruf Sie ergreifen möchten, oder wenigsten in<br />
welche Sparte Sie später eintreten möchten, kann<br />
ich Sie nicht beraten.“ Student: „Das aber hatte ich<br />
von Ihnen erwartet, weil ich ja nicht weiß, was ich<br />
will.“ Ende des Gesprächs.<br />
Diese nachg<strong>est</strong>ellte Szene haben meine Kollegen<br />
und ich tausendfach in den letzten Jahrzehnten erlebt.<br />
Es ist symptomatisch für den Studenten der<br />
Geisteswissenschaften, denn der Naturwissenschaftler<br />
weiß meistens etwas genauer, ob er Pharmazeut,<br />
Chemiker oder Geologe werden will. Er hat<br />
meist eine klare Vorstellung von seinem Studium<br />
und damit auch meist von seinem Berufsziel. Das<br />
gilt besonders für diejenigen, die an hervorragenden<br />
Technischen Hochschulen wie Aachen zu studieren<br />
beabsichtigen.<br />
Was ist an dem Gespräch symptomatisch? Es zeigt<br />
zunächst die geistige Unreife der meistens 19 bis<br />
20jährigen Studenten, die ein geisteswissenschaftliches<br />
Studium anstreben wollen, denn sie haben<br />
zwar ein Abitur b<strong>est</strong>anden, aber keine Reifeprüfung.<br />
Vielleicht ist auch Unkenntnis dabei, die allerdings<br />
hätte vor Aufnahme des Studiums beseitigt werden<br />
können, denn es gibt dazu genügend Einrichtungen.<br />
Wozu ein Realschüler und sogar Hauptschüler in der<br />
Lage sind, nämlich, sich zu entscheiden, welchen<br />
Beruf sie ergreifen wollen, müsste eigentlich ein<br />
4 Jahre älterer, künftiger Akademiker erst recht in<br />
der Lage sein. Denn es ist nun mal ein großer Unterschied,<br />
ob ich mich für einen juristischen Beruf, vom<br />
Richter bis zum Manager in einer Großbank, oder für<br />
Alte Geschichte interessiere. Ohne diese Grundüberlegung<br />
des Kandidaten ist aber eine sinnvolle Beratung<br />
nicht möglich. Vielleicht ist aber auch die Studienberatung<br />
an sich, die ja seit erst rund 20 Jahren<br />
überall in den Universitäten in riesigen Abteilungen<br />
ausgebaut worden ist und außerdem <strong>noch</strong> in den jeweiligen<br />
Instituten stattfindet, eine Fehleinrichtung,<br />
denn vor 30 Jahren hatten wir keine Studienberatungen<br />
und auch keine so großzügige finanzielle Unterstützung<br />
der Studenten, so dass sich jeder genau<br />
überlegte, was er werden wollte und wie viel das<br />
wohl kosten würde.<br />
Damit sind wir bei einem zweiten Punkt. Den Kosten.<br />
Der durchschnittliche Student, der sein Studium<br />
Ende 2002 an einer w<strong>est</strong>deutschen Universität abschloss,<br />
hatte im Durchschnitt für Bude, Mensa,<br />
Kino, Klamotten und Co. rund 54.000 Euro aufgewandt.<br />
Der Geisteswissenschaftler lag weit über<br />
dem Durchschnitt, zwischen 59.000 und 63.000 Euro.<br />
An der untersten Kostenskala lagen die Juristen mit<br />
46.000 Euro und <strong>noch</strong> darunter die Fachhochschulabsolventen.<br />
Die Kosten des Studentenlebens werden<br />
in der Bundesrepublik weitgehend vom Steuerzahler<br />
getragen, d. h. von der Gesellschaft, der arbeitenden<br />
Bevölkerung, denn die Zahl der Stipendiaten über<br />
Bafög und anderswie, nimmt permanent zu. Von den<br />
Stipendien für Schüler auf den Gymnasien ganz zu<br />
schweigen.<br />
Um bei der Finanzierung zu bleiben: Die Industrieländer<br />
dieser Erde lassen im allgemeinen für das<br />
Know how des wissenschaftlichen Nachwuchses,<br />
sprich für die Hochschulfinanzierung, sehr viel Geld<br />
fließen, dabei lagen wir 1999 mit nur etwas mehr<br />
als 1 % des Bruttoinlandsproduktes auf Platz 15 von<br />
18 Plätzen der OECD-Staaten. Wohingegen beispielsweise<br />
Kanada und die USA mehr als 2,3 bzw.<br />
2,5 % für ihr Hochschulwesen ausgaben. Noch viel<br />
interessanter ist allerdings die Aufsplitterung der<br />
Ausgaben für die Hochschulen. In den USA gibt der<br />
Staat etwa 1,99 % und private Sponsoren 1,24 %<br />
aus. Dagegen werden die deutschen Hochschulen zu<br />
fast 100 % mit öffentlichen Mitteln finanziert.<br />
Außerdem wird bei uns im Schnitt, im Vergleich zu<br />
den OECD-Ländern, in der Regel ein Jahr länger studiert.<br />
Jeder Jungakademiker sollte sich fragen, ob<br />
er es verdient hat, dass die Gesellschaft derart hohe<br />
Kosten für ihn übernimmt. Wenn wir Akademiker<br />
auch künftig eine Leistungs-Elite sein wollen, und<br />
AM 09