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Die religiöse Spur in der Literatur: Dichter deuten das Dasein

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Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Jülich<br />

Reflektierte Wirklichkeit: Forum Kultur – <strong>Literatur</strong> im Gespräch<br />

NATHANS ERBEN – e<strong>in</strong>e literarische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit<br />

Less<strong>in</strong>gs R<strong>in</strong>gparabel und <strong>der</strong>en Toleranzidee <strong>in</strong> <strong>der</strong> globalisierten<br />

Welt des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts – Teil 1<br />

Mit se<strong>in</strong>em „Nathan“ reagierte Less<strong>in</strong>g 1778 auf die religiöse<br />

Orthodoxie und Intoleranz se<strong>in</strong>er Zeit. Für Generationen von<br />

Lesern wird se<strong>in</strong> Theaterstück „Nathan <strong>der</strong> Weise“ zum Exempel<br />

<strong>der</strong> Dichtung gewordenen Toleranz‐For<strong>der</strong>ung.<br />

Ort <strong>der</strong> Handlung ist Jerusalem während <strong>der</strong> Kreuzzüge – e<strong>in</strong>e<br />

Stadt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Christentum, Islam und Judentum direkt aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen.<br />

Im Mittelpunkt des Stückes ,<strong>in</strong> dem es um e<strong>in</strong>e moral‐ und<br />

geschichtsphilosophische Botschaft, um die Auffor<strong>der</strong>ung zu<br />

Toleranz und Humanität geht, steht die berühmte R<strong>in</strong>gparabel, die<br />

<strong>der</strong> reiche jüdische Kaufmann Nathan erzählt: Sie soll die h<strong>in</strong>tergründige<br />

Frage des Sultans Salad<strong>in</strong> beantworten, welche <strong>der</strong> drei<br />

Weltreligionen die wahre sei. Nathans Antwort ist die For<strong>der</strong>ung<br />

nach e<strong>in</strong>em gleichberechtigten Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aller Religionen. Es<br />

gibt e<strong>in</strong>e große Wie<strong>der</strong>erkennungsszene und am Ende steht auf<br />

<strong>der</strong> Bühne e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige große Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Unterschiede <strong>der</strong><br />

Religion ke<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

Was kann uns e<strong>in</strong> Stück wie <strong>der</strong> Nathan heute noch sagen? <strong>Die</strong><br />

Botschaft des Nathan – die Zusammengehörigkeit aller Menschen<br />

über die Grenzen <strong>der</strong> Religionen h<strong>in</strong>weg und die Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />

friedlichen Verständigung – ist schon öfter für tot erklärt worden.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Erfahrung zweier Weltkriege, des Holocausts,<br />

des Nahostkonflikts und zuletzt des Terrors islamistischer<br />

Extremisten und dem daraufh<strong>in</strong> erklärten „Kampf gegen den<br />

Terrorismus“ sche<strong>in</strong>t sich die E<strong>in</strong>sicht aufzudrängen, <strong>das</strong>s Less<strong>in</strong>g<br />

mit se<strong>in</strong>er Toleranzbotschaft zu viel verlangt. <strong>Die</strong> Religionen werden<br />

immer mehr zum Trennungsgrund und zum Mittel, um an<strong>der</strong>e,<br />

politische und wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.<br />

Als literarisches Beispiel soll hierzu <strong>der</strong> Roman „Emoticon“ <strong>der</strong><br />

nie<strong>der</strong>ländischen Autor<strong>in</strong> Jessica Durlacher fungieren. Schauplätze<br />

s<strong>in</strong>d die Nie<strong>der</strong>lande und Israel bzw. Paläst<strong>in</strong>a, dieser ewige<br />

Streitherd im Nahen Osten. Auslöser für ihr Buch ist e<strong>in</strong> Zeitungsartikel<br />

gewesen, <strong>in</strong> dem von e<strong>in</strong>em merkwürdigen Internetmord<br />

berichtet wurde. E<strong>in</strong>e Paläst<strong>in</strong>enser<strong>in</strong> habe e<strong>in</strong>en Israeli über <strong>das</strong><br />

Internet kennen gelernt, verführt und schließlich ermordet.<br />

„Emoticon“ ist die Geschichte dieses nie<strong>der</strong>ländisch‐israelischen<br />

Jungen – Daniel, <strong>der</strong> zum Jugendlichen heranwächst, <strong>der</strong> vor allem<br />

e<strong>in</strong>e Sehnsucht hat: se<strong>in</strong>en Vater, e<strong>in</strong>en Israeli, kennen zu lernen,<br />

was die Mutter ihm bislang verwehrt hat. In zweiter, hart kontrastieren<strong>der</strong><br />

L<strong>in</strong>ie, ist <strong>der</strong> Roman zugleich die Geschichte von Aischa,<br />

e<strong>in</strong>er Paläst<strong>in</strong>enser<strong>in</strong> und radikalen Aktivist<strong>in</strong> Mitte zwanzig aus<br />

Ramallah, die die Verzweiflung über die Misere ihres Volkes zum<br />

Äußersten treibt. Sie möchte für die Weltöffentlichkeit e<strong>in</strong> Zeichen<br />

setzen, und <strong>das</strong> Schicksal spielt ihr die Gelegenheit dazu <strong>in</strong><br />

die Hände: Aischa lockt den naiven israelischen Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

tödliche Falle. Ihr Lockmittel: <strong>das</strong> Internet und se<strong>in</strong>e Zeichensprache,<br />

die Emoticons. Selbst die Liebe, <strong>der</strong> <strong>in</strong>timste und gefühlstiefste<br />

zwischenmenschliche Bereich, wird somit zum bloßen Kampf‐<br />

38<br />

Freitag<br />

21. Juni 2013<br />

17.00 ‐ 20.15 Uhr<br />

Jessica Durlacher

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