Journal 3-2013.pdf
Journal 3-2013.pdf
Journal 3-2013.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
10 JAHRE GEFÄßCHIRURGIE UND ENDOVASKULÄRE CHIRURGIE<br />
Zwölf Jahre ist es her, dass die Gefäßchirurgie als elfte hauptamtlich geführte Abteilung<br />
des Hospitals gegründet und in der Anfangszeit noch unter der Gesamtorganisation<br />
der Klinik für Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie geführt wurde.<br />
„Der damalige Chefarzt der Klinik, Prof. Dr. Hans-Wolfgang Menges, war ja selbst unter anderem<br />
auch Gefäßchirurg. Der Ausbau der gefäßchirurgischen Arbeit lag ihm sehr am Herzen<br />
und ich bin heute noch froh, dass er mit seinem Einsatz den Grundstein für die<br />
Abteilung gelegt hat“, blickt Dr. Rudolf Müller zurück.<br />
Der Gefäßspezialist war ein Jahr zuvor vom Aachener Luisenhospital ans Eschweiler<br />
St.-Antonius-Hospital gekommen, um hier die Entwicklung<br />
der Gefäßchirurgie voranzubringen.<br />
Nur wenige Wochen nach der Gründung<br />
wurde die junge Abteilung ein wichtiges<br />
Mitglied im Kardiovaskulären Zentrum, in<br />
dem auch die Angiologie und die Kardiologie<br />
vertreten waren. Im Rekordtempo<br />
entwickelte sich der gefäßchirurgische<br />
Spross weiter, so dass relativ schnell<br />
eine Loslösung von der Klinik für Allgemein-<br />
und Thoraxchirurgie anstand.<br />
Zudem zeigte sich auch durch die demografische<br />
Entwicklung, dass der Bedarf für<br />
eine hauptamtliche Gefäßchirurgische<br />
Abteilung gegeben war – die auch heute<br />
noch die einzige eigenständige und anerkannte<br />
Fachabteilung ihrer Art im ehemaligen<br />
Kreis Aachen ist und ein Einzugsgebiet<br />
bis weit in den Kreis Düren hat. Von<br />
Anfang an bietet die Abteilung rund um die<br />
Uhr Facharztstatus, so dass auch im Notfall<br />
jederzeit die Patientenversorgung auf Facharztniveau<br />
gesichert ist.<br />
„Der schnelle Ablösungsprozess von der<br />
Allgemeinchirurgie war für alle Beteiligten<br />
nicht immer leicht und lässt sich durchaus<br />
vergleichen mit einem familiären Loslösungsprozess“,<br />
verdeutlicht Dr. Müller.<br />
Bereits zwei Jahre nach der Gründung unter<br />
den Fittichen der Allgemeinchirurgie<br />
erfolgte die Anerkennung der Gefäßchirurgie<br />
als eigenständige Abteilung mit 20<br />
Krankenhausbetten im Krankenhausbedarfsplan<br />
NRW. Zur Verstärkung kam ein<br />
langjähriger Kollege aus dem Luisenhospital<br />
Aachen nach Eschweiler: Dr. Peter<br />
Wallraff. „Der war zwar laut Aussage des<br />
damaligen Hospitalvorstandes für eine<br />
Oberarztstelle hier überqualifiziert, aber<br />
das ignorierte er, weil er mit mir zusammen<br />
hier in Eschweiler eine große Abteilung<br />
für Gefäßchirurgie aufbauen wollte.<br />
Wir wussten, dass wir im Team optimal<br />
zusammen arbeiten konnten und beide<br />
dieselbe medizin-ethische Philosophie<br />
vertreten. Die jahrelange gemeinsame<br />
Arbeit in der damaligen Gefäßchirurgie bei<br />
Herrn Dr. Stövchen hat uns geprägt “, erzählt<br />
Dr. Müller.<br />
Verantwortlich handeln<br />
Diese Philosophie orientiert sich am antiken<br />
Grundsatz „Primum nihil nocere“, den<br />
Patienten durch das ärztliche Handeln vorrangig<br />
vor Schaden zu bewahren. Bei der<br />
zeitgemäßen Auslegung sei die ärztliche<br />
Entscheidung besonders in Bezug auf langfristige<br />
Folgen für den Patienten abzuwägen.<br />
Zwar schrieben sich viele Chirurgen<br />
dieses bekannte Credo auf ihre Fahnen,<br />
doch gebe es leider immer wieder<br />
schwarze Schafe darunter, die dennoch<br />
operieren um jeden Preis.<br />
„Solche Operationen können zwar kurzfristig<br />
eine deutliche Besserung für den<br />
Patienten bringen, doch langfristig durchaus<br />
schwerwiegende Folgen haben.<br />
Wenn wir dem Drängen von Patienten und<br />
manchmal auch Ärzten nachgeben würden,<br />
könnten wir jährlich etwa 50 Bypass-<br />
Operationen mehr durchführen. Aus wirtschaftlicher<br />
Sicht für die Klinik und kurzfristig<br />
betrachtet meist auch für den Patienten<br />
eine verlockende Angelegenheit.<br />
Doch gerade jene Bypass-OPs sind längst<br />
nicht für jeden Patienten geeignet. Sie<br />
können nicht selten schon wenige Jahre<br />
später einen Gefäßverschluss mit fatalen<br />
Folgen für den Patienten verursachen, wie<br />
fundierte Studien zeigen. Diese belegen,<br />
dass Bypass-Patienten deutlich früher und<br />
häufiger ein Bein verlieren als Patienten,<br />
bei denen keine Bypass-Operation vorgenommen<br />
wurde“, erklärt Dr. Wallraff.<br />
Deshalb setzt die Deutsche Gesellschaft<br />
für Gefäßchirurgie, DGG, in ihren Leitlinien<br />
auf eine gründliche und langfristig orientierte<br />
Abwägung für den Einzelfall. Die<br />
Eschweiler Gefäßchirurgen im Euregio-<br />
Gefäß-Zentrum EGZ orientieren sich klar<br />
nach diesen Leitlinien. Im Jahr 2009 hat die<br />
DGG erstmals das EGZ am St.-Antonius-<br />
Hospital als interdisziplinäres Kompetenzzentrum<br />
zertifiziert.<br />
Im vergangenen Jahr wurde die erfolgreiche<br />
Rezertifizierung bescheinigt. Zudem besteht<br />
seit 2010 die volle Weiterbildungsermächtigung,<br />
so dass der Facharztstatus<br />
ohne Wechsel in eine andere Klinik hier<br />
erlangt werden kann. Sowohl Dr. Müller<br />
wie auch Dr. Wallraff sind von der DGG<br />
anerkannte Endovaskuläre Chirurgen und<br />
Spezialisten, die durch die Blutgefäße<br />
hindurch minimalinvasive Eingriffe fachgerecht<br />
durchführen.<br />
Das Euregio-Gefäß-Zentrum unter der<br />
Leitung von Dr. Rudolf Müller verfügt aktuell<br />
über 24 Betten und kooperiert hospitalintern<br />
und extern mit verschiedenen<br />
Kooperationspartnern, darunter nicht nur<br />
Abteilungen verschiedener Fachdisziplinen,<br />
sondern auch niedergelassene Ärzte. Eine<br />
besondere Kooperation besteht mit dem<br />
St.-Augustinus-Krankenhaus in Düren-<br />
Lendersdorf, wo Dr. Wallraff wöchentlich<br />
eine Gefäßsprechstunde abhält.<br />
Inzwischen ist das Facharztteam durch zwei<br />
weitere Oberärzte ergänzt worden. Dr. Jörg<br />
Harren und Dr. Klaus Fürste sind ebenfalls<br />
beide Fachärzte für Gefäßchirurgie und<br />
Endovaskuläre Chirurgie.<br />
Patientenwille<br />
Erkrankungen der Gefäße betreffen zwar<br />
vielfach ältere Menschen, sind aber kein<br />
reines Altersproblem. So treten sie auch<br />
zunehmend bei jüngeren Menschen auf,<br />
nicht nur bei erblicher Veranlagung – sondern<br />
vor allem bei Diabetes mellitus und bei<br />
Personen mit ungünstigen Ernährungsgewohnheiten<br />
oder Bewegungsmangel. Bei<br />
älteren und bettlägerigen Patienten in der<br />
letzten Lebensphase tragen verschiedene<br />
Gefäßerkrankungen oft zu schwierigen<br />
Situationen bei. Hier helfen oft Patientenverfügungen<br />
und genaue Absprachen mit<br />
Angehörigen und Hausärzten, um gerade<br />
den Patienten am Lebensende das optimale<br />
individuell angepasste Behandlungsschema<br />
zukommen zu lassen.<br />
„Natürlich ist das Alter relativ. Es gibt Patienten,<br />
die man auch mit weit über 80 Jahren<br />
noch erfolgreich und für den Patienten<br />
mit spürbaren gesundheitlichen Verbesserungen<br />
operieren kann“, stellt Dr. Müller<br />
klar und erklärt: „Durch die weitere Entwicklung<br />
hochmoderner minimal invasiver<br />
Dr. med. Rudolf Müller<br />
Dr. med. Peter Wallraff<br />
Techniken können wir vielen Patienten<br />
große traumatische Operationen ersparen<br />
und so auch ältere Patienten mit vielen Vorerkrankungen<br />
noch behandeln, ohne sie<br />
zu gefährden. In der Gefäßchirurgischen<br />
Klinik des SAH haben wir hierfür einen<br />
modernen Eingriffsraum, die sogenannte<br />
Angiosuite eingerichtet, in dem Stent-<br />
Implantationen und Kathetereingriffe kombiniert<br />
mit Operationsverfahren durchgeführt<br />
werden. Mit diesen modernen Techniken<br />
kann man in vielen Fällen von der<br />
Halsschlagader bis zu den Unterschenkelarterien<br />
das gesamte Gefäßsystem für den<br />
Patienten schonend minimal invasiv<br />
behandeln. Hier hat sich sicherlich in den<br />
letzten 15 Jahren ein Wandel vollzogen.<br />
Früher haben wir jeden Tag im OP gestanden,<br />
heute behandeln wir an zwei Tagen in<br />
der Woche Patienten lediglich mit Stents<br />
und Ballonkatheter. Entscheidend für den<br />
Erfolg in Eschweiler ist, dass das Therapiekonzept<br />
in einer Hand liegt. Sowohl die<br />
minimal invasiven Techniken als auch die<br />
großen Operationen werden vom Gefäßteam<br />
durchgeführt.“<br />
Unsinnige Operationen vermeiden<br />
Immer wieder wurde in letzter Zeit in der<br />
Presse darauf hingewiesen: Es wird zu viel<br />
operiert. Diesem Trend arbeitet das Team<br />
im Euregio-Gefäß-Zentrum, EGZ, konsequent<br />
entgegen. Die konsequente Marschrichtung<br />
des sensiblen Abwägens und Vermeidens<br />
von Operationen kommt den<br />
Patienten langfristig zugute, führt aber<br />
auch dazu, dass so manche Patienten nach<br />
einer Behandlung in einer anderen Klinik<br />
wieder ins EGZ zurückkommen. „Dies nicht<br />
nur wegen unseres breiten Leistungsspektrums,<br />
der hochmodernen Ausstattung<br />
sowie eines fachlich sehr gut aufgestellten<br />
Teams, sondern ebenso, weil manchem<br />
Patienten nach einiger Zeit klar wird, warum<br />
wir in seinem Fall von einem bestimmten<br />
Eingriff abgeraten haben. Bei uns gibt es<br />
zwar auch ganz viel moderne Technik, aber<br />
im Mittelpunkt steht immer der Patient<br />
und unsere Zielsetzung, ihn verantwortungsvoll<br />
zu behandeln, so dass er auch<br />
nach vielen Jahren noch mit uns zufrieden<br />
ist“, betont Dr. Wallraff.<br />
14<br />
15