Sommer - Kolpingwerk Südtirol
Sommer - Kolpingwerk Südtirol
Sommer - Kolpingwerk Südtirol
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SOMMER<br />
Das Schönste an der Reise...<br />
Vorfreude<br />
Ferien in Sicht. Abends, vor dem Einschlagen<br />
segeln die Ferienträume mit<br />
meiner Phantasie: kristallklares Wasser,<br />
weisser Strand, blauer Himmel,<br />
Klänge einheimischer Musik. Ich male<br />
mir aus, an einsamen Stränden stundenlang<br />
entlangzulaufen, Sonne auf<br />
der Haut, Salz auf den Lippen. Abends<br />
dann Tavernenstimmung: gemütliches<br />
Plaudern mit Einheimischen, exotisches<br />
Essen und süßer Wein. Je näher<br />
das Abflugdatum rückt, umso bunter<br />
meine Träume.<br />
Abflug und Ankunft<br />
Diesmal freue ich mich am Weckerrasseln,<br />
denn heute ist es soweit. In<br />
fünf Stunden sitze ich im Flugzeug.<br />
Ein nervöses Kribbeln jagt mich aus<br />
den Federn. Ich beginne zu packen.<br />
Mein Koffer schluckt T-Shirts, Sportschuhe,<br />
Unterwäsche, Shorts, Badesachen,<br />
Taucherbrille, Schnorchel,<br />
Wecker, Sonnen- und Rasiercreme,<br />
Reise- und Sprachführer, Kleider für<br />
kühles Wetter und für heißes Wetter…<br />
schließlich wiegt der Koffer gute zwanzig<br />
Kilo! Uff.<br />
Ich haste zum Bus. Hoffentlich verpasse<br />
ich den Zug nicht. Am Flughafen<br />
stinkt es nach Kerosin. Gepäckabfertigung,<br />
Tickets, Fensterplatz.<br />
Zwei Stunden später schon auf der<br />
Insel! Ein tolles Gefühl! Ausspannen,<br />
ausschlafen, Ruhe genießen… Da<br />
schreckt mich ein kreischend-kratziger<br />
Gitarrensound auf. Direkt unter meinem<br />
Zimmer befindet sich die Bar. Das<br />
Nachtleben wird gerade eingeläutet…<br />
Insel<br />
Am nächsten Morgen eile ich den<br />
Strand entlang, wo glänzende Leiber in<br />
der Sonne schmoren. Ich laufe Slalom<br />
auf der Suche nach einem Liegeplatz.<br />
Dabei werden meine Nerven strapaziert.<br />
Was ist nur geschehen mit der<br />
Trauminsel? Ist sie zur Alptrauminsel<br />
geworden?<br />
Irgendwann ergattere ich einen guten<br />
Platz in einer kleinen Bucht weit weg<br />
vom Hotel. Nach zehn Minuten Sonnenanbetung<br />
macht mir die Hitze zu<br />
schaffen, und ich kann den lockenden<br />
Wellen nicht länger widerstehen. Aaaah,<br />
davon hatte ich geträumt. Meerwasser<br />
umspült meinen erholungsbedürftigen<br />
Körper. Auf dem Rücken liegend treibe<br />
ich auf den Wellen. Plötzlich spüre ich<br />
ein weiches Kitzeln am Rücken, das<br />
mich erstarren lässt. Gibt hier etwa<br />
Quallen? Ich schlage mit der Hand ins<br />
Wasser… und bringen einen Plastiksack<br />
zum Vorschein: Franz Carl Weber<br />
steht darauf, liebe Grüße aus der<br />
Schweiz. Verärgert schleudere ich den<br />
Sack der nächsten Welle entgegen.<br />
Nach diesem ernüchternden ersten<br />
Tag freue ich mich auf den gemütlichen<br />
Abend. Erst bummle ich den<br />
Strand entlang. Einheimische Musik<br />
lockt mich in ein Lokal. Es ist gut<br />
besetzt aber nicht überfüllt. Genau<br />
richtig, um Kontakte mit den Einheimischen<br />
zu knüpfen. Ich nehme Platz<br />
und lausche zu den Nachbarn hinüber:<br />
Schweizerdeutsch! Am andern Tisch:<br />
Hochdeutsch, Schwedisch, Englisch…<br />
Nichts zu machen, im ganzen Lokal<br />
sind nur Musiker und Bedienstete<br />
einheimisch. Und die haben zum Plaudern<br />
keine Zeit.<br />
Erinnerung<br />
Nach drei Wochen freue ich mich auf<br />
die Heimreise. Zu Hause angelangt,<br />
bringe ich sogleich die Diafilme zum<br />
Entwickeln. Ich gewinne Abstand zu<br />
den Ferienerlebnissen. An der obligatorischen<br />
Diashow für Freunde und Bekannte<br />
ertappe ich mich beim Schwärmen.<br />
Ich lobe das schöne Wetter, die<br />
gute Reiseorganisation, das vortreffliche<br />
Essen, die freundliche Bedienung,<br />
das (fast) saubere Wasser, die<br />
Geselligkeit, die gemütlichen Lokale<br />
und sogar das Hotelzimmer.<br />
Alle negativen Erlebnisse sind plötzlich<br />
in den Hintergrund getreten. Plastiksack<br />
im Wasser, Lärm im Zimmer,<br />
überfüllter Strand, „Touristenkaff“…<br />
was solls, im Nachhinein finde ich es<br />
sogar lustig. In den Ferien ist es eben<br />
nicht wie zu Hause. Ohne die kleinen<br />
Pannen wäre es nur halb so aufregend.<br />
Jedenfalls träume ich jetzt schon von<br />
der nächsten Ferieninsel.<br />
■ Siegried Chambre<br />
3