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GENERATIONplus

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18 KULTUR <strong>GENERATIONplus</strong>+<br />

Dr. Ruth Cornelie Hildebrandt, Jahrgang 65, war und ist im höchsten Maße literaturbegeistert, außerdem<br />

hat sie die „Autorensucht“, das heißt, dass sie die Begegnung mit schreibenden Men schen liebt.<br />

Nach ihrem Studium in Göttingen, Toulouse und Bonn (Germa nistik und Kunstgeschichte) promovierte<br />

sie über bürgerliche Frauenschicksale in der deutschen Literatur des letzten Jahrhunderts. Seit 2004<br />

ist Frau Dr. Hildebrandt im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur tätig. Durch die Orga nisation und<br />

Durchführung der „Schülerlesetage Göttingen“ hat sie sich als Fachfrau für Kinder- und Jugend -<br />

literatur einen Na men gemacht. In ihrer Freizeit ist sie Gärtnerin aus Leidenschaft, kocht, richtet gerne<br />

ein und ist dem Familienhund Anton ein aufopferungsvolles Frauchen.<br />

FROZEN –<br />

JUDITH W. TASCHLER<br />

Die<br />

Deutsch-<br />

Lehrerin<br />

Vom – zerbrechlichen – Glück, den richtigen<br />

Partner zu finden, handelt dieser Roman.<br />

Denn es ist die Geschichte einer tragischen<br />

Liebe, der Liebe zwischen der Deutsch -<br />

lehrerin Mathilda und dem Schriftsteller<br />

Xaver.<br />

Vor 16 Jahren hat diese Liebe vorläufig ein<br />

drastisches Ende genommen: Xaver ist<br />

ganz plötzlich verschwunden, er hat die ge -<br />

meinsame Wohnung verlassen, ohne auch<br />

nur eine Nachricht hinterlassen zu haben.<br />

Für Mathilda ist eine Welt zusammengebrochen,<br />

ihre gemeinsame Welt, an die sie viele<br />

Jahre geglaubt hatte und für die es sich<br />

lohnte zu leben. Nach einem Nervenzu -<br />

sammenbruch, einem längeren Kranken -<br />

hausaufenthalt und dem Umzug in eine<br />

andere Stadt gelingt es ihr mühsam, ein<br />

neues Leben aufzubauen: Als Deutsch -<br />

lehrerin an einer Mädchen schule in Inns -<br />

bruck. Und in diese neue Welt bricht Xaver<br />

nun nach so langer Zeit wieder ein: mit vielen<br />

drängenden Fragen, voller Reue und<br />

dem Wunsch nach einem zweiten Anfang<br />

vor dem Rückblick auf sein gescheitertes<br />

Leben – und eine falsche Entschei dung.<br />

Denn Xaver, der mit Mathilda nie eine<br />

Familie gründen, keine eigenen Kinder ha -<br />

ben wollte, hat kurz nach seiner Trennung<br />

von Mathilda eine reiche Hotelerbin geheiratet<br />

und einen Sohn bekommen. Diese<br />

Tatsache, die Mathilda aus der Klatschpresse<br />

erfahren hat, vergrößert ihren Schmerz ins<br />

Unermessliche und steigert ihr Gefühl, wertlos<br />

zu sein. Doch der Xaver, den sie nun nach<br />

16 Jahren wiedertrifft, ist ein gebrochener<br />

Mann: Er ist geschieden, lebt alleine und<br />

zwar an dem Ort, an den er eigentlich nie<br />

zurückkehren wollte: in seinem Elternhaus.<br />

Alleine diese Beziehungsgeschichte ist<br />

unglaublich faszinierend, zumal sie vor dem<br />

Hintergrund der ungewöhnlichen Familien -<br />

geschichten von Mathilda und Xaver entfaltet<br />

wird. Doch dann kommt noch eine weitere<br />

Ebene hinzu: Das Geheimnis um die<br />

angebliche Entführung von Xavers 1 1/2-<br />

jährigem Sohn. Der Beziehungsroman be -<br />

kommt immer mehr kriminalistische Ele -<br />

mente.<br />

Das Wiedersehen von Mathilda und Xaver<br />

gestaltet sich zu mehr als dem Wiedersehen<br />

eines ehemaligen Paares: Es wird zu einem<br />

unheimlichen Vexierspiel um das, was da -<br />

mals wirklich mit dem kleinen Jakob geschehen<br />

ist. Wurde das Kind überhaupt entführt?<br />

Handelt es sich tatsächlich um Xavers Sohn?<br />

Was ist Mathildas Rolle in diesem grausamen<br />

Spiel? Hält sie in dem geheimen Bunker<br />

in ihrem Garten jemanden versteckt?<br />

Schließ lich weiß keiner der beiden mehr,<br />

was Wahrheit oder Lüge, Wirklichkeit oder<br />

Fantasie ist – und genauso tappt der Leser<br />

im Ungewissen. Aus dem Beziehungsdrama<br />

ist ein atemberaubender Psycho-Thriller<br />

geworden, der den Leser bis zum Schluss in<br />

Atem hält.<br />

Der Vielschichtigkeit des Romans entsprechen<br />

die unterschiedlichen Erzählformen,<br />

welche die Autorin Judith Taschler gekonnt<br />

einsetzt: E-Mails, Bericht, Dialoge, Geschich -<br />

ten, Erin nerungen, Notizen, Briefe und Ver -<br />

höre wechseln ab und fügen sich im Be -<br />

wusstsein des Lesers zusammen zu einem<br />

Kaleidoskop menschlicher Verstrickungen.<br />

In diesem Roman geht es um die Suche nach<br />

dem ei gentlichen Glück, um die große<br />

Sehnsucht, die wir alle in uns tragen. Gerade<br />

das Ende des Buches vermittelt diese<br />

Gefühle so stark, dass ich „Die Deutsch -<br />

lehrerin“ wehmütig und berührt zur Seite<br />

gelegt habe – wie der Abschied von einer<br />

Freundin, der ich nie gesagt habe, was sie<br />

mir bedeutet . . . Doch im Gegensatz zur<br />

Mathilda und Xaver, für die es keine zweite<br />

Möglichkeit auf Glück gibt, kann ich dieses<br />

Buch immer wieder erneut lesen und mir<br />

selbst dadurch immer wieder die Chance auf<br />

gedankliche Impulse und tiefe Gefühle<br />

geben.

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