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94 Biebelj Gezimmerte Glockenstühle.<br />

der Türm, zumal als stabförmiges Gebilde, in SchwingungeD,<br />

welche eine bestimmte Funktion der (Jlockenbewegung sind.<br />

Je höher nun die Grundfläche des Qlockenetuhls gelagert ist,<br />

wo also die Schwingunggkräfte der Glockenbewegung auf das<br />

Bauwerk übertragen werden, um so größer ist die Weite der<br />

Eigenschwingung des Turmes und damit die Gefahr für das<br />

Gefüge des Mauerwerks. Man hat daher schon frühzeitig,<br />

gerade in der Gotik, da die Turmmauern verhältnismäßig<br />

schwach waren, die Aiifstandsüäche der Glockengeröste tief<br />

in den Turm hinabgesenkt. So entsteht unter Beibehaltung<br />

der Höhenlage der Glocken ein selbständig schwingendes<br />

turmartiges Gerüst innerhalb des Mauerturmes. Gestalt und<br />

Bauweise des Kirchturms sind also letzten Endes für die<br />

Form des Glockenstuhls entscheideud, und im Zusammenhange<br />

damit ist die Entwicklung seines Geföges, allerdings<br />

nur in dieser Hinsicht, durch die stilgeschichtlichen Wandlungen<br />

zeitlich bestimmt* An den großen langen Schallöffnungen<br />

ist am Turmäußeren die Höhenlage der Glocken leicht<br />

erkennbar. Durch jalousieartige Bretterverkleidungen innerhalb<br />

der Öffnungen wird der Schlagregen von dem oft mehrere<br />

Tnrmgeschosse durchmessenden Glockenstuhl femgehalten.<br />

In drei Hauptgruppeu lassen die (alten) Glockenstühle<br />

sich scheiden:<br />

Gruppe A: Ein möglichst tief im Turm auflagerndes<br />

einheitliches Holzgerüst, gewissermaßen ein selbständiger, von<br />

wetterschützenden Mauern<br />

ummantelter Hoizturm<br />

mit nach oben sich verjüngenden<br />

Wänden. Nicht<br />

selten diente dieser Turm<br />

zuvor als Baugerüst.<br />

Das ist die Grundform<br />

der meisten großen gotischen<br />

Glockenstühle. Beispiele:<br />

Freiburg i.Breis-<br />

Abb. 1.<br />

Münster in Freiburg im Breisgau.<br />

Abb. 2. I<br />

Deutsch-Eylau (,Westpr,)»<br />

gau, Münster (Text-Abb. 1) und Dt.-Eylau (Westpr.),<br />

Pfarrkirche (Text-Abb. 2).<br />

Gruppe B: Der Glockenstuhl zerfällt in zwei Hauptteile:<br />

den eigentlichen Glockenstuhl und ein selbständiges, oft<br />

mehrgeschossiges Dnterstützungsgerüst, das sogenannte üntergerüst,<br />

dessen Aufstandsfläche wiederum möglichst tief in<br />

den Turm hinabgesenkt wird. Beispiel: Überlingen a. See,<br />

St. Nikolausmünster, Nordturra (Text-Abb, 3).<br />

Gruppe C: Der Glockenstuhl besitzt kein üntergerüst<br />

Dieses wird bei dem Vorhandensein stärkerer Turmraauern<br />

in nachmittelmittölalterlicher Zeit durch mehrere starke<br />

Schwellenlagen und Uuterzüge ersetzt. Der bedeutend geringeren<br />

Kaum einnehmende Glockenstuhl hat als federndes<br />

Gefüge die geltlhrlichen Schubkräfte bei der öiockeuscbwingung<br />

möglichst in sich aufzufangen, um sie erst dann an die<br />

Turmmauern weiterzuleiten. Die Schwellen oder Unterzüge<br />

dürfen niemals fest eingemauert sein; sie ruhen entweder<br />

auf einem Mauerabsatz oder auf Kragsteinen, damit bei Feuersbrünsten<br />

infolge Äbstürzens der Balken das Mauerwerk nicht<br />

auseinandergewuchtet wird. Beispiele: Überlingen a. See,<br />

St. Nikolausmünster, Südtumi (Text-Abb. 3) und Wien<br />

Karl-Borromäus-Kirehe (Text-Abb. 4).<br />

Bei zweitürmigen Kirchen ist , der Ölockenstuhl der<br />

Gruppe C nicht selten zwischen den Türmen oberhalb des<br />

Dachfirstes vom Hauptschiff eingebaut. Die Glockenstube<br />

tritt dann nach außen prächtig in die Erscheinung. Beispiele:<br />

Straßburg i. Eis., Münster, Braunschweig, Katharinenkirche,<br />

Andreaskirehe und Dom.<br />

4* Endlich muß der Glockenstuhl genügende Standfestigkeit<br />

besitzen; d. h. die Mittelkraft aus dem Eigengewicht des<br />

Gerüstes und der durch die Glockenschwingung hervorgerufenen<br />

Kräfte muß genügend innerhalb der Grundfläche des<br />

Gerüstes auftreffen. Diese ist also möglichst groß zu gestalten<br />

, insbesondere ihre Ausdehnung in der Schwingungsrichtung.<br />

Die wesentiicheti Bestandteile des Glockenstuhls sind<br />

zwei oder mehrere lotrecht aufgestellte „Stuhlwände",<br />

zwischen denen Öie Glocken schwingend sieh bewegen können.<br />

Letztere sind an einer querlaufenden, auf den Stuhlwandrähmen<br />

oder „Holmen" oder aber zwischen den Stuhlwandpfosten<br />

auf deren Verstärkungen lagernden Welle aufgehängt.<br />

Außerhalb der Schwungbahn sind jene Stuhlwände<br />

unter sich durch Verstrebungen und Längshölzer versteift<br />

und verbunden.<br />

Der Baustoff ist meistens Eichenholz, im Schwarzwaldgebiet<br />

und in Ostpreußen naturgemäß FOhrenholz; in Oberbayern<br />

hat man auch Rotlärchenholz verwendet. Während<br />

mau im Mittelalter nur behaueues Holz verarbeitete, ging<br />

man später dazu Über, die Balken aus den Stämmen herauszusagen,<br />

wobei aber eher tragfähige Fasern zerschnitten<br />

werden.<br />

Die Zeitbestimmung für die Errichtung alter Glockenstühle<br />

ist oft schwierig. Inschriften linden sich selten. Anhaltspunkte<br />

geben vielfach Mitteilungen über das Alter des<br />

Turmbaues oder der Glocken, besonders aber Ähnlichkeit oder<br />

Übereinstimmung im Aufbaugedanken mit bereits zeitlich bestimmten<br />

Glockenstühlen. Für dietJntersuöhung und zeitliche<br />

Einordnung war letzteres hauptsächlich entscheidend.

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