San Giorgio in Velabro – Heiliger Georg - michael-buhlmann.de
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Ausgangspunkt <strong>de</strong>r kultischen Reliquien- und Heiligenverehrung, Heiligenviten und <strong>–</strong><br />
legen<strong>de</strong>n e<strong>in</strong> Medium <strong>de</strong>r Verkündigung christlichen Glaubens und christlicher Tradition, e<strong>in</strong>e<br />
Auffor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>n Heiligen nachzuahmen. Der Heilige wird <strong>–</strong> se<strong>in</strong>er Vermittlerrolle entsprechend<br />
<strong>–</strong> <strong>de</strong>r Schutzpatron von Menschen, gesellschaftlichen Gruppen, kirchlichen Bauwerken.<br />
Das Kirchenpatroz<strong>in</strong>ium ist <strong>de</strong>r an e<strong>in</strong>er Kirche o<strong>de</strong>r an e<strong>in</strong>em Kloster anhängen<strong>de</strong> Name<br />
e<strong>in</strong>es Heiligen. Von <strong>de</strong>m Heiligen, zu <strong>de</strong>ssen Ehre e<strong>in</strong>e Kirche bestimmt ist, erhofft sich<br />
das Gotteshaus Schutz und Vermittlung. 29<br />
Die christliche Religion im Mittelalter ist ohne die Verehrung von Heiligen nicht <strong>de</strong>nkbar. Um<br />
<strong>Georg</strong>, <strong>de</strong>n angeblich am 23. April 303 verstorbenen Märtyrer <strong>de</strong>r diokletianischen Christenverfolgung<br />
ranken sich so e<strong>in</strong>e Vielzahl von Legen<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen e<strong>in</strong>ige <strong>–</strong> wie die vom Drachenkampf<br />
<strong>–</strong> erst im Verlauf <strong>de</strong>s Mittelalters entstan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d. 30 <strong>Georg</strong> soll aus Kappadokien<br />
stammen und stand im Militärdienst <strong>de</strong>s römischen Reiches und se<strong>in</strong>er Kaiser. Wie bekannt,<br />
hatte damals dieses, das Mittelmeer umspannen<strong>de</strong> Weltreich gera<strong>de</strong> die Krisen <strong>de</strong>s 3. nachchristlichen<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts überwun<strong>de</strong>n. Unter Kaiser Diokletian (284-305) und se<strong>in</strong>en bis zu<br />
drei Mitregenten trat e<strong>in</strong>e politische, wirtschaftliche und nicht zuletzt militärische Konsolidierung<br />
e<strong>in</strong>, die Grundlage spätantiker Geschichte und Kultur wer<strong>de</strong>n sollte. Das Reich war im<br />
Wan<strong>de</strong>l, am besten sichtbar am Vordr<strong>in</strong>gen <strong>de</strong>r christlichen Religion <strong>in</strong> alle Bereiche römisch-griechischen<br />
Lebens. Schon längst hatte <strong>de</strong>r Glauben an Christus unter <strong>de</strong>n römischen<br />
Legionären Verbreitung gefun<strong>de</strong>n. Der Kappadokier <strong>Georg</strong> war Soldat und Christ wie<br />
viele an<strong>de</strong>re auch; ja sogar e<strong>in</strong>e ganze Legion <strong>–</strong> die thebäische <strong>–</strong> soll späterer legen<strong>de</strong>nhafter<br />
Ausschmückung zufolge christlich gewesen se<strong>in</strong>. Doch gehörte das Christentum zu ke<strong>in</strong>er<br />
<strong>de</strong>r (zunächst) von Kaisern und Staat anerkannten Religionen. Der Christenverfolgung<br />
unter Diokletian und se<strong>in</strong>en Mitkaisern (303-311) 31 soll <strong>de</strong>nn auch <strong>Georg</strong> aus Kappadokien<br />
zum Opfer gefallen se<strong>in</strong>: <strong>Georg</strong> wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stadt Lydda (Diospolis, heute: Lod) <strong>in</strong> Paläst<strong>in</strong>a<br />
(o<strong>de</strong>r Diospolis <strong>in</strong> Nikomedien) angeklagt, gefoltert und schließlich enthauptet. 32<br />
Wie immer wir die Geschichtlichkeit dieser Ursprungslegen<strong>de</strong> vom Soldatenheiligen <strong>Georg</strong><br />
<strong>in</strong>terpretieren mögen <strong>–</strong> gera<strong>de</strong> im Mittelalter erfuhren die Taten und Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s (Erz-) Märtyrers<br />
vielfach Abwandlungen und Ergänzungen. Die älteste, noch als apokryph (nicht anerkannt)<br />
angesehene <strong>Georg</strong>slegen<strong>de</strong> stammt aus <strong>de</strong>m östlich-byzant<strong>in</strong>ischen Christentum <strong>de</strong>s<br />
Vor<strong>de</strong>ren Orients und Konstant<strong>in</strong>opels. Doch fand schon im 6. Jahrhun<strong>de</strong>rt die Verehrung<br />
<strong>de</strong>s heiligen Märtyrers <strong>Georg</strong> E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong>s westliche Christentum <strong>de</strong>s merow<strong>in</strong>gischen Frankenreichs.<br />
Ab <strong>de</strong>m 9. Jahrhun<strong>de</strong>rt s<strong>in</strong>d dann im Westen late<strong>in</strong>ische <strong>Georg</strong>slegen<strong>de</strong>n überliefert;<br />
e<strong>in</strong>e althoch<strong>de</strong>utsche Fassung stammt wohl ursprünglich vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 9. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
und f<strong>in</strong><strong>de</strong>t sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Abschrift <strong>de</strong>s beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong>n 11. Jahrhun<strong>de</strong>rts <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>lberger<br />
Handschrift von Werken <strong>de</strong>s Mönches Otfrid von Weißenburg (*ca.800-†n.870), <strong>de</strong>s ersten<br />
namentlich bekannten <strong>de</strong>utschsprachigen (Evangelien-) Dichters. 33 Weitere Variationen und<br />
29<br />
Heilige, Heiligenverehrung: DINZELBACHER, P., BAUER, D.R. (Hg.), Heiligenverehrung <strong>in</strong> Geschichte und Gegenwart, Ostfil<strong>de</strong>rn<br />
1990 mit <strong>de</strong>n Aufsätzen: GRAUS, F., Mittelalterliche Heiligenverehrung als sozialgeschichtliches Phänomen, S.86-102,<br />
DINZELBACHER, P., Die „Realpräsenz“ <strong>de</strong>r Heiligen <strong>in</strong> ihren Reliquiaren und Gräbern nach mittelalterlichen Quellen, S.115-174,<br />
KÖHLER, J., Die mittelalterliche Legen<strong>de</strong> als Medium <strong>de</strong>r Verkündigung, S.175-200; DORN, J., Beiträge zur Patroz<strong>in</strong>ienkun<strong>de</strong>, <strong>in</strong>:<br />
AKG 13 (1917), S.9-49, 220-255; Heilige, bearb. v. A. VAUCHEZ u.a., <strong>in</strong>: LexMA 4, Sp.2014-2020; Reliquien, bearb. v. A.<br />
ANGENENDT u.a., <strong>in</strong>: LexMA 7, Sp.702ff; ZIMMERMANN, G., Patroz<strong>in</strong>ienwahl und Frömmigkeitswan<strong>de</strong>l im Mittelalter, 1958-1959,<br />
Ndr Bamberg 1994.<br />
30<br />
<strong>Heiliger</strong> <strong>Georg</strong>: <strong>Georg</strong>, <strong>in</strong>: LCI 6; <strong>Georg</strong>, <strong>in</strong>: LexMA 4; <strong>Georg</strong>, <strong>in</strong>: Lexikon <strong>de</strong>r Heiligen; DORN, Patroz<strong>in</strong>ienkun<strong>de</strong>, S.231f;<br />
KREFTING, A., St. Michael und St. <strong>Georg</strong> <strong>in</strong> ihren geistesgeschichtlichen Beziehungen (= Deutsche Arbeiten an <strong>de</strong>r Universität<br />
Köln, Nr.14), Jena 1937.<br />
31<br />
Römische Geschichte, geschichtliches Umfeld <strong>Georg</strong>s: DEMANDT, A., Geschichte <strong>de</strong>r Spätantike. Das Römische Reich von<br />
Diocletian bis Just<strong>in</strong>ian, München 1998, S.30-43, 408ff.<br />
32<br />
<strong>Georg</strong>, <strong>in</strong>: LexMA 4.<br />
33<br />
HAUBRICHS, W., Die Kultur <strong>de</strong>r Abtei Prüm zur Karol<strong>in</strong>gerzeit. Studien zur Heimat <strong>de</strong>s althoch<strong>de</strong>utschen <strong>Georg</strong>slie<strong>de</strong>s (= RA<br />
Michael Buhlmann, Hil<strong>de</strong>gard von B<strong>in</strong>gen, St. <strong>Georg</strong>en und Krauftal 9