kein Platz für Handwerker - Nord-Handwerk
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j<br />
AUSBAU<br />
2014<br />
Titel<br />
S-BAHN<br />
Die Kunden entscheiden,<br />
wo das <strong>Handwerk</strong> ist<br />
Die Innenstädte erleben eine Renaissance. Dies ist einerseits eine positive Entwicklung.<br />
Andererseits entstehen problematische Nebeneffekte. Verdrängung und Konzentration<br />
höhlen das Konzept vom integrierten Standort, vom Nebeneinander von Wohnen und<br />
Arbeiten zunehmend aus. Wo ist der Ort des <strong>Handwerk</strong>s in der modernen Stadt?<br />
„Vor drei Jahren war ich noch nicht<br />
so weit. Jetzt gehe ich nicht mehr<br />
einfach so“, sagt Tobias Trapp. Das klingt<br />
entschlossen und ist es auch. Trapp ist Vorsitzender<br />
des Vereins Kolbenhof e. V aus<br />
Hamburg Ottensen. Der Verein ist ein Zusammenschluss<br />
von 26 kleineren Betrieben,<br />
die sich <strong>für</strong> den Erhalt des gleichnamigen<br />
Gewerbehofs, ihres Standorts, einsetzen.<br />
Vor zweieinhalb Jahren sind sie hier eingezogen<br />
mit einem auf drei Jahre befristeten<br />
Mietvertrag. Ende des Jahres laufen die Verträge<br />
aus. Sie sollen nicht verlängert werden.<br />
Der Eigentümer, die Düsseldorfer Rüstungsschmiede<br />
Rheinmetall, will das Areal „einer<br />
anderweitigen Nutzung zuführen“.<br />
Für die meisten Kolbenhof-Mieter ist<br />
das ein Déjà-vu-Erlebnis. Viele haben Variationen<br />
der immer gleichen Geschichte<br />
im Gepäck. Der alte Standort ging verloren,<br />
weil private Investoren seit Jahren<br />
viel stärker auf Wohnungsbau setzen als<br />
auf den Erhalt von Gewerbe in den Bezirken.<br />
Wohnraum ist in Hamburg wie<br />
in den meisten Metropolen knapp, die<br />
Renditeerwartungen entsprechend hoch.<br />
Trapp selbst musste mit seiner Werkstatt,<br />
der Motorrad Selbsthilfe Altona, Ende<br />
2010 dem neuen Fernsehstudio von Markus<br />
Lanz weichen – und ein paar schicken<br />
Eigentumswohnungen. Innerhalb von drei<br />
Monaten, der gesetzlichen Kündigungsfrist,<br />
galt es, einen neuen Standort zu finden.<br />
Wochenlang suchte er ohne Erfolg. Auch<br />
die Einschaltung eines Maklers brachte<br />
nichts. Im Stadtgebiet sind die Mieten<br />
Foto: Meyer-Lüttge (3), Kolbenhof e. V. (2), Imago<br />
„horrend hoch“. Die Stadt verlassen kam<br />
nicht in Frage, weil die Firma die Nähe<br />
zur zweiradbegeisterten Stammkundschaft<br />
braucht. „Der Kolbenhof war damals die<br />
Rettung“, erzählt der Unternehmer.<br />
Hamburg Ottensen ist schwer angesagt.<br />
Bis in die 1980er Jahre hinein noch ein<br />
Arbeiterviertel, Heimstadt <strong>für</strong> Weltverbesserer,<br />
Künstler, überhaupt <strong>für</strong> die alternative<br />
Szene, gehört der Stadtteil heute zu den<br />
teuersten Quartieren in der Hansestadt.<br />
Die hohen Mieten verdrängen die alteingesessene<br />
Bevölkerung und die inhabergeführten<br />
Betriebe. Ihre Standorte besetzen<br />
die großen Filialisten: ATU und Baizak,<br />
Aldi und H&M. Im Laufe der Zeit verliert<br />
der Stadtteil seinen gewachsenen unverwechselbaren<br />
Charakter. Experten nennen<br />
diese Entwicklung Gentrifizierung.<br />
Die gemeinsame Betroffenheit garantiert<br />
dem Kolbenhof eine breite Unterstützung<br />
durch die Bevölkerung. Unterstützung erhält<br />
der Verein auch aus dem zuständigen<br />
Bezirksamt Altona. „In der letzten Konsequenz<br />
aber kann die Politik wenig tun“,<br />
sagt Tobias Trapp. „Der Kolbenhof gehört<br />
nicht der Stadt, sondern einem privaten<br />
Eigentümer. Zwar kann die Bezirksversammlung<br />
sich der <strong>für</strong> die Wohnbebauung<br />
notwendigen Änderung des Bebauungsplans<br />
<strong>für</strong> das ehemalige Industriegelände<br />
verweigern. Das heißt aber nicht, dass wir<br />
dann hier neue Mietverträge bekommen.<br />
Im schlimmsten Fall zieht Rheinmetall einen<br />
Zaun um das Gelände und wir stehen<br />
davor. Dann ist hier Dunkeltuten.“<br />
h i k<br />
KOLBENHOF<br />
„Wir sind <strong>kein</strong>e Krawallmacher“, sagt Tobias<br />
Trapp, Vorsitzender des Vereins Kolbenhof<br />
e. V. Um das zu unterstreichen, ließ der Verein<br />
einen Bebauungsplan <strong>für</strong> die integrierte<br />
Nutzung der Industriefläche in Ottensen<br />
entwickeln. Immerhin: nach einjährigem<br />
Schweigen hat sich Rheinmetall erstmals<br />
mit dem Kolbenhof-Vorstand zum Gespräch<br />
getroffen. „In die Sache könnte jetzt Bewegung<br />
kommen“, hofft Trapp vorsichtig.<br />
Vom Schmuddelkind zum Szeneviertel<br />
Wer die Gentrifizierung und ihre Folgen<br />
studieren will, findet in Hamburg wahrscheinlich<br />
<strong>kein</strong>en geeigneteren Ort als das<br />
Schanzenviertel. Innerhalb von 20 Jahren<br />
verwandelte sich das Quartier vom<br />
Schmuddelkind zum hippen Szeneviertel.<br />
„Früher hatten wir hier viel Multikulti<br />
im positiven Sinne, viele kleine Geschäfte<br />
und Betriebe“, erzählt Norbert Stenzel.<br />
Gemeinsam mit seiner Frau Barbara<br />
betreibt er das Café Stenzel. Es liegt am<br />
Schulterblatt in unmittelbarer Nähe zur<br />
„Roten Flora“. Das bundesweit bekannte<br />
autonome Zentrum fehlt in <strong>kein</strong>em Reiseführer.<br />
„Diese Buntheit geht allmählich<br />
verloren. Viele kleine Läden sind verschwunden,<br />
weil sie die massiven Mietsteigerungen<br />
nicht mehr tragen konnten.<br />
Mit viel Qualität und ein wenig<br />
Glück Herausforderungen meistern.<br />
Konditor Norbert Stenzel aus dem<br />
Hamburger Schanzenviertel<br />
mit Sohn Philipp.<br />
Haupteingang<br />
Parkplatz<br />
Zufahrt<br />
FRIEDENSALLEE<br />
Neue Einheiten:<br />
21 Einheiten zwischen<br />
200 und 400 m²<br />
5500 m²<br />
Gesamt:<br />
45 Einheiten mit 15.500 m2<br />
Da<strong>für</strong> kamen die Ketten und Supermärkte.“<br />
Die Besserverdienenden ziehen in die<br />
aufwendig sanierten Altbauten und Scharen<br />
von Touristen tagsüber durch die Straßen.<br />
Nachts wird an vielen Ecken gefeiert. Bis<br />
morgens um vier.<br />
So sehr Stenzel auch die Entwicklung<br />
bedauert, seinem Café hat sie nicht geschadet.<br />
Ins Traditionscafé kommt nach wie vor<br />
jedermann. Die Touristen, Plagegeister <strong>für</strong><br />
manchen Alteingesessenen, sorgen <strong>für</strong> zusätzlichen<br />
Umsatz. Nicht einmal als auf der<br />
anderen Straßenseite die „Back-Factory“<br />
eine Filiale eröffnet hat, mussten sich Stenzels<br />
Gedanken machen.<br />
„Wahrscheinlich liegt das daran, dass<br />
wir gute Produkte anbieten“, sagt Norbert<br />
Stenzel. Und großes Glück mit ihrem<br />
Vermieter hätten sie auch gehabt. Als<br />
der 2008 das Haus komplett sanierte, hat<br />
er alle Wohnungen zu Sozialwohnungen<br />
gemacht – im Schanzenviertel äußerst ungewöhnlich.<br />
„Wir sind außerdem eines der<br />
ganz wenigen Geschäfte, die einen langfristigen<br />
Mietvertrag haben. Das gibt viel<br />
Sicherheit“, so der Konditormeister. >><br />
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