Julia Kospach Im Land der unbegreiflichen Hunde Die grosse „Sitting Bull“-Ausstellung des Wiener Museums für Völkerkunde Sitting Bull Georg W. Scott oder R. L. Kelly Fotografie, 1883 © Denver Public Library, Denver Sitting Bull mit Kruzifix David F. Barry, Fotografie, 1885 © Denver Public Library, Denver 72 A 4 Magazin für Aussereuropäische Kunst und Kultur
Gleich im ersten Raum der Ausstellung zeigen über Kopf frei hängende, vergrösserte Schwarz-Weiss-Fotografien die vielen Gesichter von „Sitting Bull“: einmal im vollen Federschmuck- Ornat der Sioux, dann als Bekehrungskandidat mit um den Hals hängendem Kruzifix, einmal mit dunkel getönter Sonnenbrille, ein anderes Mal in Revue-Star-Pose im Duo mit dem nicht minder berühmten Buffalo Bill, in dessen Wild-West-Show „Sitting Bull“ einige Monate lang auftrat. Die Bilder zeigen einen selbstbewussten, schönen Mann mit hohen Backenknochen, einer grossen Nase und entschlossenem schmalen Mund. Dass es überhaupt so viele Fotografien von ihm, einem Menschen des 19. Jahrhunderts, gibt, das allein zeugt von seiner Bekanntheit schon zu Lebzeiten. Sitting Bull und Buffalo Bill William Notman & Son, Fotografie, 1885 © Library of Congress, Washington Die Fragen zu „Sitting Bull“, die die grosse Schau im Wiener Völkerkundemuseum stellt, formuliert eine Tafel in unmittelbarer Nähe der Fotos: Wer war dieser legendäre Indianer? War er ein Freiheitsheld oder ein Feigling, ein Querkopf oder genialer Stratege, Fortschrittsfeind oder Opfer, heiliger Mann oder Aufrührer, grosser Häuptling oder Störenfried, Visionär oder Medienstar? Es ist nicht so, dass diese grosse „Sitting Bull“-Ausstellung die aufgeworfenen Fragen endgültig beantwortete, und es ist auch nicht so, dass „Sitting Bull“ ihr alleiniger Fokus wäre. Sein Leben und seine Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen den jungen USA und den Indianern, die jahrtausendelang die Herren über jene Landschaften gewesen waren, in die nun immer mehr weisse Siedler strömten, steht symptomatisch für das Schicksal der nordamerikanischen Indianervölker. Sie verloren den Kampf gegen eine Übermacht, die mit unlauteren Mitteln arbeitete. „Sitting Bull“ gehörte – wie der Apache Geronimo – zu jenen, die erbitterten Widerstand leisteten, die erst dämonisiert und gefürchtet wurden, um schliesslich vom „American Way of Life“ integriert und zum Mythos gemacht zu werden. Ironischerweise als erstklassige Träger von Tugenden, die die USA nunmehr für sich reklamierten: Einsatz fürs eigene Volk, Mut und Kühnheit, Opferbereitschaft, Liebe zum Land der Väter, Familiensinn und Spiritualität. Als solcher schaffte „Sitting Bull“ vor allem posthum den Sprung zur Medien-Ikone – als Werbeträger für Plakatwerbungen, als Urvater aller alternativen Lebensentwürfe und als Leitfigur des wieder erstarkenden Selbstbewusstseins der eingeborenen Völker Nordamerikas ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Konterfei auf T-Shirts und Schallplatten stellt ihn in eine Reihe mit den anderen grossen Ikonen des Jahrhunderts – von Che Guevara bis Albert Einstein. Auch davon erzählt die Schau in einem ganzen Raum voller Sitting-Bull- Baseballkappen, -Wanduhren, -Memorabilien sowie politischer Plakate und Flugblätter. Vor allem aber dokumentiert sie die traditionelle Lebenswelt der Sioux zu Lebzeiten von „Sitting Bull“ und zeigt sie im vorurteilsbeladenen Spiegel der medialen Darstellung in der zeitgenössischen US-amerikanischen Presse. <strong>Der</strong> grosse Häuptling der Hunkpapa Lakota, die einer der sieben unter der französischen Bezeichnung Sioux zusammengefassten Indianerstämme der zentralen Plains waren, lebte von 1831 bis 1890. Es sind die Jahrzehnte, in denen die Indianervölker Nordamerikas die kontinuierliche Verdrängung und die Zerstörung ihrer traditionellen Lebensformen erlebten, um schliesslich in immer kleineren Reservationen weitab vom angestammten Land ihrer Vorfahren zusammengezwungen zu werden. Es sind auch die Magazin für Aussereuropäische Kunst und Kultur A 4 73
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