Der Kongo-Fluss
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Ordens, Guang Seng, erbaut. Hier treffen sich an hohen Feiertagen<br />
Tausende, die Guanyin anbeten und Hilfe erflehen. Die Anlage<br />
ist Zeugnis eines Zeitgeistes, der sich weit entfernt hat von den<br />
ursprünglichen Tugenden der Bescheidenheit. Hier manifestieren<br />
sich Prunk und Herrlichkeit, die die Anlage zu einer Attraktion<br />
werden lassen. Tausende von Statuen, aus wertvollstem Material<br />
gefertigt, säumen einen zentralen Turm, der weit über die<br />
Gebäude der vorstädtischen Umgebung ragt. Im Inneren brennen<br />
Tausende Kerzen und Räucherstäbchen, sie erfüllen die Räume mit<br />
beissendem Rauch. Hunderte Glocken erklingen, angeschlagen<br />
von den Gläubigen, die um grosse Springbrunnen ihre Runden<br />
ziehen. Diesen Tempel zu besuchen, ist ein Fest für die Sinne. <strong>Der</strong><br />
westliche Betrachter wird sich möglicherweise die Frage stellen,<br />
ob die buddhistische Gegenwartskunst in ferner Zukunft die<br />
gleiche Bewunderung finden wird wie die der Vergangenheit. Auch<br />
wenn man die formalen Aspekte der Devotionalien und der zur<br />
Verehrung bestimmten Monumente losgelöst von den religiösen<br />
Bestimmungen sehen würde, müsste die Feststellung Platz greifen:<br />
Bei aller handwerklichen Perfektion ist das Ergebnis reiner Kitsch.<br />
Diese Entwicklung trifft nicht nur auf die buddhistische Kunst<br />
zu, sie ist ein weltweites Phänomen innerhalb der Religionen. Es<br />
könnte aber auch sein, dass wir vor dem Hintergrund unseres<br />
Zeitgeistes die Formensprache derer, die die Massen erreichen<br />
wollen, nicht mehr verstehen. Die Geschichte wird diese Frage<br />
beantworten.<br />
Miao Shan und der Duftende Berg<br />
Diese Erzählung wurde im Jahre 1164 vom Historiker Lung-Hsing<br />
einer buddhistischen Chronik entnommen. Daraus geht hervor,<br />
dass der von 596 bis 667 u. Z. lebende Tao-Hsüan von einem Engel<br />
Folgendes erzählt bekam:<br />
Vor langer Zeit herrschte ein König namens Miao Chuang Yen.<br />
Seine Gemahlin Pao Ying gebar ihm drei Töchter; die älteste hiess<br />
Miao Yen, jene mittleren Alters Miao Yin und die jüngste Miao<br />
Shan. Als sie Miao Shan empfangen hatte, waren seltsame Dinge<br />
geschehen. Sie hatte geträumt, den Mond verschluckt zu haben,<br />
und als sie erwacht war, hatte es Blüten geregnet. Bei der Geburt<br />
Miao Shans füllte sich die Atmosphäre mit himmlischen Düften<br />
und liebliche Musik erklang allerorts. Als das Kind den Schoss<br />
seiner Mutter verlassen hatte, staunten die Anwesenden. Das<br />
Kind war so sauber und frisch, dass man es nicht mehr zu waschen<br />
brauchte. Sein Körper war mit farbigen Wolken bedeckt.<br />
Die Kunde von der Geburt einer Heiligen sprach sich schnell<br />
Magazin für Aussereuropäische Kunst und Kultur A 4 85